Touched by a Sinner - Holly Clarkson - E-Book
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Holly Clarkson

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Beschreibung

Ich bin die Geisel von Rocco di Silva. Der Mann ist gefürchtet, gefährlich, brutal und sexy wie die Sünde. Ein Mafiaboss, der mich gefangen hält.

Warum er das macht?

Er glaubt, ich wäre eine andere, und sollte er jemals die Wahrheit erfahren, sterbe ich.

Also halte ich den Mund, lebe in seinem Haus, und widerstehe Tag für Tag seiner Anziehungskraft. Er sieht mich als Trophäe. Denkt, wenn er mich ins Bett kriegt, bekommt er seine ultimative Rache. Nur habe ich mit der ganzen Sache gar nichts zu tun.

In seinen Fängen bin ich zu einer großartigen Schauspielerin geworden, denn er glaubt immer noch, ich wäre die Tochter seines Feindes.

Wenn er mir eine Wahl ließe, würde ich bis ans Ende der Welt vor ihm davonlaufen. Wenn er mir eine Wahl ließe, würde ich in sein Bett krabbeln.

Es ist verrückt von mir, mich in das Spiel mit dem Teufel zu stürzen, aber Rocco di Silva lässt mir keinen Ausweg. Wir spielen nach seinen Regeln, und die wurden nicht für brave Mädchen gemacht.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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TOUCHED BY A SINNER

HOLLY CLARKSON

Deutsche Erstveröffentlichung September 2022

Copyright © 2022, Holly Clarkson

c/o Barbara’s Autorenservice

Tüttendorfer Weg 3

24214 Gettorf

 

Email: [email protected]

Cover: Simone Olmesdahl

Lektorat: Anja Schwesiger

All rights reserved.

ÜBER DIE AUTORIN

Holly Clarkson ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin, die unter ihrem richtigen Namen schon zahlreiche Liebesromane veröffentlicht hat. Als Holly sind ihre Geschichten ein paar Grade heißer und sündiger. Mit ihrem ersten Roman Wicked Gentleman Lover schaffte sie es auf Anhieb bis auf Rang 3 der Amazon Charts und stand auf Platz 11 der Bild Bestseller Liste. Eigentlich ist Holly eine hoffnungslose Romantikerin und das spiegelt sich auch in all ihren Büchern wider. Sie glaubt an die Macht der Liebe, an das Universum und daran, dass nichts so sexy ist, wie ein Mann, der einem morgens Kaffee ans Bett bringt.

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Leseprobe

1

2

1

EVERLY

Ich drängelte mich Schulter voran durch die vielen Menschen, die aus der überfüllten U-Bahn quollen. Warum bewegten die sich alle so langsam? Ich musste weg. Nichts wie weg. Ein paar Leute empörten sich über mich. In meiner Hektik stieß ich ein kleines Kind beiseite, das zu Boden stürzte und auf den Knien landete.

»Hey«, rief die Mutter mir nach. »Kannst du blöde Kuh nicht aufpassen?«

»Tut mir leid!« Ich hetzte den Bahnsteig entlang. Lauf, sagte ich zu mir selbst. Lauf so schnell du kannst. Mein Herz hämmerte in der Brust, meine Knie zitterten, während ich mich durch die vielen Passanten hindurchquetschte, die sich vor mir tummelten, oder in der Gegend herumstanden und auf ihre U-Bahn warteten. Ich musste weg. Nur weg. So weit weg wie möglich. Mich irgendwo verstecken, wo er mich nicht finden konnte. Nur wo?

Panisch blickte ich immer wieder über die Schulter, machte aber in der Menschenmenge Gott sei Dank kein bekanntes Gesicht aus. Er kriegt mich nicht mehr, schoss es mir durch den Kopf, was mein wild klopfendes Herz allerdings kein bisschen zur Ruhe brachte. Noch war ich nicht in Sicherheit. Ich hatte die Stadt noch nicht verlassen, sondern lediglich die erste Etappe meiner Flucht hinter mich gebracht. In den belebten Straßen von New York würde es zwar schwierig für ihn werden, mich aufzuspüren – aber wie ich ihn kannte, nicht unmöglich. Die Angst vor ihm saß tief, ich musste so viele Meilen wie möglich zwischen uns bringen. Erst dann konnte ich aufatmen.

Also hetzte ich weiter, die Treppe nach oben, die mich zum Hauptbahnhof führte. Ich stolperte, verlor das Gleichgewicht, bekam in letzter Sekunde das Geländer zu fassen und stieß mir das Schienbein an der Treppenkante an. Ein stechender Schmerz schoss mir durchs Bein, aber ich biss die Zähne zusammen, während die Leute um mich herumgingen, und sich nicht um mich scherten.

Ich fand mein Gleichgewicht wieder, nahm humpelnd die letzten Stufen, und stand schließlich auf der 42. Straße Ecke Park Avenue. Vierspurige Autokolonnen schoben sich über die breite Fahrbahn. Jemand rempelte mich im Vorbeigehen an. Um mich herum war alles voller Leute, Lärm und Gestank. Der schönste Anblick seit zwei Jahren. Ein zartes Gefühl von Freiheit stieg in mir hoch, und kribbelte in meinen Venen, verschaffte mir ein Gefühl von Leichtigkeit. Endlich hatte ich diesen Schritt gewagt, den ich ein Jahr lang akribisch geplant hatte. Nur das letzte Quäntchen Mut hatte mir noch gefehlt, ansonsten wäre ich schon viel früher getürmt.

Wie von selbst hoben sich meine Mundwinkel zu einem Lächeln, ein merkwürdiges Gefühl. Fast schon euphorisch. Ich hatte so lange nicht mehr gelächelt. Ein feiner Schmerz machte sich in meinem Kiefer bemerkbar, und ich betastete die leicht geschwollene Stelle mit den Fingerspitzen. Hoffentlich deckte mein Camouflage Makeup den großen blauen Fleck noch halbwegs ab. Andererseits scherte sich in dieser Millionenmetropole sowieso keiner um mich und meine Blessuren.

Ich sah mich um, entdeckte das riesige Gebäude des Grand Central Terminal und eilte darauf zu, obwohl ich keine Ahnung hatte, wohin ich reisen sollte. Gerade mal fünfzig Dollar steckten in meiner Hosentasche, Geld das ich während des vergangenen Jahres von den Lebensmitteleinkäufen abgezwackt hatte. Immer mal wieder ein oder zwei Dollar für einen Snack, wie ich ihm weisgemacht hatte. Bei der Abrechnung wurde er immer total argwöhnisch. Außer meinem Smartphone trug ich nichts bei mir. Eine gepackte Tasche wäre viel zu auffällig gewesen, ich hatte einen unachtsamen Moment abwarten müssen, um die Gelegenheit zur Flucht zu ergreifen.

Ein dunkles Gefühl stieg in mir hoch, stellte die feinen Härchen im Nacken auf. Ich hastete über die Straße, bloß keine unnötige Zeit verlieren. Bestimmt konnte er sich halbwegs denken, wo ich hinwollte. Entweder zum Bahnhof, oder einem der Busbahnhöfe. Bis er alle abgeklappert hatte, verstrich allerdings viel Zeit - Zeit, die ich zum Verschwinden nutzen wollte.

