Thriller Quartett 4035 - 4 Krimis in einem Band - Franklin Donovan - E-Book

Thriller Quartett 4035 - 4 Krimis in einem Band E-Book

Franklin Donovan

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian und der Cop mit der Schlange (Franklin Donovan) Bount Reiniger und die Pillen vom Kaliber 45 (Earl Warren) Bount Reiniger und die Nacht der langen Messer (Earl Warren) Bount REiniger und der Mord im Transamerika-Express (Earl Warren) Die drei Maskierten tauchten plötzlich im Gang auf, während die fünftausend Kilowatt starke AMTRAC-E-Lok durch die Berglandschaft von Montana donnerte. Strumpfmasken bedeckten die Gesichter der Gangster, Es war zwei Uhr früh. In einer Stunde sollte Billings, Montana, erreicht werden, die nächste Station auf dem Weg des Transamerika-Express von Seattle nach Chicago. Der Anführer des Trios deutete auf das Personenabteil, dessen Tür offen stand. Ein gleichmäßiges gedämpftes Schnarchen drang aus dem Abteil. Um diese Zeit schliefen die meisten im Zug. Ein böses Grinsen verzog das Gesicht des ungemein breitschultrigen Anführers. Ein knapper Wink, und er und seine Leute setzten Gasmasken auf, die sie zusätzlich über die Strumpfmasken zogen. Ein Maskierter hob einen Metallzylinder mit einer Düse daran. Doch bevor er die Abteiltür erreichte, erschien ein verschlafener junger Schaffner. Seine Schrecksekunde war kurz.

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Earl Warren, Franklin Donovan

Thriller Quartett 4034 - 3 Krimis in einem Band

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Quartett 4034 - 3 Krimis in einem Band

Copyright

Trevellian und der Cop mit der Schlange: Action Krimi

Bount Reiniger und die Pillen vom Kaliber 45

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Bount Reiniger und die Nacht der langen Messer

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Bount Reiniger und der Mord im Transamerika-Express

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Thriller Quartett 4034 - 3 Krimis in einem Band

Franklin Donovan, Earl Warren

Dieser Band enthölt folgende Krimis:

Trevellian und der Cop mit der Schlange (Franklin Donovan)

Bount Reiniger und die Pillen vom Kaliber 45 (Earl Warren)

Bount Reiniger und die Nacht der langen Messer (Earl Warren)

Bount REiniger und der Mord im Transamerika-Express (Earl Warren)

Die drei Maskierten tauchten plötzlich im Gang auf, während die fünftausend Kilowatt starke AMTRAC-E-Lok durch die Berglandschaft von Montana donnerte. Strumpfmasken bedeckten die Gesichter der Gangster, Es war zwei Uhr früh. In einer Stunde sollte Billings, Montana, erreicht werden, die nächste Station auf dem Weg des Transamerika-Express von Seattle nach Chicago. Der Anführer des Trios deutete auf das Personenabteil, dessen Tür offen stand. Ein gleichmäßiges gedämpftes Schnarchen drang aus dem Abteil. Um diese Zeit schliefen die meisten im Zug.

Ein böses Grinsen verzog das Gesicht des ungemein breitschultrigen Anführers. Ein knapper Wink, und er und seine Leute setzten Gasmasken auf, die sie zusätzlich über die Strumpfmasken zogen.

Ein Maskierter hob einen Metallzylinder mit einer Düse daran. Doch bevor er die Abteiltür erreichte, erschien ein verschlafener junger Schaffner. Seine Schrecksekunde war kurz.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Trevellian und der Cop mit der Schlange: Action Krimi

