Texaner-Treck - U.H. Wilken - E-Book

Texaner-Treck E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

U. H. Wilken war einer der ganz großen Autoren, die den Western prägten und entscheidend zum Erfolg dieses Genres beitrugen. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. U. H. Wilken ist zugleich einer der bestinformierten Autoren und kennt sich genau in der Historie des Wilden Westens aus. Was er schreibt, lässt sich hautnah belegen. Ein Meister seines Fachs, der mit Leidenschaft und Herzblut die großen Geschichten nachzeichnet, die sich in der Gründerzeit ereigneten. »Hol euch der Teufel!« Callengher hörte den Vater wutentbrannt brüllen. Draußen krachten Schüsse, gellten Schreie. Die wilde Horde tobte um das Ranchhaus. Callenghers Vater stürmte zur Tür und trat sie auf. Blei schlug herein. Japsend warf sich der alte Rancher hin und riss die Henry hoch. Zum Zielen blieb kaum Zeit. Blindlings drückte er ab und repetierte. »Dad«, schrie Callengher, »weg von der Tür …« Kugeln zertrümmerten die Fenster, prasselten in den dunklen Raum. Callengher duckte sich, blickte zum anderen Fenster und sah, wie sich Jimmy Jonas auf die Knie warf. Draußen dröhnten unbeschlagene Hufe, stoben Reiter mit flatternden langen Haaren über den Hof. Mündungsfeuer flammten wie Gewitterleuchten. Immer wieder wieherten Pferde. Fluchend rollte sich Callenghers Vater zur Seite und stieß gegen die Tür. Durchdringend kreischten die zundertrockenen Türangeln. Wieder schoss der Rancher. Callengher ruckte hoch, hob die Volcanic Rifle und feuerte.

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U.H. Wilken – 4 –

Texaner-Treck

U.H. Wilken

»Hol euch der Teufel!«

Callengher hörte den Vater wutentbrannt brüllen.

Draußen krachten Schüsse, gellten Schreie.

Die wilde Horde tobte um das Ranchhaus.

Callenghers Vater stürmte zur Tür und trat sie auf. Blei schlug herein. Japsend warf sich der alte Rancher hin und riss die Henry hoch. Zum Zielen blieb kaum Zeit. Blindlings drückte er ab und repetierte.

»Dad«, schrie Callengher, »weg von der Tür …«

Kugeln zertrümmerten die Fenster, prasselten in den dunklen Raum. Callengher duckte sich, blickte zum anderen Fenster und sah, wie sich Jimmy Jonas auf die Knie warf.

Draußen dröhnten unbeschlagene Hufe, stoben Reiter mit flatternden langen Haaren über den Hof.

Mündungsfeuer flammten wie Gewitterleuchten. Immer wieder wieherten Pferde.

Fluchend rollte sich Callenghers Vater zur Seite und stieß gegen die Tür. Durchdringend kreischten die zundertrockenen Türangeln.

Wieder schoss der Rancher.

Callengher ruckte hoch, hob die Volcanic Rifle und feuerte. Blitzschnell repetierte er nach jedem Schuss.

Plötzlich sah Callengher den Anführer der wilden Horde. Aufwallender Staub und Pulverrauch hüllten den unheimlichen Reiter ein. Drohend ragte die riesige Büffelhaube aus den Schwaden.

Callengher schoss, die Kriegshaube platzte auseinander. Wie ein Spuk verschwand der Comanche.

Markerschütternde Schreie überdeckten das Krachen der Schüsse. Krieger sprangen wie schwarze Panther von den gut abgerichteten Mustangs und versuchten, in das Haus einzudringen.

»Dad!«

Geduckt rannte Callengher an Jimmy Jonas vorbei, der zum ersten Mal in seinem jungen Leben dem Tod in die Augen sah und sich verbissen wehrte. Er hielt stand – wie eine Ein-Mann-Bastion.

Callengher erreichte den Vater. Sekundenlang stand er breitbeinig über ihn. Dann packte er ihn an den Schultern und riss ihn sofort von der Tür.

Beide stürzten aus der tödlichen Schussbahn und polterten gegen den alten Röhrenofen. Ruß stiebte auf.

»Was ist, Dad?« rief Callengher besorgt. »Hats dich erwischt?«

»Nein! Meine alten Knochen sind in Ordnung! Ich – die Tür, Call …!«

Jäh stand einer der Angreifer auf der Türschwelle, hob sich von dem Mond ab und stieß einen Schrei aus.

