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Als Joanne Farnham den Auftrag erhält, ein Marketingkonzept für das Lady's Paradise zu entwerfen, blickt sie dem Job mit gemischten Gefühlen entgegen. Um eine Kampagne auf die Beine zu stellen, muss sie sich den Club für einsame Frauen genauer ansehen, dabei will sie eigentlich gar nicht wissen, was sie in diesen sündigen Mauern alles erwartet. Aber sie kann dem verlockenden Angebot einfach nicht widerstehen. Würde nicht ausgerechnet Holden Barkley, der größte Mistkerl ihrer Schulzeit, diesen Club leiten. Mit ihm soll sie wochenlang eng zusammenarbeiten? Unmöglich. Aber sie hat die Rechnung ohne Holden und seine Crew aus sexy Kerlen gemacht, die nur eines im Sinn haben: Dem schüchternen Mauerblümchen die Vorzüge des Lady‘s Paradise schmackhaft zu machen.
Wicked Bad Boy erscheint am 12. Juni!
Alle Bücher dieser Reihe sind abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden. Jedes Buch handelt von anderen Paaren!
Leserstimmen:
-Auch der dritte Band der Wicked Reihe ist ein exquisites, fantastisches Lesevergnügen.
-Die Autorin hat echt ein gutes Händchen in diesen Roman bewiesen. Er ist spannend, erotisch, gefühlvoll, heiß und mit Intrigen übersäht. ,,Was das lesen erstklassig macht!"
-Heiß, heißer, Wicked Lady Killer. Was soll ich sagen.... ICH BIN ABSOLUT BEGEISTERT. Eigentlich wollte ich mir das Buch einteilen...haha sehr witzig, eine Nachtschicht und durch war ich mit dem Buch.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Deutsche Erstveröffentlichung Januar 2019
Copyright © 2019, Holly Clarkson
c/o Barbara’s Autorenservice
Tüttendorfer Weg 3
24214 Gettorf
Email: [email protected]
Cover: Booklover Coverdesign
all rights reserved
Sämtliche Charaktere, Handlungen und Gegenstände dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Die Autorin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Leseprobe
Liam
Holly Clarkson ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin, die unter ihrem richtigen Namen schon zahlreiche Liebesromane veröffentlicht hat. Als Holly sind ihre Geschichten ein paar Grade heißer und sündiger. Eigentlich ist sie eine hoffnungslose Romantikerin und das spiegelt sich auch in all ihren Büchern wider. Sie glaubt an die Macht der Liebe, an das Universum und daran, dass nichts so sexy ist, wie ein Mann, der einem morgens Kaffee ans Bett bringt.
Habe einen Interessenten für die Wohnung gefunden. Er möchte sie gern besichtigen. Bist du heute Abend zu Hause? Ich habe schon was vor. Vergraul ihn nicht schon wieder, sonst hörst du von meinem Anwalt!!!
Sprachlos starrte ich auf die Textnachricht, die mein Arschloch von Ex mir geschickt hatte. Wow! Er hatte es enorm eilig, mich auf die Straße zu setzen. Erst vor einem Jahr hatten wir uns diese wunderschöne Eigentumswohnung gekauft, in der wir gemeinsam alt werden wollten. Unser Nest bauen und Kinder großziehen. Ich hatte alles bereits überdimensional und in schillernden Farben vor meinem inneren Auge gesehen.
Mein Leben war eine perfekte Aneinanderreihung schicksalhafter Ereignisse gewesen, bei der sich eine wundervolle Begebenheit nach der anderen vor meine Füße ergossen hatte. Nach meiner desaströsen Highschoolzeit hatte ich einen Platz an der University of Nevada in Las Vegas ergattert und Business Administration studiert. Ich meine Las Vegas. Woohoo. Und ab diesem wundersamen Zeitpunkt hatte alles angefangen. Ich hatte eine Metamorphose durchlebt, die sprichwörtliche Verwandlung vom pummeligen Teenager in eine attraktive Studentin im Rekordtempo hingelegt, die beste Zeit überhaupt am College verbracht … und Wilson kennengelernt. Verdammter, mieser, hinterhältiger Bastard. Instinktiv verkrampften sich meine Finger so heftig um meinen Bleistift, dass er in der Mitte durchbrach. Wütend schleuderte ich ihn in den Papierkorb und lehnte mich zurück.
Vier Monate war unsere Trennung bereits her und ich war zu meinem Leidwesen noch keinen Inch über ihn hinweggekommen. Als würde die Zeit mich rigoros im Kreis schleudern, erlebte ich seinen Abschied in Gedanken wieder und wieder. Ich elende Masochistin rief mir auch noch bewusst jedes einzelne fiese Wort, das seinen Mund verlassen hatte, zurück ins Gedächtnis. Diese wunderschönen Lippen hatten mich tief verletzt.
Ich riss mich aus meinen Grübeleien los. Der Brief, den ich dringend für meinen Boss Aidan O'Conners tippen musste, verschwamm vor mir auf dem Bildschirm. Schon wieder brannten diese verflixten Tränen in meinen Augen. Energisch wischte ich mir mit beiden Händen durchs Gesicht und setzte mich aufrecht hin. Ich war zu einer furchtbaren Heulsuse mutiert. So extrem, dass mir selbst meine beiden Vorgesetzten aus dem Weg gingen, sobald sich ihnen die Möglichkeit bot. Aber egal was ich auch probierte. Nichts half gegen meinen fürchterlichen Liebeskummer. Ein einziges Mal hatte ich vor Jahren an der Highschool wegen eines Typen so gelitten und gedacht, den kindischen Kram endgültig hinter mir gelassen zu haben. Mittlerweile war ich eine gestandene Frau von fünfundzwanzig Jahren. Aber es tat noch immer genauso weh, wie beim ersten Mal. Und zur Krönung warf mich Wilson Arsch (der eigentlich Archer mit Nachnamen hieß) auch noch aus unserer ehemals gemeinsamen Wohnung, falls ich ihm nicht auf der Stelle seinen Anteil von 80.000 Dollar ausbezahlte, die ich nicht besaß.
Ich kippte den letzten Schluck Kaffee in mich hinein – schwarz und stark – wie ich ihn mittlerweile in Massen konsumierte und stellte die goldene Tasse zurück auf meinen Schreibtisch. Wenn ich nicht schleunigst meinen Koffeinkonsum drosselte, würde mein Kopf irgendwann noch explodieren.
Ich krallte mir mein Handy und tippte darauf ein, als würde ich Wilson ein Messer in die Brust rammen – wieder und wieder. Der Schweinehund hatte etwas vor? Was denn? Mit Paige konnte er ja wohl die ganze Nacht noch bumsen.
Sorry, bin nicht zu Hause. Dann musst du deine Triebstau-Beseitigung halt verschieben. Geht ja sowieso schnell bei dir!
Unsanfter als gewollt knallte ich mein armes Smartphone zurück auf den Schreibtisch. Der Teufel sollte den Kerl holen und Paige gleich mit dazu. Es war schlichtweg nicht zu fassen. Bereits zum zweiten Mal hatte mir diese Ziege meinen Mann gestohlen. Vor Jahren an der Highschool Holden Barkley, obwohl das nicht wirklich stimmte, und jetzt auch noch Wilson. Dabei konnte Paige schon immer jeden haben, aber nein, es mussten immer meine Kerle sein.
Mein Smartphone klingelte. Aus einem niederen Impuls heraus erlag ich der Hoffnung, Wilson an der Strippe zu haben und straffte mich für eine Verbalattacke, die ihn hoffentlich für immer in die Flucht schlug. Aber es war meine beste Freundin Tracey. Sofort sank ich wieder in mich zusammen und ließ die Schultern hängen. Ich hatte keine Kraft mehr.
»Hi, Süße«, ich zwang mich zu einem fröhlichen Tonfall. Die Ärmste hatte sich wochenlang meine Heularien anhören müssen und langsam sollte Schluss mit meinem ewigen Selbstmitleid sein. Mittlerweile ging ich mir selbst schon auf die Nerven.
»Hey, du klingst schrecklich. Schlechte Neuigkeiten von Wilson Arsch?« Mit Freuden hatte Tracey meine neue Nachnamen-Kreation in ihren Sprachschatz aufgenommen.
Ich seufzte. Tracey kannte mich durch und durch, Geheimnisse vor ihr zu verbergen, war ausgeschlossen. Schon in der Highschool waren wir beide unzertrennlich gewesen.
»Wilson macht Ernst. Er schmeißt mich aus der Wohnung.«
»Darf er das so einfach?«, hörte ich Tracey fragen, während sie in irgendwas Knackendes biss.
»Was machst du da?« Ich starrte auf den trockenen Grund meiner leeren Tasse. Koffein, ich brauchte dringend Koffein. Seit Monaten schon schlief ich nicht mehr richtig und fühlte mich tagsüber wie gerädert. Wenigstens konnte ich mich mittlerweile wieder zum Duschen und Stylen aufraffen und schneite nicht mehr wie eine lebende Vogelscheuche ins Büro.
