TÖDLICHE ERINNERUNG - Urs Aebersold - E-Book

TÖDLICHE ERINNERUNG E-Book

Urs Aebersold

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Beschreibung

Seit ihrer Kindheit wird die Psychiaterin ANNA HAUSER von einem immer wiederkehrenden Alptraum heimgesucht, der so realistisch ist, daß sie bis heute nicht sicher weiß, ob er nicht die Erinnerung an ein wirkliches Ereignis ist: Eine gesichtslose Frau und ein schattenhafter Mann in einem mörderischen Ringkampf, der für die Frau tödlich endet. Als sie selber überraschend unter Mordverdacht gerät, übernimmt Hauptkommissarin NINA BRANDNER die Ermittlungen…

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Seitenzahl: 106

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Urs Aebersold

* 1944 in Oberburg / CH

1963 Abitur in Biel/Bienne (CH)

1964 Schauspielschule in Paris, Kurzspielfilm "S"

Studium an der Universität Bern

Weitere Kurzspielfilme. "Promenade en Hiver",

"Umleitung", "Wir sterben vor"

1967-70 Studium an der HFF München

1974 Erster Kinospielfilm DIE FABRIKANTEN

als Co-Autor, Co-Produzent und Regisseur

Diverse Drehbücher für "Tatort"

Ab 2016 erste Buchveröffentlichungen:

VERZAUBERT / NOVEMBERSCHNEE / DAS BLOCKHAUS - Drei Erzählungen

JULIA / AM ENDE EINES TAGES / DUNKEL IST DIE NACHT - Drei Erzählungen

NUITS BLANCHES - Roman

DER BAUCH MEINER SCHWESTER / EIN PERFEKTES PAAR / DIESES JÄHE VERSTUMMEN - Drei Erzählungen

BLUT WIRD FLIESSEN - Psychothriller

TÖDLICHEERINNERUNG

Psychothriller

Urs Aebersold

© 2018 Urs Aebersold

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-7469-1875-4

Hardcover:

978-3-7469-1876-1

e-Book:

978-3-7469-1877-8

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

TÖDLICHE ERINNERUNG

Das rosige Gesichtchen des Säuglings, der gut zugedeckt auf dem Rücken in seinem Gitterbett schläft, verzieht sich bisweilen jäh, wenn flüchtige, rasch wechselnde Traumbilder wie Blitze durch sein Gehirn zucken, und seine Ärmchen und Beinchen krümmen sich dabei reflexartig wie vor einer unbestimmten Gefahr.

Das französische Fenster, das direkt auf die Gartenterrasse führt, ist angelehnt, und die Vorhänge bauschen sich in den plötzlich aufkommenden, föhnig-warmen Windböen, die düstere Regenwolken vor sich her treiben und das abendliche Sonnenlicht verdunkeln. Das Baby spürt die Unruhe, sein runder, feuchter Mund öffnet sich, seine Lunge preßt Luft durch den Kehlkopf, und seine lang anhaltenden Schreie vermischen sich mit dem Donnergrollen des aufkommenden Sommergewitters.

Die Zimmertür geht auf, und eine konturlose weibliche Gestalt nähert sich dem Bettchen, beugt sich über das Baby und beruhigt es, dann öffnet sich die Tür zum Nebenzimmer, eine zweite, männliche Gestalt eilt herbei und zerrt die Frau vom Bettchen weg. Sie ringen und kämpfen miteinander, und wenn Blitze über den Himmel zucken und das Zimmer für Sekunden erhellen, sieht das Baby ihre riesigen, sichheftig bewegenden Schatten an der Wand und hört Geräusche, die immer bedrohlicher werden, bis nach einem spitzen Schrei der Frau die Schatten aus dem Gesichtskreis des Babys verschwinden. Es ist wie erstarrt, die Augen sind weit offen, dann bauscht ein Windstoß erneut die Vorhänge auf, ein schemenhaftes Gesicht schiebt sich dicht über das Gitterbett und verschwindet gleich wieder. Der Regen prasselt herab, und das Baby schreit jetzt ohne Unterlaß.

1

Ein Jet der British Airways beendete seinen von heftigen herbstlichen Windstößen verwackelten Sinkflug mit einer sicheren Landung auf dem Rollfeld. Unter den Passagieren befand sich der Genforscher Ted Brighton, der in seine Tabellen und Grafiken so vertieft war, in denen er unentwegt herumscrollte, daß er seinen Laptop erst zuklappte, als das Flugzeug zum Stehen kam. Ted Brighton hatte nur wenig Gepäck, er hob den kleinen Rollkoffer vom Band herunter, zwängte sich durch die Passagiere hindurch, steuerte eilig ein Taxi an und stieg ein.