Das Gewehr in seinen Händen richtete sich auf Jimmy Jonas, der deutlich unterhalb des Fensters zu sehen war.

Callengher reagierte kaltblütig. Er war schneller als der Krieger. Sein Schuss trieb den Comanchen auf den Hof zurück.

Fluchend kam Callenghers Vater hoch.

»Die Comanchen sind zähe Teufel! Wir müssen sie vom Haus wegtreiben, Junge!«

Er wollte wieder zur Tür.

Unsanft stieß Callengher den Vater zurück.

»Du bleibst, verdammt! Mach jetzt keine Zicken, Dad! Wir bleiben im Haus, das ist die einzige Chance!«

Doch sein Vater war ein sturer Texaner, der sich nichts sagen ließ. Wütend schwang er die Henry, hielt sie wie einen Knüppel.

Jimmy Jonas ließ sich vom Gerangel zwischen Vater und Sohn ablenken. Nur sekundenlang gab er sich am Fenster eine Blöße und lud dabei das Gewehr nach.

Das genügte dem indianischen Scharfschützen drüben beim Stall.

Getroffen brach Jimmy zusammen, fiel auf Patronenhülsen und Glassplitter.

Der Rancher stand wie erstarrt.

Callengher warf sich herum und lief zu Jimmy Jonas.

Draußen wurde es schlagartig still.

Nirgendwo rieben die weichen Sohlen hochgeschnürter Mokassinstiefel durch den abgekühlten Sand.

Raschelnd bewegten sich die Vorhänge im schwachen Wind. Glassplitter fielen aus den zertrümmerten Fensterscheiben.

Dann hörte Callengher das dumpfe Pochen, das sich mehr und mehr entfernte. Das konnten nur trappelnde Hufe sein.

Die Comanchen zogen sich zurück …

Jimmy stöhnte.

Sofort kniete Callengher neben den Jüngling nieder und tastete nach der Wunde.

Hinten im Raum atmete Callenghers Vater schwer, stapfte an die Tür und blickte vorsichtig auf den Hof.

»Sie sind weg«, sagte er, immer noch höchst argwöhnisch und entschlossen zum Kampf. »Noch nicht mal die paar Rinder haben sie mitgenommen …«

»Vergiss die verdammten Rinder! Jimmy hats erwischt!«

Mit erdhaft schweren Schritten näherte sich der alte Texaner dem jungen Ranchhelfer. Gebeugt blieb er stehen und stützte sich auf die Henry. Mondschein fiel durch das Fenster und auf sein zerfurchtes Gesicht. Rasselnd atmete er ein.

»Schwer?« fragte er mit brüchig klingender Stimme.

»Weiß ich noch nicht. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen, Dad. Ohne Doc hat er keine Chance, fürchte ich.«

»Woher sollen wir jetzt ’nen Arzt bekommen, Junge?«

Callengher blickte ernst auf.

»Das weißt du so gut wie ich. Von den Yankees!«

»Nein!« Der Rancher bäumte sich auf. »Niemals hol ich ’nen Doc von diesen Hundesöhnen! Kein Yankee kommt mir auf den Hof!«

»Auch nicht ein Arzt, Dad? Es geht um Jimmy! Die Yankees holen sich die Ranch sowieso – die Rinder, das Futter, die Vorräte. Und ein paar Pferde! Es ist vorbei mit Texas, Dad!«

»Ich will davon nichts hören, klar? Hilf du dem Jungen – du kannst das! Du warst Sergeant. Danach warst du ’ne Zeit drüben in Mexiko. Da hast du viel gelernt. Du schaffst es, Callengher! Mach dich dran, Junge – ich geh kurz mal raus.«

»Hilf mir erst mal, Jimmy auf das Bett zu legen.«

»Glaub nur nicht, mir ist der Junge gleichgültig«, schnaufte der Vater, während er gemeinsam mit Callengher den Bewusstlosen in den Nebenraum trug. »Ich hab’ Jimmy ebenso gern wie dich. Und ich weiß, dass du ihn wieder auf die Beine bekommst, auch ohne Yankeedoc!« Grollend fügte er hinzu: »Auch ein Yankeedoc ist für mich ein Feind.«

Behutsam legten sie Jimmy auf das Bett. Callengher zog sein Messer und trennte die Hemdbrust des Jungen auf.