»Ich esse eine Karotte. Die sind übrigens vorteilhaft für die Libido, habe ich gehört. Vielleicht solltest du auch mal ein paar knabbern, du vertrocknest schon untenrum vor lauter Trauer.« Sie kicherte.
»Pff, Sex«, ich prustete abfällig. »Das ist das absolut Letzte, wonach mir zumute ist. Orgasmen werden sowieso total überbewertet.« Meine Libido war seit meinem Liebesaus in der Tat total im Arsch. Noch eine Sache, die Wilson auf dem Gewissen hatte.
Wieder ein lautes Knack, dann fragte sie mümmelnd: »Aber was ist jetzt mit dem Waschlappen?«
»Er hat mal wieder einen Käufer an der Angel und ich kann die Wohnung allein nicht halten. Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als mir schnellstmöglich eine neue Bleibe zu suchen, weil ich Wilson nicht ausbezahlen kann.«
»Du kannst vorerst bei uns wohnen, bis du was gefunden hast«, bot sie mir an und ich liebte sie für ihre selbstlose Art gleich noch ein wenig mehr. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihr Ehemann von einer neuen Mitbewohnerin begeistert wäre, obwohl wir uns prima verstanden.
»Danke. Aber so schnell kriegt der Mistkäfer mich nicht raus. Ein paar Wochen bleiben mir schon noch, um was Neues zu finden. Obwohl ich dieses Apartment abgöttisch liebe, und es mir das Herz herausreißt, es aufgeben zu müssen.« Wehmut schlich sich in mein gebeuteltes Herz, bei dem Gedanken, wie viele meiner Träume an dieser Wohnung hingen, die nun eine nach der anderen wie schillernde Seifenblasen platzten.
»Dreckskerl«, kam es abfällig durchs Handy.
»Arschgeige«, stimmte ich ihr zu.
»Widerling«, gab sie mir recht.
»Idiot.«
»Schlappschwanz«, formulierte sie genüsslich und ich wusste, worauf sie anspielte. Auf seine Erektionsstörungen, wenn er zu viel getrunken hatte. Seinen Wodka-Schlaffen. Ich kicherte, das tat so gut.
»Wichser.«
»Großhirnkastrat«, legte Tracey nach.
»Orgasmusbremse«, sagte ich jede einzelne Silbe betonend, während ich merkte, wie ein breites Grinsen auf meinen Lippen wuchs. Ich schob den Fakt, dass ich noch nie in meinem Leben einen Orgasmus verspürt hatte, allein Wilson und seiner Unfähigkeit in die Schuhe. In dieser Disziplin hatte er schon immer zu viele PS am Start gehabt und brach in Nullkommanichts durch die Ziellinie. Da kam kein normaler Mensch hinterher. Tja, Paige. Pech gehabt!
»Orgasmusbremse?«, schallte es von der Tür. »Ernsthaft?«
Ich schrak mit jeder Faser meines Körpers zusammen. »Ich muss auflegen, Tracey«, wisperte ich, bevor ich hektisch mein Handy beiseitelegte und eine geschäftsmäßige Miene aufsetzte. Trotz meiner glühenden Wangen. Himmel, war das peinlich.
»Wie kann ich dir helfen, Aidan?« Nervös strich ich meinen schwarzen Bleistiftrock glatt. Ausgerechnet jetzt musste mein Boss hereinschneien.
»Ich wollte deine anregende Unterhaltung nicht unterbrechen, scheint sich ja um enorm wichtige Themen gehandelt zu haben.« Er klang amüsiert. »Aber hast du die Kalkulation schon fertig, um die ich dich gestern gebeten habe?«
»Die Kalkulation.« Unauffällig gab ich meiner PC-Maus einen Stups, damit der Bildschirmschoner wieder zum Leben erwachte und den letzten Beweis meiner Untätigkeit der letzten halben Stunde von dannen wischte. »Die ist so gut wie fertig.« Mist, ich hatte noch nicht einmal damit angefangen. »Gib mir bis zur Mittagspause, dann hast du sie auf dem Schreibtisch.«
Aidan musterte mich viel zu durchdringend für meinen Geschmack. Mein Herz pochte dumpf in der Brust. Ich wusste, er hatte mir viel zu lange meine Unkonzentriertheit durchgehen lassen und bekam einen Heidenschiss. Sollte ich auch noch meinen Job verlieren, war ich endgültig im Eimer.
»Alles okay bei dir?«, fragte er schließlich, worauf ich nickte.
Ich schluckte, hart und hörbar. »Alles bestens. Nur der übliche Stress mit Wilson. Er will die Wohnung endlich verkaufen und ich kann ihn nicht ausbezahlen. Also muss ich bald ausziehen und mir schnellstmöglich eine neue Bleibe suchen.« Hilflos zuckte ich mit den Achseln und blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. »Es tut mir so leid, Aidan. Ich reiße mich in Zukunft zusammen, versprochen.« Hektisch klickte ich auf den Karteireiter am Bildschirm, bis die gähnend leere Excel Tabelle der Kalkulation aufploppte.
Aidan kam langsam näher. »Du machst eine schwere Zeit durch, ich verstehe das.« Er räusperte sich. »Zuerst diese unschöne Trennung und jetzt macht er dir auch noch das Leben wegen dieser Wohnung schwer. Wie viel verlangt der Kerl von dir?«
Ich rollte mit dem Schreibtischstuhl zurück. Im Prinzip wollte ich diese Unterhaltung mit meinem Boss nicht führen, der immer so hohe Stücke auf mich hielt, mir sogar in regelmäßigen Abständen erzählte, ich wäre die fähigste Assistentin, die er je eingestellt hatte. Aber das war einmal. Trotz allem erstaunte mich Aidans Interesse, er war ein freundlicher Mensch, jedoch normalerweise nicht sonderlich an meinem Privatleben interessiert. Es musste schlimm um mich stehen. »80.000 Dollar oder ich muss demnächst die Wohnung räumen.« Mein Leben war in der Tat an einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Ein Scherbenhaufen. Eine üble Welle von Selbstmitleid schwappte in mir hoch.
Aidan unterzog mich erneut dieser ausgiebigen Musterung, unter der ich mich unwohl wand, wie ein Regenwurm in der prallen Sonne. Als führte er eine Gemeinheit im Schilde oder hinge irgendwelchen wilden Überlegungen nach. Meine Hände wurden feucht und klebrig, so unauffällig wie möglich wischte ich sie an den Armlehnen ab. Ich wusste selbst, wie mies meine Arbeitsleistung schon seit Wochen aussah und irgendwann erschöpfte sich wohl auch die Geduld des nettesten Chefs.
Wie in Zeitlupe setzte sich Aidan halb auf meinen Schreibtisch und verschränkte die Finger locker auf seinem Schoß ineinander. In seinem anthrazitfarbenen dreiteiligen Anzug sah er wie immer seriös und attraktiv aus, obwohl er wie üblich sein Jackett nicht trug. Seine grau-türkisen Augen durchleuchteten mich, als wäre er auf der Suche nach irgendwas. Was war denn mit Aidan los? So merkwürdig kannte ich ihn überhaupt nicht. Eine steile Sorgenfalte zeichnete sich zwischen seinen Augenbrauen ab. Hatte er am Ende ebenfalls Liebeskummer? Ich hoffte aus tiefstem Herzen, dass er und Vivien sich nicht getrennt hatten. Die beiden passten so wundervoll zusammen.
»Ich würde gern etwas unter vier Augen mit dir besprechen, wäre das möglich?«, fing er schließlich an.
Unwillkürlich schweifte mein Blick durchs Büro. »Ähm, wir beide sind allein.«
Er nickte. »Ich meine damit, dass nichts von dieser Unterhaltung nach außen dringen darf.«
»Oh.« Ich setzte mich aufrecht hin und griff mir an den Hals. Er würde doch jetzt nicht … oh nein, nicht Aidan. Ich meine, er sah unbestreitbar attraktiv aus mit seinem markanten Gesicht und den akkurat geschnittenen braunen Haaren. Aber er steckte in einer festen Beziehung, noch dazu mit einer umwerfenden Frau, die ich sehr mochte.
»Ich denke nicht, dass ich das machen kann«, fing ich vorsichtig an. Schweiß brach mir aus allen Poren.
»Wovon sprichst du?« Er warf mir einen verwirrten Blick zu, worauf ich hektisch losblubberte: »Na du und ich, wir beide, das würde niemals funktionieren. Du hast eine Freundin und ich mag vielleicht verzweifelt wirken, aber so verzweifelt bin ich auch wieder nicht …«
»Was?«, unterbrach er mich ungläubig.
»Das soll nicht heißen, dass ich dich nicht attraktiv finde, Aidan. Ganz und gar nicht.« Ich sprang von meinem Stuhl auf und gestikulierte wild in der Luft herum. »Du bist sexy, vor allem in diesen schicken Maßanzügen, die du immer trägst und die deinen Hintern toll betonen.« Flüchtig deutete ich an ihm entlang, während Aidan wie in Zeitlupe die Arme vor der Brust verschränkte und mir aufmerksam lauschte. »Nicht, dass ich heimlich deinen Hintern betrachten würde … also nicht absichtlich.«
Scheiße. Was redete ich da?