Die frischen Striemen auf meinem Rücken schmerzten bei jeder Bewegung, aber ich biss die Zähne zusammen. Im Nachhinein war ich dem Mistkerl fast schon dankbar für die Schläge, die er mir heute Morgen verpasst hatte, weil die Cornflakes Packung leer gewesen war. Es war das letzte Gramm auf der Waage gewesen, das es gebraucht hatte, um mir den Mut zur Flucht zu verleihen. Jetzt stand ich in Manhattan, war nur eine Fahrkarte von der endgültigen Freiheit entfernt. Für fünfzig Dollar wollte ich irgendwohin fahren, ganz egal, wo ich auch landen würde. Nur weit weg. An welchem Ort ich auch stranden würde, dort sollte mein neues Leben beginnen. Allein dieser Gedanke pushte mich, dämpfte meine pochenden Schmerzen, während ich zwischen den hupenden Fahrzeugen die Straße überquerte, und den Hauptbahnhof betrat. Drinnen war es angenehm kühl, Menschen strömten an mir vorbei hinein und hinaus, viele redeten in Sprachen, die ich nicht verstand.

»Everly«, hörte ich jemanden meinen Namen rufen und zuckte mit jeder Faser meines Körpers zusammen. Auf dem Absatz wirbelte ich herum, und entdeckte Grant ein Stückweit hinter mir in der Menge. Mein Puls schnellte steil in die Höhe. Das durfte doch nicht wahr sein. Wie hatte er mich bloß so schnell aufgespürt? Ich hätte schwören können, dass er mich auf dem Weg zur U-Bahn noch nicht verfolgt hatte. Wie, um alles in der Welt, hatte dieser Teufel in so kurzer Zeit meine Spur gewittert? Als wäre er ein Fährtenleser. Er hielt Ausschau nach mir, warf zwischendurch immer wieder einen Blick auf sein Smartphone. Mir fuhr es wie ein Stromschlag durch den Körper. Verdammter Mist. Der Scheißkerl trackte mich. Ich hatte nicht bedacht, dass er mein Handy kontrollieren könnte.

In Panik rannte ich los, hinein in die Menschenmenge. Sollte er mich erwischen, war alles zu spät. Nicht umsonst warnte er mich beinahe täglich davor, ihn zu verlassen. Ansonsten wollte er mir die Kehle zudrücken. Langsam und mit Genuss. Grant war kein Mann, der leere Versprechungen machte.

»Everly, bleib stehen. Lass uns reden!«

Ich beschleunigte meine Schritte, kramte währenddessen das Handy aus meiner hinteren Hosentasche und warf es in den nächstbesten Mülleimer, an dem ich vorbeikam, bevor ich zwischen den vielen Reisenden untertauchte.

Die Stimme in meinem Kopf brüllte.

Weiter!

Lauf schneller!

Er darf dich nicht erwischen!

Meine Angst jedoch flüsterte mir zu, ich sollte ihn besser nicht noch mehr reizen, sondern lieber reumütig zu ihm zurückkehren, und meine Strafe in Kauf nehmen. In ein paar Wochen wäre alles wieder verheilt. Wenn ich freiwillig zurückging, würde es bestimmt nicht so schlimm werden.

»Nein«, sagte ich vehement zu mir selbst, und erhöhte mein Tempo. Genau aus diesen Gründen war ich geflohen. Er würde mich eines Tages totschlagen, und ich wollte nicht länger ein Opfer sein.

Ich sah mich panisch nach allen Seiten um. Wo sollte ich nur hin? Zum Fahrkartenschalter? Aber da würde er mich garantiert als erstes suchen, und anschließend die Bahnsteige abklappern. Was jetzt?

Tränen schwammen in meinen Augen, das Gefühl eines schweren Eisenbandes quetschte meinen Brustkorb. Mein Herz jagte in wildem Staccato, brachte meine Hände zum Zittern, schürte Todesangst in mir. Immer wieder blickte ich hinter mich, während ich durch die vielen Leute hindurchhetzte. Hin und wieder glaubte ich Grants dunkelblonden Haarschopf in der Menge auszumachen, und ein Kloß wuchs in meinem Hals. Mein wild umhersuchender Blick fiel auf die Bahnhofstoilette. Kopflos steuerte ich darauf zu, und verschwand hinter der Tür, lehnte mich einen Moment dagegen und atmete tief durch. Mein ganzer Körper stand unter Strom, das weiße T-Shirt klebte mir schweißnass im Rücken. Nur eine kurze Verschnaufpause, denn Grant würde garantiert nicht aufgeben. Mit Sicherheit würde er so lange hier herumstrolchen, bis er mich gefunden hatte. Warum war ich nur so blöd gewesen und hatte nicht an mein Handy gedacht? Wütend schlug ich mir selbst gegen die Stirn, ein leiser Schrei entfuhr mir. Ein ekelhafter Gestank nach Kotze und Urin stieg mir in die Nase, mit Sicherheit war diese Toilette schon lange nicht mehr gereinigt worden. Ich ging zu einem der Waschbecken und hielt die Hände vor den Sensor des Wasserhahns, kühlte mit dem kalten Strahl meinen rasenden Puls an den Handgelenken. Aber ich wurde trotzdem nicht ruhiger. Angst streckte ihre fiesen Tentakeln nach mir aus und bekam mich zu fassen, würgte mich, bis ich in absoluter Hoffnungslosigkeit versank. Es gab keinen Ausweg für mich. Grant würde mich überall aufspüren und dann Gnade mir Gott. Vielleicht sollte ich doch freiwillig zu ihm zurückkehren und ihn um Verzeihung bitten, aber er würde dennoch ausrasten.

Als die Toilettenspülung in einer der Kabinen rauschte, hob ich den Kopf, betrachtete mein Spiegelbild und meine blauen angsterfüllten Augen. Kurz darauf öffnete sich die Tür und eine junge blonde Frau kam heraus, ohne mich zu beachten. Sie kramte in ihrer Handtasche herum, stieß einen leisen Fluch aus, bevor sie an das Waschbecken neben mir trat und sich die Hände wusch. Ich musterte sie im Spiegel und bemerkte, dass wir uns vom Typ her ziemlich ähnlich sahen. Wir hatten beide langes hellblondes Haar, das bis zu den Schulterblättern reichte, dieselbe helle Haut und waren ungefähr im selben Alter. Sie musste spüren, dass ich sie beobachtete, denn sie hob den Blick.

»Ist irgendwas?«, fuhr sie mich an, ihre Augen waren gerötet.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich, und vergaß meine beschissene Situation für einen Augenblick.

»Sehe ich etwa so aus?« Sie verkniff die Lippen, schniefte, hielt sichtlich Tränen zurück. Wasser floss aus dem Wasserhahn, als sie die Hand vor den Sensor hielt.

»Bitte entschuldige.« Ich wandte mich wieder ab. Wieso fragte ich eine wildfremde Frau, was mit ihr los war? Hatte ich nicht genügend eigene Probleme am Hals? Grant würde mich in die Notfall-Ambulanz befördern, sollte er mich in die Finger bekommen. Und dann war er noch gnädig.

Sie riss ein Papiertuch aus dem Spender und trocknete sich die Hände ab, während ich immer noch meine Handgelenke kühlte. Schwungvoll landete das zusammengeknüllte Papier in dem Mülleimer zwischen uns. Sie machte Anstalten zu gehen, hielt dann aber inne.

»Was ist mit deinem Kinn passiert?«, fragte sie und ich hob unwillkürlich das Gesicht, um mich im Spiegel zu inspizieren. Mist. Der blaue Fleck leuchtete auffällig auf meiner hellen Haut, dieses billige Makeup aus dem Drogeriemarkt taugte rein gar nichts.

»Ich war ungeschickt, und hab mich gestoßen.« Hastig senkte ich den Kopf, verbarg die Verletzung vor ihrem neugierigen Blick.

»Für mich sieht das aus, als hättest du einen Faustschlag abbekommen.« Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

Warum ging sie nicht einfach weiter?

