The Fake Deal - Daniela Felbermayr - E-Book

The Fake Deal E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Beziehung? Nein Danke! Das ist das Mantra von Gloria Gellar, promovierte Psychologin und Briefkastentante beim Sparkle-Magazine. Ihren Leserinnen zu raten, unglückselige Beziehungen zu beenden, damit hat Gloria überhaupt keine Probleme, bis eines Tages der attraktive Staatsanwalt Ryan in der Redaktion auftaucht und ihr die Hölle heiß macht. Immerhin hat Gloria auch seiner Verlobten Linda zur Trennung geraten. Ryan möchte Linda unbedingt zurückgewinnen und überredet Gloria, ihm dabei behilflich zu sein, ohne dass sie ahnt, auf welch turbulente Angelegenheit sie sich dabei einlässt. Aus Ryan und Gloria werden schnell Freunde und plötzlich beginnt Gloria, über ihre ablehnende Haltung Beziehungen gegenüber ernsthaft nachzudenken. Doch der verliebte Ryan hat nur Augen für seine Linda…oder?

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The Fake Deal

DANIELA FELBERMAYR

Copyright © 2022 Daniela Felbermayr

2. Auflage, 2022

1. Auflage als “Dear Robin – Auf Irrwegen ins Herz” 2014

Text & Titel: Daniela Felbermayr

Cover: unter der Verwendung von Shutterstock und Canva

All rights reserved.

www.danielafelbermayr.com

[email protected]

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen aus diesem Roman sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit oder Bezüge zu real existieren Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch vorkommen, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Ryan

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Prolog

Liebe Linda,

vielen Dank für Deinen Brief. Ich kann Deine Emotionen gut nachvollziehen und verstehe, wie es Dir in dieser Situation gehen muss. Du stehst am Scheideweg Deines Lebens und musst Dich für eine Richtung entscheiden. Wir alle haben uns schon einmal in einer solchen Situation befunden und mussten uns darüber klar werden, wie unser wir unser Leben weiterlenken werden. Manchmal war unsere Entscheidung die Richtige, manchmal war sie es leider nicht. Du schreibst, dass Du mit Ryan zusammen bist, seit Du auf dem College warst und dass Du gedacht hast, er wäre deine große Liebe. Hast Du dir – allein mit diesem Satz – Deine Frage, ob Du ihn heiraten sollst, nicht längst alleine beantwortet? Du DACHTEST, er wäre Deine große Liebe? Weißt Du Linda, Menschen verändern sich mit der Zeit. Sie entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen und übersehen dadurch nur zu oft, dass sie vielleicht gar nicht mehr zueinander passen. Ich bin mir bewusst, dass es ein enormer Schritt ist, eine Verlobung zu lösen, wenn die Beziehung – eigentlich – in Ordnung ist und damit auch gleichzeitig eine Bindung aufzuknoten, die fast ein Jahrzehnt Bestand hatte. Aber ich bin mir auch sicher, dass Du, wenn Du die Zeit der Veränderung, der Neuorientierung und des Neuanfangs hinter Dir hast, froh sein wirst, alte Fesseln gelöst, und längst überfälligen Ballast abgeworfen zu haben. Wag ihn – diesen besonderen Schritt. Du bist wichtig, es geht um Deine Zukunft. Lass Dich von keiner Ehe knebeln, die Du nicht zu 100 Prozent führen möchtest.

Ich wünsche Dir alles Liebe und bin mir sicher, Du wirst die richtige Entscheidung treffen,

Gloria

KapitelEins

Hey Gloria, hier sind wieder eine ganze Menge Briefe für dich“, sagte Ashley Woods, die Empfangsdame von Moore Media, als Gloria Gellar an diesem sonnigen Donnerstagmorgen die Stufen hinunter ins Foyer kam und dort die Briefe entgegennahm, die sie im Laufe der nächsten Tage beantworten wollte. Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen und Gloria war voller Tatendrang. Sie war vierunddreißig Jahre alt und arbeitete als „Briefkastentante“ bei „Sparkle“, einem Lifestylemagazin für Frauen zwischen zwanzig und fünfzig in Manhattan, das der „Moore“-Gruppe angehörte.

Eigentlich hatte sie ihren Psychologieabschluss in Princeton bereits vor zwölf Jahren gemacht und der Job als Kummerkastentante beim damals gerade aufstrebenden „Sparkle“ sollte eigentlich nur eine Übergangslösung sein, so lange, bis Gloria wusste, in welchen Zweig der Psychologie sie einsteigen wollte. Bis ihr klar war, ob sie eine eigene Praxis eröffnen oder doch lieber Mitglied in einer Gemeinschaftspraxis werden sollte, oder ob sie überhaupt lieber als Psychologin in einem Krankenhaus arbeiten wollte.

Aus einem Job, der für „maximal sechs Monate, allerhöchstens ein Jahr“ in ihren Gedanken angesetzt gewesen war und den sie ganz zu Anfang als Freiberuflerin ausgeübt hatte, war nun eine Festanstellung von mittlerweile elf Jahren geworden, die ein tolles Büro mit Blick auf die City, eine umfassende Krankenversicherung sowie eine Weihnachts- und eine Sommerprämie enthielt. Die schiefen Blicke, die Gloria zumeist von ihren ehemaligen Kommilitoninnen erntete, wenn sie von ihrem Job erzählte, waren ein verschmerzbarer Preis dafür, dass sie etwas tat, was ihr große Freude bereitete. Denn welche Psychologin hatte schon eine ständig wachsende Fangemeinde, die sie fast verehrte. In ihrem Büro hatte Gloria eine Wand gestaltet, auf der sie Fotos von ehemaligen „Klienten“ sammelte, die diese ihr geschickt hatten, nachdem Gloria sie erfolgreich auf den rechten Weg gebracht oder ihnen einen entscheidenden Ratschlag erteilt hatte. Dort reihten sich Babyfotos neben Hochzeitsbilder, Fotos von Urlauben in Nicaragua pinnten neben Bildern des eigenen Muffinladens und Kinderzeichnungen teilten sich den Platz mit einer schier endlosen Zahl an Gruß- und Dankeskarten.