»Was ist das für ein Anzug? Armani?«, fragte ich wirr, um das Gespräch von seinem Allerwertesten abzulenken. Vielleicht vergaß er dann, was ich gebrabbelt hatte.
»Maßanfertigung von Brioni«, teilte er mir emotionslos mit.
»Sieht toll aus.« Ich hob beide Daumen in die Luft. Verdammt, diese Unterhaltung verlief noch tausendmal peinlicher als die vorhin, als er mich beim Telefonieren ertappte. Hatte ich eben seinen Hintern erwähnt? Ich wollte auf der Stelle umfallen und sterben. »Und diese Hemden betonen deine … deine muskulösen Oberarme wirklich auffällig und hast du da drunter …« Ich deutete auf sein Hemd. »Einen Waschbrettbauch?« Vehement schüttelte ich den Kopf. »Trotzdem. Das mit uns wird leider nichts. Ich eigne mich nicht zur Betrügerin. Schau, Aidan.« Ich trat einen Schritt auf ihn zu und war halb geneigt, seine Hand zu ergreifen. »Du hast eine wundervolle Partnerin. Vivien ist traumhaft schön, klug und witzig, ihr passt perfekt zusammen. Was ihr beide aneinander habt, solltest du nicht für eine billige Affäre aufs Spiel setzen.«
»Hast du dich eben selbst als billig bezeichnet?«, hakte er nach und ich wich mit dem Kopf zurück. Scheiße, ja.
»Ähm, das habe ich wohl versehentlich. Aber so war das nicht gemeint. Ich wollte … ich will … ich möchte.« Ich ließ den Kopf hängen und sank zurück auf meinen Stuhl. Diese Unterhaltung lief furchtbar schief. »Ich möchte doch nur das Beste für dich«, gab ich schließlich geknickt zu.
Aidan schenkte mir ein warmes Lächeln. »Das freut mich. Und nun, da du endlich mal Luft holen musstest, kann ich dir bestätigen, dass ich nicht hier bin, um dich auf deinem Schreibtisch zu vernaschen.«
Ruckartig hob ich den Kopf. »Nicht?«
Wo war das nächste Loch, in dem ich für immer und ewig versinken konnte? Am besten so tief, dass mich da drinnen nie wieder jemand fand.
»Nein!« Er pustete durch die gespitzten Lippen, als müsste er meine Worte noch verdauen. »Wilson hat dir übel zugesetzt. Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen. Aber das muss unter uns bleiben. Du darfst vor allem Kayne nichts davon erzählen.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Weshalb wollte Aidan hinter dem Rücken seines Geschäftspartners irgendwas mit mir aushandeln? Die beiden führten von Anfang an gemeinsam das Gentleman’s Paradise, ein gehobenes Bordell für das ich die Bürotätigkeiten erledigte.
Aidan seufzte. »Es geht um das Lady’s Paradise«, warf er mir einen Brocken zu und stand von meinem Schreibtisch auf. Ah, es ging um sein Herzensprojekt. Den anderen Club, der mit einem brandneuen Konzept auf die sexuellen Bedürfnisse weiblicher Gäste zugeschnitten war. Leider hatte seine erotische Women World einen holprigen Start hingelegt und Aidan wusste trotz ausufernder Nachforschungen nicht, woran es lag, dass der Laden so mies lief. Da Kayne von Anfang an seine Stimme gegen dieses Projekt erhoben hatte, konnte ich mir vage vorstellen, dass meine Verschwiegenheitsverpflichtung mit deren Differenzen diesbezüglich zusammenhing. Trotzdem lag es außerhalb meiner Vorstellungskraft, was dieser verruchte Laden mit mir zu tun haben könnte. Ich war eine stinknormale Bürokraft, alles was ich in den zehn Stunden täglich während meiner Anwesenheit hier erledigte, spielte sich in diesem Raum ab. Papierkram, Buchhaltung, Kalkulationen, ein bisschen Public Relations und was noch so anfiel. Ich hatte noch nie die sündige Gentleman’s Bar im Erdgeschoss betreten, wo das wilde Bordelltreiben stattfand.
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte ich schließlich.
In einer hilflosen Geste hob Aidan die Hände. »Wie soll ich anfangen? Wie du weißt, hatte der Laden ein paar – sagen wir mal – Anlaufschwierigkeiten, die sich leider bis heute nicht gelegt haben. Und ich kann nicht nachvollziehen, wo genau das gottverdammte Problem liegt«, fluchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Selbstverständlich wusste ich, dass er und Kayne einen Haufen Geld in den Sand setzen würden, sollten sie diesen Club nicht endlich zum Laufen bringen.
»Ich meine, das Ambiente ist edel«, redete er weiter. »Wir bieten den Damen jeden Luxus, den sie sich nur vorstellen können. Und die Kerle, ich kann dir sagen, gegen die stinkt jede Men-Stripshow in Las Vegas ab. Aber trotzdem kommen kaum Gäste. Ich kapier‘s nicht. Was machen wir falsch?«
»Leider weiß ich das nicht.« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich würde dir ja liebend gern helfen, aber ich fürchte, zu dieser Thematik bin ich nicht die geeignete Gesprächspartnerin.«
»Aber nein«, er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf mich. »Du bist perfekt.«
»Ich bin perfekt?«, wiederholte ich dümmlich. Mein Mund klappte auf.
Er nickte. »Ja.«
»Wofür?«
Aidan setzte sich wieder auf den Schreibtisch und kam mir somit näher, als mir lieb war. Mein Boss heckte einen perfiden Plan aus und ich war nicht sicher, ob ich wissen wollte, was in seinem Kopf vor sich ging.
»Ich möchte, dass du einen Monat lang das Lady’s Paradise für mich unter die Lupe nimmst.«
Ich hielt den Atem an. »Du spinnst«, keuchte ich fassungslos.
»Du sollst dich nur umsehen«, er wirkte verzweifelt, »und mir regelmäßig Bericht erstatten. Ich brauche eine weibliche Sicht auf den Club.« Aidan rieb sich den Nacken. »Wahrscheinlich hätte ich schon viel früher reagieren müssen. Frauen haben in erotischen Angelegenheiten eben völlig andere Erwartungen, als wir Männer.«
»Aidan«, unterbrach ich ihn vorsichtig, und hegte die Sorge, er könnte womöglich noch durchknallen. »Ich fürchte, für deine offenen Fragen bin ich nicht die geeignete Ansprechpartnerin.« Ruckartig stand ich auf. »Warum schickst du nicht Grace? Sie ist seit Jahren in dem Gewerbe tätig und arbeitet für euch. Sie kennt sich bestens mit – euren Bedürfnissen aus. Bestimmt kann sie viel besser helfen.«
»Nein«, widersprach er vehement. »Für diese heikle Mission brauche ich eine Frau, die prüder ist. Jemand zurückhaltendes, mit Schamgefühl. Einen keuscheren Typ, falls du weißt, was ich meine.«
»Verstehe. Eine sexuell verklemmte Frau.« Ich ließ mich zurück auf den Stuhl sinken, meine Beine gaben nach.
»Ja«, gab er mir so euphorisch recht, als hätte ich das letzte Puzzleteil seines grotesken Bildes gefunden. »Genau so eine suche ich.«
Ich legte den Kopf schräg und warf ihm einen eisigen Blick zu. Wie in Zeitlupe verschränkte ich die Arme vor der Brust. Zu seinem Glück kapierte er auf der Stelle.
»So habe ich das nicht gemeint«, verteidigte er sich sofort und hielt beruhigend beide Hände vor die Brust. »Ich bin mehr auf der Suche nach einer normalen Frau, die ohne Vorkenntnisse das Innere eines solchen Clubs begutachtet, um mir dann Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, oder besser noch, die mir ein brandneues Marketingkonzept erstellt.« Er beugte sich zu mir und stützte sich an meinen Armlehnen ab, sodass ich unwillkürlich in meinem Sitz zurückwich. »Ich habe nicht mehr viel Zeit, einen Monat oder so, dann ist der Laden pleite, sofern kein Wunder geschieht. Also hilfst du mir? Falls du es schaffst, den Club in die schwarzen Zahlen zu hieven, bekommst du 80.000 Dollar Provision von mir. Was sagst du zu meinem Angebot?«
Scharf sog ich die Luft zwischen den Zähnen ein. Aidan hatte einen raffinierten Köder für mich ausgelegt. Ich sah die Angelschnur mit den vielen grünen Scheinen bereits vor meiner Nase baumeln und musste nur noch zuschnappen. Er beobachtete angespannt jede meiner minimalistischen Regungen, sodass ich mich kaum zu bewegen wagte.