»Ist mit dir alles okay?«, hakte sie nach. »Du wirkst so aufgelöst und nervös.«

»Nein, mit mir ist überhaupt nichts okay, wenn du es genau wissen willst.« Mir fehlte die Energie zum Lügen, ich hatte keine Kraft mehr zum Flüchten und fühlte mich mutterseelenallein auf der Welt.

»Was ist los?« Ihre vorhin noch so arrogante Miene wurde weich, fast schon mitleidig. Es war lange her, dass sich jemand um mich gesorgt hatte. Ausgerechnet eine Wildfremde stellte mir diese Frage, die sonst keinen anderen interessierte. Tränen quollen über meine Unterlider und tropften über mein Gesicht.

»Er ist hinter mir her«, sagte ich, ein Muskel zuckte unangenehm in meinem Kinn.

»Wer ist hinter dir her?« Sie sah mich verständnislos an.

»Mein Freund«, gab ich leise zu und senkte die Lider. »Er läuft im Bahnhof herum, und sucht nach mir. Ich bin vor ihm abgehauen, aber er hat meinen Aufenthaltsort über mein Smartphone lokalisiert. Ich konnte mein Handy draußen in der Eingangshalle gerade noch rechtzeitig in einen Mülleimer werfen, und ihm entkommen.«

»Hat er dir diesen üblen blauen Fleck verpasst?«

Ich nickte.

»Warum gehst du nicht zur Polizei und zeigst ihn an?«

Hektisch hob ich die Lider. Scheiße, warum erzählte ich dieser Unbekannten von Grant?

»Du kennst ihn nicht.« Meine Stimme brach, weshalb ich kräftig durchatmen musste, bevor ich weiterreden konnte. »Er kann so wütend werden. Grant bringt mich um, wenn ich ihn anzeige – oder verlasse«, schob ich noch leise nach. Schon wieder begann dieses unsägliche hektische Herzklopfen, das mein Innersten in Aufruhr versetzte und mich nicht mehr klar denken ließ.

»Und wie lange willst du dich vor ihm auf dem Klo verstecken?« Sie wirkte nicht im Mindesten schockiert von meiner Beichte.

»Bis er weg ist.« Ich wischte Tränen von meinen Wangen.

»So wie du diesen Kerl beschreibst, hat er sich ganz schön in dich verbissen. Er wird garantiert nicht aufgeben, bis er dich gefunden hat. Früher oder später wird er wahrscheinlich auch die Toiletten durchsuchen.«

»Du bist kein bisschen hilfreich. Warum gehst du nicht einfach, und lässt mich zufrieden?«, schnappte ich.

»Weil du mir leidtust«, sagte sie und streichelte mir kurz über die Schulter. »Ich möchte dir gern helfen.«

Was könnte sie schon für mich tun? Und wieso?

»Mir kann keiner helfen.« Meine Lage war aussichtslos. Grant war ein besitzergreifender Kontrollfreak, mit cholerischen Anwandlungen, der sich nicht unter Kontrolle hatte. Im Sekundenbruchteil konnte er vom liebevollen Partner zum brutalen Schläger mutieren. Kleinste Kleinigkeiten brachten ihn zum Ausrasten. Niemand konnte ihn dann stoppen. In den zwei Jahren unserer Beziehung hatte er mich erfolgreich von allen Leuten isoliert, sodass keiner mehr mitbekam, was innerhalb unserer vier Wände vor sich ging.

»Vielleicht doch«, hörte ich sie verschmitzt sagen und stutzte.

»Wie meinst du das?« Die Prise Hoffnung, die auf mich rieselte, war nichts weiter als ein lächerliches Staubkorn und gleichzeitig das schönste Gefühl, das ich seit langem verspürte.

»Um die Wahrheit zu sagen, bin ich mies drauf, weil ich sauer auf meinen Dad bin«, fing sie an und klang genervt. Sie hatte wenigstens noch einen Vater. »Er hat mir doch tatsächlich einen Job als Bedienung in einem Nachtclub besorgt, in einem Vorort von New York. Bei einem seiner Geschäftsfreunde. Kannst du dir das vorstellen? Ich soll hinter dem Tresen stehen und Leuten Getränke servieren, hinterher mit dem Besen durchfegen und ihren Dreck wegmachen, lauter solche Dinge. Er meint, ein bisschen Arbeitsluft schnuppern würde mir guttun, denn ich wäre viel zu verwöhnt. Angeblich liege ich ihm schon viel zu lange auf der Tasche, und wäre obendrein noch undankbar.« Sie prustete. »Undankbar. Der Mann ist mein Vater, und es ist seine verdammte Pflicht, für seinen Nachwuchs zu sorgen.«

Wenn ich sie mir so ansah, dann war sie mindestens in meinem Alter. Also zweiundzwanzig. Da konnte man als Elternteil schon verlangen, dass jemand langsam mal für den eigenen Lebensunterhalt aufkam. Ich inspizierte sie genauer, bemerkte, wie elegant diese Frau gekleidet war, und kam mir in meiner verwaschenen Jeans und dem weißen T-Shirt schäbig vor. Sie trug ein figurbetontes mohnrotes Kleid mit einem raffinierten tiefen Ausschnitt, der die Ansätze ihrer Brüste wirkungsvoll in Szene setzte. Mit Sicherheit war es nicht billig gewesen. In ihren Haaren steckte eine schwarze Sonnenbrille die das Emblem von Dior zierte.

»Und was hat das mit mir zu tun?«, hakte ich nach. Sie sollte endlich auf den Punkt kommen, ich musste weg.

Die Blondine seufzte so schwer, als schulterte sie die Last der ganzen Welt. »Ich will nicht sechs Monate lang Praktikantin spielen müssen und wildfremde Leute bedienen. Wer bin ich denn? Für diese Aufgabe findet sich doch genügend Personal. Das ist nichts für mich. Außerdem könnte ich dann so lange meinen Freund nicht mehr sehen, denn ich müsste sogar dort wohnen. Die stellen dem Personal eigene Zimmer zur Verfügung.« Sie rümpfte die Nase.

»Ich kapier immer noch nicht, worauf du hinauswillst.« Oje, die Ärmste hatte ja soooooo ein schweres Leben, meine Probleme waren nichts im Vergleich zu ihren Luxus-Wehwehchen. Ich würde alles für einen Vater geben, der mich auf das Leben vorbereitet.

Sie betrachtete mich im Spiegel, stellte sich so dicht neben mich, dass wir uns mit den Armen berührten. »Ich finde, wir zwei sehen uns ziemlich ähnlich.«

»Wie Zwillinge sehen wir nicht gerade aus«, stellte ich fest. Mit den blonden Haaren, und unserem hellen Teint waren wir halt derselbe Typ Frau, aber eine frappierende Ähnlichkeit konnte ich nicht erkennen. Ich war sogar einen halben Kopf kleiner als sie.

»Der Freund meines Vaters kennt mich nicht persönlich, er weiß nur, dass ich blond und Anfang zwanzig bin. Wie wäre es, wenn wir die Rollen tauschen?« Sie stieß mich mit der Hüfte an. »Du gibst dich ein paar Monate lang für mich aus. Übernimmst diesen dämlichen Praktikanten-Job im Club. Würdest sogar ein paar Dollar verdienen, und hättest in dieser Zeit auch eine Bleibe. Ein sichereres Versteck vor deinem brutalen Schläger-Freund wirst du unter Garantie nicht mehr finden. Sechs Monate sind eine lange Zeit, bis dahin hat er es bestimmt aufgegeben, nach dir zu suchen.«

In meinem Kopf begann es zu rasen, die Gedanken prallten aneinander und ein ungutes Gefühl stieg in mir hoch. Ich kannte diese Frau gerade mal fünf Minuten und wusste nichts über sie. Noch nicht einmal ihren Namen.