Franklin Donovan

Die Beretta Kaliber 22 zitterte in Malcolm Hastings’ Hand. Er hatte die Waffe auf den fast nackten Körper von Jane Chapman gerichtet. Die Schönheit mit der wallenden blonden Haarmähne rekelte sich wollüstig auf dem französischen Bett.
Mit ihrer Zungenspitze befeuchtete sie ihre vollen roten Lippen.
Daß Hastings mit der italienischen Pistole auf ihr Herz zielte, machte der abgebrühten Verbrecherin nichts aus. Im Gegenteil. Sie spielte mit ihm. Zeigte ihm deutlich, daß sie keine Angst vor ihm hatte.
Auch nicht vor seiner geladenen Knarre…
***
Janes feingliedrige Hand glitt zwischen ihren festen Brüsten hinunter. Über ihren flachen Bauch. Verharrte dann. Sie bewegte die langen Beine, die in schwarzen Strümpfen steckten, spreizte die wohlgeformten Schenkel, und ihre Hand glitt noch tiefer.
Auf der Stirn des Mannes bildete sich ein Netz aus feinen Schweißperlen.
»Mache ich dich nervös, Malcolm-Baby?«
Sie flötete die Worte. Doch in den Ohren des Managers klang ihre Stimme wie eine Stahlsäge, die seine Nervenstränge durchtrennte.
Warum schoß er nicht einfach? Warum tötete er sie nicht? Diese Frau, die sein Leben ruiniert hatte.
Er konnte es nicht. Obwohl er den Zeigefinger bereits am Abzug hatte. Aber seine Glieder waren wie gelähmt.
Malcolm Hastings war Jane Chapman hoffnungslos verfallen. Er konnte sie nicht erschießen.
Und inzwischen hatte er auch die letzte Gelegenheit versäumt, die sich ihm dazu bot.
Die Tür des geräumigen Schlafzimmer öffnete sich geräuschlos hinter ihm. Der Manager spürte nur einen sanften Luftzug. Und einen plötzlichen, heftigen Schmerz.
Der Mann mit der Beretta brach in sich zusammen und blieb reglos am Boden liegen. Sein Genick war gebrochen.
Jane Chapman blickte auf zu dem großen kräftigen Japaner, der sich ins Zimmer geschlichen hatte.
»Das wurde aber auch. Zeit, Nagai.«
Der Asiate betrachtete zufrieden seine Handkante, mit der er Hastings getötet hatte.
Die blonde Frau zündete sich eine Zigarette an…
***
»Hinterher, Milo!«
Wir hatten uns seit zwei Tagen an die F ersen von Stoney Watson geheftet. Im Wechsel mit unseren FBI-Kollegen Clive Caravaggio und Blackfeather waren wir ihm in Pornokinos, Pfandleihen und schmierige Imbißstuben gefolgt.
Irgendwie hatten mein Freund und Kollege Milo Tucker und ich es geschafft, von ihm unbemerkt zu bleiben.
Bis jetzt.
Der kleine Ganove hatte sich plötzlich umgedreht, mich angestarrt, und etwas war in seinen Augen aufgeflackert. Etwas wie Panik.
Er nahm die Beine in die Hand und floh in eine Straße, die aussah wie das Eingangstor zur ewigen Verdammnis.
Schweren Herzens entschlossen wir uns, die Tarnung fallen zu lassen. Wir mußten an ihm dranbleiben. Stoney war unsere einzige Trumpfkärte in einem Spiel, in dem wir bisher nur verloren hatten.
Drei Morde. Alle begangen in Midtown Manhattan. Und bei allen die gleiche Todesursache. Gebrochenes Genick.
Die Opfer: ein prominenter Rechtsanwalt, ein Manager eines Elektronikkonzerns - und ein hoher Bundesbeamter.
Deshalb hatten wir als FBI den Fall von den Kollegen der City Police übernommen. Denn Mord an Bundesbeamte fiel in unser Ressort.
Die Verbrechen mußten miteinander zu tun haben. Doch bisher hatten wir keine Verbindung zwischen den Ermordeten herstellen können.
Außer Stoney.
Er hatte sich in allen drei Fällen in der Nähe des Leichenfundorts herumgedrückt. Ein Gewohnheitsverbrecher. Ein alter Bekannter sowohl des NYPD als auch des FBI.
Der Mann, hinter dem ich jetzt mit Höchstgeschwindigkeit herrannte.
Es war, als ob Stoney Watson mit uns eine Stadtführung durch die miesesten Gegenden von Manhattan veranstalten wollte. Zunächst lief der kleine Kerl rechts an der Müllverbrennungsanlage vorbei, die ihren wenig dezenten Duft Tag und Nacht in die Großstadtluft blies.
Wir ließen die eingezäunten und heruntergekommenen Piers am Hudson River hinter uns. Der Ganove warf einen gehetzten Blick über die Schulter.
Wir holten auf.
Trotz seiner kurzen Beine hatte Stoney sich zunächst einen ordentlichen Vorsprung zusammengehechelt. Kein Wunder. Der Bursche mußte gut im Training sein. Die Hälfte seines Lebens war er flitzen gegangen, um sich vor den Cops in Sicherheit zu bringen. Und weil ihm das nicht immer gelungen war, hatte er die andere Hälfte seines Daseins in Erziehungsheimen und Gefängnissen verbracht.
Rings um das tortenstückförmige Motel ›Liberty Inn‹ an der West Street brandete der Verkehr. Mit Todesverachtung warf sich der kleinwüchsige Ganove in den nicht abreißenden Strom von Autos und Trucks.
Wütendes -Hupen erklang. Ich fürchtete schon, daß es ihn erwischen würde. Seine Angst vor einem Unfall mußte geringer sein als seine Furcht vor uns.
Und plötzlich kam mir eine Idee. Was, wenn er uns für Gangster hielt? Wir hatten uns nicht als G-men zu erkennen gegeben.
Das wollte ich schnell nachholen.
Stoney war in letzter Sekunde einem Truck ausgewichen. Der Driver hatte voll in die Eisen steigen müssen und hupte nun wütend.
Milo und ich sprangen ebenfalls in den fließenden Verkehr. Wieder blickte sich der Ganove um.
»FBI!« rief ich und hielt meine Marke mit dem goldenen Wappen gut sichtbar hoch. »Bleiben Sie stehen!«
Für einen Moment schien der Kleine zu zögern. Doch dann entschloß er sich, im Gewimmel von Manhattans Fleischmarkt unterzutauchen.
Ich fluchte laut und anhaltend. Hier in dem Dreieck zwischen 14th Street, Gansevoort und Hudson Street ist eine der besten Gegenden, um Verfolger abzuhängen. Überladene Fleischtransporter reihten sich an den Gehsteigen. Zwischen ihnen ist manchmal nur wenige Fußbreit Platz. Muskulöse Kleiderschränke in blutbeschmierten weißen Kitteln wuchten die Kadaver von Schafen, Rindern und Schweinen aus den Kühlwagen, um sie an Laufkatzen zu hängen, so daß sie hinter den Plastikschwingtüren in den Schlachthöfen weiterverarbeitet werden können.
Der Gestank von Blut und Dieseltreibstoff hing in der schweren Luft.
In diesem Moment rutschte Stoney Watson in einer öligen Pfütze aus!
Milo und ich tauschten mitten im Lauf einen triumphierenden Blick. Noch fünfzig Yards, und wir würden ihn am Kragen haben. Was wir dann mit ihm anstellen wollten, darüber würden wir uns später Gedanken machen.
»Vorsicht, Jesse!«
Der Warnruf meines Freundes kam zu spät. Ich hatte mich so auf Stoney konzentriert, daß ich den Schlachtereiarbeiter übersah, der sich gerade mit Schwung eine Schweinehälfte über die Schulter geworfen hatte.
Ich rannte mitten in das tiefgefrorene Fleisch hinein. Prallte voll dagegen.
Für einen Moment kam ich mir vor wie der Schauspieler Sylvester Stallone, der in ›Rocky‹ als Boxer im Schlachthof trainiert und auf die Tierkadaver eingedroschen hatte. Doch dieser Eber hätte mich beinahe ausgeknockt.
»Passen Sie doch auf!« herrschte Milo den Mann mit der Schweinehälfte an. »Wir haben hier einen Einsatz!«
»Was glaubst du, was ich hier tue, du Würstchen?«
Der Arbeiter mit der blutbefleckten Schürze ließ das gefrorene Fleisch in den Rinnstein fallen und schwang seine riesige Faust in Richtung von Milos Kinn. Er schien nicht abgeneigt, seinen öden und anstrengenden Job durch eine kleine Schlägerei etwas aufzulockem.
Ich konnte nicht zulassen, daß er meinen Freund durch die Mangel drehte. Zumal einige weitere Riesen in Weiß nun ihrem Kollegen zu Hilfe kommen wollten.
Mit einem herzhaften Judo-Fußfeger riß ich den ersten von den Beinen. Er schlidderte unter den Truck.
Den nächsten empfing ich mit einem Kopfstoß gegen sein Kinn. Bei diesen rauhen Burschen mußte man gleich von Anfang an hart durchgreifen, wenn man überleben wollte.
Milo machte ebenfalls kurzen Prozeß. Sein Gegner war zwar größer und schwerer als der blonde G-man. Aber diesen Nachteil konnte mein Kollege durch Schnelligkeit und Taktik ausgleichen.
Wie alle anderen FBI-Agenten werden wir ständig in den Techniken des waffenlosen Zweikampfs gedrillt. Deshalb haben wir die besseren Karten gegen Zeitgenossen, die sich ohne Sinn und Verstand auf der Straße prügeln wollen.
Trotzdem - ich mußte mich nun mit zwei Angreifern gleichzeitig herumärgern.
Ich unterlief die Fausthiebe eines baumlangen Schwarzen und tauchte gleichzeitig in den toten Winkel des anderen, der seinem flammendroten Haar nach ein Ire sein mochte. Ich verpaßte ihm einen Leberhaken und sprang aus dem Stand auf die Hebebühne eines Trucks, der, zum Ausladen bereit, in der zweiten Reihe parkte.
Das war nicht klug. Die Hebebühne des Spezialfahrzeugs war vereist. So etwas darf normalerweise nicht passieren. Die Kühlung mußte defekt sein. Jedenfalls glitt ich aus und knallte mit dem Schädel auf das harte Straßenpflaster.
Mit Gejohle stürzten sich die beiden Arbeiter auf mich.
Ich rollte mich zur Seite und verteilte schnell zwei oder drei Fußtritte. Das verschaffte mir einen winzigen Moment Luft, bevor sie wieder angriffen.
»Mach ihn platt, Paddy!« heiserte der Schwarze.