"Hotel Splendid, please…"

Der Taxifahrer nickte, schaltete den Taxameter ein und musterte im Rückspiegel kurz seinen Fahrgast, der mit seiner gedrungenen Gestalt, dem fast kahlen Schädel und dem teuren Anzug einen soliden Eindruck machte, und startete den Motor. Die Fahrt ging erst über die Autobahn, dann in quälender Langsamkeit ein Stück durch die Innenstadt, bevor das Taxi vor dem altehrwürdigen Art-déco-Hotel Splendid hielt, dessen Leuchtschrift und raffinierte Außenbeleuchtung nachts eine Anmutung von Morbidität und Savoir Vivre heraufbeschwörten und frivole Erinnerungen an eine längst vergangene Epoche.

Die ganze Zeit über hatte Brighton kein Wort gesprochen, nur einmal mit seiner Firma telefoniert und danach komplizierte Berechnungen mit seinem Smartphone angestellt.

Ted Brighton sah auf, und der Taxifahrer deutete auf den Taxameter.

"67 Euro 20, please…"

Brighton griff in seine Jackentasche, holte ein paar lose Geldscheine hervor und drückte dem

Fahrer 70 Euro in die Hand.

"It's okay…"

Der Taxifahrer holte den Rollkoffer aus dem Kofferraum und stellte ihn vor Brighton hin.

"Thanks…"

Brighton nickte ihm zu und betrat durch die Drehtür das Hotel.

In einem dunklen Van, der gegenüber vom Eingang parkte, saßen Roman Zondler, groß und schlank, mit glatt zurückgegelten dunklen Haaren, und eine junge, attraktive blonde Frau, Stella, und beobachteten gespannt Brightons Ankunft. Zondler stieß Stella mit dem Ellbogen an und deutete mit dem Kopf auf ihn.

"Das ist er…"

Stella machte Anstalten auszusteigen, doch Zondler hielt sie zurück.

"Ruf mich an, wenn du ihn am Haken hast…"

Stella stieg aus und ging auf den Hoteleingang zu,Zondler fuhr um die Ecke und verschwand in der Tiefgarage.

Unter der gewaltigen Wölbung der Eingangshalle trug sich Brighton gerade an der Rezeption ein und ließ sich den Türöffner geben, als Stella nah an ihm vorbeistreifte, wie nebenbei einen Prospekt an sich nahm, der in einem kleinen Ständer auf dem Tresen steckte, dem Portier, Tom Winter, einen Blick zuwarf, den dieser verstohlen erwiderte, und dann langsam in die Bar ging. Brighton schaute ihr lange nach und sah den Portier fragend an.

"Is she dateable?"

Der Portier grinste anzüglich, Brighton grinste zurück und drückte ihm 50 Euro in die Hand.

"What' s her name?"

"Stella… "

"In half an hour… in my room?"

"I'll do my best…"

Brighton zwinkerte dem Portier zu, packte seinen Rollkoffer und betrat den Fahrstuhl.

Die Villa Hauser, ein majestätischer Gründerzeitbau mit Wohnungen auf drei Etagen, stand leicht erhöht in einem parkähnlichen Garten, eingefaßt von einem hohen, unüberwindlichen, schmiedeeisernen Zaun aus in Blätterform spitz zulaufenden und nach außen gewölbten Gitterstäben. Ein mächtiges Doppeltor zwischen zwei massiven, aus Stein gemauerten, efeubewachsenen Pfeilern mit einer separaten Tür für Fußgänger versperrte die Zufahrt zu zwei breiten, kiesbestreuten Wegen, von denen der eine rechtsherum zum Haupteingang hinaufführte und der andere auf der linken Seite wieder zurück zum Tor. Dazwischen wucherten Zierbüsche, in der Mitte plätscherte ein kleiner Brunnen, der von einem Amor bewacht wurde. Über dem Portal der Villa prangte ein kunstvoll drapiertes Seidenband und verkündete in silberner Schrift <50 Jahre Privatklinik Dr. Hauser>. Viele teure Limousinen standen entlang der Auffahrt und vor dem Grundstück. Die letzten, verspäteten Gäste hasteten zum Hauptportal und wurden nach diskreter Überprüfung eingelassen.