»Ich bin übrigens Jenna«, hörte ich sie sagen, als könnte sie Gedanken lesen.

»Everly.«

»Also, Everly.« Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause. »Oder soll ich dich Jenna nennen?« Sie zwinkerte mir zu. »Was sagst du zu meinem Vorschlag?«

Es war ihr verdammt wichtig, mir diesen Job anzudrehen. Wieso hatten manche Leute so ein riesiges Problem mit harter Arbeit? Diesem verwöhnten Püppchen würde es unter Garantie nicht schaden, mal ein paar Monate lang einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Danach sah sie die Welt bestimmt mit anderen Augen. Aber wer war ich, dass ich es mir erlauben konnte, ein Urteil über sie zu fällen? Ich kannte sie nicht, und diese Fremde wollte mir helfen. Bot mir einen Ausweg in meiner aussichtslosen Lage an. Warum überlegte ich noch? Eine Win-Win-Situation für uns beide. Ich sollte wenigstens über ihr Angebot nachdenken, viele Optionen blieben sowieso nicht übrig. Besser gesagt: Keine andere. Außerdem war es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Blutegel jede Ecke des Bahnhofs nach mir umgekrempelt hatte. Ich musste weg, mir lief die Zeit davon. Als Teenager hatte ich mal in einem Diner gejobbt, somit ein bisschen Erfahrung im Servicebereich gesammelt, konnte servieren. So schwierig war das gar nicht. Außerdem, wer zwang mich, die gesamten sechs Monate dort zuzubringen? Ich könnte jederzeit kündigen, wenn ich keine Lust mehr auf den Job hatte. Aber vorerst wäre ich vor Grant sicher. In diesem Club hätte ich sogar einen Platz zum Schlafen und müsste nicht auf der Straße hausen. Ganz ohne Hilfe würde ich es mit Sicherheit nicht aus der Stadt schaffen, wahrscheinlich nicht mal aus dem Bahnhof. So schnell gab Grant nicht auf. Er hatte sich wie ein Kampfhund in mich verbissen. Über kurz oder lang würde er sich wohl tatsächlich die Toiletten vorknöpfen – eine nach der anderen. Und mich schließlich finden. Wie ich es auch drehte und wendete: Auf mich alleingestellt war ich aufgeschmissen. Warum ergriff ich also nicht diese großartige Chance? Jenna machte einen netten und sympathischen Eindruck, wenn man von ihrem Anspruchsdenken absah. Dass sie verwöhnt war, konnte mir doch egal sein. Ein Job in einem Club war – neutral betrachtet – das Beste, was mir passieren konnte. Der Himmel musste mir Jenna geschickt haben. Ich könnte eine Zeitlang verschnaufen und in Ruhe mein weiteres Leben planen.

»Wenn du die sechs Monate durchziehst, und keiner dort merkt, dass du nicht Jenna bist, zahle ich dir am Ende sechstausend Dollar«, sagte sie jede meiner Regungen beobachtend. Wow, sie musste diesen Job wirklich hassen, wenn sie es jetzt schon mit Bestechung versuchte. Geld wäre gar nicht nötig gewesen. Aber hey, ich war so pleite und verzweifelt, dass ich zu einem Bonus gewiss nicht nein sagte. Ein kleines Startpolster für meine Zukunft würde mir guttun. Mit dem Geld könnte ich mir eine kleine Wohnung mieten, und die Kaution bezahlen.

»Okay. Ich mach’s.« Ich strahlte sie an, zum ersten Mal seit Jahren schöpfte ich wieder Hoffnung.

Jenna entfuhr ein erleichterter Seufzer, der mich zum Schmunzeln brachte. Konnte ein Mensch so viel Angst vor harter Arbeit haben? Ich würde ihr keine Schande bereiten, sondern mein Bestes geben.

»Lass uns keine Zeit verlieren. Mein Chauffeur fährt dich sofort zum Club, dann kann dein Ex gern noch ein paar Stunden länger den Bahnhof nach dir auf den Kopf stellen. Der Mistkerl kriegt dich nicht, dafür werde ich sorgen.«

Ich nahm ihre Hand, drückte sie. »Vielen Dank, Jenna. Du bist ein wahrer Engel.«

Verschämt sah sie zur Seite. »Ich bin einfach nur ein guter Mensch.«

»Du bist meine Lebensretterin.« Ich war so voll Dankbarkeit, dass ich sie am liebsten umarmen würde, aber sie trat einen kleinen Schritt zurück, sodass ich es sein ließ.

»Okay.« Jenna legte den Zeigefinger ans Kinn, sinnierte. »Wie schmuggeln wir dich am besten aus dem Gebäude?« Schon eine Sekunde später, kramte sie ihr Smartphone aus der Handtasche, und tippte darauf herum. »Ich hab’s.« Sie strahlte mich an. »Ich gebe meinem Fahrer Bescheid, er soll startklar draußen auf uns warten.«

Mir wurde ganz flau im Magen, bei dem Gedanken, die schützenden Wände der Bahnhofstoilette verlassen zu müssen. Außerdem fragte ich mich, ob ich Jenna so überzeugend spielen konnte, dass niemand in diesem Club unser Rollenspiel durchschaute? Sie war so ein selbstbewusster und redegewandter Mensch. Ich hingegen hatte in den vergangenen Jahren kaum mit Leuten Kontakt gehabt. Grant hatte mir den letzten Rest Selbstbewusstsein gehörig ausgetrieben. Schon seit einer Ewigkeit hatte ich nichts mehr von meinen früheren Freundinnen oder alten Bekannten gehört, weil Grant sie nicht leiden konnte. Sogar meinen Studienplatz an der Penn State hatte ich für ihn sausen lassen, weil er nicht wollte, dass ich umzog. Anfangs war ich so verliebt in diesen Mann gewesen, dass ich alles für ihn getan hätte.

Jenna nahm mich beim Handgelenk. »Wechseln wir die Klamotten. Ich habe auch noch ein Tuch dabei, mit dem du deine Haare verdecken kannst.«

»Wozu?«

»Dein Typ sucht doch bestimmt nach einer Blondine in Jeans und T-Shirt und keine Frau im Designerkleid. Ich werde ein bisschen im Bahnhof auf und ab spazieren, und ihn ablenken, sollte er immer noch irgendwo herumlungern. Währenddessen flitzt du nach draußen und setzt dich in den schwarzen Mercedes, der vor dem Eingang steht. Mein Fahrer weiß Bescheid, bei ihm bist du sicher.«

Aus einem Impuls heraus nahm ich Jenna in die Arme und drückte sie an mich. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin.«

2

EVERLY

Ich riss die hintere Wagentür auf, hechtete auf den Rücksitz und zog sie hinter mir zu. Die Luxuslimousine hatte getönte Scheiben, sodass man von außen nicht ins Fahrzuginnere sehen konnte. Erleichtert atmete ich durch. Geschafft!

Ein dunkles Augenpaar musterte mich interessiert im Rückspiegel.

»Hi«, sagte ich schüchtern zu dem Fahrer, der mit einem schwarzen Anzug bekleidet, vorne saß. Er schien in der Tat nicht überrascht über mein Auftauchen zu sein.

»Guten Tag.« Der Mann nickte mir zu. »Ich nehme an, Sie sind Miss Thessolovs Bekannte?«

»Genau die bin ich.« Zumindest war ich das, sollte Jenna mit Nachnamen Thessolov heißen. Ich schätzte den Chauffeur auf Anfang dreißig, er war attraktiv, schlank und sehr gepflegt. Sah fast so aus, wie man sich einen britischen Butler vorstellt.