Der Ausruf bestätigte meine Vermutung. Paddy werden die Iren in New York genannt. Deshalb heißt bei uns ein Streifenwagen im Volksmund auch ›Paddy Wagon‹ - weil traditionsgemäß immer noch viele irischstämmige New Yorker beim NYPD arbeiten.
›Paddy‹ griff an. Er hatte sich als Schlagwaffe eine enorme gefrorene Lammkeule aus einem Plastikbehälter gegriffen. Ein Hieb damit würde mir glatt den Schädel spalten.
Ich ließ es gar nicht erst soweit kommen.
Ich riß den linken Fuß vor die Brust und schoß ihn nach vorne ab. Traf die Magengrube des Iren.
Er öffnete seinen breiten Mund, japste nach Luft. Und seinen Fingern entglitt das schwere Stück Fleisch.
Nun wollte der Schwarze nachsetzen.
Aber ich hatte genug von der Zeitverschwendung. Wir wurden hier auf gehalten, während Stoney Watson schon am anderen Ende von Manhattan angelangt sein mußte.
Ich zückte kurzerhand wieder meine Marke und zog mit der anderen Hand meine Pistole aus dem Gürtelholster.
Der Anblick der riesigen SIG Sauer P226 übte eine enorme Wirkung auf die Fleischarbeiter aus.
»Schluß jetzt!« rief ich. »Wir sind FBI-Agenten. Und Sie hindern uns an einer Amtshandlung!«
»Okay, Mann!« Der Schwarze in dem ehemals weißen Kittel hob abwehrend die Hände und hielt mir die Handflächen entgegen. »Warum habt ihr Komiker das nicht gleich gesagt?«
Ich ersparte mir einen Kommentar. Es war einfach Pech gewesen, daß wir mit diesen harten Brocken aneinandergeraten waren.
Stoney war jedenfalls spurlos verschwunden.
Wir liefen noch eine Stunde lang herum zwischen den Trucks, dem Frischfleisch und den Verkaufstheken von ›Western Beef‹. Aber der Ganove hatte sich natürlich auf und davon gemacht.
Enttäuscht schoben wir die Hände in die Hosentaschen und machten uns davon. Vorbei an den mageren jungen Mädchen, die an der Ecke zur Hudson Street ihre Körper feilboten. Eine andere Art von Fleischmarkt.
Ich verzog das Gesicht. Was für eine dreckige Welt!
Milo versuchte, unsere Stimmung mit einem Witz aufzubessern.
»Jetzt haben wir Stoney verloren. Nur wegen dieser blöden Fleischträger. Aber wir werden uns bitter rächen, Jesse!«
Ich sah ihn an. »Woran denkst du da, Partner?«
»Wir könnten zum Beispiel heute mittag vegetarisch essen!«
Wir lachten.
Doch bei uns beiden blieb das miese Gefühl zurück, versagt zu haben…
***
Bei der Einsatzbesprechung im Büro von Mr. McKee servierte dessen Sekretärin Mandy für alle Anwesenden ihren legendären Kaffee. In der Besprechungsecke saßen außer Milo und mir auch noch unsere Kolleginnen Jennifer Clark und Annie Franceso. Clive Caravaggio und Blackfeather waren inzwischen für einen anderen Fall abgezogen worden.
Mr. McKee, der Special Agent in Charge des New Yorker FBI District, erhob sich hinter seinem penibel aufgeräumten Schreibtisch und kam mit einem Schnellhefter in der Hand zu der Sitzgruppe hinüber. Jonathan D. McKee trägt als Leiter des FBI Field Office New York letztlich die Verantwortung für jeden Schritt seiner Special Agents. Also auch dafür, daß Milo und ich die Spur von Stoney Watson verloren hatten.
Trotzdem war aus seinem Blick auch nicht der leiseste Vorwurf zu lesen. Mr. McKee weiß, daß jeder von uns sein Bestes gibt.
»Watson kann sich nicht in Luft aufgelöst haben«, erklärte Mr. McKee. »Bisher vermuten wir ja auch nur, daß er etwas mit den Mordfällen zu tun haben könnte.«
»Er ist stets in der Nähe der Leiche gesehen worden, Sir«, erinnerte ich.
Mr. McKee nickte gedankenverloren und setzte sich zu uns. »Ich habe hier das Vorstrafenregister von Watson. Er ist im Grunde ein kleiner Fisch. Unbedeutende Erpressungen und Trickbetrügereien sind eher seine Spezialität. Ich halte ihn bestenfalls für einen Zuträger des wahren Killers.«
»Man kann es drehen und wenden, wie man will«, sagte Milo gallig. »Stoney ist der Schlüssel, wenn wir diese Mordserie aufklären wollen. Und wir - wir lassen ihn einfach entwischen!«
»Auch ein Special Agent kann nicht immer Glück haben«, sagte Mr. McKee weise. »Sie und Jesse haben diesmal einfach Pech gehabt, Milo.«
»Du kennst doch den alten Spruch, Milo«, warf Jennifer Clark keß ein. »Pech im Spiel, Glück in der Liebe!«
»Schön wär’s!« seufzte mein Freund.
»Zurück zum Fall!« Mr. McKee sah unsere hübsche Kollegin an. »Was haben die Computer-Recherchen über die Opfer gebracht, Jennifer?«
Die Agentin blickte auf den Stapel Papier, der auf ihren Knien lag. »Alle drei Opfer scheinen anständige Bürger gewesen zu sein, Sir. Der Bundesbeamte, Gregory Carson, wurde von den Kollegen in Washington gründlich unter die Lupe genommen, bevor er in den Staatsdienst trat. Das ist schon zwanzig Jahre her. Seitdem ist er routinemäßig immer wieder durchgecheckt worden. Nichts. Auch Montgomery Clifton, der Rechtsanwalt, ist nie auffällig geworden.«
»Vielleicht arbeitete er ja für das organisierte Verbrechen?« fragte Milo hoffnungsvoll.
»Fehlanzeige. Der gute Mann hat stets langweilige, aber gut zahlende Mandanten gehabt. Rechtsberatung von Unternehmen. Gesellschaftsrecht. Solche Dinge.«
»Und dieser Manager? Malcolm Hastings?« wollte der Chef wissen.
»Er war der Verkaufsleiter von Softex Electronics. Eine Firma, die Computerprogramme entwickelt und verkauft. Auch über ihn ist uns nichts Negatives bekannt.«
Mr. McKee nahm einen großen Schluck Kaffee. »Trotzdem sind diese drei Männer jeweils durch Genickbruch ermordet worden. Es muß noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen ihnen geben. Wir arbeiten in diesem Fall eng mit dem NYPD zusammen. Denn streng genommen fällt nur der Tod von Gregory Carson in unsere Zuständigkeit. Weil er Bundesbeamter war.«
Der Chef senkte seinen Blick auf den Schnellhefter und verteilte die Aufgaben.
»Jesse und Milo, Sie versuchen weiterhin, die Rolle von Stoney Watson bei diesen Verbrechen zu beleuchten. Er ist ja wohl in Unterweltkreisen kein unbeschriebenes Blatt. Sie, Annie, halten unseren Kontakt zur City Police. Dort bearbeitet ein gewisser Detective Sergeant Louis Fernando vom Precinct an der West 47th Street diese Morde. Und Jennifer, Sie kümmern sich um das Vorleben der Opfer. Vielleicht hat ja doch einer von ihnen einen schwarzen Fleck auf seiner weißen Weste!« '
Wenn es so war, würde es Jennifer Clark schon herausfinden, da waren wir uns sicher.
Wir erhoben uns und machten uns an die Arbeit.
***
Bob Duffy gähnte.
Verschlafen rieb er sich die Augen. Es war erst halb sechs. Doch er hörte schon, wie seine Freundin Jane Chapman unter der Dusche den neuesten Song von Madonna trällerte.
Der muskulöse junge Mann streckte beide Arme, räkelte sich, gähnte herzhaft, dann schwang er sich aus dem Bett.
Mißgelaunt betrachtete er die kleine Pfütze, die sich auf dieser Seite der Badezimmertür gebildet hatte. Das passierte immer, wenn jemand duschte. Der Vermieter saß auf den Ohren. Der Schaden würde nie repariert werden. Und ein besseres Apartment konnte sich Duffy von seinem Gehalt als Police Officer beim New York Police Department nicht leisten.
Ja, wenn ich erst Sergeant wäre…! dachte er und schlüpfte in den weichen weißen Frotteebademantel, den ihm seine Freundin zum letzten Weihnachten geschenkt hatte.
Die Vorstellung von ihrem nackten, wohlgeformten Körper beflügelte ihn ganz ungeheuer. Oft träumte er davon, wie er ihr ein schöneres Leben ermöglichen würde, falls es mit seiner Beförderung klappte.
Bob Duffy war gut. Einer der besten Cops des ganzen Precinct. Das hatte sein Lieutenant oft genug gesagt. Und die Truppe brauchte dringend Leute, die sich mit Leib und Seele dem Job verschreiben.
Und so einer war Duffy.
Eine andere Karriere lag außerhalb seines Vorstellungsvermögens. Er hatte immer nur Cop sein wollen. Seit seiner Kindheit. Und vor einigen Jahren war nicht nur dieser Traum in Erfüllung gegangen. Sondern er hatte vor sechs Monaten auch noch diese Wahnsinnsfrau kennengelernt.
Jane Chapman.
Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Und ihr schien es genauso zu gehen. Jedenfalls hing sie immer an seinen Lippen, wenn er ihr von seinem gefährlichen Job erzählte.
»So wild ist es beim NYPD gar nicht«, sagte Bob oft bescheiden, wenn sie ihn abends bat, von seinem Arbeitstag zu berichten. »Achtzig Prozent meines Jobs bestehen aus Tätigkeiten, die nichts mit Kriminalitätsbekämpfung zu tun haben.«
Er konnte diese Zahl zwar selbst nicht recht glauben. Aber sie stand in den offiziellen Stellenangeboten der City Police. Also mußte sie wohl stimmen.
Und gerne zählte er immer wieder die Sozialleistungen auf, die er als Cop genießen konnte. »Mir stehen jetzt siebenundzwanzig bezahlte Urlaubstage pro Jahr zu, Jane! Und kostenlose medizinische Versorgung! Und…«
Die Blondine unterdrückte immer ein Gähnen, wenn er sich über die Sicherheiten seines Jobs ausließ.
Bob Duffy war in ihren Augen ein ausgesprochener Langweiler. Wären da nicht seine Qualitäten im Bett und seine Kenntnisse der Polizeiarbeit gewesen, sie hätte ihn schon längst auf den Mond geschossen.