Gloria mochte ihren Job, obwohl sie manchmal müde belächelt wurde, wenn sie davon erzählte, was sie tat. Vor allem ihre Eltern hatten sich nie so richtig damit anfreunden können, dass ihre einzige Tochter, die mit einem Summa Cum Laude-Abschluss in Princeton promoviert hatte, bei einem Klatschmagazin irgendwelchen Heulsusen dazu riet, den Mann ihrer Träume endlich anzusprechen oder die verdammte Diät doch einfach sein zu lassen und sich so zu lieben, wie man war.

Für Gloria selbst war der Job aber Bestimmung. Sie hatte schon oft darüber nachgedacht, was wohl passiert wäre, wenn sie sich als Psychologin selbstständig gemacht hätte. Vermutlich … nein, ganz sicher sogar hätte sie dadurch mehr Ansehen genossen als die Briefkastentante, die sie jetzt war. Sie hätte möglicherweise viel mehr Geld verdient und in die Tiefen ihres Studiums eintauchen können, während sie sich bei Sparkle zum größten Teil mit Beziehungsproblemen, Troubles im Job oder Streitereien mit der besten Freundin herumschlug. Allerdings war die Resonanz, die von ihren Klienten hier zurückkam um ein Vielfaches größer, freundlicher und liebevoller, als es wohl als Psychologin jemals der Fall gewesen wäre. Sie mochte ihren Job und war rundum zufrieden.

Gloria nahm den Stapel, der aus einem Sammelsurium von kleinen, großen, dünnen, dicken, weißen, bemalten und bunten Kuverts bestand und ging damit hinüber in die „Sun-Lounge“, wie die Mitarbeiter von Sparkle den Wartebereich im Erdgeschoss nannten. Der dort angebaute Wintergarten, der mit leiser Musik beschallt und mit geschmackvollen, dunklen Loungemöbeln eingerichtet war, war Glorias Lieblingsplatz im ganzen Haus. Dort fühlte sie sich immer gleich wohl, egal, ob, so wie jetzt, die Frühlingssonne ihre Strahlen durch die Scheiben schickte und sie angenehm aufwärmte, oder aber sie im Winter in einem der gemütlichen Sessel saß und den Schneeflocken zusah, wie sie vom Himmel taumelten und sich auf den Scheiben hinsetzten. Oft sichtete sie in der Sun-Lounge die Briefe, überflog sie und sortierte, welche davon sie in der nächsten Ausgabe des Magazins beantworten wollte, und welche Ratsuchende eine private Mail von ihr erhielt. Sie legte den Stapel vor sich hin und zog ein orangefarbenes, dickeres Kuvert heraus. Einige Blumen- und Marienkäfer-Sticker waren aufgeklebt worden und in großen Buchstaben stand „Vielen Dank“. Gloria schmunzelte und öffnete das Kuvert.

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie jemand eilig durch den Haupteingang kam. Sie sah kurz auf, als sie einen ziemlich attraktiven Enddreißiger entdeckte, der auf Ashleys Tisch zuhielt. Der Mann war groß und sportlich, trug einen Maßanzug mit schneeweißem Hemd und wirkte nicht wie der typische Leser eines Frauenmagazins. Er hatte kurzes, dunkles Haar und – soweit sie erkennen konnte – blaue Augen, die perfekt zu seinem markanten Gesicht passten. Ein Bild von einem Mann.

Gloria selbst war in keiner Beziehung. Schon zu Collegezeiten hatte sie beschlossen, dass sie sich selbst davor bewahren wollte, emotional von jemandem abhängig zu sein, der praktisch jederzeit die Macht hatte, einen in ein depressives Loch zu stürzen, aus dem man kaum mehr herauskam. Einmal hatte sie den bezeichnenden Spruch „Don’t fall in love. Fall from a bridge – it hurts less” irgendwo gehört und ihn auf gewisse Weise verinnerlicht. Als sie dann den Job bei Sparkle angenommen hatte, hatte sich die Einstellung noch verstärkt. Tagein, tagaus war sie praktisch mit Menschen konfrontiert, die vor den Trümmern ihrer Beziehung standen, alles gegeben hatten und doch verlassen worden waren. Menschen, die nicht mehr weiterwussten und sich allesamt wünschten, den- oder diejenige niemals kennengelernt zu haben.

Es dauerte oft Monate, bis die jeweiligen Klienten, falls sie nicht zu den Glücklichen gehörten, die nach kurzer Zeit ihre Dankbarkeit via bunter Grußkarten kundtaten, wieder zu einem halbwegs normalen Alltagsrhythmus zurückkehrten, und selbst dann waren sie oft für lange Zeit, wenn nicht sogar für den Rest ihres Lebens beeinträchtigt, was Beziehungen anlangte.