»Aber ich muss da drin nichts tun. Ich meine, keine versauten Spielchen mit euren Animateuren ausprobieren, oder sonst was Perverses anstellen.«
»Du agierst lediglich als stille Zuschauerin, prüfst die Schwachstellen des Clubs, machst Vorschläge, entwickelst eine neue Strategie und ein Konzept, das ist alles, worum ich dich bitte.«
»80.000 Dollar für vier Wochen?«, vergewisserte ich mich noch einmal, weil mir diese enorme Summe wie ein wundersamer Traum vorkam. Ich wusste, das war die einzige Chance, mein Apartment doch noch zu behalten und Aidan wusste das auch.
»So ist es.« Er hielt mir die Hand hin. »Was ist, schlägst du ein? Haben wir einen Deal?«
Zögerlich ergriff ich sie und biss die Zähne zusammen. Aidan hatte einen äußerst energischen Händedruck. »Einverstanden. Deal. Aber ohne Erfolgsgarantie.«
»Mit Erfolgsgarantie, falls du Kohle sehen willst«, erwiderte Aidan mit Nachdruck und ließ mich los. »Du schaffst das. Niemand hat mehr betriebswirtschaftliches Geschick als du, sofern du dich endlich mal zusammenreißt und aufhörst, dieser Orgasmusbremse hinterher zu flennen.« Er grinste breit. »Was willst du mit einem Kerl, der dich nicht mal anständig befriedigt?«
Das. War. Peinlich.
»Ähm. Genau.« Ich hob beide Daumen in die Luft. Diese absurde Unterhaltung musste endlich ein Ende haben. »Ich gehe dann mal packen.«
»Tu das«, Aidan nickte. »Buche dir auf Geschäftskosten ein hübsches Hotelzimmer in der Nähe. Und ich informiere in der Zwischenzeit Holden über deine Ankunft.«
Mist. Mein Magen verklumpte. In meiner Verzweiflung hatte ich total vergessen, dass ausgerechnet Holden Barkley die Leitung des Lady’s Paradise übernommen hatte. Der Kerl, der mich in der Highschool absichtlich verarscht und bloßgestellt hatte, bis er sich schließlich Paige zuwandte. Bei seiner Einstellung, vor ein paar Monaten, waren wir uns hier im Gentleman’s Paradise nach Jahren wieder begegnet und der Mistkerl hatte mich nicht einmal erkannt.
»Sean, mach mir einen Gin-Tonic«, wies ich den Barkeeper des Lady’s Paradise an, den ich höchstpersönlich gecastet hatte. Ein auffallend gutaussehender Kerl, soweit ich das beurteilen konnte. Mitte zwanzig, durchtrainiert, jedoch nicht zu muskulös, mit unzähligen Tattoos auf beiden Armen, der in einem knappen Cowboy Kostüm steckte, ohne Hemd darunter. Sein durchtrainierter Waschbrettbauch kam somit wunderbar zur Geltung, der bestimmt Sabberalarm bei sämtlichen Ladys auslöste. Sofern sich endlich mal ein paar Frauen in unseren Club verlaufen würden.
Nur vereinzelt hatten sich bisher Kundinnen ins Innere dieser brandneuen Wände gewagt, aber jene Ladys hatten sich dafür rasant zu Stammkundinnen gemausert. Die gähnende Leere im Club konnte somit nicht am Ambiente liegen. Diesbezüglich erfüllten wir den Grazien jeden Wunsch, sogar den hässlichsten unter ihnen – da machten wir keinen Unterschied. Mein Boss Aidan O’Conners hatte spitzenmäßige Arbeit geleistet und an nichts gespart. Das Problem lag tiefer. Wir schafften es nicht, diese vielen untervögelten Frauen, die nach schneller Liebe suchend durch die Straßen der Großstädte stromerten, in unsere Mausefalle zu locken, um uns unverbindlich kennenzulernen.
»Bitteschön.« Sean stellte mein Getränk vor mir auf dem Tresen ab. Er hatte die Anlage lauter gedreht, sodass moderne Beats durch die Bar schallten. »Schon wieder nicht viel los«, mit einer flüchtigen Handbewegung deutete er durch die verwaiste Räumlichkeit. Lediglich an einem Tisch unterhielten sich Viola und Tiffany mit dem halben Clan unserer Animateure. Zwei vorurteilsfreie Ladys in den Fünfzigern. Warum gab es im Umkreis nicht mehr von ihrer Sorte? Die beiden waren so oft bei uns zu Gast, dass jeder sie beim Vornamen kannte.
»Nur Tiff und Vile amüsieren sich.« Sean grinste breit. Er lebte in einer offenen Beziehung und wäre einer Buchung sicherlich ebenfalls nicht abgeneigt.
»Ich versteh’s nicht.« Wütend schlug ich mit der geballten Faust auf den Tresen. »Lieber lassen sich diese ganzen Frauen da draußen von irgendwelchen Stümpern abfüllen und durchvögeln, als mit unseren Profis Spaß zu haben.«
»An mir kann’s nicht liegen«, erwiderte er lachend und deutete mit beiden Händen an sich entlang. »Cassy fällt jedes Mal über mich her, sobald ich in diesem Outfit durch die Haustür trete.« Er zeigte auf meinen Smoking, den ich als Geschäftsführer immer trug und in dem ich mich nie so richtig wohlfühlte. Als trüge ich einen Fremdkörper auf dem Leib. »Vielleicht solltest du dich mal locker machen.«
»Ich stehe den Lady’s nicht zur Verfügung, das ist euer Job.«
»Wir würden uns mit Freuden opfern, das kannst du uns glauben. Dafür musst du uns aber auch mal Kundschaft verschaffen.«
Scheiße. Er hatte recht. Die Jungs verdienten so gut wie nichts. Sollte nicht bald ein Wunder geschehen, hatte ich demnächst keinen einzigen Angestellten mehr. Ich nahm einen tiefen Schluck, der mir prickelnd die Speiseröhre hinunterrann und meine Lebensgeister einigermaßen auf Trab brachte. Mein erster wichtiger Job, sogar mit Gewinnbeteiligung. Aidan hatte so viel Vertrauen in mich gesetzt und ich mir den Arsch für diesen Club aufgerissen, aber egal was ich versuchte, nichts klappte. Der Laden, der sonst locker Platz für über zweihundert Gäste bot, erstreckte sich gähnend leer vor mir. »Mir ist durchaus bewusst, dass die Ladys sich in jedem x-beliebigen Schuppen einen Kerl für lau aufreißen können, aber die Chance, dass der Trottel es dann im Bett nicht bringt, weil er sowieso nur auf seinen eigenen Abschuss fixiert ist, ist dennoch relativ hoch für die Grazien, findest du nicht?«, bettelte ich regelrecht um Bestätigung.
Mein Handy klingelte in meiner Jackett-Tasche, bevor Sean mir beipflichten konnte. Ich kramte es hervor und warf einen Blick darauf. Aidan rief mich an. Wahrscheinlich der übliche Kontrollanruf und so langsam wurde der Gute nervös, was ich ihm nicht verdenken konnte. So leid es mir tat, ich hatte nie positive Neuigkeiten für ihn.
»Hey, Aidan«, begrüßte ich ihn betont fröhlich, »was gibt’s?«
»Holden, wie läuft’s bei dir?«, fragte er ohne Umschweife. Mittlerweile wusste ich, dass er meistens schnell auf den Punkt kam, großes Herumgerede lag ihm nicht.
»Es ist schon Kundschaft da«, beruhigte ich ihn, schließlich war das nicht gelogen. Mein Blick schweifte zu unseren beiden Stammkundinnen, die sich mit Boulder, Liam, Wade und Braxton vergnügten, die allesamt in Kostümen steckten, die nicht viel verbargen und ihre muskulösen Körper außerordentlich in Szene setzten. Tiffany hatte sich für einen Lapdance von Braxton zurückgelehnt, während Liam hinter ihr stand und sanft ihr Dekolleté massierte. Seufzend wandte ich mich von ihnen ab, wenigstens würde der Abend keine Nullnummer in der Kasse hinterlassen, was auch schon vorgekommen war.
»Außer Viola und Tiffany?«, hakte Aidan nach und ich schluckte.
»Ähm, also ….«
»Das geht so nicht weiter, Holden«, unterbrach er mich. Mein Boss klang leicht ungehalten und obwohl ich ihn voll und ganz verstehen konnte, betete ich inständig, dass nicht meine sofortige Kündigung folgte.
»Ich gebe mein Bestes, das musst du mir glauben.« Ich leerte mein Glas in einem Zug und stellte es geräuschvoll zurück auf den Tresen. »Jeder unserer weiblichen Gäste hat sich bisher wohlgefühlt, wir verwöhnen die Ladys. Was sollen wir machen? Sie geben uns keine Chance.«
»Das Problem ist mir bekannt«, erwiderte er knapp. »Aus diesem Grund habe ich Maßnahmen ergriffen. Ich werde dir jemanden schicken, der dir die nächsten Wochen zur Seite steht und uns ein neues Marketing-Konzept für den Club erstellt.«
Ich musste zugeben, es passte mir nicht, dass Aidan jemanden abkommandiert hatte, um mir über die Schulter zu schauen. Dennoch war ich mir der Dringlichkeit dieses Schrittes vollkommen im Klaren. Uns stand das Wasser bis zum Hals.