Hauptkommissarin Nina Brandner, die ihre langen schwarzen Haare offen trug, in einem Kostüm, das ihre Figur betonte, und Kommissar Marco Riemann, schmal, hellblond und schweigsam, in einem dunklen Anzug, den er wohl nicht allzu oft trug, schlossen sich ihnen an. Nina wandte sich lächelnd an ihren neuen Partner, der seine Augen unablässig umherschweifen ließ, sichtlich beeindruckt von diesem noblen Ambiente.

"Hast du deswegen mein Angebot angenommen, mich zu begleiten? Um zu sehen, wie die wirklich reichen Leute leben? Oder gibt es da noch ein verborgenes Motiv?"

Riemann fuhr zu Nina herum.

"Wie? Was meinst du?"

Dann fiel ihm offenbar ein, worauf Nina anspielte, und eine leichte Röte überzog sein Gesicht.

"Oh, das… "

Mit der Tochter der Hausherrin, Anna Hauser, hatte Nina Psychologievorlesungen besucht, bevor sie sich entschlossen hatte, in den Polizeidienst zu treten. Als Psychiaterin war Anna gelegentlich auch als Gutachterin tätig, und Nina hatte beobachtet, wie Riemann immer ganz aufgeregt wurde, wenn Anna bei einem seiner Fälle im Gerichtssaal war, die mit ihrer blassen Haut, den hennafarbenen Haaren und den großen, blauen Augen wie das Sinnbild eines zerbrechlichen, weiblichen Wesens aussah.

Nina lachte.

"Ja, das… Anna… sie hat mich mit Begleitung eingeladen, da paßt es doch ganz gut, daß mein Freund für seine Zeitung auf Recherche unterwegs ist… oder nicht?"

Riemann ließ ein dünnes Lächeln sehen, und Nina faßte ihn am Arm.

"Also genieß' es und träum' ein wenig… Anna ist schon sehr lange verlobt…"

Am Hauptportal zückte Nina ihre Eintrittskarte, und die schwere Tür schloß sich hinter den beiden.

Die Eingangshalle war hoch und geräumig, rechts schwang sich eine breite, von einem hellblauen, mit Messingleisten fixierter Läufer bedeckte Marmortreppe in die beiden oberen Etagen hinauf. Einzelne Stehtische standen herum, an denen sich Gäste unterhielten, welche den festlichen Anlaß für ihre eigenen Anliegen nutzten.

Die eigentliche Feier fand links in den drei großen Räumen statt, die zusammen eine prachtvolle Enfilade bildeten und zur Wohnung der Gastgeberin Dr. Martha Hauser gehörten, die dort seit dem Tod ihres Ehegatten ganz allein residierte. Oben, im ersten Stock, wohnte ihr Sohn Martin mit seiner Frau und den beiden Kindern, im Dachgeschoß hatte sich seine Schwester Anna eingenistet.

Dienstbare Geister schwärmten mit Getränken aus, und ein üppiges Buffet wartete auf die Eröffnung. Auch hier standen mit weißem Leinen bezogene Stehtische herum. Die Gäste, die sich angeregt unterhielten, gehörten zur gehobenen Gesellschaft, und nicht wenige Honoratioren, in deren Mitte die Gastgeberin, sonnten sich im Glanz des gediegenen Ambientes.

Nina Brandner und Marco Riemann schoben sich unauffällig und unbeachtet durch die übrigen Geladenen, stellten sich an einen freien Stehtisch und wurden sofort mit Getränken versorgt. Mit einem Lächeln beobachtete Nina, wie Riemann die Räume unruhig mit den Augen absuchte.

"Tut mir leid, ich habe sie auch noch nicht gesehen… "

Riemann nahm einen Schluck von seinem Champagner und versuchte Gleichmut zu simulieren.

"Wir müssen uns doch bei ihr für die Einladung bedanken… "

"Wie konnte ich das bloß vergessen…"

Nina grinste Riemann wissend an, doch bevor er etwas erwidern konnte, sahen die beiden, wie Anna Hauser in einem schilfgrünen Etuikleid, das perfekt mit ihren kupferroten Haaren harmonierte, durch eine Seitentür in den hell erleuchteten Saal schlüpfte. Ihre Mutter entdeckte sie sofort, sie wurde von ihr beiseite genommen und leise, aber offenbar heftig getadelt.