Einmal hatte sie bislang eine Beziehung geführt, die man als ernsthaft hätte erachten können, doch ihr Freund, Sean, hatte mir ihr dasselbe Spiel gespielt, wie die meisten Männer es spielten. Sie war nur so lang interessant gewesen bis es zwischen den beiden ernst geworden wäre. Und bevor sie es sich versah, war sie ebenfalls von einer Sekunde zur nächsten ausgetauscht. Als sie nach der Trennung drauf und dran war, selber in ein tiefes Loch zu fallen, hatte sie ein für alle Mal für sich selbst beschlossen, dass sie auf Beziehungen, Liebe und Ehe verzichten konnte. Nein, Beziehungen waren so gar nichts für Gloria Gellar. Kurze, unbedeutende Affären, ja, wenn es sich denn ergab. Kurz aufflammende Leidenschaft, ein paar Schmetterlinge im Bauch und eine gute Zeit, das reichte Gloria schon. Eine feste Beziehung mit der Aussicht auf eine mögliche Ehe – nein danke!

Sie warf noch einmal einen Blick auf den Mann, der gerade eben hereingekommen war und widmete sich dann der Grußkarte von einer Frau namens Anita, der sie dazu geraten hatte, ihren Job als Phonotypistin an den Nagel zu hängen und sich als Schuhdesignerin selbstständig zu machen. Anita hatte mittlerweile zwei Verträge mit Schuhherstellern und einen eigenen, gut gehenden eBay-Shop, der mehr abwarf als das, was sie in ihrem alten Job verdient hatte. Außerdem berichtete sie von über 20.000 Followren auf Instagram und davon, dass eine der Kardashians ihre Schuhe tragen wollte. Als Dankeschön hatte sie der Karte an Gloria einen Gutschein für ein Paar Schuhe aus ihrem Shop beigelegt.

„Ich möchte zu Gloria Gellar“, sagte der Typ am Empfang zu Ashley.

Gloria sah auf, als sie ihren Namen hörte, legte den Schuh-Gutschein zur Seite und musterte den Mann. Sie hatte ihn noch nie gesehen, und er war auch ganz sicher keine ihrer Kurzzeitaffären gewesen. An diesen Kerl hätte sie sich mit Sicherheit erinnert.

Ashley sah den Typen verdutzt an.

„Zu Gloria?“

„Zu dieser Schmierenkomödiantin, die mein Leben zerstört hat“, rief der Mann aufgebracht.

Gloria riss die Augen auf. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in letzter Zeit einen Mann als Klienten gehabt zu haben. Für gewöhnlich waren neunundneunzig Prozent ihrer Klientinnen Frauen. Hin und wieder war schon ein Mann darunter, der mit Glorias Hilfe lernen wollte, die Frauenwelt zu verstehen, aber der Letzte, an den sie sich erinnern konnte, war ein Mann namens Al, der ihr aus Oklahoma geschrieben hatte, sechsundfünfzig Jahre alt war und den seine Frau verlassen hatte, weil sie „Magic Mike“ im Fernsehen gesehen hatte und sich nun einen Typen wie Channing Tatum suchen wollte. Der Kerl da am Empfang sah weder aus, als käme er aus Oklahoma noch, als wäre er sechsundfünfzig.

„Tut mir leid, Miss Gellar ist nicht zu sprechen“, sagte Ashley geistesgegenwärtig, als sie bemerkte, wie aufgebracht der Typ war. Die Empfangsdamen waren instruiert, aufgebrachte Leser möglichst nicht zu den Reportern durchzulassen. „Soweit ich das hier sehe, ist sie noch nicht im Büro. Ich kann ihr gerne ausrichten, Sie zurückzurufen, wenn Sie möchten.”

„Nicht nötig. Ich warte einfach dort drüben“, sagte er, „irgendwann wird sie doch bestimmt Zeit für mich finden.“

Boshaft grinste er Ashley an, die ihren Kopf langsam in Glorias Richtung neigte. Der Typ folgte ihrem Blick und sah Gloria an, die ein Stoßgebet gen Himmel schickte, dass Ashley sie nicht hatte auffliegen lassen. Ganz offensichtlich musste es sich bei dem Typen um einen der Kerle handeln, deren Freundinnen Gloria einst geraten hatte, sich zu trennen. Gut möglich, dass dieses spezielle Exemplar damit nicht klarkam. Der Mann drehte sich um und kam auf die Sunlounge zu. Gloria durfte sich nichts anmerken lassen. Sie würde einfach ihre Briefe aufsammeln und an dem Mann vorbeigehen, ohne großartig aufzufallen, dann war sie in Sicherheit.

„Hey Gloria, wollen wir heute Mittag den Lunch ausfallen lassen und dafür eine Runde im Park joggen gehen?“

Glorias beste Freundin Alison, bei Sparkle zuständig für die Rubrik „Kochen und Genuss“, kam durch den Haupteingang und winkte ihr zu. Seit einigen Wochen hatten die beiden Frauen begonnen, den ein oder anderen Lunch gegen eine Sporteinheit im Park zu tauschen, um ihrer Figur etwas gutes zu tun.

„Klar“, sagte Gloria monoton, wissend, dass die Tarnung, die Ashley ihr aufbauen hatte wollen, soeben in sich zusammengefallen war.

Der Typ drehte sich in Glorias Richtung und kam auf sie zugerast, wie ein außer Kontrolle geratener Zug von Amtrak.

„Sie“, rief er wütend, sodass Alison, die gerade dabei war, die Stufen in den ersten Stock hinaufzulaufen, stehenblieb und Ashley sich ängstlich hinter ihrem Pult zu verstecken schien.

Gloria richtete sich auf. Sie konnte den Typen immer noch nicht einordnen, und obwohl er sie im Augenblick wohl am liebsten umbringen wollte, sah er echt verdammt gut aus. Sie schalt sich, nicht so blöd zu sein. Was hatte das Aussehen dieses Typen damit zu tun, dass er sie augenscheinlich umbringen wollte?