»Verstehe. Du hast eine Marketing-Agentur engagiert. Keine schlechte Idee. Ich muss zugeben, ich bin langsam mit meinem Latein am Ende.«
»Keine Agentur in dem Sinne, eher eine weibliche Sicht auf die Abläufe und den Club im Allgemeinen. Vielleicht packen wir die Sache falsch an, weil wir wie Kerle denken, aber Frauen sind sensibel, sie wollen begehrt und erobert werden. Ich kann nicht glauben, dass es keinen Markt für sexuelle Dienstleistungen für das weibliche Geschlecht gibt. Immerhin buchen sie auch Callboys und der Begriff Gigolo hat sich nicht ohne Grund weitläufig etabliert. Die Weiber treiben es nur subtiler, das ist alles. Oder denk mal an Casanova, diese Art der männlichen Prostitution ist hunderte von Jahre alt.«
»Außerdem müssen sie sich bei unseren Animateuren nicht revanchieren. Deren Orgasmus kann ihnen scheißegal sein.« Ich gab Sean einen Wink, mir nachzugießen. Ich konnte ebenfalls nicht nachvollziehen, weshalb sich sämtliche Frauen der Welt derart bockig und stur zeigten, obwohl wir lediglich auf ihr Wohl bedacht waren. Unser Club bot ihnen nur Vorteile. Als hätten sich die Weiber im Kollektiv gegen das Lady’s Paradise verschworen. »Vielleicht sollten wir ein paar Gratis-Coupons für eine heiße Probe-Nacht verteilen«, überlegte ich.
»Keine schlechte Idee, aber wie ich die Ladys kenne, nehmen die uns solche gut gemeinten Aktionen am Ende sogar noch übel.« Er seufzte tief. »Dieses Herumrätseln bringt doch nichts. Wir kommen keinen Schritt weiter. Genau aus diesem Grund habe ich eine Frau engagiert, die uns diese Fragen allesamt beantworten wird. Meine Assistentin Joanne hat sich bereiterklärt, dir für die nächsten Wochen zur Seite zu stehen und dieses Rätsel für uns zu lösen.«
Ich verschluckte mich an meinem Gin-Tonic und versprühte die Hälfte in der Luft. Hustend rang ich nach Luft und erntete einen angeekelten Blick von Sean. Das durfte doch nicht wahr sein. Ausgerechnet Joanne? Das Flusspferd aus meiner Highschool-Zeit? Das konnte nicht sein Ernst sein.
»Ich glaube nicht, dass sie die richtige für diesen Job ist«, erwiderte ich, als ich wieder halbwegs zu Atem kam.
»Sie ist perfekt, eine stinknormale Durchschnittsfrau, die wie keine andere die geheimen sexuellen Sehnsüchte ihresgleichen kennt.«
»Welche geheimen Sehnsüchte schlummern denn in Joanne?«, wagte ich zu fragen.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte Aidan voller Überzeugung. »Aus diesem Grund ist sie ja so perfekt. Bald werden wir erfahren, was in diesem Mauerblümchen brodelt.«
»Du meinst doch nicht etwa, Joanne soll in den nächsten Wochen im Club herumexperimentieren?« Vage erinnerte ich mich an unsere unschöne letzte Unterhaltung vor Jahren.
»Selbstverständlich nicht. Für versaute Spielchen ist sie viel zu konservativ und prüde. Sie fungiert als stille Beobachterin, um uns die Schwachstellen aufzuzeigen. Eine Inspekteurin sozusagen.«
»Na, dann bin ich ja mal gespannt.« Sollte in Joanne doch kein geheimes Feuer glühen, konnten wir den Laden zum nächsten ersten endgültig dichtmachen. Diese Frau würde uns garantiert keinen Inch weiterbringen, wahrscheinlich würde sie schon beim Anblick der Sexspielzeuge in unseren Playrooms das Weite suchen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemals einen Vibrator in der Hand gehabt hatte.
Obwohl ich zugeben musste, bei unserem Zusammentreffen vor ein paar Monaten waren einige Minuten verstrichen, bis meine Erinnerung zurückkehrte. Joanne hatte eine unglaubliche Wandlung vollzogen, den Babyspeck aus Schulzeiten abgeworfen und sich einen hammermäßigen Body zugelegt. Was nicht über die frostige Behandlung hinwegtäuschte, die sie mir hatte angedeihen lassen. Bis heute wusste ich nicht, ob auch sie mich wiedererkannt hatte. Zumindest hatte sie sich nichts anmerken lassen, als sie meine Daten für den Einstellungsbogen notiert und mir den Arbeitsvertrag zur Unterzeichnung vorgelegt hatte. Noch nie war ich dermaßen schnell aus einem Büro hinauskomplimentiert worden, wie aus ihrem. Sie war zu einer dermaßen arroganten Ziege mutiert, dass mir jetzt schon vor den nächsten Wochen graute. Leider war sie unser letzter Strohhalm und Aidan hielt große Stücke auf seine Assistentin. Allein aus diesem Grund musste ich mich zusammenreißen und als ihr stiller Beobachter dem Untergang dieses wundervollen Clubs beiwohnen.
»Joanne meldet sich morgen bei dir. Sie ist bereits auf dem Weg«, hörte ich Aidan sagen und schrak aus meinen Gedanken.
»Okay«, ich konnte ein qualvolles Seufzen nicht unterdrücken.
»Holden.«
»Was?«
»Sei nett zu ihr.«
»Bin ich«, versprach ich und wollte das wirklich sein. Wir würden einen neuen professionellen Start hinlegen und uns wie zwei Erwachsene verhalten. Wie schwierig konnte das schon sein?
»Bis dann«, verabschiedete Aidan sich.
»Bye«, sagte ich und legte auf.
Ich kippte den Rest meines zweiten Gin-Tonic in mich rein und stand auf, um nach draußen an die frische Luft zu gehen. Mit großen Schritten begab ich mich in Richtung Ausgang, an den beiden Security Guards vorbei, die sich links und rechts der breiten Eingangstür postiert hatten. Zum ersten Mal wagte ich einen genaueren Blick auf die beiden muskulösen Kerle, deren Armmuskeln beinahe ihre schwarzen T-Shirts sprengten, und fragte mich, ob sie auf weibliche Gäste vielleicht einschüchternd wirken könnten? Verdammt, ich hatte in der Tat nicht die leiseste Idee, mit welchen Augen Frauen diesen sündhaften Tempel begutachteten.
Im Prinzip war ich ein Farmer, oder besser gesagt, ich war auf einer Rinderfarm mitten in der Wüste Nevadas groß geworden, bis ich mich dann bei den US Rangers verpflichtete und nach Afghanistan in den Krieg zog. Was mich jedoch nie daran gehindert hatte, einer ganzen Reihe schöner Frauen den Kopf zu verdrehen. Im Bett kannte ich mich mit den Ladys aus. Lediglich ernsthafte Beziehungen waren nicht mehr mein Ding, nach einer unrühmlichen Trennung und dem Desaster mit Joanne vor Jahren. Somit entsprach das Lady’s Paradise im Prinzip perfekt meinem neuen Naturell. Sprich: Sex ohne Verpflichtungen. Fehlte nur noch der geschäftliche Erfolg zu meinem Glück. Sofern der Club endlich mal schwarze Zahlen schrieb und wir ein paar einsame Frauen selig machen konnten. Ein lauter Seufzer verließ meine Lippen. Ausgerechnet Joanne wollte mir im Detail erklären, wie uns dieses Unterfangen gelingen sollte? In dieser Hinsicht zweifelte ich ihr Fachwissen zwar stark an, aber mich fragte ja keiner.
Joanne.
Jeder in der Schule nannte sie nur das Flusspferd. Dann waren da noch ein paar Sachen passiert, über die ich lieber nicht mehr nachdenken wollte. Nur so viel: sie hatte jeden Grund sauer auf mich zu sein. Vielleicht hätte ich Aidan ein bisschen vorwarnen sollen. Ach, verdammt. Wir waren zwei erwachsene Menschen, keine Teenager mehr. Außerdem ging es um die Zukunft dieses Clubs, da sollten persönliche Differenzen keine Rolle mehr spielen. Dennoch plagte mich ein schlechtes Gewissen. Aus welchem Grund hatte sie diesen bescheuerten Job überhaupt angenommen?
Mit beiden Händen wischte ich mir durchs Gesicht. Ich würde eiskalt vortäuschen, mich nicht an sie zu erinnern. Vielleicht hatte ich Glück und Joanne wusste tatsächlich nicht mehr, wer ich war.
Zwei junge Frauen kamen über den geschotterten Weg auf den Eingangsbereich zu. Sofort straffte ich mich und setzte ein freundliches Lächeln auf. Vielleicht brauchten wir Joannes Hilfe gar nicht. Am Ende hatte der Club lediglich eine längere Anlaufzeit als üblich benötigt, bis sich herumsprach, wie viel Spaß die Engelchen bei uns haben konnten.