Mein Herz trommelte in der Brust. Wenn das so weiterging, würde ich mit Anfang zwanzig schon einen Herzinfarkt erleiden. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich geglaubt, Grant in der Menschenmenge erspäht zu haben. Aber entweder hatte ich mich vertan oder er hatte mich in dem mohnroten Kleid, der Sonnenbrille und dem luftigen schwarzen Tuch, das ich um meine Haare geschlungen hatte, tatsächlich nicht erkannt.

»Darf ich mich vorstellen, Ma’am? Mein Name ist James.« Er klang sehr vornehm.

»Hi, ich bin Everly.« Mit Blicken suchte ich durchs Seitenfenster nach Jenna. Aber ich konnte sie nirgends entdecken, und legte eine Hand auf meinen Brustkorb, um mein gebeuteltes Herz endlich in den Griff zu kriegen. Hoffentlich hatte Grant unsere Maskerade nicht durchschaut. Am Ende hielt er sie fest. Diesem Mistkerl traute ich alles zu.

Eine Minute später kam Jenna glücklicherweise doch noch heraus und James startete den Wagen. Sie eilte zu uns und setzte sich vorn auf den Beifahrersitz.

»Was hat so lange gedauert?« Es war nur gehaucht, meiner Stimme fehlte jegliche Kraft.

Das Auto setzte sich in Bewegung, reihte sich zwischen die Kolonne der Fahrzeuge ein, und wir fuhren die Straße entlang.

»Dein Kerl hat mich aufgehalten.«

»Was?« Ich riss die Augen auf. »Was sagst du da? Du hast Grant getroffen?« Mir wurde ganz schlecht.

Sie nickte. »Als ich eine Runde durch den Bahnhof gedreht habe, hat er mich plötzlich am Arm gepackt und Everly genannt. Der Dummkopf hat uns verwechselt. Wir sehen uns wohl doch ähnlicher als du glaubst«, gluckste sie. Mir war überhaupt nicht nach Späßen zumute. Hastig spähte ich durch die Heckscheibe, aber wir hatten uns schon zu weit entfernt, um noch irgendjemanden im Detail erkennen zu können. Erleichtert drehte ich mich um, und lehnte mich zurück. Wie es aussah, hatte ich es tatsächlich geschafft. Ich war Grant entkommen. Von jetzt an konnte es nur noch bergauf gehen.

»Hat er noch irgendwas gesagt?«, hakte ich nach. »Hat er Verdacht geschöpft?« Vielleicht verfolgte er uns, um zu beobachten, wo ich mich versteckte und kam mich bald holen. Allein die Vorstellung ließ mich würgen.

Jenna schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn angeschrien, und ihm wegen Belästigung mit der Polizei gedroht, da wurde der Idiot ganz kleinlaut. Als ein paar Passanten stehengeblieben sind, um mir zu helfen, hat er sich tausendmal entschuldigt und dann mit eingezogenem Schwanz davongemacht.« Sie streckte ihren Arm zwischen den beiden Sitzen zu mir nach hinten und nahm meine Hand. »Diesen Mistkerl bist du los, Everly. Ein für alle Mal.«

Ich schloss kurz die Augen und zwang meinen halb durchdrehenden Blutdruck zur Ruhe. »Ich stehe ewig in deiner Schuld.«

Jenna bedachte mich mit einem feinen Grinsen. »Du weißt, wie du das wieder gutmachen kannst. Danach sind wir quitt.«

Unterdessen bog James auf die Avenue ab, die uns raus aus der Stadt führte. Noch waren wir Downtown, zu beiden Seiten hoben sich Wolkenkratzer schier unendlich in den Himmel. Mit jeder Meile, die hinter uns lag, fühlte ich mich sicherer.

»Ich verspreche dir, es werden keine Klagen kommen. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde mich anstrengen, fleißig sein und schwer schuften. Der Chef wird am Ende zufrieden mit Jenna sein«, sagte ich, ihr Grinsen erwidernd.

»Vielleicht sollte Jenna dich ein wenig vorbereiten. Es schadet wohl nicht, ein paar Hintergrundinformationen zu kennen, für den Fall, dass jemand Fragen stellt«, kam es von James, der das Lenkrad mit beiden Händen festhielt und uns souverän durch den dichten Verkehr manövrierte.

Jenna deutete auf James. »Gute Idee, Darling.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen. Meine Augen wurden groß. Wegen James wollte Jenna also keine sechs Monate in irgendeinem lausigen Vorort zubringen. Sie sah so schwer verliebt aus, dass ich das nachvollziehen konnte.

Jenna drehte sich zu mir um. »Ich habe zwei kleine Halbbrüder. Der eine heißt Igor, wie mein Vater und der Jüngste Jacob. Meine Stiefmutter heißt Katinka, meine Mom starb als ich acht war. Dad stammt aus Moldawien. Du sprichst nicht zufällig ein wenig Moldauisch oder Rumänisch?« Sie hob eine Augenbraue.

»Nicht ein einziges Wort.« Ich schüttelte den Kopf. Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie von einem Land Namens Moldawien gehört und nicht den Hauch einer Ahnung wo es liegen könnte. In Europa? Asien? Ich hätte in der Schule besser aufpassen sollen.

»Macht nichts«, sie winkte ab. »Der Mann, dem der Club gehört, hat italienische Wurzeln. Sein Name ist Rocco di Silva.« Sie machte eine Pause und musterte mich durchdringend. Sollte der Name mir irgendwas sagen?

»Okay.« Ich zupfte am tiefen Ausschnitt des Kleides herum, die Ansätze meiner Brüste sprangen mir entgegen. »Dann wird sich Mr di Silva sowieso in Englisch mit mir unterhalten.«

»Er darf auf keinen Fall erfahren, dass du nicht Jenna bist.« Ihre Stimme klang beschwörend. »Niemals. Verstehst du?«

Wir fuhren aus Manhattan raus, die hohen Gebäude wichen niedrigeren Häusern, der dichte Verkehr begann sich zu lichten.

Jenna hatte so mahnend geklungen, dass ich schluckte. »Ich werde nichts sagen, ich schwöre. Ich lasse dich nicht auffliegen. Wir sind doch ein Team.« Ich lächelte sie an.

»Wird schon gutgehen.« James legte eine Hand auf Jennas Knie, seinen Mittelfinger zierte ein breiter goldener Siegelring. Sollte der echt sein, war das Schmuckstück bestimmt ein halbes Vermögen wert. Wie viel verdiente ein Chauffeur im Durchschnitt?

Während mich Jenna ausführlich über ihr Leben auf den neuesten Stand brachte, nahm ich das Tuch aus den Haaren, legte es neben mich auf den Sitz, und schob mir den Rock über die Knie. Der hellrote Stoff schimmerte und fühlte sich großartig auf meiner Haut an. Noch nie in meinem Leben hatte ich ein so schönes Kleid getragen.

»Im Kofferraum liegt ein Koffer mit Klamotten von mir. Den wollte ich zu meinem Job mitnehmen, aber jetzt kannst du die Sachen haben«, hörte ich Jenna sagen und blickte auf. »Du hast ja nichts zum Anziehen dabei.«

»Dankeschön.« Wie lieb von ihr. An Wechselklamotten hatte ich bislang gar nicht gedacht. Ich hatte es heute mit Müh und Not aus dem Haus geschafft, und keine Zeit zum Packen gehabt. Alles was ich besaß, waren die fünfzig Dollar, die ich in meinen Schuh gesteckt hatte. Mein Notgroschen.