Aber das durfte sie nicht. Man hatte es ihr verboten. Und sie wußte, daß sie ihren Befehlen besser gehorchte…
Jane Chapman hörte unter der Dusche, wie Duffy in der winzigen Küche seines Apartments hantierte. Nun würde er Orangensaft aus dem Kühlschrank holen. Wie jeden Morgen. Damit er genug Vitamine bekam.
Sie verzog verächtlich ihr hübsches Gesicht, als sie an seinen Gesundheitsfimmel dachte. Und an seine mickrigen Karrierepläne beim Police Department.
Was für ein Spießer! dachte die junge Frau, die in der vergangenen Nacht mitleidlos den Mord an Malcolm Hastings beobachtet hatte. Ich werde froh sein, wenn ich ihn endlich los bin…
Sie drehte die Brause ab und tastete nach dem Handtuch. Durch das heiße Wasser war die Luft in der Naßzelle so undurchdringlich wie echter Londoner Nebel.
Jane fluchte. Dieser raffgierige Vermieter würde den Dunstabzug bis zum Weltuntergang defekt lassen. Und der kleinkarierte Bob Duffy würde sich auch in tausend Jahren kein besseres Apartment leisten können… Und überhaupt: Wo war dieses verflixte Handtuch?
Sie tastete danach. Aber sie fand es nicht.
Statt dessen spürte sie die harten Muskeln des Cops, der zu ihr in die Dusche stieg.
Schlagartig wich ihr auf kommender Ärger der Erregung. Denn Duffy hatte das große Badetuch in seinen Händen. Und er begann sie damit trockenzureiben, ganz sanft und zärtlich und überall, daß heiße und kalte Wonneschauer durch ihren Körper fuhren.
Aufstöhnend vereinigten sich die Frau und der Mann in der engen Duschkabine. Ihre Bewegungen wurden immer schneller, hastiger, drängender und wilder, ihr Keuchen lauter.
Schließlich kamen sie wieder zu Atem.
»Du warst phantastisch, Darling!« sagte Jane und schmatzte ihm mit ihren sinnlichen Lippen einen Kuß auf den Mund.
Diesmal meinte sie es ernst. Wenn es um Sex ging, heuchelte sie ihm nichts vor. Nur, was alles andere betraf.
Denn Jane Chapman war keine Krankenschwester. Sie verdiente sich ihre Brötchen nicht mit Nachtwachen im Bellevue Hospital, wie sie dem Cop erzählte. Vielmehr war sie ein hochbezahltes Edel-Callgirl.
Und ihr Arbeitgeber war die Yakuza.
Die japanische Mafia!
Stoney Watson war gelähmt vor Entsetzen. Ihm ging der Arsch auf Grundeis. So hätte er selbst es jedenfalls ausgedrückt.
Der kleine Ganove hatte sich in seinem langen Kriminellenleben schon oft in miesen Situationen befunden. Aber das hier toppte alles.
Eigentlich war der Job ja ganz einfach gewesen. Er hatte rausfinden sollen, ob die Bullen die Leichen gefunden hatten. Und sich am Fundort rumdrücken, um vielleicht die ein oder andere Bemerkung aufzuschnappen.
So hatten sich das seine Auftraggeber vorgestellt. Damit sie herausfanden, ob in ihre Richtung ermittelt wurde. Und nun hatten sie genau das Gegenteil davon erreicht.
Stoney hatte sich durch sein Herumlungern verdächtig gemacht. Das FBI war hinter ihm her.
Und dann hatte er einen dummen Fehler begangen. Er hatte seine Auftraggeber um Hilfe angefleht.
»Die G-men wollen mich kassieren!« hatte er ins Telefon geblökt, nachdem er die geheime Nummer angerufen hatte, die seine einzige Verbindung zu seinen Bossen darstellte. »Helfen Sie mir, die Stadt zu verlassen!«
»Ich bedaure, Sir«, hatte die Stimme mit dem leichten japanischen Akzent erwidert. »Sie sind falsch verbunden.«
Dann war die Verbindung unterbrochen worden.
Stoney Watson griff sich ans Genick. Noch war seine Halswirbelsäule heil und ganz. Und das sollte auch so bleiben.
Er verließ die öffentliche Phone Booth und wandte sich Richtung Times Square.
Am hellichten Tag sah man die trüben Seiten des berühmten Vergnügungsviertels deutlicher als unter dem Schleier der Nacht und dem Blinken der tausendfachen Neonreklamen. Zwar hatten sich die Obdachlosen unter dem eisernen Regiment von Bürgermeister Rudolph Giuliani in andere Gegenden verzogen. Aber es gab immer noch genug von ihnen.
Das gleiche galt für die Drogenabhängigen und die Ausreißer, die aus allen Teilen der USA hierherkamen. Wie von einem riesigen Magneten angezogen. Doch wenn sie ausgelaugt und zu nichts mehr zu gebrauchen waren, wurden sie mit der gleichen Kraft vom Times Square wieder abgestoßen.
Stoney Watson kannte das Spiel. Diese Gegend war seit vielen Jahren seine Heimat.
Der kleine Ganove in dem abgetragenen Anzug ließ seinen Blick nach oben wandern. Waffengegner hatten die ›Death Clock‹ am Times Square anbringen lassen. Die Todesuhr. Sie zeigte genau an, wie viele Schußwaffen momentan in den USA im Handel waren. Und wie viele Menschen von ihnen getötet wurden, seit die Uhr im Januar 1994 zu ticken begonnen hatte.
Stoney Watson grinste zynisch.
Ich werde wohl nicht durch eine Kugel draufgehen, dachte er und griff noch mal an sein Genick.
Der Kriminelle ging weiter, auf das Paramount Building zu. Er mußte nicht in seine Innentasche greifen, um zu wissen, daß er noch genau fünfzig Dollar hatte. Damit konnte er sich ein One-Way-Ticket für einen Greyhound-Bus leisten, die nicht weit vom Times Square am Port Authority Bus Terminal abfuhren.
Sollte er es wirklich tun? Um dann in irgendeinem Prärie-Nest zu landen und vor dem Nichts zu stehen?
Das kam nicht in Frage für Stoney Watson. Er brauchte New York wie eine Droge. Wenn er den Big Apple verlassen mußte, konnte er sich ebensogut gleich von diesem verdammten Karate-Killer namens Nagai das Genick brechen lassen.
Grimmig starrte der Kleinkriminelle vor sich hin. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte. Es gab für ihn nur eine Möglichkeit, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen.
Wieder steuerte er eine öffentliche Phone Booth an. Und wählte die Nummer 335-2700.
»FBI District New York«, meldete sich eine weibliche Stimme. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Verbinden Sie mich mit einem Agenten, der hinter dem Mörder von Malcolm Hastings her ist. Aber presto, verstanden?«
***
Nachdem Bob Duffy aufgebrochen war, um seine Schicht im Precinct anzutreten , machte sich auch Jane Chapman ausgehf ertig. Sie wählte ein Designerkleid, das eng geschnitten war und bis zu den Knien reichte. Es betonte ihre körperlichen Vorzüge außerordentlich, ohne dabei allerdings vulgär zu wirken.
Niemand hätte sie auf der Straße für eine Frau gehalten, die für Geld zu haben war.
Eher wirkte sie wie eine vielbeschäftigte Geschäftsfrau, die trotz Streß sorgsam auf ihr Aussehen achtete.
Mit einem mitleidigen Lächeln dachte sie an ihren ›Freund‹, der jetzt schon im Patrolcar sitzen oder sich mit allen möglichen üblen Typen herumprügeln mußte. Zu ihrem Glück war Bob Duffy ein völliger Modemuffel. Sonst wäre es ihm wohl verdächtig vorgekommen, daß sie sich mit ihrem schmalen Krankenschwesterngehalt so viele Modellkleider leisten konnte. ‘
Nun - bisher hatte er noch nichts von ihrem Doppelleben bemerkt.
Liebe macht wohl wirklich blind, dachte das Callgirl zynisch. Sie ging auf die Straße und winkte sich ein Yellow Cab herbei, das sie zum Ziel ihrer Sehnsucht führte.
Zur Fifth Avenue.
Nicht nur die Touristen, auch fast alle New Yorker halten diese Straße für den absoluten Prachtboulevard der Ostküsten-Metropole. Und da liegen sie sicherlich richtig. Besonders auf dem Stück zwischen der neunundfünfzigsten und der vierunddreißigsten Straße reihen sich auf der Fifth Avenue Läden und Firmen mit klangvollen Namen aneinander.
Ebenso berühmt sind die Gebäude, die hier stehen - Rockefeiler Center, Empire State Building, Sony Building, Trump Tower, Exxon Building und so weiter…
Jane warf dem jamaikanischen Cabbie lässig eine Zwanzig-Dollar-Note zu und stieg an der Ecke East 53rd Street aus. Dort befand sich das Rolex Building. Und schräg gegenüber die St. Thomas Episcopal Church.
Wenn die Blondine mehr Sinn für Symbole gehabt hätte, wäre ihr das aufgefallen. Auf der einen Seite das Gotteshaus, das auf die Vergänglichkeit menschlichen Lebens hinwies, auf der anderen das renommierte Uhrenunternehmen, das diese Vergänglichkeit in meßbare Größen faßte.
Aber für solche Gedanken hatte Jane Chapman keine Zeit.
Obwohl sie noch gar nicht wissen konnte, daß sie nur noch acht Stunden zu leben hatte…
***
»Was wollen Sie?«
Ich wiederholte meine Frage. Noch konnte ich es nicht fassen, daß uns das Glück wieder zu lachen schien.
Erst war uns Stoney Watson mit Bravour entkommen, hatte uns eine lange Nase gedreht. Und nun rief er höchstpersönlich im Federal Building an, um sich uns auszuliefern.
Das heißt, wenn er es wirklich war. Gesprochen hatte ich noch nie mit ihm. Obwohl die quengelnde Fistelstimme mit dem New Yorker Akzent durchaus zu ihm paßte.
»Sie haben mich genau verstanden, Trevellian! Ich will, verflucht noch mal, in Ihr verdammtes FBI-Zeugenschutzprogramm auf genommen werden. Ich kenne die Mörder von Malcolm Hastings, Gregory Carson und Montgomery Clifton!«
Er spielte seine Trümpfe sofort aus.
Der Mann mußte wirklich verzweifelt sein.