Zögerlich kamen sie näher, sahen sich scheu und nervös um. Ich schätzte beide auf Anfang dreißig, sexy zurechtgemacht in hübschen Kleidern, die dennoch ihre Biederkeit nicht ganz verbargen.
»Guten Abend, die Ladys«, grüßte ich sie in Richtung Eingang deutend. »Treten Sie ein, und haben Sie Spaß.«
Die Dunkelhaarige schluckte sichtlich und sah sich immer wieder um, als hätte sie Angst, hinterrücks angefallen zu werden.
»Auf dem Parkplatz stehen nur zwei Autos«, sagte sie schließlich mit zittriger Stimme, »bedeutet das, der Club ist leer?«
»Nein, nicht leer«, beruhigte ich sie rasch. »Um diese Uhrzeit fängt der Betrieb erst an. Gehen Sie hinein, schauen Sie sich um und lassen Sie sich ein Glas Champagner aufs Haus eingießen.«
Trotz meiner freundlichen Einladung bewegten sich die beiden Grazien keinen Schritt. Die Dunkelhaarige tastete nach der Hand ihrer Freundin, immer wieder warfen sie sich Blicke zu, schienen stumm miteinander zu kommunizieren.
»Ich glaube, wir verschwinden wieder«, sagte die Blonde schließlich und trat einen Schritt zurück.
»Aber wieso?«, hakte ich nach. Die beiden sahen immer verängstigter aus.
»Wir kommen später wieder«, beteuerte die andere. »Wir gehen nur rasch woanders auf einen Drink und lassen uns wieder blicken, sobald der Laden voller ist.«
»Wir schenken auch Drinks aus.« Ich lächelte sie an, obwohl ich wusste, dass wir die Ladys wohl niemals wieder zu Gesicht bekommen würden.
Blondie winkte ab. »Eigentlich haben wir schon was anderes vor. Wir wollten uns diesen Club nur mal aus der Nähe anschauen.« Sie zerrte am Arm der anderen, die ihr hinterher stolperte.
»Das haben wir ja jetzt getan«, sagte die Dunkelhaarige über die Schulter. »Und jetzt gehen wir wieder.«
Ich beobachtete, wie die beiden sich davonmachten, immer schneller wurden und schließlich zum Parkplatz rannten, als wäre eine Meute hungriger Triebtäter hinter ihnen her, die sie mit Gewalt zurück in diese Lasterhöhle schleifen wollten. Was war nur an dem Lady’s Paradise dran, das den Damen solchen Schiss bereitete? Ich kapierte es nicht. Vielleicht konnte Joanne etwas Erhellendes zu dieser Thematik beitragen. Nur ungern gestand ich mir ein, dass wir ihre Hilfe bitter nötig hatten.
Ich stellte den Koffer in die Ecke, setzte mich aufs Bett und federte probehalber ein wenig auf der Matratze. Ganz gemütlich. Ich hatte ein hübsches Hotel unweit des Lady’s Paradise gefunden, sodass ich nur eine viertel Stunde Fahrt dorthin auf mich nehmen musste. Ein wenig mehr Komfort für so eine lange Zeit wäre nicht schlecht, stellte ich bei einem Rundblick auf die karge Einrichtung fest. Aber ich hatte es nicht über mich gebracht, mir auf Aidans Kosten irgendwas Luxuriöseres zu buchen, obwohl er mit einer nobleren Herberge bestimmt kein Problem gehabt hätte. Bei genauer Betrachtung, war dieses Zimmer zum Übernachten vollkommen ausreichend.
Ich kramte meine Borstenhaarbürste aus meinem Kosmetikbeutel, die mich siebzig Dollar gekostet hatte, und kämmte mein von der Anfahrt zerzaustes dunkelbraunes Haar, das mir bis zu den Schulterblättern reichte. Nichts brachte meine Haarpracht besser zum Glänzen als dieses geniale Teil. In meinem Magen rumorte es wild, bei dem Gedanken, das Lady’s Paradise zu betreten und mir das sündige Treiben tabuloser Menschen aus der Nähe zu betrachten. Was waren das bloß für Frauen, die allen Ernstes einen Batzen Dollarscheine hinblätterten, um sich einen Typen für eine Nacht aufzureißen? Ich hegte die schlimme Befürchtung, dass Aidan viel zu viel Zuversicht in meine mickrigen Fähigkeiten setzte. Mit Sicherheit würde ich auf ganzer Linie versagen. Seit meinem Beziehungsende mit Wilson hatte mein Selbstbewusstsein unglaublich gelitten, als wäre ich nach all den Jahren lawinenartig zurück in meine selbstzweiflerischen Highschoolzeiten geschlittert. Plötzlich stellte ich alles infrage. Weshalb hatte Wilson mich verlassen? War ich nicht hübsch genug? Nicht schlank genug? Nicht unterhaltsam genug? Nicht überragend genug im Bett? Was hatte Paige, das ich nicht hatte? Ununterbrochen rotierten diese Fragen in meinem Kopf, obwohl mich meine Gedanken keinen Schritt weiterbrachten. Ich sollte meine Vergangenheit endlich abhaken und mit meinem Leben weitermachen. Aber das war leichter gesagt als getan.
Stopp!
Vehement unterbrach ich meine stumme Selbstzerfleischung. In einer Stunde traf ich mich mit Holden Barkley und wollte bei unserem erneuten Zusammentreffen vor Selbstbewusstsein nur so strotzen. Eine vorherige Selbstgeißelung epischen Ausmaßes war bei diesem Vorhaben nicht hilfreich.
Frustriert packte ich die Bürste weg und stand vom Bett auf, um meinen Koffer auszupacken. Hoffentlich hatten meine empfindlichen Business Outfits das Gequetsche darin ohne größere Blessuren überstanden.
Ich schwang meinen Koffer aufs Bett, öffnete die Schließen und hob den Deckel.
Mein Handy klingelte.
Scheiße.
Wo hatte ich meine Handtasche hingelegt? Schließlich entdeckte ich sie auf dem Tisch neben dem Fernseher und kramte mein Mobiltelefon heraus. Das breit grinsende Profilbild meiner Freundin Tracey leuchtete mir entgegen, auf dem sie ihre blonden Haare wie Prinzessin Leia zu zwei Schnecken am Kopf gebunden trug.
»Hey, Süße«, grüßte ich sie und warf mich neben dem Koffer aufs Bett. Ihre vertraute Stimme zu hören, war eine Wohltat. Obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, wuchs meine Nervosität unaufhörlich.
»Hi. Ich wollte nur wissen, ob du sicher angekommen bist.« Wie immer klang sie vergnügt und leicht überdreht. Es gab wenig, das ihre Laune trüben konnte, sie besaß ein ausgeprägtes Sonnenscheingemüt.
»Ja, alles prima. Kein Stau auf dem Highway und mein Hotelzimmer ist hübsch. Ich packe gerade aus.«
»Bevor du dich auf deine heikle Mission begibst«, gluckste sie, denn ich hatte Tracey über meinen Deal mit Aidan eingeweiht, sie jedoch zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Ich hatte ihr sogar das Versprechen abgenommen, noch nicht einmal Reed über den Grund meiner Geschäftsreise in Kenntnis zu setzen. Obwohl Tracey sonst nie Geheimnisse vor ihrem Ehemann verbarg. Es gab nichts, was sie ihm vorenthalten würde. Manchmal kam es mir so vor, als hätte Reed diesbezüglich meinen Part als beste Freundin übernommen. Mit diesem Mann konnte man über jedes Thema quatschen. Er hörte immer einfühlsam zu und nicht nur das. Meist hatte er sogar hilfreiche Ratschläge parat, das musste man ihm lassen. Bei objektiver Betrachtung musste ich zugeben, dass die beiden fabelhaft miteinander harmonierten und das schon seit sechs Jahren.
»Welche Strapse ziehst du für den Club an, die roten oder die schwarzen?«, fragte Tracey.
»Ich besitze keine Strapse, das weißt du genau.« Ich setzte mich wieder auf und inspizierte den Inhalt meines Koffers. In der Tat hatte ich mir noch keine Gedanken über mein Outfit gemacht. Aber egal. Ich würde mich kleiden wie sonst auch im Büro, elegant und schlicht. Mein Aufenthalt war geschäftlicher Natur, deswegen wollte ich Seriosität ausstrahlen.