„Kann ich Ihnen helfen?“

Sie lächelte freundlich, versuchte, ihm sachlich gegenüberzutreten und ihm gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, sich überlegen zu fühlen. Sie hatte gelernt, dass sie einem angriffslustigen Gesprächspartner mit Höflichkeit und Selbstbewusstsein einfach den Wind aus den Segeln nehmen musste, um ihn zu beruhigen.

„Ob Sie mir helfen können? Ob Sie mir helfen können? Ich würde sie am liebsten umbringen“, schrie der Mann.

Gloria sah ihn ungerührt an.

„So?“

„Sie haben mein Leben zerstört. Und sitzen hier so selbstgefällig, als wäre es das Normalste auf der Welt, jeden Tag irgendwelchen Fremden beschissene Ratschläge zu geben, die Sie gar nicht kennen. Mischen Sie sich nicht in die Leben anderer ein. Dass Sie sich morgens überhaupt noch im Spiegel ansehen können.“ Verächtlich schüttelte er den Kopf.

Volltreffer! Also wirklich einer dieser Typen, die von ihren Freundinnen wegen eines Ratschlags von Gloria verlassen worden waren.

„Lassen Sie mich raten – Ihre Freundin hat mit Ihnen Schluss gemacht, richtig?“

Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Schon öfters waren verschmähte Liebhaber hier aufgetaucht oder hatten sie angerufen und ihr erklärt, dass sie ihr Leben zerstört hatte und dass sie in der Hölle schmoren solle, weil sie selber einfach zu blind waren, um erkennen zu können, dass eine Trennung das Beste für beide Partner war. Dass sie all die Monate oder gar Jahre nicht darauf geachtet hatten, ihre Beziehung zu retten und jetzt, wo es vorbei war, nach einem Schuldigen suchten.

„Sparen Sie sich dieses dämliche Grinsen“, sagte der Mann bedrohlich, „Sie haben mir alles genommen, was mir wichtig war in meinem Leben.“

„Großer Gott, vielleicht sollten Sie die Dramaqueen mal lieber wegpacken“, sagte Gloria und war genervt. Der Typ wirkte rein äußerlich überhaupt nicht wie ein weinerliches Baby, dessen Welt zusammenbricht, weil eine längst überfällige Trennung endlich herbeigeführt worden war.

„Ich soll die Dramaqueen wegpacken?“, schrie der Typ wie von Sinnen, „wenn ich mich nicht so unter Kontrolle hätte, dann würde ich … ach Herrgott, Sie sind es ja noch nicht einmal wert, dass man sich mit Ihnen abgibt. Sie sind eine eingebildete, selbstgefällige Schmierenkomödiantin und eines Tages werden sie mit Ihrer arroganten Art auf die Schnauze fallen. Sie werden auf die Schnauze fallen und von ihrem hohen Ross heruntersteigen müssen, auf dem sie zu sitzen glauben. Sie mögen zwar glauben, dass sie die Königin der Briefkastentanten sind. Aber lassen Sie sich eins gesagt sein: Sie sind eine ganz kleine, unbedeutende Nummer. Ihre Arbeit ist scheiße und die Ratschläge, die Sie geben, sind scheiße. Sie verdienen Ihr Geld damit, Leben zu zerstören. Dass Sie sich eigentlich noch in den Spiegel sehen können. Ich weiß noch nicht, was ich mit Ihnen machen werde, aber wundern Sie sich nicht, wenn ich Ihr Leben genauso zerstöre, wie Sie meines zerstört haben. Ich habe genug Geld und Macht, um durchzusetzen, dass Sie nicht nur ihren Job hier los sind, sondern in der ganzen Stadt keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, können Sie froh sein, wenn Sie in einem Hinterwäldlerdorf im Mittleren Westen Hot Dogs verkaufen dürfen.“

Er sah sie für einen Augenblick verächtlich an, dann drehte er sich um und verließ wutentbrannt das Gebäude.

Gloria blickte auf und sah auf der Galerie im ersten Stock eine Menge ihrer Kollegen stehen, die neugierig auf sie herabblickten.

„Gloria, großer Gott, ist alles mit dir in Ordnung?“

Alison kam die Stufen heruntergelaufen und setzte sich neben ihre Freundin.

„Klar, alles bestens. Das war nur wiedermal einer dieser Psychos, die nicht damit klarkommen, dass ihre Beziehung am Ende ist und die sich deshalb einen Schuldigen suchen müssen“, sagte sie, obwohl ihr Herz ziemlich klopfte. Noch nie hatte sie einen so wütenden Exfreund vor sich gehabt. Und noch nie einen, der so gut ausgesehen hatte.

„Der hat sich ja ganz schön aufgeführt“, sagte Alison, „weißt du denn, wer seine Exfreundin ist?“

„Ich habe keinen Schimmer. Es sind eine ganze Menge Klientinnen, die mir schreiben, weil sie in unglücklichen Beziehungen stecken, und klar, der einen oder anderen habe ich natürlich dazu geraten, Schluss zu machen. Die meisten von ihnen stecken in so festgefahrenen Gewohnheitskisten, dass sie selber gar nicht bemerken, dass ihre Beziehung längst vorbei ist. Denen einfach jemand Außenstehendes die Augen öffnen muss. Der Freundin von diesem Kerl wohl nur zu Recht. So einen Choleriker im Haus zu haben, muss der Horror sein!“

„Obwohl er richtig heiß ausgesehen hat“, sinnierte Alison.