Jenna hörte auf zu reden. Eine Weile fuhren wir schweigend die Straße entlang, bleierne Erschöpfung machte sich bemerkbar. Todmüde schloss ich die Augen, und genoss den wohligen Moment der Ruhe.

3

EVERLY

»Everly, wach auf!« Jemand rüttelte mich an der Schulter. Ich fuhr in die Höhe und riss panisch die Augen auf. Hatte Grant mich gefunden? Schon im nächsten Moment atmete ich erleichtert durch, und lehnte mich zurück. Es war nur Jenna. »Himmel, hast du mich erschreckt.«

»Sorry.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Wir sind gleich da. Du hast anderthalb Stunden geschlafen.«

Das kleine Nickerchen hatte echt gutgetan, ich fühlte mich um einiges frischer und längst nicht mehr so fertig. Mein neues Leben konnte beginnen.

Inzwischen fuhren wir nicht mehr, James hatte die Limousine am Seitenstreifen einer einsamen Landstraße geparkt. Draußen war es schon dunkel, der Mond erhellte schwach die Umrisse, sodass ich erkennen konnte, dass wir im Nirgendwo gelandet waren. Weit und breit stand kein Haus, lief kein Mensch herum. Lag der Nachtclub nicht in einem Vorort? Dunkel meinte ich mich an Jennas Schilderung zu erinnern. Wo sollten in dieser Einöde Gäste herkommen? In meinem Magen begann es zu rumoren.

»Wo sind wir?«, fragte ich und spähte auf jeder Seite aus dem Fenster. Aber es war überall dasselbe Bild.

Mit dem Daumen deutete James auf eine Abzweigung ein Stückweit vor uns. »Die Straße hoch befindet sich der Club.«

»Ganz schön abgelegen.« Ich tippte Jenna an die Schulter. »Sagtest du nicht, der Club liegt in einem Vorort von New York?«

Sie wandte den Kopf. »So weit sind wir von der Stadt gar nicht entfernt, nur ein paar Meilen. Jetzt weißt du wenigstens, warum ich nicht scharf auf diesen Job bin. Aber für dich, in deiner Situation, ist die abgeschiedene Lage doch perfekt. Der Kerl, vor dem du geflohen bist, wird dich hier draußen garantiert niemals finden«, sagte Jenna. »Das wolltest du doch.«

Und auch sonst keiner.

»Und wo genau befinden wir uns?« Ich wusste nicht mal im Ansatz, welche Richtung James eingeschlagen hatte.

Jenna wandte sich an ihren Lover. »Wie hieß die Ortschaft, durch die wir vorhin durchgekommen sind?«

»Ich habe leider nicht auf den Namen geachtet.« Er zuckte die Achseln. »Du hast mich viel zu sehr abgelenkt, Baby.«

Wollte der Kerl mich verarschen?

Ich lehnte mich vor. »Du willst mir allen Ernstes erzählen, du findest problemlos einen Nachtclub mitten im Nirgendwo, hast aber keine Ahnung, welche Strecke du gefahren bist? Warum wirfst du nicht einen Blick auf dein Navi?«

Jenna wedelte mit einer Hand in der Luft herum. »Wir haben uns unterhalten, und nicht wirklich auf den Weg geachtet. Es ging sowieso immer nur geradeaus, dafür brauchten wir kein Navi« Ihre Augen wurden schmal. »Was hast du für ein Problem?«

»Ich möchte nur gern wissen, wo ich mich befinde, das ist alles«, sagte ich so normal wie möglich. Mein Puls pochte im Hals, ein ungutes Gefühl stieg in mir hoch. Nicht ausflippen. Ich war einfach nur mit den Nerven am Ende und sollte nicht sofort argwöhnisch werden. Doch dieses Rumoren tief in mir drinnen wollte nicht aufhören.

»Vielleicht sollte ich meinen Eltern Bescheid geben, damit sie sich keine Sorgen um mich machen. Kann ich mal kurz dein Handy benutzen, Jenna?« In Wahrheit wollte ich mich absichern und meine ehemals beste Freundin Amy anrufen, zu der ich schon seit einer Ewigkeit keinen Kontakt mehr hatte. Auf die Schnelle fiel mir niemand anderes ein. Die beiden brauchte es nicht zu interessieren, dass ich seit meinem sechsten Lebensjahr als Waise von meiner Grandma aufgezogen worden war. So arglos in dieses Auto gestiegen zu sein, kam mir inzwischen wie eine riesengroße Dummheit vor.

»Selbstverständlich.« Jenna kramte ihr Smartphone aus der Handtasche, das Display leuchtete auf. »Mist, kein Empfang.« Sie steckte es wieder ein. »Tut mir leid, Everly. Ich fürchte, du kannst niemandem Bescheid geben.«

Irgendwas in ihrem spöttischen Tonfall alarmierte mich. »Was? … Was«, stotterte ich los, wurde aber von James unterbrochen.

»Schluss jetzt«, fuhr er mich an, und richtete eine Pistole auf mich, der Lauf zeigte direkt auf mein Gesicht. Mir gefror das Blut in den Adern.

»Was soll das?«, keuchte ich. »Spinnt ihr?« Ich wandte mich an Jenna. »Wieso bedroht James mich mit einer Waffe?«

Sie schob die Nasenflügel zur Seite. »Vielleicht, weil ich dir vorhin nicht ganz die Wahrheit gesagt habe?« Es klang wie eine Frage.

»Was soll das heißen?« So unauffällig wie möglich tastete ich nach dem Türgriff. Ich musste raus aus dem Wagen, und zwar schleunigst. Die zwei waren offensichtlich verrückt, gefährlich, und ich schwebte in großer Gefahr. Was wollten die beiden von mir? Mich vergewaltigen, quälen und umbringen? Waren sie irgendwelche gestörten Triebtäter?

»Die Türen sind gesichert, also spar dir einen Fluchtversuch, wenn du keine Kugel in den Kopf riskieren willst«, sagte James ohne Emotion in der Stimme.

»James ist kein sehr geduldiger Mensch.« Jenna legte den Kopf schräg. »Er hasst es, Leute zweimal verwarnen zu müssen.«

»Bitte, tut mir nichts«, sprudelte es mir über die Lippen, Tränen stiegen in meinen Augen hoch.

Jenna entschlüpfte ein genervter Laut. »Wir haben dich nicht hergebracht, um dich umzubringen.«

»Solange du mitspielst«, kam es von James, der immer noch mit seiner Waffe auf mich zielte

Meine Handflächen wurden schweißnass. »Ich verstehe rein gar nichts.«

Warum nur war ich in dieses Auto gestiegen? War ich völlig verblödet, einer wildfremden Person, die ich auf einer versifften Bahnhofstoilette getroffen hatte, auf der Stelle blind zu vertrauen?

»Wir fahren wie vorgesehen zu diesem Club«, setzte James zu einer Erklärung an, er klang bedrohlich. »Du wirst dich wie besprochen als Jenna ausgeben und deine Sache gut machen.«

»Aber … aber«, ich wich mit dem Kopf zurück. »Das hatte ich doch sowieso vor.«

»Ich mache dort kein Praktikum«, sagte Jenna, worauf ich mich ihr zuwandte. »Ich bin ein Pfand.«

»Ein Pfand?«, wiederholte ich, es war nur gehaucht.

»Ja«, sie nickte. »Mein Dad steckt in Schwierigkeiten, und muss eine Sache wieder in Ordnung bringen. Solange bürge ich mit meinem Leben bei di Silva. Besser gesagt: Jetzt wirst du die Sache für mich übernehmen.«

»Ihr seid Kriminelle«, keuchte ich und legte eine Hand auf mein wild schlagendes Herz. Das durfte doch nicht wahr sein. Da war ich mit Müh und Not meinem brutalen Exfreund entkommen, nur um mich schnurstracks in die Hände von waschechten Gangstern zu begeben?