»Die Kugel hat die Schulter durchschlagen, Dad. Ich muss die Wunde mit Whisky reinigen und verbinden, dann hört die Blutung auf – hoffentlich. Bring mir die Flasche, Dad.«

Der Vater holte sie und wandte sich ab.

»Die Comanchen haben noch nicht aufgegeben, Dad. Sie haben sich nur zurückgezogen. Ich nehme an, dass Kavallerie sie verscheucht hat, wahrscheinlich eine Schwadron Nordstaatler. Davon ziehen jetzt Hunderte durch Texas.«

Der Vater nickte nur, ging in den Wohnraum und klemmte sich die Henry und Jimmys Gewehr unter den Arm.

Langsam verließ er das Haus.

Er wußte, dass dieser Überfall erst der Anfang war. Bald würde die Hölle über die kleine Ranch kommen.

Der Bürgerkrieg war vorbei, doch es gab keinen wirklichen Frieden. Die Nordstaatler fielen in Texas ein, plünderten, ließen das Land immer mehr ausbluten.

Auf dem Hof lag fast ein Dutzend Comanchen, aber unter den Toten war der Anführer der Mordbande nicht zu finden. Tafoya hatte es mal wieder geschafft, dem Tod zu entgehen. Teile der zertrümmerten Büffelhaube lagen verstreut zwischen den Toten.

Drüben im weiten Stangenkorral murrten die Longhorns. Unruhig drängten sich im großen Stall die Pferde.

Lautlos wie riesige schwarze Schwingen huschten die Schatten herantreibender Wolken über das weite Land. Der Himmel bezog sich immer mehr, die Nacht umgab die Ranch mit einem grauen Mantel.

Irgendwo klagten Kojoten.

Im Schlafraum des Ranchhauses flackerten Talglichter.

Callengher wollte Jimmy Jonas durchbringen. Das war sein Ziel, sodass er alles um sich herum vergaß.

Draußen wachte der Vater.

Plötzlich begann es zu regnen, erst schwach, dass es kaum zu spüren war. Es war ein feuchter Hauch, der sich belebend auf das raue Gesicht des Ranchers legte.

Regen!

Er bedeutete Rettung für die Rinder, für das dürstende Land!

*

Im Morgengrauen kam Kavallerie.

Phantomgleich tauchten die Soldaten in rauchgeschwärzten Uniformen auf. Im rasselnden Trab näherten sie sich in Doppelreihe der Ranch.

Das unbeirrbare Heranrücken der Schwadron verriet dem Rancher, dass sein Besitz das Ziel der Kavallerie war.

Der Anblick der Nordstaatler ließ den alten Texaner wie einen bissigen Kettenhund knurren. Callenghers Vater hatte für die Yankees nichts übrig.

Was war das für eine Zeit der Schmach und Erniedrigung! Die Yankees kamen als Eroberer und belegten jeden Rancher und Farmer mit Zwangsabgaben. Sie machten stolze Männer bettelarm und krank an der Seele.

Mit krächzender Stimme rief der Rancher nach dem Sohn. Für ihn war der längst über fünfunddreißig Jahre alte Callengher noch immer ein Junge. Der Alte mochte es manchmal nicht wahrhaben, dass der einzige Sohn längst ein besonnener Mann war. An diesem grauen Morgen warnte er den Sohn und riet ihm, im Haus zu bleiben.

Das tat Callengher auch.

Er handelte nicht überstürzt. Noch einmal tastete er prüfend über den dicken Schulterverband und betrachtete forschend Jimmy Jonas’ blasses Gesicht.

Dann langte er nach der Volcanic, verließ den Schlafraum und trat an den hohen schmalen Schrank im Wohnraum, holte Munition und stopfte sie in die ausgebeulte Tasche seiner langen Lederjacke.

Hufgetrappel und das Rasseln von Säbeln und Zaumzeug drang durch den Dunst. Die Schwadron passierte gerade den Korral, und der Offizier zeigte kurz auf die Longhorns und machte eine Bemerkung.

Plötzlich wieherten einige Pferde, zu heftig am Zügel genommen. Stimmen tönten über den Hof. Männer riefen sich zu. Flüche schallten bis ins Haus.

Die Reiter schwärmten fächerförmig aus, trieben die Pferde um Hof und Haus und hielten ihre Karabiner bereit.

Callengher verharrte an der Tür. Von draußen war er nicht zu sehen. Er hielt dem Vater den Rücken frei.