„Das Aussehen macht einen miesen Charakter auch nicht wett“, entgegnete Gloria, „vermutlich ist er einer der Kerle, die ihre Freundinnen nach Strich und Faden betrügen, nur weil er gut aussieht. Allein schon, dass er damit angegeben hat, soviel Macht zu besitzen, um mein Leben zu zerstören, macht eindem deutlich, aus welchem Holz dieser Typ geschnitzt ist. Bestimmt habe ich seiner Ex geraten, ihm den Laufpass zu geben, nachdem er sie mehrmals betrogen hat, die ihn womöglich in flagranti erwischt hat. Und der gute Herr kommt damit nicht klar, dass einmal nicht alles nach seiner Pfeife tanzt, nur weil er vielleicht nett aussieht und Kohle hat.“

„Meinst du wirklich, dass einer, der seine Freundin nach Strich und Faden betrügt, hier auftauchen und dir die Hölle heiß machen würde? Meinst du nicht, dass er einfach seine sieben Sachen packen und zur nächsten laufen würde? So wie der aussieht, müsste er viele Eisen im Feuer haben, wenn er es darauf anlegt.“

„Vielleicht hat sie ihn ausgehalten“, sagte Gloria unbekümmert, „vielleicht ist sie viel älter als er und sie hatten so eine Art Abkommen. Vielleicht ist es nicht sein Geld, das er erwähnt hat, sondern ihres. Er ist mit ihr zusammen, dafür, dass sie einen attraktiven jungen Lover hat, dem sie das Leben finanziert. Bestimmt, so wird es gewesen sein. Und jetzt ist er sauer, weil sich sein Leben als Toyboy ausgeträumt hat. Was auch bestätigen würde, warum er so austickt. Wenn die Geldgeberin weg ist, und das schöne Leben futsch, dann wundert es mich nicht, dass er so ungehalten reagiert hat.“

Gloria atmete einmal tief durch und fühlte sich schon besser. Sie brauchte sich keine Gedanken mehr wegen dieses Kerls machen. Er war ein Arschloch, dem sie indirekt das Handwerk gelegt hatte. Ein Mistkerl, der Frauen ausnutzte und sie verletzte. Ein Prototyp der Kerle, wegen denen Gloria selbst lieber Single blieb, als sich zu verlieben. Sie zwinkerte Alison zu, nahm ihren Stapel Post und ging dann in ihr Büro.

„Und, schon was gefunden?“

Alison steckte ihren Kopf in Glorias Büro, die gerade dabei war, die Datensätze der vergangenen Monate nach der Frau durchzusehen, der sie geraten haben könnte, den verrückten Kerl aus dem Foyer zu verlassen. Es hatte ihr keine Ruhe gelassen, und obwohl die Chance äußert gering war, herauszufinden, wer diejenige sein konnte, so hatte sie den halben Vormittag damit zugebracht. Die Tatsache, dass sie weder wusste, wie der Typ vom Foyer, noch wie seine Freundin hieß, machte die Sache nicht gerade einfacher.

„Noch nichts, es waren so viele. Und im Prinzip könnte es jede von ihnen sein. Ich habe mehrere gefunden, die davon erzählt haben, dass sie glauben, ihr Freund betrüge sie. Einige haben ihre Kerle sogar in flagranti erwischt. Er ist mit Sicherheit einer von denen. Aber welcher genau – keinen Schimmer.“

„Vielleicht solltest du die Sache auf sich beruhen lassen. Ashley hat mir erzählt, dass der Typ nicht mehr hereingelassen wird, sollte er nochmals auftauchen. Und vermutlich wird er das ohnehin nicht tun. Er hat seinem Ärger Luft gemacht, vielleicht hat er das gebraucht.“

„Gut möglich“, antwortete Gloria und klickte die Datei mit den Briefen der letzten Monate weg. „Und jetzt lass uns essen gehen. Nach diesem Vormittag brauche unbedingt etwas mit vielen Kalorien.”

KapitelZwei

Es war kurz nach sieben, als Gloria an diesem Abend nach Hause kam. Sie hatte ein hübsches Häuschen in einer netten Wohngegend auf Long Island gemietet, in dem sie sich pudelwohl fühlte. Sie fischte gerade ihren Schlüssel aus der Handtasche, als sie bemerkte, dass auf der kleinen Bank auf ihrer Veranda jemand saß. Wer konnte das sein?

Vielleicht wieder die alte Mrs. Ecclestone von gegenüber, die sich selbst auf einen Tee einlud, ihr den neuesten Klatsch der Nachbarn erzählte und ihr mal wieder eine Million Babyfotos von ihren Urenkeln unter die Nase hielt, von denen alle gleich aussahen? Nein, Mrs. Ecclestone war eine kleine, zierliche Frau mit vielleicht höchstens hundert Pfund. Die Person auf ihrer Veranda sah eher aus wie Herkules. Groß, hünenhaft, düster … ein Massenmörder oder ein Einbrecher vielleicht? Klar – die warteten neuerdings auf den Terrassen ihrer Opfer, um gleich mit durch die Vordertür kommen zu können und sich nicht erst gewaltsam Zutritt verschaffen zu müssen.

„Hallo“, rief sie aus sicherer Entfernung, bereit, umzudrehen, davonzulaufen und gleichzeitig mit dem Handy die Polizei zu rufen. Tausend Gedanken blitzten durch ihren Kopf. Zum Beispiel jener, dass ihre Mutter ihr schon so oft dazu geraten hatte, Pfefferspray oder zumindest einen dieser überlauten, das Trommelfell zerstörende Taschenalarme einzupacken. In Gedanken ging sie einige Selbstverteidigungsgriffe durch, die Alison ihr einmal erklärt hatte, weil sie – sehr auf Sicherheit bedacht – einen Selbstverteidigungskurs gemacht hatte. Sie erinnerte sich an keinen Einzigen von ihnen und war sich auch gar nicht sicher, ob sie es schaffen würde, jemanden körperlich anzugreifen.

Die Gestalt auf der Veranda stand von der Bank auf.