»Du wirst Jennas Platz einnehmen«, kam es von James. »Verhalte dich dort ruhig, widerspreche Rocco di Silva nicht, er ist ein sehr gefährlicher Mann. Sei nicht aufmüpfig oder widerspenstig, wirf ihm keine arroganten Blicke zu, tu immer was er dir sagt. Und flenn vor allem nicht vor ihm rum, wenn du nicht willst, dass er dir deine Heulerei eigenhändig austreibt. Sollte er merken, dass du nicht Jenna bist, wird er dich abknallen, und vorher wahrscheinlich noch seinen Leuten zu deren Belustigung überlassen. Ein Mafiaboss wie di Silva lässt sich nicht ungestraft verarschen. Also spiel deine Rolle besser so hervorragend wie eine Oscar-Preisträgerin.«

»Warum ausgerechnet ich?« Tränen brannten in meinen Augen, meine Unterlippe zitterte.

»Zufall.« Jenna zuckte die Achseln. »Ich war vorhin im Bahnhof, weil ich mir ernsthaft überlegt habe, abzuhauen. Aber dann konnte ich es nicht tun. Wo sollte ich schon hingehen? Außerdem liegt mir meine Familie doch mehr am Herzen, als ich geglaubt hätte. Wenn ich die sechs Monate bei di Silva überstanden habe - also jetzt du - lässt mein Dad mich James heiraten. Also streng dich an.« Sie lächelte den Kerl verliebt an. »Glaub mir, ich war genauso verzweifelt wie du. Vielleicht haben wir uns deshalb gefunden.«

»Du bist perfekt für diese Maskerade.« James studierte mein Gesicht, während der Lauf seines Revolvers auf meine Stirn zielte. Ein Huster, ein versehentlicher Rempler, und die Waffe könnte losgehen. »Ihr seht euch nicht nur ähnlich, du scheinst mir auch eine devote Frau zu sein, wenn du es so lange bei diesem Scheißkerl ausgehalten hast. Rocco di Silva wird dich zu schätzen wissen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Das könnt ihr nicht von mir verlangen. Ich … ich werde das nicht tun.«

»Ich kann dich auch auf der Stelle abknallen, wenn dir das lieber ist.« James klang eiskalt. »Dann hast du dein beschissenes Leben wenigstens hinter dir.«

»James.« Jenna sah ihn mahnend an. »Guck doch, du machst Everly Angst.« Sie schenkte mir ein grotesk freundliches Lächeln, das für den Ernst der Situation völlig unangebracht war. »Du musst nur ein paar Monate durchhalten, Liebes. Mit Glück sind es sogar nur wenige Wochen, wenn mein Vater die Angelegenheit schnell geregelt kriegt. Danach lässt Rocco dich wieder frei. Immerhin ist er trotz allem ein Ehrenmann.«

Ich schaffte es nicht, den Schluchzer zu unterdrücken. Ein Gefühl von ätzender Säure fraß sich durch meine Eingeweide. »Ein Kerl, der eine Frau gefangen hält und Leute erpresst, ist garantiert kein Ehrenmann.«

Mein Magen verklumpte zu einem schweren Stein. Adrenalin peitschte durch meine Venen, und schürte den Drang zur Flucht in mir, aber es gab keinen Ausweg für mich.

»Es ist nicht so, als hättest du eine großartige Wahl«, bestätigte James meine verzweifelten Gedanken. Unter Garantie würde er mich ohne mit der Wimper zu zucken töten. Was sollte ich bloß tun? Mich in die Hände dieses Rocco di Silva begeben? Einem Mann, der sich ein menschliches Pfand ausliefern ließ? Was würde mich in seinem Haus erwarten? Hektisch schnappte ich nach Luft, ich hatte kaum noch Kontrolle über meinen Körper. Tränen rannen mir wie ein Gletscherbach über die Wangen. Der Pistolenlauf verschwamm vor meinen Augen, während ich auf das erlösende Dröhnen des Schusses wartete, der meinem Leid ein Ende bereiten würde. Nein! Ich wollte nicht sterben. Nicht heute. Schon gar nicht auf diese Weise. Verdammt, ich hatte in den vergangenen zwei Jahren schon tausend Mal Todesängste ausgestanden, hatte viel Zeit in der Hölle verbracht – und schließlich doch einen Ausweg gefunden. Was mir einmal gelungen war, würde bestimmt auch ein zweites Mal funktionieren. Ich musste nur eine passende Gelegenheit zur Flucht abwarten, und dann abhauen. Ich schöpfte ein kleines bisschen Hoffnung.

Als ich kühles Metall auf meiner Stirn fühlte, verharrte ich stocksteif und hielt die Luft an.

»Entscheide dich.« James’ Stimme klang wie bedrohliches Donnergrollen, in seinen Augen blitzte es gefährlich auf. »Jetzt!«

Ich hörte heraus, dass er mich kein zweites Mal mehr um eine Antwort bitten würde. Er sah nicht aus wie ein Mann, der seine Ankündigungen nicht in die Tat umsetzte.

»Everly, du hast sowieso keine Wahl, also spiel besser mit«, sagte Jenna und klang völlig unbeeindruckt.

Mit dem Handrücken wischte ich Tränen von den Wangen. »Du meinst damit, ich kann jetzt oder erst in ein paar Wochen sterben?«

»Du kannst jetzt sterben oder in ein paar Wochen wieder freikommen und mit deinem Leben weitermachen«, erwiderte Jenna mit Nachdruck. »Sei doch nicht so dumm. Was gibt es denn da noch zu überlegen?«

»Warum ich?«, fragte ich schon wieder, mein Kopf fühlte sich an, wie in Watte gepackt.

Sie tätschelte mein Knie. »Sorry, Everly, aber du bist selbst schuld. Du bist einfach so naiv und gutgläubig. Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, dass du nicht zu fremden Leuten ins Auto steigen sollst? Sieh es als Lernerfahrung, in ein paar Jahren lachst du darüber.«

Meine Schultern bebten von den vielen Schluchzern, die ich mühsam unterdrückte. Mein beschissener Überlebenswille pochte mit Macht in mir, dehnte sich aus, und hinderte mich daran, mit meinem Leben abzuschließen. Ich wollte noch nicht sterben, ich hatte doch noch gar nicht richtig gelebt. James würde mich ohne mit der Wimper zu zucken exekutieren, daran hatte ich überhaupt keinen Zweifel. Er machte den Eindruck eines eiskalten Profikillers. Ließ ich mich auf die Sache ein, und ging zu di Silva, hatte ich wenigstens eine klitzekleine Chance – zumindest vorerst. Helle Panik schrie bei dem Gedanken in mir. Was würde mich im Haus dieses Mannes erwarten, der bei der Mafia war? Ich hatte keinerlei Vorstellung, erwartete jedoch das Schlimmste. Verdammt, meine waghalsige Flucht vor Grant konnte doch nicht völlig umsonst gewesen sein. Mein Überlebenswille wurde so übermächtig, dass ich tatsächlich einen zweiten Aufenthalt in der Hölle vorzog. Alles, bloß heute nicht sterben.

»Okay.« Mein Hals schwoll zu, sodass ich kaum einen Ton herausbrachte. »Ich mach es.«

James pustete durch die Lippen, und nahm die Waffe herunter. »Gutes Mädchen.«

4

EVERLY

James hielt vor einem geschmiedeten Tor, eine drei Meter hohe Steinmauer umzog das dahinter liegende Grundstück. Er kramte sein Smartphone aus der Tasche und rief jemanden an, während ich neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und vor Angst fast starb. Jenna war unten an der Landstraße ausgestiegen und wartete dort auf James’ Rückkehr.