Ich fühlte, wie mein Adrenalinspiegel anstieg. Aber trotzdem blieb ich ruhig. Die Freisprecheinrichtung hatte ich eingeschaltet. Daher konnte mein Freund und Partner Milo alles mithören. Und das Tonband lief sowieso.
»Wer war es, Stoney?« fragte ich.
»Halten Sie mich für einen kompletten Idioten, Trevellian?« Ich hatte mich ihm vorgestellt, nachdem mir Myma aus der Zentrale den Anruf zugestellt hatte. »Ich packe erst aus, wenn ich heil und unbeschadet an der Federal Plaza sitze! Möglichst auf dem Schoß des Staatsanwalts!« Und er lachte meckernd über den dummen Spruch.
Ich atmete tief durch. »Also gut, Watson. Wir kommen Sie abholen. Wo sind Sie?«
»Schon besser, Trevellian. Ich bin in einer Phone Booth gegenüber von einer hübschen kleinen Bar. Bogey’s Place nennt sie sich. Dort werde ich jetzt reingehen und mir ein Coors zischen!«
»Das Bogey’s Place ist zwischen Broadway und Seventh Avenue, richtig? Gegenüber vom Rivoli Twin Movie Theatre.«
»Richtig, Trevellian. Beeilen Sie sich. Ich will Sie hier sehen, bevor mein Bier warm wird.«
Klick.
Er hatte aufgelegt.
»Ganz schön frech, der kleine Halsabschneider«, kommentierte Milo. Er hatte alles mitangehört.
»Stimmt, Alter. Aber ich wette, daß ihm in Wirklichkeit die Knie schlottern. Und das aus gutem Grund. Denn wenn er wirklich weiß, wer dieser verdammte Killer ist, hinter dem wir her sind…«
»… dann schwebt er in akuter Lebensgefahr«, beendete Milo meinen Satz.
»So ist es, Alter«, bestätigte ich.
»Wann ist uns das letzte Mal ein wichtiger Zeuge so dicht vor der Nase abgemurkst worden?« fragte Milo.
»Ist schon ’ne Weile her, Alter.«
»Ist aber schon vorgekommen, stimmt’s.«
Ich nickte. »Allerdings.«
»Unschöne Sache, sowas.«
»Was willst du mir sagen, Partner?« fragte ich.
»Das wir uns beeilen sollten, wenn wir Stoney lebend Wiedersehen wollten.«
Ja, da hatte Milo recht.
Wie auf Kommando sprangen wir auf, schnappten uns unsere Jacketts und rasten Sekunden später hinunter in die Tiefgarage. Dort ließen wir uns von der Fahrbereitschaft einen unauffälligen grünen Buick geben.
Ich glitt hinter das Steuer, mein Freund ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
Von der Federal Plaza ist es nicht weit bis zum Broadway. Doch diese wohl bekannteste Straße von New York ist verdammt lang. Sie durchschneidet ganz Manhattan diagonal.
Wir überlegten erst, das Warnlicht mit dem Magnetfuß auf das Wagendach zu setzen, entschieden uns dann aber dagegen. Es galt, jedes Aufsehen zu vermeiden. Vielleicht waren die Killer ja schon in Stoneys Nähe. Wir mußten die Überraschung ausnutzen.
»Laut City Police-Akten ist unser kleiner Freund eine richtige Broadway-Sumpfpflanze«, berichtete Milo. »Statt mit Milch wurde er mit wässerigen Cocktails aufgezogen. Lesen gelernt hat er nicht in der Schule , sondern in Pornoheften. Und Touristen gelinkt statt gearbeitet.«
»Ein reizendes Kerlchen«, gab ich zurück.
Wir erreichten den Times Square. Hier kreuzte sich der Broadway mit der Seventh Avenue. Es war nicht mehr weit.
Die bunten Lichter der unzähligen Kinos und Theater leuchteten und blinkten. Die Show-Meile der Stadt empfing uns. Noch etwas trübe bei Tageslicht.
Die Blechschlange schob sich gemächlich Richtung Norden. Ich nutzte jede kleine Lücke im Verkehr aus. Aber die Sekunden schienen sich so zäh wie Kaugummi in die Länge zu ziehen. Dabei konnten noch keine fünfzehn Minuten vergangen sein, seit der Anruf von Stoney Watson auf meinen Apparat geleitet worden war.
Endlich sah ich das Movie Princess-Gebäude.
Ich setzte den Blinker und bog rechts in die 49th Street, die hier die Verbindung zwischen Broadway und Seventh Avenue darstellt. Ich parkte in der zweiten Reihe. Lange würden wir hoffentlich nicht brauchen.
Milo und ich stiegen aus und betraten die Bar.
Augenblicklich hatten wir das Gefühl, in dem Film ›Casablanca‹ gelandet zu sein. Es war offensichtlich, warum der Besitzer seinen Laden ›Bogey’s Place‹ getauft hatte. Die Einrichtung war exakt der Kulisse des bekannten Melodramas mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann nachempfunden.
Die weißen Mauern, die eine nordafrikanische Atmosphäre schufen. Die maurischen Torbögen. Die Sessel und Tische aus Rattangeflecht.
Ich schaute mich um. Wenn der schwarze Pianist Sam am Klavier gesessen und ›As time goes by‹ gespielt hätte, ich wäre nicht verwundert gewesen.
Doch statt dessen erwartete uns ein schmierig grinsender Stoney Watson an der Theke.
Außer ihm gab es noch drei weitere Gäste, die sich im Hintergrund aufhielten. Ich streifte sie mit einem Blick. Offenbar die typischen abenteuerlustigen Daddies aus der Provinz. Ihr Vergnügen bestand darin, nach New York zu fahren und sich dort eine Woche lang vollauf en zu lassen.
Wenn man so lange im Big Apple gearbeitet hat wie ich, kennt man die Sorte. Von ihnen drohte keine Gefahr.
Milo blieb zwei Schritte hinter mir und sicherte. Er hatte seine Rechte unter das Jackett geschoben. Ich wußte, daß seine Hand auf dem Griff seiner SIG Sauer lag. Wir waren ein eingespieltes Team. Nicht zum ersten Mal mußten wir einen gefährdeten Zeugen in Sicherheit bringen.
»Ich bin Jesse Trevellian«, stellte ich mich vor. »FBI New York. Das da ist mein Partner, Special Agent Milo Tucker.«
Stoney grinste mit einer Mischung aus Anerkennung und Abscheu. Er war wirklich ein recht kleinwüchsiges Kerlchen. Schütteres Haar lag auf seinem schmalen Schädel. Unter dem abgetragenen Anzug leuchtete ein grelles Hawaiihemd.
Vielleicht sollte er mal einen Modeberater aufsuchen, dachte ich.
»Hoffentlich habt ihr an der Federal Plaza schon Donuts und Kaffee aufgefahren!« krähte der Kleine und stürzte den Rest seines Biers hinunter. Dann wies er mit dem Daumen auf mich. »Der Gentleman hier zahlt.«
Seufzend griff ich in die Hosentasche und holte die zehn Dollar heraus, die sie in diesem Neppladen für ein Bier verlangten.
Stoney rieb sich die Hände. »Hervorragend, Trevellian! Wie schnell Sie mit dem Bezahlen sind. Wären Sie doch auch so schnell gewesen, als Sie mich zwischen den Fleischtransportern verfolgt haben, hehehe…«
Ich wollte ihm empfehlen, sich mit seinen dummen Sprüchen mir gegenüber zurückzuhalten. Doch dazu kam ich nicht mehr.
Eine Salve aus einer Maschinenpistole ließ im ›Bogey’s Place‹ die Hölle losbrechen!
***
Jane Chapman war wie im Rausch, als sie die Fifth Avenue entlangschlenderte. Sie hatte an diesem Tag eine wichtige Verabredung. Nagai, ihr Kontaktmann, hatte ihr mitgeteilt, daß sie einen sehr wichtigen neuen Auftrag erhalten würde. Einen Job, der sie auf einen Schlag um 20.000 Dollar reicher machen würde. Das war selbst für ein gutverdienendes Callgirl wie Jane verdammt viel Schotter.
Ihre Augen sogen sich an den Auslagen der weltberühmten Juweliere fest, die überall auf der Prachtstraße ihre Schätze feilboten. Tiffany’s. Cartier. Van Cleef. Ganz zu schweigen von den Modehäusern.
Jane sah sich selbst ein Leben in Luxus führen.
Und der Schlüssel dazu war ihr Körper…
Besorgt warf das Callgirl einen Blick auf ihre kleine Damen-Rolex. Auf keinen Fall durfte sie zu spät kommen. Nicht heute, da sie den wichtigsten Mann der Organisation kennenlernen sollte.
Aber es war noch früh genug.
Pünktlich erreichte Jane die Adresse 693 Fifth Avenue. Hier befand sich das neue japanische Kaufhaus ›Jakashimaya‹.
Ein schmales Lächeln erschien auf den schönen Lippen der jungen Frau. Gab es einen passenderen Ort, um sich mit einem der Bosse der Yakuza zu treffen?
Das organisierte Verbrechen aus dem Land der aufgehenden Sonne hatte schon längst in Amerika Fuß gefaßt, und auch Jane arbeitete bereits seit einiger Zeit erfolgreich für die japanischen Gangster.
Die meisten Kunden, die sich im ›Jakashimaya‹ aufhielten, waren allerdings keine Asiaten, sondern Amerikaner und Touristen aus aller Welt. Von Unterhaltungselektronik bis zu handgearbeiteten Teeservices fand sich hier alles, was man an japanischen Produkten kannte und schätzte.
Die Blondine ging achtlos an den dargebotenen Waren vorbei. Sie fuhr mit der Rolltreppe ins erste Stockwerk. Dort bot ein nachgebautes japanisches Teehaus dem müden Gast Entspannung in asiatischer Atmosphäre.
Am Eingang zog Jane ihre hohen Pumps aus und schritt auf Strümpfen über die weichen Tatami-Matten. Sie war auf die Minute pünktlich.
Ihren Kontaktmann Nagai sah sie bereits von weitem. Der breit gebaute und hochgewachsene Karate-Killer stand mit dem Rücken zur Wand, die großen tödlichen Hände vor dem Bauch gefaltet.
Direkt vor ihm saß ein magerer alter Mann mit untergeschlagenen Beinen auf einem Kissen.
Der Yakuza-Boß trug einen dunklen Anzug, wie die meisten Japaner seines Alters. Durch die dicken Gläser seiner Brille schaute er Jane Chapman forschend an.
Es war ihr unmöglich, etwas aus seinem Blick herauszulesen. Weder Zustimmung noch Ablehnung. Die meisten Männer zeigten sich völlig begeistert von ihren Reizen. Doch der mächtige Gangsterboß ließ überhaupt keine Gefühlsregung erkennen.