Nina stieß Riemann leicht an.

"Los komm, das arme Kind muß doch getröstet werden… "

Sie nahmen ihre Gläser und arbeiteten sich geduldig bis zu Anna vor, welcher der ganze Rummel offensichtlich zuwider war. Anna, voller nervöser Energie, war erleichtert, Nina zu sehen, die beiden umarmten sich herzlich, die Gläser akrobatisch balancierend, Riemann bekam immerhin einen warmen, von einem strahlenden Lächeln begleiteten Händedruck.

"Hauptkommissar Riemann, nicht wahr? Das freut mich aber, daß Sie sich die Zeit genommen haben… wenigstens zwei Menschen, die mich nicht wie ein Kind behandeln… "

Nina lachte und deutete mit dem Kopf in Richtung von Annas Mutter.

"Ist sie so streng, die Frau Mama?"

"Sie hält sehr auf Formen, und wenn man zu spät kommt und dann auch noch allein, kann sie sehr deutlich werden… aber sie kann auch ganz anders…"

In diesem Augenblick löste sich Martha Hauser aus dem Kreis ihrer Gäste und stellte sich an ein kleines Rednerpult, das mit einem Mikrofon ausgestattet war. Mit ihrem feingeschnittenen Gesicht, den weißen, kurzgeschnittenen Haaren und den schwarzen Augen wirkte ihre kleine, hagere Gestalt in dem hellgrauen Kostüm alterslos und zäh, wie eine Erscheinung aus einer längst vergangenen Zeit. Sie hatte noch gar nicht zu reden begonnen, als es in allen drei Räumen bereits still geworden war.

"Lieber Herr Bürgermeister, liebe Gäste und Freunde der Familie… darf ich Sie kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten… Es ist mir eine große Ehre, Sie anläßlich des fünfzigjährigen Bestehens unserer Klinik, die mein leider viel zu früh verstorbener Mann in schwierigen Zeiten gegründet hat, hier bei uns begrüßen zu dürfen… Ich werde jedoch nicht den Fehler begehen, Sie mit Schmeicheleien einzulullen, die Sie mir ohnehin nicht abnehmen würden, sondern gleich auf meine Anliegen zu sprechen kommen: die Bewilligung eines Anbaus, der es uns erlauben würde, unsere bescheidenen Kräfte noch mehr als bisher in den Dienst der Kranken zu stellen und Kapazitäten zu schaffen, die bei den städtischen und staatlichen Einrichtungen fehlen… "

Marthas Sohn Martin betrat mit seiner Frau jetzt ebenfalls den Raum, in dem seine Mutter die Rede hielt, und blieb neben Anna stehen. Martha hatte Martins Zuspätkommen mit einem raschen, mißbilligenden Blick registriert, fuhr aber honigsüß in ihrer Ansprache fort.

"…und bis es mit Ihrer gütigen Mithilfe soweit ist, werde ich das Erbe der Familie wie bisher treu verwalten, danach werde ich die Leitung in jüngere Hände geben… "

Martha sah sowohl ihren Sohn Martin als auch ihre Tochter Anna mit einem strahlenden Lächeln an, ohne namentlich auf sie einzugehen.

"…und damit erkläre ich das Buffet für eröffnet…"

Die Gäste applaudierten Martha stürmisch und belagerten augenblicklich die weißgedeckten Tische, die sich unter den Köstlichkeiten bogen.

Martin Hauser, mittelgroß, von gedrungener Statur, drehte sich erregt zu Anna um, ohne auf Nina und Riemann zu achten.

"Verdammt, sie wollte doch heute offiziell verkünden, wer ihr Nachfolger wird…"

"Ach, Martin, du weißt doch, wie sie ist… wahrscheinlich hat sie sich darüber geärgert, daß wir beide zu spät gekommen sind…"

"Das laß' ich mir nicht gefallen… sie soll es mir ins Gesicht sagen, wenn ihr etwas nicht paßt…"

Martin packte seine Frau am Arm und schob sie mitten durchs Getümmel. Anna wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an Nina und Riemann.

"Die alte Leier… mein Bruder ist sehr ehrgeizig… im Augenblick gibt es leider kein anderes Thema in meiner Familie… "

Sie sahen zu, wie sich Martin zu seiner Mutter vordrängte, die sich mit einem strahlenden Lächeln in die Runde ihrem Sohn zuneigte.

"Entschuldigen Sie mich einen Augenblick…"