Die Sicht war denkbar schlecht. Der Offizier, der vor dem Rancher das Pferd passierte, war ein schlanker junger Mann. Callengher erkannte erst auf den zweiten Blick die Rangabzeichen. Der Lieutenant konnte vom Krieg nicht allzu viel mitbekommen haben.

»Wer hat die Comanchen getötet, Alter?«

Hell und scharf tönte die Stimme des Lieutenants über den Hof. Überall verhielten die Reiter auf stampfenden und prustenden Pferden. Die Unruhe der Soldaten übertrug sich auf die Pferde.

Callengher sah den Yankees an, dass sie nicht mit Comanchen gerechnet hatten, schon gar nicht mit Toten.

Er hörte den Vater bissig antworten: »Ich hab sie umgelegt, wer sonst! Zusammen mit meinem jungen Ranch-Helfer – aber den hats erwischt. Er liegt im Haus. Ich hab’ ihn gerade verbunden. Was wollen Sie, Lieutenant? Suchen Sie die Comanchen? Die sind längst weg. Ihre Schwadron hat sie verscheucht.«

Der Offizier ging nicht darauf ein. Er hatte anderes im Sinn. Vielleicht war seine Frage nur ein Vorwand, eine Erklärung dafür, dass er auf die Ranch gekommen war.

»Ist hier ein Treck vorbeigekommen? Mit fünf, sechs Planwagen, Rindern und einigen Reitern?«

»Ich hab’ nichts davon gesehen.« Verächtlich spuckte der Rancher in den regenfeuchten Staub. »Das müssen Verrückte sein. Welcher vernünftige Mann trailt durch dieses Land, das der Comanche Tafoya terrorisiert?«

Der Lieutenant zog die Augenbrauen zusammen. Kalt blickte er den Texasrancher an.

»Nicht Verrückte, Alter! Das sind Feiglinge! Südstaatler, die sich vor unseren Truppen verkriechen! Ihre Angst ist so groß, dass sie sich sogar ins Comanchenland wagen!«

Callengher befürchtete einen Zornausbruch seines Vaters, doch der eingefleischte Texaner bewahrte Ruhe.

»Mit Feiglingen will ich nichts zu schaffen haben. Ich kümmer mich nicht um Trecks, Lieutenant.«

»Wenn du schlau bist …« Der Offizier blickte umher. »Wir nehmen die Rinder mit, Alter! Unsere Männer brauchen Frischfleisch. Dieses verdammte ›carne sico‹ ist kaum zu verdauen!« Durchdringend starrte er den Rancher an. »Irgendwelche Einwände, Alter?«

»Ja!« schnappte Callenghers Vater und zog die knochigen Schultern an. »Das ist blanker Hohn! Überall in Texas steht Frischfleisch herum. Die Longhorns haben sich während der Kriegsjahre wild vermehrt. Überall weiden sie herrenlos – am Pecos und Red River, in der Brasada und im Bandera-Land. Und ihr wollt mir meine paar Rinder wegnehmen!«

»So ist es.« Der Offizier lächelte kühl. »Du wirst uns auch Proviant geben, dazu Futter und Tabak, wenn du hast.«

Da wich Callenghers Vater steif bis an die Tür zurück.

»Ihr seid in der Überzahl, aber in dieses Haus kommt ihr nur über meine Leiche!«

»Ich muss dich belehren, Alter. Texas wurde als fünfter Militärbezirk unter Kriegsrecht gestellt. General Sheridan hat das Oberkommando. Militärkommandeur ist General Reynolds. Ich führe den Befehl des zuständigen Kommissars aus. Colonel Bloods Befehl ist für mich bindend. Als Lieutenant hab’ ich zu gehorchen.«

»Hört sich gut an«, höhnte der Rancher. »Und weiter? Soll ich vor Colonel Blood niederknien, he?«

»Dir wird nichts übrig bleiben, Alter.« Der Lieutenant hüstelte in den Regendunst. »Überleg dir, ob du noch ein paar Jährchen leben willst. Ich komme wieder – schon bald. Erst mal muss ich diesen Flüchtlingstreck aufstöbern.« Lächelnd fügte er nach einer kurzen Pause hinzu: »Säubere die Rinder, Alter – es regnet ja. Ich will keine stinkenden Longhorns nach San Angelo treiben. Der Colonel hat ’ne empfindliche Nase.«

Scharf zog er das Pferd herum und ritt vom Hof. Die Kavalleristen schlossen auf und folgten in Doppelreihe. Im Trab verschwanden sie hinter der Dunstwand.