„Hallo“, sagte eine Männerstimme.

Gloria ging ein, zwei Schritte näher, immer noch in höchster Alarmbereitschaft. Wer sich da oben befand, konnte sie nach wie vor nicht erkennen. Es fühlte sich seltsam an, dass ein Fremder dort auf ihrer Terrasse stand.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Die Gestalt kam noch einen weiteren Schritt näher und stand nun im Licht von Glorias Verandabeleuchtung.

„Das können Sie“, sagte der Mann.

Glorias Kinnlade klappte hinunter. Der Kerl, der da auf ihrer Veranda stand, war niemand Geringerer als der Verrückte, der ihr heute Morgen im Büro die Hölle heiß gemacht hatte. Der verschmähte Romeo.

„Was wollen Sie hier? Wie haben Sie mich gefunden. Ist Ihnen klar, dass Sie gerade Hausfriedensbruch begehen? Ich werde die Cops rufen!“

Der Mann kam die Veranda herunter und Gloria spürte einen Anflug von Angst in sich aufsteigen. Schon heute Morgen war der Typ ziemlich verrückt rübergekommen. Was, wenn er sich jetzt „richtig“ dafür rächen wollte, dass sie seiner Exfreundin dazu geraten hatten, die Beziehung zu beenden? In der Redaktion wäre das nicht möglich gewesen. Viel zu viele Zeugen. Aber hier draußen auf Long Island, in einer Straße, in der vermehrt Senioren lebten, die um diese Uhrzeit längst ihre Gardinen zugezogen und den Fernseher auf voller Lautstärke angemacht hatten. Viele von ihnen schwerhörig, sodass sie Hilfeschreie oder gar einen Schuss nicht wirklich hören würden.

„Sie sollten nicht näherkommen. Ich hab hier drin eine Waffe“, log sie und hielt ihre Handtasche wie einen Schild vor sich.

Der Typ bewegte sich unbeeindruckt auf sie zu.

„Haben Sie nicht“, sagte er und Gloria stellte fest, dass seine Stimme ziemlich angenehm, tief und maskulin klang, wenn er einen nicht gerade anbrüllte und einem dabei erklärte, wie unzulänglich man doch war. Sie kam sich idiotisch vor. Der Typ würde sie in den nächsten Minuten womöglich ermorden und sie fand den Klang seiner Stimme toll.

„Sie sind Demokratin und gegen die NRA. Sie halten nichts von Schusswaffen und haben noch nie eine in der Hand gehalten.“

Entgeistert sah Gloria den Typen an. Er hatte völlig recht.

„Sie sollten solche Dinge nicht auf Instagram posten, wenn Sie nicht möchten, dass sie jemand weiß“, sagte er amüsiert, er als er ihren schockierten Blick bemerkte.

„Meine Adresse steht aber nicht auf Instagram“, sagte Gloria.

Der Typ war ihr unheimlich. Dennoch rührte sie sich nicht vom Fleck. Wenn er sie tatsächlich umbringen wollte, dann würde sie zumindest nicht als Feigling sterben.

„Das stimmt, aber als Staatsanwalt hat man die eine oder andere Möglichkeit, an eine Adresse zu kommen“, sagte er.

„Sie sind Staatsanwalt?“

Gloria riss die Augen auf. Wenn der Typ wirklich Staatsanwalt war, dann würde es rein gar nichts bringen, wenn sie die 911 rief. Vermutlich hatte er auf jedem Polizeirevier seine Leutchen sitzen, die ihm den Rücken stärkten und ihm ein Alibi geben würden, selbst, wenn er loszog und die Verrückte kalt machte, die seine Beziehung zerstört hatte. Ein Staatsanwalt. Damit hätte Gloria nicht gerechnet. Der Typ war vor ihr zum Stehen gekommen und unter anderen Umständen hätte sie vermutlich ein Kribbeln im Bauch verspürt. Er war wirklich unglaublich attraktiv und seine Ausstrahlung zog sie fast magisch an.

„Ja. Und keine Panik, ich bin nicht hier, um sie umzubringen“, sagte er nun lächelnd, während Gloria bemerkte, dass sich rund um seine Augen Fältchen bildeten, „aber sie müssen mir helfen.“

„Helfen?“

„Ja. Sie haben Linda dazu gebracht, die Verlobung mit mir zu lösen. Wir waren ein Paar, seit wir auf dem College waren. Sie ist meine erste, einzige und große Liebe. Sie müssen sie dazu bringen, wieder zu mir zurückzukommen.“

Gloria fiel es wie Schuppen von den Augen. Linda. Sie konnte sich an eine Linda erinnern, mit der sie über mehrere Wochen hinweg gemailt hatte. Linda hatte ihr erzählt, dass sie dreiunddreißig Jahre alt, und seit dem College mit Rick … Ronny … nein, Ryan zusammen war. Sie waren verlobt und wollten heiraten, nur beschlichen sie jetzt immer mehr Zweifel. Sie wusste nicht, ob ihr das Leben, das sie mit Ryan führte, ausreichte, um es für immer zu leben. Außerdem hatte sie wieder Kontakt zu einem anderen Typen vom College, den sie sehr nett fand, einem Mann, der scheinbar immer noch etwas für sie empfand und sie wiedersehen wollte.

Alles in allem war Linda der Prototyp einer Frau, die mitten im Leben stand und doch noch einmal das Ruder herumreißen wollte. Natürlich liebte sie Ryan, aber zu einhundert Prozent sicher, dass er der Richtige für sie war und dass sie ihn heiraten wollte, war sie längst nicht mehr. Gloria und sie hatten sich darüber unterhalten, wie die Beziehung zu Anfang gewesen war, und wie sie jetzt lief. Sie hatte versucht, mit Linda ihre Gefühlswelt zu analysieren, und bald hatte sie herausgefunden, dass es eigentlich Lindas Wunsch war, noch einmal von vorne durchzustarten. Ohne Ryan und ohne die Sicherheit, die er ihr bot, aber dafür mit einer Menge neuer Optionen.