Das Callgirl grüßte ihn ehrerbietig und ließ sich ihm gegenüber auf die Knie sinken.
Der alte Mann machte eine kleine Handbewegung. Nagai beugte sich hinab und goß beiden eine Flüssigkeit in henkellose Becher, die nicht viel größer als Fingerhüte waren.
»Das ist Sake«, erklärte der Yakuza-Boß. »Japanischer Reis wein.«
Langsam führte er das Gefäß mit dem angewärmten Alkohol zum Mund. Jane folgte seinem Beispiel.
Ihre Wangen waren jetzt schon gerötet. Aber nicht von dem Sake, der noch nicht ihre Kehle hinuntergeflossen war, sondern vor Aufregung.
»Ich bin der Daimyo«, sagte der alte Japaner. »Sie wissen, was das heißt?«
Die Amerikanerin nickte. Er war der oberste der Oberen. Ihm schuldete jeder in der Organisation absoluten Gehorsam. Der Daimyo konnte einen Selbstmord befehlen, wenn er es für richtig hielt. Jedes Mitglied der Yakuza würde dieser Aufforderung sofort und mit freudigem Eifer nachkommen. So groß war seine Macht.
»Sie waren uns bisher von gewissem Nutzen, Miss Chapman. Sie haben mir wertvolle Informationen über den amerikanischen Außenhandel verschafft.«
»Danke, Daimyo-san«, erwiderte die Blondine und verbeugte sich leicht. Das war ihr Job gewesen, der mit der Ermordung des Bundesbeamten Gregory Carson geendet hatte.
»Auch beim Ausschalten eines US-Konkurrenten waren Sie mir behilflich.«
Wieder verneigte sie sich. Diesmal meinte er den Anwalt Montgomery Clifton, den Jane dazu verführt hatte, vertrauliche Akten seiner Klienten zu veruntreuen. Ein Treuebruch, der für ihn tödlich geendet hatte.
»Und die Aktien von Softex Electronics fallen ins Bodenlose. Auch daran haben Sie einen gewissen Anteil.«
Jane Chapman lächelte geschmeichelt. Sie erinnerte sich an den Manager des US-Elektronikkonzems, der in ohnmächtiger Wut seine Beretta auf sie gerichtet hatte. Zu guter Letzt hatte Malcolm Hastings doch noch ihr doppeltes Spiel durchschaut. Daß sie seine neueste Entwicklung an die japanische Mafia weitergeleitet hatte. Daß seine geliebte Bettgefährtin in einer einzigen Nacht sein Leben und seine Firma ruiniert hatte und der Killer schon unterwegs war, der ihn beseitigen sollte.
Diese Erkenntnis hatte Hastings allerdings nichts genützt. Nagais starke Hände hatten sein Leben beendet, bevor er seinen Verdacht an die Behörden hatte weitergeben können.
»Ich habe heute eine neue Aufgabe für Sie«, verkündete der Daimyo. »Sie ist schwieriger als alles, was Sie bisher für mich erledigt haben. Deshalb erhalten Sie Ihre Anweisungen auch nicht von Nagai, sondern von mir persönlich.«
Erneut bog die Blondine ihren Oberkörper nach vorn. Sie wußte, daß Höflichkeit in der japanischen Kultur eine große Rolle spielt. Vor allem Höflichkeit gegenüber Höherstehenden. Und es gab in der ganzen Organisation niemanden, der höher stand als dieser alte Mann, der wie ein böser Zwerg wirkte.
»Es geht um ein neues Verteidigungssystem«, sagte der japanische Mafia-Boß. »Wie Sie vielleicht wissen, verfügt Ihr Land über die wohl mächtigsten Streitkräfte der Welt. Und es gibt eine Menge gut zahlender Abnehmer für militärische Geheimnisse aus dem Pentagon.«
Während er sprach, zog der Daimyo eine Fotografie aus seinem Jakkett und reichte sie Jane über den kleinen Tisch.
Sie nahm das Bild entgegen. Es zeigte einen untersetzten und kräftigen Mann Mitte Fünfzig. Er wirkte wie ein Bankdirektor oder Versicherungsagent aus einer Kleinstadt im mittleren Westen.
»Das ist Senator Andrew Warren, Miss Chapman. Er sitzt in Washington im Verteidigungsausschuß des amerikanischen Senats. Ein sehr einflußreicher Politiker. Wir sind sicher, daß er bestens über das neue Verteidigungssystem Bescheid weiß.«
»Was ist das für ein Verteidigungssystem, Daimyo-san?«
Leichter Ärger klang in seiner Stimme mit, als er antwortete: »Wenn ich das wüßte, bräuchte ich Ihnen nicht diesen Auftrag zu erteilen.«
»Verzeihen Sie die Frage. Ich bin zu neugierig.«
»Mh. - Wir sammeln schon seit Monaten Informationen über Senator Warren. Und er scheint nur eine einzige Schwäche zu haben. Schöne, junge blonde Frauen. Sie haben völlig freie Hand. Tun Sie, was Sie tun müssen. Wie üblich wird Nagai in Ihrer Nähe sein, um Sie zu unterstützen und die Angelegenheit zu beenden.«
Im Klartext bedeutete das: Senator Andrew Warren mit bloßen Händen zu töten.
Aber erst, nachdem sie ihn ausgequetscht hatten wie eine Zitrone…
***
Die Attentäter waren zu zweit. Und sie kamen von verschiedenen Seiten. Beide hatten automatische Waffen in den Händen. MAC-10-Maschinenpistolen der Marke Gordon Ingram im Kaliber Neun-Para.
Ich packte Stoney Watson am Revers, riß ihn zu Boden. Die erste Garbe hatten ihn nur knapp verfehlt.
Obwohl Milo wachsam gewesen war, hatten sie uns völlig überrascht und nahmen uns in die Zange. Es mußte sich um Profis handeln. Da gab es bei mir keinen Zweifel.
Während ich den kleinen Ganoven mit meinem Körper schützte, riß ich meine SIG aus dem Gürtelholster. Das ‘ trockene Aufbellen in meinem Rücken bewies mir, daß Milo seine Dienstwaffe bereits zum Einsatz brachte.
Ich jagte drei Kugeln kurz hintereinander aus dem Lauf. Damit zwang ich den einen Attentäter zumindest in Deckung.
Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Ertrug eine Strumpf maske.
Das irritierte mich. Heutzutage ist diese Tarnung bei Kriminellen ziemlich aus der Mode gekommen. Man wird zwar nicht erkannt, wenn man sich so einen Nylon über den Schädel zieht. Aber andererseits verzerrt sie auch das Blickfeld, und man hat Schwierigkeiten, beim Schießen sauber zu treffen.
Naja, darüber konnte ich mir später Gedanken machen.
Der nächste Feuerstoß aus der Gordon Ingram ließ mir die Holzspäne nur so um die Ohren fliegen. Ich hatte mich zusammen mit Stoney hinter einen umgeworfenen Tisch geduckt, doch die automatische Waffe sägte durch das Möbelstück wie durch Papier.
Mir dröhnten die Ohren von dem Lärm der Waffen. Mein Gegner tauchte für Sekundenbruchteile hinter seiner Deckung auf, die MPi im Anschlag.
Als der Feuerstoß endete, schnellte ich hoch, die SIG in der Faust.
Und drückte ab. Zweimal hintereinander.
Meine Pistole hat insgesamt sechzehn Schuß. Eine wirkliche Verbesserung gegenüber meines alten 38ers. Aber wenn man es mit Gangstem zu tun hat, die mit Maschinenpistolen um sich ballern, ist es immer noch ziemlich wenig.
Aber das Schießen habe ich ja gelernt. Es gehört zu meinem Job. Leider. Und ich trainiere auch regelmäßig auf dem Schießstand im Keller des FBI-Building.
Ich traf den Gangster. Mit beiden Kugeln. Ich hörte seinen Schmerzensschrei. Und das Poltern, als seine MPi zu Boden fiel. Da war ich längst wieder hinter dem Tisch in Deckung gegangen.
Milo schoß, was das Zeug hielt, um den anderen Verbrecher in Deckung zu halten. Breitbeinig stand er da, die SIG im Beidhandanschlag, und verfeuerte Kugel auf Kugel. Nur einmal ging er kurz in die Knie, um das Ersatzmagazin in die SIG zu rammen, dann federte er wieder hoch und schoß weiter.
Der Barkeeper und die betrunkenen Touristen hatten sich flach zu Boden geworfen. Das beste, was sie tun konnten.
»Abhauen!« schrie der Attentäter, den mein Partner unter Beschuß genommen hatte, aus voller Kehle.
Das ließ sich der von mir Getroffene nicht zweimal sagen. Er war durch den Notausgang gekommen. Und auf diesem Weg wollte er auch wieder verschwinden.
»Sie bleiben liegen!« herrschte ich Stoney Watson an.
Er erwiderte nichts. Seine große Klappe hatte er angesichts der vielen blauen Bohnen, die hier die Luft gesiebt hatten, vorerst verloren.
Mit vorgehaltener Pistole sprang ich über den von den MPi-Garben zerfetzten Tisch und sprintete hinter dem verwundeten Attentäter her. Er hinterließ eine Blutspur am Boden und an der Wand, wo seine verschmierte Hand sie berührte. Daß er sich mit zwei Kugeln im Leib überhaupt noch bewegen konnte, zeigte mir, daß er eine rauhe Natur war.
Ich erreichte den Notausgang, trat die Tür auf, hechtete vor und zielte in den Korridor.
Da war niemand mehr. Nur die häßliche Blutspur.
In der Bar verstummten die Schüsse, die Milo und der zweite Gangster noch immer ausgetauscht hatten. Der andere Attentäter würde sich wohl durch den Vordereingang davonmachen wollen.
Hoffentlich erwischte ihn Milo.
Ich hetzte den schmalen Gang entlang. Eine Schwingtür bewegte sich leicht. Ein Zeichen, daß gerade jemand hindurchgestürmt war.
Aber ich lief nicht in die Falle wie ein Anfänger. Suchend sah ich mich um.
Wie für mich bestellt stand ein kaputter Barhocker in der Ecke. Man hatte ihn hier wohl abgeladen, um ihn irgendwann einmal auf den Müll zu werfen. Ich würde ihn besser verwenden können.
Auf Knien und Ellenbogen kriechend schob ich den Barhocker vor mir her, um damit die Schwingtür aufzustoßen.
Ich hatte mich nicht getäuscht.
Eine lange Salve aus der Gordon-Ingram fetzte in das Holz der Tür, als ich den Barhocker dagegen schlug. Von meiner Position aus konnte ich unmöglich erkennen, wo das Mündungsfeuer herkam.