»Heißt das, du willst dir allen Ernstes die Gelegenheit entgehen lassen, die Vorzüge dieses Paradieses für einsame Ladys persönlich zu testen? Du bist Single, Joanne. Genieße deine wiedergewonnene Freiheit. Ich dachte, du machst Spaß, als du sagtest, du würdest nur beobachten.«
»Warum sollte ich über so ernste Themen scherzen? Ich bin hier, um zu arbeiten.« Sie war unverbesserlich. »Um ehrlich zu sein, schätze ich meine Erfolgsaussichten sogar mehr als gering ein. Wie soll ausgerechnet ich ein Bordell ins Laufen bringen? Aidan hat echt Nerven. Unter normalen Umständen würde ich keinen Fuß in so einen zwielichtigen Laden setzen und ich kenne auch keine Frau, die scharf auf einen Besuch wäre.«
»Och, wenn Reed nicht wäre«, sagte Tracey nachdenklich. »Ich hätte mir beispielsweise meinen Junggesellinnenabschied in so einem Schuppen wunderbar vorstellen können. Aber was haben wir stattdessen gemacht? Dinner bei Red Lobster mit anschließendem Besuch in einer Piano Bar.«
Hörte ich da eine Spur von Kritik heraus? Um ehrlich zu sein, hatte Tracey ihren letzten Abend in Freiheit programmtechnisch mir zu verdanken gehabt, der meiner Meinung nach überaus angenehm verlaufen war. Schlag Mitternacht waren wir nüchtern wieder daheim und hatten somit am Hochzeitstag keinen dicken Kopf. Was hatte sie erwartet? »Du warst im sechsten Monat schwanger. Was wolltest du in deinem Zustand mit nackten Kerlen?«
»Die Sehkraft leidet während einer Schwangerschaft nicht«, belehrte sie mich.
»Sorry. Aber deine Hochzeit ist fünf Jahre her, ein bisschen zu spät für eine negative Bewertung.« Mit einer Hand hielt ich meine weiße langärmlige Bluse in die Höhe und begutachtete kritisch die Knitterfalten im Brustbereich. Scheiße, ich musste beim Hotelpersonal ein Bügeleisen auftreiben. »Aber ich mache alles bei deiner nächsten Hochzeit wieder gut, Darling«, säuselte ich ins Telefon. »Dann bekommst du deinen Stripper und was auch immer du dir wünschst.«
»Bei meiner nächsten Hochzeit?«, quietschte Tracey so empört, dass ich mein Handy ein Stück von meinem Ohr weghalten musste, bevor sie kicherte. »Den Stripper bekommst du dann von mir. Wenn du wüsstest, wie ich mich auf deinen Junggesellinnenabschied freue.«
»Bei meinem Pech bleibe ich ewig Single.« Ein Gefühl, als senkten sich bleierne Gewichte auf meinen Brustkorb überkam mich und schnürte mir die Luft ab. »Paige lauert garantiert schon auf den nächsten Kerl, den ich mir angle. Keine Chance. Die hat bestimmt einen Privatdetektiv engagiert, der mich rund um die Uhr überwacht.« Ich lachte bitter auf, hatte meinen blöden Spruch mehr als Scherz gemeint, aber ausgesprochen klangen meine Worte wie ein böses unabwendbares Omen. Ich meine, welche Frau verlor schon zweimal hintereinander einen Mann an dieselbe Nebenbuhlerin? Eine derartige Pleite passierte in der Realität doch niemandem. Außer mir!
»Ach, Süße. Weder Wilson noch Holden haben dich verdient.« Traceys Stimme klang mitfühlend. »Wilson ist ein mieser hinterhältiger Fremdgeher und Holden …« Sie verstummte kurz. »Den … den …«
»Den treffe ich nachher und verbringe meinen nächsten Monat mit ihm«, beendete ich den Satz für sie und konnte es immer noch nicht glauben. Beinahe eine Ironie des Schicksals.
»Ich weiß, wie weh dir Holden getan hat«, hörte ich Tracey sagen und atmete tief durch, denn diese verdammten Tränen quollen wieder in mir hoch und kribbelten unangenehm in meiner Nase. Nein, wegen diesem Scheißkerl würde ich nicht auch noch weinen. Ich würde überhaupt keinem Mann mehr nachheulen. Aidan hatte recht. Schluss damit!
»Die Sache mit ihm ist mittlerweile neun Jahre her«, redete Tracey unterdessen weiter. »Lass dir nachher nichts anmerken. Du siehst heiß aus mit deinem hübschen Gesicht und dem tollen Körper, hast eine stilvolle Ausstrahlung. Du bist eine Frau mit Klasse. Also Schultern zurück, Krönchen richten und auf in den Kampf.«
Meine beste Freundin war ein Schatz. Ich wusste nicht, was ich ohne sie machen sollte. Niemand verstand es besser, mich aufzumuntern wie sie. »Ich werde Holden die kalte Schulter zeigen.«
»Aber sowas von«, bekräftigte Tracey mich in meinem Vorhaben.
»Sachlich und routiniert erledige ich meinen Job, während er seinen tut. Was auch immer der beinhaltet. Ich möchte es ehrlich gesagt, gar nicht so genau wissen. Wir werden uns aus dem Weg gehen, soweit das möglich ist. Und ruckzuck ist dieser Höllenmonat vorüber.«
»Du bist über ihn hinweg«, redete Tracey auf mich ein. »Sein Dampfer wird nie wieder in deinen Lusthafen einlaufen. Das wird bestimmt die größte Strafe für ihn.«
»Lusthafen?«, konstatierte ich und prustete.
Tracey kicherte. »Mach ihn so richtig scharf und lass ihn dann eiskalt abblitzen.«
»Ich befinde mich nicht auf einem Rachefeldzug.« Ich stand vom Bett auf und öffnete den Kühlschrank. »Nochmal zur Erinnerung: Ich befinde mich auf einem Business-Trip.« Von ganz hinten angelte ich mir eine Flasche eiskaltes Mineralwasser und hielt sie an meine erhitzte Stirn. Ah, das tat gut.
»Stimmt auch wieder.« Sie klang nachdenklich. »Dann sei einfach du selbst, das reicht vollkommen, um den Kerl vor den Kopf zu stoßen.«
»Süße, ich muss auflegen.« Langsam bekam ich Angst vor meiner besten Freundin. Und was meinte sie mit: Sei einfach du selbst? Und wie ich das sein würde. Ich selbst. Denn ich war großartig. Und Einzigartig. Zumindest für die nächsten vier Wochen … »Ich muss in einer halben Stunde los, und will vorher noch kurz unter die Dusche springen.«
»Dann wünsche ich dir viel Spaß und fiebere deinem Bericht entgegen. Hab dich lieb.«
»Bye. Hab dich auch lieb.« Ich beendete das Gespräch, und warf mein Handy aufs Bett, bevor ich frische Unterwäsche aus dem Seitenfach meines Koffers kramte und damit in Richtung Badezimmer verschwand.
Ich hatte mir mit Duschen und Stylen extrem viel Zeit gelassen, sodass ich mittlerweile zu spät dran war, bemerkte ich erschrocken nach einem kurzen Blick auf mein Smartphone. Schon halb acht. In einer halben Stunde war ich mit Holden im Club verabredet. Entgegen meiner Gewohnheit bewegte ich mich fast wie in Zeitlupe, schlenderte zu meiner Handtasche und verstaute mein Handy darin. Gab es sonst noch was zu erledigen, das mich aufhalten könnte? Leider fand sich nichts.
Mein Koffer war ausgepackt, die Mineralwasserflasche leergetrunken und im Fernsehen lief gerade der Abspann von Dirty Dancing. Meine eingegangenen Nachrichten hatte ich schon fünfmal gecheckt. Kein Mensch schrieb mir. Somit blieb keine Ausrede mehr übrig. Es war ungewöhnlich, dass meine Arbeitszeiten sich nun auf die Abendstunden verlegten, aber diesbezüglich musste ich mich wohl oder übel an den Öffnungszeiten des Lady’s Paradise orientieren. Von draußen drang Gekicher und Gelächter bis in mein Zimmer, als wäre im Hotel eine Party im Gange.
Seufzend trat ich nach draußen in den Flur und ließ die Zimmerkarte noch rasch in meiner Handtasche verschwinden, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Jetzt realisierte ich, dass die lauten Geräusche und das Stimmengewirr von der Lobby zu mir hochschallten. Da hatte jemand offensichtlich eine Menge Spaß. Ich drückte auf den Knopf und wartete auf den Fahrstuhl, bis die Türen sich mit einem Pling öffneten. Widerwillig ging ich hinein und tippte auf den Button fürs Erdgeschoß. Als sich die Fahrstuhltüren unten wieder öffneten, blieb ich überrascht stehen, bevor ich rasch nach draußen trat.
Wow. An die fünfzehn Frauen feierten eine Riesenparty, während der gestresst wirkende Rezeptionist zwischen den feiernden Ladys hindurchirrte und immer wieder laut um Ruhe bat.
»Hey«, begrüßte mich eine aus der Gruppe, die Ladys waren allesamt in meinem Alter, also um die fünfundzwanzig und einheitlich gekleidet. Auf ihren weißen T-Shirts prangte in pinken Buchstaben Team Braut. Ah, ein Junggesellinnen-Abschied. Ich musste zugeben, diese Mädels feierten um einiges umtriebiger, als wir das damals bei Tracey gemacht hatten.
»Hi.« Ich schlängelte mich an ihr vorbei.
»Ladys«, rief der arme Portier durch die Menge. »Ich muss Sie bitten, die Lautstärke zu drosseln, außerdem ist der Konsum von Alkohol im Foyer verboten.«
Allgemeines Nichtbeachten folgte, während ein paar Frauen aus der Gruppe mit ihren Plastikbechern anstießen und dabei »Cheers« riefen, bevor sie diese um die Wette exten.