Grollend machte der Rancher kehrt.

Callengher stand in der Tür und nahm die Volcanic herunter.

»Das war kein leeres Gerede, Vater«, sagte er besänftigend. »Dieser Lieutenant sieht das alles aus der Sicht der Nordstaatler. Er wird wiederkommen, verlass dich drauf. Ich bring Jimmy weg.«

»Wohin?«

»In Sicherheit.«

»Die gibts nirgendwo mehr, mein Junge!«

»Doch, weit weg. Du solltest mitkommen. Gib die Ranch auf. Irgendwann wirds besser in Texas. Dann kommen wir zurück und machen weiter.«

»Nein, mein Junge.« Wehmütig blickte Callenghers Vater auf den verschwommen aus dem Dunst ragenden Hügel, wo wilde Blumen ein Grab bedeckten. »Dann bin ich schon bei ihr, verstehst du? Ja, reite und bring Jimmy an einen sicheren Ort. Ich komm nicht mit nach Mexiko.«

»Wir könnten uns diesem Treck anschließen, Dad.«

»Ich geh nicht weg von Mutters Grab, Junge. Du aber solltest dich beeilen. Ich trau diesem aufgeblasenen Yankee-Lieutenant nicht. Dem gehts nicht um die Rinder! Der will ganz was anderes.«

»Yea – und du weißt genau, was er will. Also kommt mit!«

»Nein, zum Teufel!«

*

Es regnete seit Stunden.

Hufe trappelten näher. Gemächlich kam der alte Texas-Rancher aus dem Regendunst geritten. Das Pferde machte einen Bogen um die toten Comanchen.

Vor dem Stall rutschte Callenghers Vater vom Pferd und nahm es am Zügel.

Knarrend schwang das Stalltor auf. Gebeugt, die Henry unter dem Arm, trat der Rancher ein. Überrascht blieb er stehen.

»Du bist immer noch hier?« Seine Stimme klang verärgert. »Es genügt doch, wenn einer von uns die Stellung hält! Du könntest mit Jimmy längst nach Süden unterwegs sein.«

Callengher nickte. Er hatte ähnliche Worte erwartet. Es war nicht leicht, mit dem Vater klarzukommen.

»Jimmy hält im Sattel nicht durch, Vater. Darum hab ich den Wagen repariert.«

Der Vater knurrte vor sich hin und lockerte die Sattelgurte. Mit einem Ruck wandte er sich Callengher wieder zu und blickte ihn fast argwöhnisch an.

»Hältst du mich für ’nen Idioten? Ich kenn dich lange genug, mein Junge. Ich weiß, was in deinem Kopf vorgeht. Du willst deinen Alten nicht im Stich lassen. Aber das ist Unsinn. Bring Jimmy nach Mexiko. In ein paar Tagen bist du zurück. Diese verdammten Yankees zwingen mich nicht so schnell in die Knie! Dies ist mein Land …«

Hufschlag ließ ihn verstummen.

Callengher langte sofort zur Volcanic, glitt zum Tor und lehnte sich hart an die Bretterwand.

Sechs Reiter kamen. Zunächst sah Callengher nur ihre Umrisse. Sie hielten drüben vor dem Ranchhaus.

Es waren Soldaten.

»Was wollen diese Hurensöhne schon wieder?« raunte der Rancher.

Callengher lächelte kühl.

»Am besten, du fragst sie, Dad. Beeil dich, sie dürfen nicht ins Haus – da liegen meine Sachen! Laß sie nicht zu Jimmy! Der Junge hat Fieber und verrät sich womöglich.«

Der Vater winkte ab und verließ den Stall. Mit wiegenden Schritten überquerte er den Hof und stapfte durch die Pfütze.

Das Geräusch ließ die Blauröcke in den Sätteln herumfahren. Waffen richteten sich auf den Rancher. Sekundenlang schwebte er in Lebensgefahr.

Langsam senkten die Soldaten die Army Colts.

»Habt ihr hier was vergessen?« knurrte Callenghers Vater, während er unbeeindruckt um den kleinen Trupp bog und an die Haustür trat.

»Nein.« Der Corporal warf einen kurzen Blick auf die abseits im Regendunst weidenden Longhorns. »Lieutenant Hatkins schickt mich. Wir sind auf Comanchenspuren gestoßen. Ponyspuren. Keine Eisen an den Hufen.«