Dann verstummte die automatische Waffe.
Ich arbeitete mich Inch für Inch weiter an die Tür heran, die nur noch lose in ihren Angeln hing.
Verdammt!
Eine deutliche Blutspur führte zur Umfassungsmauer des Innenhofs, der mit leeren Getränkekisten und Müllbeuteln überfüllt war. Dort oben mußte der Attentäter auf mich gelauert haben.
Jetzt hörte ich einen Automotor aufheulen und quietschende Reifen.
Ich konnte mir vorstellen, wie das Fahrzeug auf die Seventh Avenue einbog. Es würde im Verkehrsfluß verschwunden sein, bevor ich mich auch nur an der Mauer hochgezogen hatte.
Eine Fahndung war sinnlos. Ich kannte ja nicht mal den Wagentyp. Vom Nummemschild ganz zu schweigen.
Unzufrieden steckte ich meine SIG Sauer wieder in das Gürtelholster und ging zurück in die Bar. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Eine eiskalte Hand krampfte sich um mein Herz.
Milo kniete neben dem blutbesudelten Körper von Stoney Watson!
»Ein Querschläger muß ihn erwischt haben!« rief mein Partner. Verzweifelt versuchte er, die Blutung am Hals des Ganoven zu stoppen. »Ich habe schon eine Ambulanz alarmiert!«
Aber wir wußten beide, daß es sinnlos sein würde. Mit Stoney ging es zu Ende. Das Leben wich zusehends aus dem Blick seiner jetzt glasigen Augen.
»Wer?« fragte ich den Sterbenden. Wir mußten unbedingt erfahren, wer hinter diesem scheinbar sinnlosen Tötensteckte. »Wer war es, Stoney?«
»Na…«, hauchte er fast unhörbar. Ich hielt mein Ohr ganz dicht an seine bleichen Lippen. »Nag…«
»Ich verstehe nicht!«
Der Sterbende unternahm noch einen letzten Versuch. »City… Co…«
Dann brach der Blick seiner Augen.
Der wenige Minuten später eintreffende Notarzt konnte nur noch den Tod von Stoney Watson feststellen…
***
Die FBI-Agentin Annie Franceso war ziemlich überrascht, als sie das Polizeirevier an der West 47th Street betrat. Die Bundespolizei arbeitet eng mit dem NYPD zusammen. Daher ging auch Annie Franceso in den Precincts der City Police ein und aus wie die meisten New Yorker G-men.
Sie wußte also, daß Streß und Hektik bei den dunkelblau uniformierten Kollegen an der Tagesordnung waren.
Doch ah diesem Tag herrschte eine beinahe friedliche Stille im Mannschaftsraum. Sogar die Besoffenen in den Arrestzellen schienen sich leiser zu übergeben als üblich.
Die puertoricanischstämmige Agentin sah den grauhaarigen Desk Sergeant fragend an. Er kannte Annie schon seit einiger Zeit.
»Ah, die chica vom FBI!« begrüßte er sie. »Du hast heute einen ganz besonderen Tag erwischt, Annie. Einer von uns kriegt eine Medaille verliehen.«
Neugierig spähte die dunkelhaarige FBI-Agentin zu der Menge von Cops in Uniform und Detectives in Zivil hinüber, die sich im Halbkreis versammelt hatten.
»Geh nur hin«, forderte der Desk Sergeant sie mit stolzgeschwellter Brust auf. »Wenn du ein dienstliches Anliegen hast - das müß bis nach der Verleihung warten.«
Annie nickte und setzte sich in Bewegung. Insgeheim hatte sie sowieso eine Vorliebe für feierliche Zeremonien. Vor ihrem geistigen Auge zogen die Momente ihres Lebens vorbei, in denen sie selber im Mittelpunkt solcher Rituale gestanden hatte. Der Highschool-Abschluß. Das Jura-Diplom an der Uni. Die Vereidigung als Agentin des FBI in Washington. Und nicht zuletzt die Verleihung des obersten Schülergrads in Kung-Fu.
Annie Franceso wurde von ihren Kollegen liebevoll-spöttisch ›Miss Lee‹ genannt. Wegen ihrer Verehrung für den unvergessenen Kampfkunst-Filmstar Bruce Lee. Sie hatte nicht nur seine sämtlichen Filme auf Video, sondern verbrachte auch jede freie Minute in einer Kung-Fu-Schule in Chinatown.
In den letzten Tagen hatte sie das Training sogar noch intensiviert, um wieder fit zu werden. Einige Zeit lang hatte sie wegen einer Schußverletzung im Krankenhausbett zubringen müssen, denn bei ihrem letzten gemeinsamen Fall waren sie, Jesse Trevellian und Milo Tucker zwischen die Fronten verfeindeter Syndikate geraten, und Annie war angeschossen worden. [1]
Die Verwundung war inzwischen gut verheilt, nur eine kleine Narbe war zurückgeblieben, und jetzt trainierte Annie um so eifriger, um ihre Muskeln wieder zu stählen.
Die FBI-Agentin bahnte sich einen Weg zwischen den Cops hindurch, bis sie einen guten Blick auf die Verleihungszeremonie hatte. Inmitten des Kreises aus Polizisten standen einige Bürger in Zivil. Und ein Cop, dem eine alte Dame gerade eine Medaille an einem roten Band um den Hals legte.
»Im Namen des Bürgervereins Midtown Manhattan verleihe ich die diesjährige Auszeichnung für ›Tapferkeit im Dienst an den Bürgern von Manhattan‹ an Police Officer Robert Duffy vom Precinct West 47th Street.«
Der Uniformierte errötete. Seine Kollegen applaudierten.
Die Lady fuhr fort: »Natürlich wissen wir, daß Sie alle Ihren Job so gut wie möglich machen. Aber wir vom Bürgerverein meinen, daß sich Officer Duffy besonders hervorgetan hat. Er hat monatelang seine Freizeit geopfert, um den Dealern auf unseren Spielplätzen das Handwerk zu legen. Er hat nicht auf gegeben, hat sich weit über seine dienstlichen Verpflichtungen hinaus engagiert.«
Die anderen Zivilisten schüttelten dem verlegenen Cop die Hand. Er bedankte sich höflich. Dann drängten sich auch seine Kollegen nach vorn, um ihm ebenfalls zu gratulieren.
Annie tippte einer Polizistin auf die Schulter, die direkt neben ihr stand. »Kannst du mir sagen, wo ich Detective Louis Fernando finde?«
Irritiert sah die Frau in Uniform die Agentin an. So, als wüßte sie nicht, weshalb sie einer Fremden so etwas verraten sollte.
Aber dann fiel ihr Blick auf den FBI-Dienstausweis, den sich Annie an das Jackett ihres beigen Hosenanzugs geheftet hatte. »Ach, sie sind vom FBI.«
»Richtig, Kollegin.«
»Und Sie wollen Detective Fernando sprechen?«
»Wie ich bereits sagte.«
»Das ist der hübsche Kerl, der da am Sodaautomaten lehnt.«
»Ah, ich sehe ihn. Danke.«
Annie mußte dem weiblichen Cop recht geben, was das Aussehen des Detective betraf. Fernando war Anfang Dreißig und für einen Latino ziemlich hochgewachsen. Sein modisch kurzgeschnittenes Haar war naturgelockt. Unter seinem Anzug von der Stange steckten breite Schultern und schmale Hüften. Aus dunkelbraunen Augen blickte er interessiert in die Welt.
Die FBI-Agentin trat auf ihn zu. »Detective Fernando?«
Er linste auf ihren Ausweis, und ein schüchternes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Sie müssen Annie Franceso sein. Mein Lieutenant hat mir schon gesagt, daß wir Zusammenarbeiten werden. Es geht um die drei Mordopfer, denen das Genick gebrochen wurde, nicht wahr?«
»Exakt.«
»Wie ich hörte, wurden Sie vor einiger Zeit im Dienst angeschossen.«
»Das ist schon längst vergessen.« Annie gab sich ganz dienstlich, obwohl sie die männlich-attraktive Ausstrahlung dieses NYPD-Kollegen zunehmend verwirrte. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, möglichst schnell einen Termin bei ihrem Friseur zu machen.
»Gehen wir doch hinüber zu meinem Schreibtisch.« Fernando bewegte sich unsicher, fast ein wenig linkisch.
Das unterschied ihn von den zahlreichen Latino-Machos, die Annie in ihrem Leben schon kennengelemt hatte. Die hielten sich alle für unwiderstehlich.
Der zerschrammte Blech-Schreibtisch war mit Akten überhäuft. Offenbar litt Louis Fernando nicht gerade unter Arbeitsmangel.
Annie nahm auf seinem Besucherstuhl Platz. Sie gab sich besonders forsch, um ihre aufkeimenden Gefühle für den Detective zu überspielen.
»Wie sind Ihre Ermittlungen vorangegangen, Detective Fernando?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, gar nicht, Agent Franceso.« Er redete sie genauso förmlich an wie sie ihn. »Ich war jedesmal am Fundort der Leichen. Sie wurden alle im Umkreis von einer Quadratmeile um den Precinct abgelegt.«
»Das ist doch schon mal ein Anhaltspunkt«, sagte Annie.
Versonnen betrachtete sie seine schlanken und doch kräftigen Hände, die er auf der Schreibtischplatte gefaltet hatte.
»Außerdem ist mir dieser Stoney Watson aufgef allen, der unseren Leuten von der Spurensicherung bei der Arbeit zugeschaut hat«, fuhr Fernando fort. »Ein kleiner Ganove, den ich selbst schon mindestens fünfmal hinter Gitter gebracht habe. Aber weiter bin ich noch nicht gekommen, Agent Franceso.«
»An Stoney Watson sind meine Kollegen Trevellian und Tucker dran«, berichtete die puertoricanischstämmige Agentin. »Wir sollten nach Zeugen Ausschau halten, die die Opfer noch lebend gesehen haben. Vielleicht sogar in Begleitung des Täters.«
Der Detective mit den dunklen Locken wiegte den Kopf. »Das bedeutet viel Beinarbeit.«
»Kein Problem«, meinte Annie. »Wir sind ja jetzt zu zweit.«
»Darüber freue ich mich«, erwiderte Louis Fernando und sah ihr in die Augen.
Annie Franceso biß die Zähne zusammen und schaffte es mit einer übermenschlichen Anstrengung, nicht zu erröten. Sie war auf dem besten Weg, sich in den Detective Sergeant zu verlieben!