„Und was denken Sie, dass ich machen soll? Wenn ich ihr geraten habe, die Beziehung zu beenden, dann hatte das bestimmt seine Gründe.“

Der Typ sah sie jetzt wieder etwas bedrohlicher an.

„Nein hatte es nicht. Wir hatten ein wunderbares, perfektes Leben. Wir wollten ein Haus kaufen, der Termin für die Hochzeit stand schon fest und die Einladungen waren verschickt. Ich weiß nicht, was sie ihr gesagt haben, aber sie hat mich von einem Tag auf den anderen verlassen. Meinte, es wäre besser für uns beide, und dass sie sich von Fesseln lösen müsse, sich nicht knebeln lassen dürfe.“

„Hören Sie …“, sie machte eine Pause, weil sie nicht sicher war, ob sein Name tatsächlich Ryan war.

„Ryan“, bestätigte er, „Ryan Walker.“

„Hören Sie, Ryan. Wenn ich Linda geraten habe, die Beziehung zu beenden, und sie das tatsächlich getan hat, dann lag das nicht alleine an meinem Rat. Linda hatte ihre Gründe, schon allein deshalb hat sie mich ja kontaktiert. Meinen sie, sie wäre auf mich zugekommen, wenn alles in bester Ordnung gewesen wäre? Wenn sie Schmetterlinge im Bauch, und nicht die geringsten Zweifel gehabt hätte, dass diese Ehe gelingt? Sie hat sich wahrscheinlich schon Wochenm bevor sich mich kontaktiert hat, damit auseinandergesetzt, sich den Kopf zermartert und eine Entscheidung getroffen, die sie selbst für das Beste hielt. Ich habe ihr dabei nur soweit zur Seite gestanden, wie mir das als Außenstehende möglich war.“

Verständnislos sah Ryan sie an.

Gloria konnte sich jetzt wieder ganz genau an Lindas E-Mails erinnern. Sie hatte ihr geschrieben, dass sie sich schon seit längerer Zeit in der Beziehung seltsam fühle, dass irgendetwas ihr sagte, dass das für sie noch nicht alles gewesen sein dürfe. Sie hatte selbst mit sich gehadert, Linda zur Trennung zu raten, gerade weil sie und Ryan schon so lange ein Paar waren und weil man Beziehungen, die so lange Bestand hatten, nicht einfach so beendete. Außerdem war nichts Bestimmtes vorgefallen, was Gloria dazu bewogen hätte, ihr zu raten, sich zu trennen. Linda sagte, dass Ryan sie liebte, ihr nie weh getan oder sie hintergangen hatte. Doch all die Puzzleteile, die Linda ihr in Form von Informationen zuwarf, ergaben zusammen ein großes Ganzes – nämlich, dass eine Trennung die beste Lösung war, selbst wenn die Beziehung selbst noch nicht am Ende war.

„Ich glaube, ich kann mich wieder erinnern, wer ihre … Exfreundin war“, sagte Gloria und sah den Hünen vor ihr an, der ihren Blick erwartungsvoll erwiderte.

„Wissen sie, sie hat mir viel aus ihrer Beziehung erzählt, und sie sagte mir, dass sie das Gefühl hat, einen Fehler zu begehen, wenn sie sie heiratet.“

„Einen Fehler? Das hat Linda sicherlich NIE gesagt. Das wächst auf ihrem Mist“, rief Ryan und klang neuerlich ungehalten.

„Ich weiß, dass es nicht einfach ist, solche Dinge zu akzeptieren“, sagte Gloria, „aber …“

„Bitte“, sagte er jetzt und Gloria erkannte eine Träne in seinem Augenwinkel.

Oh nein, nicht heulen. Bitte nicht, dachte sie bei sich, wenn dieser 1.85 Meter Riese hier jetzt mitten auf der Straße zu heulen anfängt, pack ich das nicht.

„Linda war das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ohne sie macht alles keinen Sinn. Ich will doch nur eine zweite Chance, ich will keine Garantie. Ich möchte ihr nur zeigen, dass ich alles für sie tun würde.“

„Manchmal ist es aber nicht gut, alles für jemanden zu tun. Wollen Sie diese Beziehung etwa gegen Lindas Willen aufrecht erhalten?“

„Alles, was ich will, ist eine zweite Chance“, wiederholte Ryan abermals, diesmal etwas bestimmter, „ich lasse mich nicht einfach so abspeisen, nur weil eine Briefkastentante ihr geraten hat, mich abzuservieren. Ich liebe sie. Von ganzem Herzen. Und weil sie die Sache verbockt haben, werden sie mir jetzt auch dabei helfen, Linda zurückzugewinnen.“

„Wow, du hast ihr echt eine Mail geschickt, in der du deine Nachricht revidiert hast?“

Alison sah Gloria am nächsten Morgen an, als hätte sie soeben erklärt, dass sie sich von einem Ort an den nächsten beamen könnte.