»Ms Thessolov ist da«, sagte er knapp und die beiden Flügel des massiven Eisentors schwangen lautlos auf. James fuhr weiter, brachte mich in mein neues Gefängnis, das gar nicht für mich bestimmt war, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Schon wieder perlten Tränen über meine Wangen.

»Hör auf zu heulen«, schnauzte er mich an.

»Ich kann nicht«, schluchzte ich und schlug beide Hände vors Gesicht. Ich wollte endlich aus diesem Albtraum erwachen.

Als James bremste, nahm ich hastig die Hände herunter und trocknete mir mit den Fingern die Wangen. Wir parkten vor einem mondänen dreistöckigen Gebäude. In allen Räumen brannte Licht, die hell erleuchteten Fenster im Erdgeschoss waren außerdem vergittert.

James wandte sich mir zu. »Mach keinen Blödsinn, wenn du an deinem Leben hängst.«

»Ich kann da nicht reingehen.« Meine Atmung ging hektisch, als die Tür von innen geöffnet wurde und ein großer muskulöser Mann im Türrahmen erschien. Alles in mir sträubte sich gegen mein Schicksal.

»Flipp jetzt bloß nicht aus«, sagte James beängstigend scharf. »Di Silvas Leute beobachten uns bereits.«

James stieg aus, ging um die Limousine herum und öffnete mir die Beifahrertür. Galant hielt er mir die Hand hin, um mir beim Aussteigen behilflich zu sein, gleichzeitig schickten seine Augen mir warnende Blitze zu. Er öffnete kurz seine Jacke und zeigte mir die Pistole, die im Halfter steckte, das er über seinem Hemd trug. »Ich habe kein Problem damit, dich vor di Silvas Leuten abzuknallen, solltest du Scheiße bauen. Kapiert?«

Ich nickte. Zögerte. Ergriff dann seine Hand und ließ mir von ihm aus dem Wagen helfen, als wäre er ein waschechter Gentleman. Meine Knie zitterten so sehr, dass meine Beine mich kaum noch trugen.

James schlug die Tür hinter mir zu, ging zum Heck des Fahrzeugs und öffnete den Kofferraum, während ich einfach nur dastand und dieses prachtvolle Gebäude betrachtete, das für die nächsten sechs Monate mein Verlies sein würde. Ob ich auf der Stelle einen Fluchtversuch wagen sollte? Einfach auf und davonrennen? Querfeldein. Wenn ich mich erst im Haus befand, war ich verloren. Nur wohin? Diese hohe Mauer konnte ich unmöglich überwinden. Der muskelbepackte Kerl im Eingang ließ mich nicht aus den Augen. Mit beängstigender Langsamkeit verschränkte er die Arme vor Brust.

James kam zurück. Er hielt einen Koffer in der einen Hand und stieß mir die andere ins Kreuz, sodass ich unwillkürlich losstolperte. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde ich in frischem Asphalt versinken, mühsam und zäh. Vor Angst bekam ich kaum noch Luft. James stand dicht neben mir, schob mich immer weiter auf das Haus zu. Allein hätte ich keinen einzigen Schritt geschafft. Wir nahmen die wenigen Stufen und standen schließlich vor diesem furchteinflößenden Kerl. Seine schwarzen Haare waren zurückgegelt und reichten ihm bis zum Kinn. Mit Verachtung im Blick musterte er mich.

»Ihr seid spät dran.«

Das Blut sackte mir in die Beine.

James zeigte den Ansatz einer Verbeugung. »Soweit ich informiert bin, lautete die Vereinbarung: Bis zum Abend.«

Ein Knurren rang sich aus der Kehle des Kerls, ehe er mir einen Wink mit dem Kopf gab. »Rein mit dir.«

»Nach Ihnen, Miss Thessolov«, sagte James und deutete mir mit einer Handbewegung den Vortritt an, aber ich war zu keiner Regung fähig.

»Nein.« In meinen Augen schwammen Tränen.

»Los! Rein mit dir, du Schlampe«, fuhr mich der Türsteher an. »Lass Mr di Silva besser nicht noch länger warten.«

Als ich mich immer noch keinen Schritt bewegte, packte er mich am Oberarm und zerrte mich ins Haus. James kam nach, stellte den Koffer neben der Tür ab und verschwand ohne Abschied.

Wir standen in einer Art Vorraum, der uns zu einer weiteren Tür führte. Links und rechts davon hatten sich zwei Männer postiert, die mindestens genauso riesig und furchteinflößend aussahen, wie der Kerl, der mich immer noch am Arm festhielt. Er deutete auf den Dunkelblonden.

»Durchsuch ihren Koffer. Nicht, dass die kleine Bitch noch irgendwelche Waffen oder Abhörwanzen ins Haus schmuggelt. Dem alten Thessolov ist alles zuzutrauen.« Mit schmalen Augen musterte er mich, und ich schluckte.

»Geht klar, Tyrone«, sagte der Angesprochene und schnappte sich das Gepäckstück.

Oh, Gott. Hoffentlich hatten James und Jenna nichts Verbotenes hineingepackt. Ansonsten war ich bestimmt geliefert.

Der andere öffnete die Tür und Tyrone zerrte mich weiter. Wir befanden uns tatsächlich in einer Art Club, was ich von außen niemals vermutet hätte. Musik kam aus den Lautsprechern. Auf einer Bühne links neben mir strippte eine Frau, umringt von Männern, die an Tischen saßen, an ihren Drinks nippten und ihr dabei zusahen. Überall liefen halbnackte Frauen herum, einige waren in Begleitung von Typen, die sie begrapschten, andere rekelten sich auf dem Schoß irgendwelcher Widerlinge. An der Bar tummelten sich noch mehr Leute. Eine Frau kniete vor einem Kerl im Anzug und gab ihm vor aller Augen einen Blowjob.

Bei allen Heiligen! Wo war ich bloß gelandet?

Tyrone zerrte mich durch die vielen Menschen hindurch. Gierige, aufdringliche Blicke wurden mir von schmierigen Kerlen zugeworfen, die unangenehm auf meiner Haut brannten.

Er stieß eine weitere Tür im hinteren Bereich auf und führte mich eine schneeweiße Marmortreppe nach oben. Vor einer dunklen Doppeltür blieb er stehen.

Ich zitterte am ganzen Körper, schnappte hyperventilierend nach Luft, da ich krampfhaft versuchte, die anrollende Panikwelle niederzukämpfen. James’ Worte hallten in meinen Ohren. Flenn bloß nicht vor ihm. Mein lauter Schluchzer ließ sich nicht unterdrücken.

»Halt’s Maul«, schnauzte Tyrone mich an, ehe er an die Tür klopfte und sie öffnete. Noch immer hielt er mich fest, umklammerte meinen Arm wie ein Schraubstock, während er mich mit sich zerrte, und in die Mitte des Raums stieß. Ich taumelte zwei Schritte, bevor ich mein Gleichgewicht wiederfand und mich schüchtern umsah. Unwillkürlich schlang ich die Arme um meinen Oberkörper, um mir selbst Halt zu geben. Aber es funktionierte nicht, ich schlotterte innerlich.

Ich stand in einem edel eingerichteten Zimmer, das eher einem Salon glich, mit dunklen Holzmöbeln, einer verspiegelten Bar und einem funkelnden Kristall-Leuchter, der von der Decke baumelte. Zwei Männer saßen an einem niedrigen Tisch in ihren Sesseln und hielten Drinks in der Hand.

---ENDE DER LESEPROBE---