***
»Was ist das?« fragte Milo und verzog das Gesicht.
»Unsere Spezialität«, erwiderte der chinesische Kellner mit unerschütterlicher Ruhe. »Pilzsuppe und Moo Shu-Rollen mit Nußfüllung, eingewickelt in Basilikumblätter.«
Mein Partner öffnete den Mund, um loszumeckern. Ich trat ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein.
Der Ober entfernte sich mit einer Verbeugung.
»Du wolltest doch vegetarisch essen«, erinnerte ich meinen Partner. »Also halt die Klappe. Oder noch besser: Schieb dir die Moo Shu-Rollen hinter die Kinnlade!«
Wir saßen an einem kleinen Ecktisch im ›Vege Vege‹, einem vegetarischen Restaurant an der Third Avenue, Ecke 36th Street.
Nachdem die Männer des Coroners die Leiche von Stoney Watson abgeholt hatten, hatte es für uns im ›Bogey’s Place‹ nichts mehr zu tun gegeben. Das Spurensicherungsteam hatte seine Arbeit aufgenommen. Ohne große Hoffnung auf Erfolg.
Die wenigen Zeugen hatten absolut nichts gesehen. Zwei Männer, mittelgroß, mit automatischen Waffen und Strumpf masken. Nicht mehr, als Milo und ich auch mitgekriegt hatten. Damit kamen wir absolut nicht weiter.
»Diesmal sind wir vom Pech verfolgt« , meinte mein Freund und starrte die Moo Shu-Rolle an, als hätte der oberste Mafia-Boß von New York sie höchstpersönlich für ihn zubereitet.
»Stoney Watson wußte etwas«, sagte ich. »Deshalb mußte er sterben. Wir waren also auf der richtigen Spur, Milo.«
»Ein toller Trost, Jesse! Und was hast du aus den letzten Worten oder vielmehr Silben unseres Informanten herausgehört? Für mich ergibt das keinen Sinn.«
»Nicht so ungeduldig.« Ich schob meine Suppentasse zur Seite und legte meinen Notizblock auf die Tischdecke. »Ich habe Stoney gefragt, wer es gewesen sei, der die Morde verübte und ihm die Killer geschickt habe. Daraufhin erwiderte er: ›Na‹ und dann ›Nag‹.«
»Ein Name. Oder der Teil davon, wenn ich das richtig interpretiere. Von einem Mann oder von einer Organisation?«
»Sobald wir im Office sind, spannen wir den Kollegen Computer mit ein. Aber was Stoney noch gesagt hat, fand ich vielversprechender. Ich habe meine Frage wiederholt. Und Stoney sagte mit letzter Kraft: ›City Co‹.«
Der blonde G-man zuckte mit den Achseln. »Das kann sonstwas bedeuten«, sagte mein Partner und warf seine Serviette wie ein Leichentuch über die verbliebenen Moo Shu-Rollen.
»Warum hatten die Hitmen Strumpfmasken über den Köpfen?« fragte ich mich laut.
»Damit wir sie nicht erkennen konnten.«
»Das weiß ich selber, Einstein. Ich meine, warum keine Skimützen oder sowas? Da sind die Augen frei, und man kann viel besser schießen.«
Schweigend brüteten wir vor uns hin.
Der Kellner kam und räumte das Geschirr ab. Milo sah ihm versonnen nach. Plötzlich fuhr mein Freund hoch und ließ seine Faust auf den Tisch sausen. Die anderen Gäste schauten zu uns herüber.
»Ich hab’s, Jesse! Sie haben Strumpfmasken genutzt, damit wir ihre Augen nicht sehen können. Denn an den Augen hätten wir erkennen können, daß sie - Asiaten sind!«
***
Police Officer Bob Duffy war schon wieder in den Straßen von Midtown Manhattan unterwegs. Hier draußen, ›an der Front‹, wie er und seine Kameraden das nannten, trug er natürlich nicht die Medaille, die ihm vom Bürgerverein verliehen worden war. Aber er war noch ganz berauscht von der Ehre, die man ihm damit hatte zuteil werden lassen.
Er war sich sicher, daß sich diese Auszeichnung positiv auf seine Beförderung auswirken würde.
Wenn ich erst Sergeant bin…, dachte er und ließ einen seiner Tagträume abspulen. Alle seine Phantasien begannen mit der Vorstellung seiner Beförderung zum Sergeant.
Er sah sich und Jane, wie sie vor dem Traualtar standen. Er in Uniform, Jane in einem weißen Kleid. Das war sein Lieblingstraum.
Doch nun wurde er von seinem Partner Ernesto Gonzales gestört.
»Hast du diese FBI-Agentin gesehen, die heute im Precinct war? Ay, carambal Was für eine schöne Frau - una chica muy bonital«
Bob verzog genervt das Gesicht. Ernesto schwärmte ihm jeden Tag von einem anderen Mädchen vor.
Der blonde Cop stellte seine Ohren auf Durchzug. Für ihn gab es nur ein einziges Girl auf der ganzen Welt.
Jane Chapman.
Deshalb langweilten ihn die Frauengeschichten seines Partners grenzenlos.
Bob Duffy hatte immer noch nicht bemerkt, daß seine Freundin keineswegs im Krankenhaus arbeitete. Er war vor Liebe so blind, daß er die Hinweise ignorierte, die es für ihre wahre Tätigkeit als Callgirl gab. Der Geruch nach Alkohol und Tabakrauch, den sie morgens an sich hatte. Nach ihren angeblichen Nachtschichten im Bellevue Hospital. Und daß sie für eine Krankenschwester bemerkenswert geringe medizinische Kenntnisse hatte. Sie hatte ihm ja noch nicht mal das Handgelenk richtig verbinden können, als es einmal verstaucht gewesen war.
Aber nein. So aufmerksam Bob Duffy im Dienst auch war, diese offensichtlichen Hinweise entgingen ihm.
Die beiden Cops patrouillierten an diesem späten Nachmittag zu Fuß auf der Eigth Avenue. Jeder sollte die Präsenz der Polizei mitkriegen. Das gehörte zum Konzept der ›Null Toleranz‹ gegen das Verbrechen, ein Konzept, mit dem Bürgermeister Giuliani die Straßen von New York erfolgreich sicherer gemacht hatte.
Trotzdem gab es immer noch mehr als genug Kriminalität.
Das wurde den Männern in Blau im nächsten Moment klar.
Ein Punker, von den Zehen bis zu seiner Irokesenfrisur tätowierter, kam aus einem Spirituosenladen gejagt. Den Cops war sofort klar, daß er sich dort nicht einfach eine Flasche Whisky gekauft hatte.
Denn er hielt in der rechten Hand einen Revolver, in der linken eine prallgefüllte Plastiktüte.
Ein Raubüberfall!
Er sah die Cops - und eröffnete ohne Vorwarnung das Feuer!
Zum Glück schoß er im Laufen, konnte daher nicht richtig zielen, und die Kugeln schlugen nur in einen parkenden Cadillac. Ungefähr drei Yards von Bob Duffy entfernt.
Die beiden Uniformierten gingen in die Hocke, zogen dabei ihre Dienstwaffen.
Doch bevor sie anlegen konnten, war der Punker schon auf die Motorhaube eines Oldsmobiles gesprungen. Und von dort mit einem Riesensatz direkt auf die Fahrbahn.
Wenn die beiden Cops jetzt schossen, bestand die Gefahr, daß Unbeteiligte verletzt wurden.
»Den schnappen wir uns!« rief Bob Duffy seinem Kollegen zu.
Ernesto Gonzales nickte grimmig. Es war keine Zeit, Verstärkung herbeizurufen. Jede Sekunde zählte.
Gonzales startete durch und war dem Punker schon bald dicht auf den Fersen.
Der Sohn mexikanischer Einwanderer war einer der besten Läufer im Police Department. Da konnte Duffy nicht mithalten. Obwohl er sich sonst so sehr bemühte, ein erstklassiger Cop zu sein.
Der Punker hetzte an dem Nobelhotel ›Ramada Inn‹ vorbei. Rannte beinahe den Doorman in seiner Phantasie-Uniform um, der beim Anblick des bewaffneten Räubers schnell hinter einem Stapel Koffer Zuflucht suchte.
Ernesto Gonzales wollte nicht schießen, um die zahlreichen Passanten auf der Eighth Avenue nicht zu gefährden. Kreischend sprangen sie links und rechts beiseite.
Der Räuber kannte solche Skrupel nicht.
Er hatte bemerkt, daß der Mann vom NYPD sich immer näher an ihn heranarbeitete.
Und dann passierte es!
Gonzales war schon fast auf Armeslänge hinter dem Punker, als er mit dem linken Fuß umknickte. Wegen seines hohen Tempos überschlug er sich mehrmals, als er stürzte. Seine Dienstwaffe flog in hohem Bogen davon.
Der Verbrecher hatte das Mißgeschick seines Verfolgers bemerkt. Er sah seine Chance gekommen.
Er stoppte seinen Lauf. Drehte sich um. Seine Augen glitzerten wie die eines Irrsinnigen. Er mußte bis zum Kragen seiner ärmellosen Lederjacke voll mit Drogen sein.
»Sprich dein letztes Gebet, Bohnenfresser!« heiserte er.
Und legte auf Gonzales an.
Doch er hatte nicht mehr mit Bob Duffy gerechnet.
Der blonde NYPD-Beamte war vielleicht noch dreißig oder vierzig Yards von den beiden Männern entfernt. Und er erkannte, in welch verzweifelter Lage sich sein Partner befand.
Duffy handelte schnell, aber besonnen.
Er ging in die Knie. Legte in Kombat-Haltung an.
Und als der Punker abdrücken wollte, feuerte der Cop!
Bob Duffy traf präzise. Die Kugel traf den Punker in die rechte Schulter.
Der Tätowierte drehte sich fluchend um die eigene Achse. Die umstehenden Passanten warfen sich entsetzt auf den Gehweg.
Inzwischen hatte sich der mexikanischstämmige Polizist wieder aufgerappelt, er sprang auf den Punker zu, riß ihn zu Boden und nagelte ihn dort fest, indem er ihm das Knie in den Nacken drückte.
Bob Duffy näherte sich, während er über sein Walkie-talkie eine Ambulanz anforderte.
Die großen braunen Augen von Ernesto Gonzales glänzten. Er war soeben dem sicheren Tod von der Schippe gesprungen.
»Du hast mir das Leben gerettet«, raunte er Bob Duffy zu. »Du bist ein Held, Bob. Und ich werde dafür sorgen, daß es das ganze Precinct erfährt. Mein Partner ist ein verdammter Held! Madonna!«
Senator Andrew Warren liebte New York.