„Mein Gott, so ein Ereignis ist das nun auch wieder nicht.“

„Ist es wohl. Du hast deine Meinung bislang noch nie revidiert. Noch nie. Gib’s zu, das lag an dem süßen Typen, Ryan, richtig?“

„Es hätte doch gut möglich sein können, dass ich mich geirrt habe. Um ehrlich zu sein, habe ich seinerzeit ziemlich mit mir gehadert, ihr tatsächlich zu dieser Trennung zu raten. Da war nichts, was man Ryan hätte zur Last legen können. Linda hat von ihm erzählt, wie vom perfekten Gentleman. Er muss einer dieser Jackpot-Typen sein, die offensichtlich nichts Negatives an sich haben. Die beiden haben sich einfach nur auseinandergelebt. Vielleicht ist Linda jemand, der zur Hysterie neigt. Der Dinge einfach überzeichnet darstellt und überzeichnet sieht. Und mal ehrlich, wer hat vor seiner Eheschließung nicht noch einmal darüber nachgedacht, nicht doch alles hinzuwerfen und von vorne anzufangen. Diese Gedanken sind ganz normal, bevor man etwas so einschneindenes tut, wie heiraten. Ich habe ihr geschrieben, dass sie die Sache noch einmal überdenken und alle Für und Wider abwägen soll. Erst danach kann sie zu einhundert Prozent eine Entscheidung treffen.“

„Und das war's? Dann hat er Ruhe gegeben?“

„Ja. Er hat sich bedankt und ist seines Weges gezogen.“

„Denkst du, dass sie wieder zusammenkommen?“

„Ich weiß es nicht. Ryan sagte, Linda sei oftmals wankelmütig und beeinflussbar, möglicherweise haben ihr Freundinnen dazu geraten, sich von ihm zu trennen. Naja, und dieser Typ vom College, der plötzlich wieder aufgetaucht ist, hat die Sache wohl noch zusätzlich verstärkt, klar. Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass viele Menschen, kurz bevor sie vor den Traualtar treten, ihre ganze Beziehung noch einmal infrage stellen. Meine Sicht der Dinge hat dann wohl den Ausschlag gegeben. Er meinte, wenn ich meine Meinung nun revidiere, könnte sie das dazu veranlassen, auch ihre Meinung zu ändern.“

„Aber irgendwie verrückt, oder? Ich meine, wer will schon mit jemandem zusammen sein, der nicht zu hundert Prozent hinter der Beziehung steht?“

„Du hast recht, genau das habe ich ihm auch gesagt. Er meinte, er würde nur eine zweite Chance wollen. Eine Chance, ihr beweisen zu können, dass er wohl der Richtige für sie ist. Dass er hinterher akzeptiert, wie immer sie sich auch entscheidet. Du hättest diesen Typen sehen sollen. Er hatte tatsächlich Tränen in den Augen und mich fast angebettelt, ihm zu helfen. Vielleicht kapiert er's, wenn sie ihm einen neuen Korb gibt.“

KapitelDrei

Er kapierte es nicht. Als Gloria an diesem Abend nach Hause kam, fand sie Ryan erneut auf ihrer Veranda vor.

„Lassen sie mich raten: Sie hat sie mit offenen Armen zurückgenommen und nun wollen Sie mich zu ihrer Hochzeit einladen“, scherzte sie, wusste aber, dass Ryan nur aus einem einzigen Grund zurückgekommen sein konnte.

„Es hat nichts gebracht“, sagte Ryan zerknirscht und nahm ihr die Einkaufstüte ab, die sie in der rechten Hand hatte. Gloria sah ihn aufmerksam an. Er war ein netter Kerl. Attraktiv, höflich, hatte Manieren. Noch nie hatte ihr jemand die Einkaufstüte abgenommen. Ganz im Gegenteil, der Typ, mit dem sie zuletzt „zusammen“ war, hatte sie oftmals zwei, drei Tüten allein schleppen lassen, während er ganz cool mit dem Autoschlüssel vorweg ging. Aber das waren alles keine richtigen Beziehungen, sondern nur Kurzzeitaffären – solche Kerle mussten keine Gentlemen sein, solange sie im Schlafzimmer taten, was von ihnen erwartet wurde.

„Woher wollen sie das wissen“, sagte Gloria, während sie ihren Mantel in der Diele aufhängte. Ryan folgte ihr in die Küche und stellte die Tüte ab. „Ich habe die Mail doch erst gestern Abend abgeschickt. Vielleicht hat sie sie noch nicht einmal gelesen. Und selbst wenn – das ist eine große Sache. Da braucht man die eine oder andere Minute, sie sich durch den Kopf gehen zu lassen.”

„Ich habe sie angerufen. Ich habe ihr erzählt, dass ich mit Ihnen gesprochen habe und Sie ihre Meinung geändert haben und dass Sie ihr das auch via Mail mitgeteilt haben. Allerdings ging der Schuss wohl nach hinten los.“

Gloria sah Ryan an.

„Großer Gott, Ryan, bitte sagen Sie mir, dass Sie das nicht getan haben. Sie haben ihr tatsächlich gesagt, dass Sie mit mir geredet und mich dazu gebracht haben, meine Meinung zu ändern?“

„Linda und ich hatten nie Geheimnisse voreinander“, sagte Ryan.

„Das heißt, der Zug ist abgefahren und Sie akzeptieren Lindas Entscheidung?“, fragte Gloria, während sie ihre Einkäufe verstaute.

„Natürlich nicht“, rief Ryan voller Inbrunst, „ich werde für Linda kämpfen, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, sie zurückzubekommen.“

„Sagten Sie gestern nicht, Sie würden Lindas Entscheidung akzeptieren, egal, wie sie ausfällt?”

„Aber nicht so. Ich hatte gar keine faire Chance, für sie zu kämpfen. Diese Mail … war ein Fehler.”

„Aber Ryan, finden Sie nicht, dass man Menschen manchmal einfach ziehen lassen muss? Manchmal … passt man einfach nicht zueinander.“

„Sie waren noch niemals verliebt, was?“, fragte Ryan nahezu zynisch.

---ENDE DER LESEPROBE---