Ein paar Tropfen Sekt oder ähnliches spritzte aus einem Becher auf den Ärmel meiner weißen Bluse. Igitt. Angewidert blieb ich stehen und betrachtete die klebrige Bescherung.
»Tut mir so leid.« Eine Blonde aus der Gruppe warf sich mir an den Hals und riss mich beinahe von den Füßen. Ich taumelte einen Schritt beiseite, um mein Gleichgewicht aufzufangen, bevor es mir gelang, ihre Arme von meinem Nacken zu lösen, denn sie drohte, mich zu ersticken.
»Kein Problem.« Ich nickte ihr lächelnd zu. »Ist ja nichts passiert.«
»Ich heirate am Samstag«, berichtete sie mit leichtem Zungenschlag und hielt mir ihr pinkfarbenes T-Shirt entgegen, auf dem in weißen Lettern die Braut die sich traut stand.
»Ich gratuliere.« Schon wollte ich mich abwenden, als sie mich am Rückenteil meiner frisch gebügelten Bluse zu fassen bekam. Es hatte mich eine geschlagene halbe Stunde gekostet, ein Bügeleisen beim Hotelpersonal aufzutreiben. Ruckartig blieb ich stehen.
»Du musst noch mit mir aufstoßen«, nuschelte sie.
Abrupt drehte ich mich um. »Wie bitte?«
»Sie meint anstoßen«, kicherte eine Rothaarige, dir mir ein Fläschchen in Penisform hinhielt, in dem eine rötliche Flüssigkeit schwappte.
»Tut mir leid, ich muss noch fahren. Außerdem habe ich es eilig«, wehrte ich mit beiden Händen vor der Brust ab.
»Ladys, wenn Sie sich nicht benehmen, muss ich die Polizei rufen«, jaulte der Rezeptionist durch das Gewirr, er war von so kleiner Statur, dass er in der Menge der Frauen unterging.
»Spielverderber, Spielverderber«, riefen alle gleichzeitig, wie auf ein unsichtbares Kommando.
»Du musst mit uns trinken, nur einen Shot. Biiiiitttteeeeee«, Die Braut taumelte einen Schritt und stieß gegen meine Schulter. »Ups, sorry.« Sie fing sich wieder ab, stand ein paar Sekunden kerzengerade, bevor sie verkündete: »Geht schon wieder. Aber starker Seegang heute.«
Die Rothaarige drückte mir den gläsernen Penis in die Hand, während die restlichen Frauen mich umkreisten. »Du kommst nicht lebend hier raus, bevor du nicht einen Shot mit uns hattest. Meine Mädels sind echte Killer«, lallte die Braut prustend und schraubte den Verschluss ihres Fläschchens ab, eine täuschend echte Eichel-Nachbildung.
»Du willst doch Libby nicht traurig machen, oder? Sie heiratet am Samstag, das ist ihr letzter Abend in Freiheit«, erklärte die Rothaarige. »Komm schon, sei keine Spaßbremse.« Mit dem Daumen zeigte sie nach hinten. »Der da reicht uns vollkommen.«
Der Rezeptionist quetschte sich durch die Frauen hindurch. Ein schmächtiger Mann, Anfang fünfzig, dessen hellbraune Haare sich an der Stirn deutlich lichteten. »Ich muss Sie bitten, unsere Gäste nicht zu belästigen.« Er wirkte heillos überfordert, so viel geballte Frauen-Power schien dem Ärmsten nicht geheuer zu sein.
»Schon gut«, beschwichtigte ich ihn rasch, schraubte die Eichel von meinem Fläschchen und hielt es in die Höhe. »Trinken wir auf die Braut.«
»Auf die Braut.« An die fünfzehn Glas-Penisse hoben sich in die Luft, bevor wir die Fläschchen auf Ex leertranken. Oh, das Zeug schmeckte überraschend lecker. Ich tippte auf Kirschlikör.
»Und jetzt wünsche ich euch weiterhin viel Spaß.« Ich wandte mich erneut zum Gehen.
»Und Sie verlassen allesamt das Hotel«, rief der Rezeptionist. »Es reicht.«
»Wo sollen wir denn hin?«, fragte Libby und war plötzlich den Tränen nahe. »Niemand hat uns gesagt, dass das Space letzten Monat geschlossen hat und in der öden Gegend hier gibt es weit und breit keine Gelegenheit, anständig zu feiern.« Sie ließ den Kopf hängen. »Ich heirate schließlich nur einmal.«
Die Rothaarige nahm sie in den Arm. »Nicht traurig sein. Wir feiern hier, das wird auch lustig.«
»Aber ich wollte einen Stripper«, jaulte Libby auf.
Der arme Concierge verschluckte sich fast an seinem verschreckten Atem.
Ruckartig blieb ich stehen und wandte mich an die Meute. »Ich bin auf dem Weg ins Lady’s Paradise, einem brandneuen Club. Habt ihr von dem noch nichts gehört?«
»Nein.« Einhelliges Kopfschütteln.
»Aber klingt spaßig«, sagte Libby und zauberte einen weiteren Mini Glaspenis aus ihrem Dekolleté.
»Der Club ist toll«, versprach ich den Mädels auf gut Glück, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie es da drin aussah. »Ihr werdet den Laden lieben. Und das erste Glas Champagner geht sogar aufs Haus.«
Libby winkte ausschweifend in Richtung Ausgang. »Dann nichts wie hin. Ich will feiern«, rief sie, während sie beide Hände wie einen Trichter vor ihren Mund hielt.
»Sir.« Ich wandte mich an den Portier. »Können Sie den Ladys vier Taxis rufen?«
»Nichts lieber als das.« Er wirkte unglaublich erleichtert. »Aber bitte warten Sie draußen.«
»Kein Problem.« Ich nahm Libby bei der Hand und lotste sie in Richtung Ausgang, worauf der Rest der Gruppe wie erwartet brav folgte. Die Rothaarige gab dem verschreckten Rezeptionisten im Vorbeigehen noch einen festen Klaps auf den Hintern. »Bis nachher«, drohte sie ihm lachend.
»Du bekommst den besten Junggesellinnen-Abschied, den du dir vorstellen kannst«, versprach ich Libby, während wir vor dem Hotel auf die Taxis warteten.
Ich parkte meinen schwarzen Dodge Avenger direkt vor dem verwaisten Eingang des Lady’s Paradise und warf einen neugierigen Blick durch die Seitenscheibe. Mein Herz wummerte aufgeregt in der Brust. Irgendwie flößte der Laden mir einen Heidenrespekt ein, ich konnte nicht einmal benennen, warum. Auf den ersten Blick machte alles einen exzellenten Eindruck - bis auf die zwei fies dreinschauenden Bodybuilder Typen, die sich links und rechts der Eingangstür mit verschränkten Armen postiert hatten.
Hinter mir hielten die Taxis, aus denen meine bestens gelaunten neuen Freundinnen quollen und ich riss mich aus meiner Starre. Hastig löste ich den Sicherheitsgurt und stieg ebenfalls aus meinem Wagen.
Libby kam auf mich zugestürzt und fiel mir, von einem Freudenschrei begleitet, um den Hals, als hätten wir uns vor Jahren aus den Augen verloren. Mit einem Arm hing sie an meinem Nacken, während sie den imposanten, mit weißem Marmor gefliesten, Eingangsbereich betrachtete.
»Wow!«, rief sie und winkte ihrer Truppe. »Mädels, hier sind wir goldrichtig.«
Die Türen schwangen auf und Holden höchstpersönlich kam heraus. Mein Herz setzte bei seinem Anblick tatsächlich eine Sekunde lang aus. Ob ich es wollte oder nicht, ich musste mir eingestehen, dass er atemberaubend in seinem Smoking aussah. Sein braunes Haar war nicht mehr so kurzgeschnitten, wie bei unserer Begegnung vor ein paar Monaten, als er frisch von der Army kam. Die Seitenpartien trug er ein bisschen länger, was ihm einen perfekten Business-Look verlieh.
Wie ein Schwarm aufgeregter Bienen summten die Frauen an dem verdutzt dreinschauenden Holden und den beiden Türstehern vorbei ins Innere des Gebäudes.
Libby blieb stehen und umfasste mit beiden Händen die Oberarme des einen, schaffte es jedoch nicht, dass ihre Fingerspitzen sich berührten. »Wow«, rief sie beindruckt, »also wenn du einen Stock tiefer auch so aussiehst, dann darfst du nachher für uns strippen.« Sie leckte sich die Lippen, während der Kerl sie mit zusammengeschobenen Augenbrauen musterte, ohne eine Miene zu verziehen.
»Komm endlich rein.« Die Rothaarige, deren Namen ich immer noch nicht kannte, war zurückgekehrt und schnappte Libby bei der Hand. »Schau dir erstmal die Sahneschnittchen da drinnen an«, quietschte sie, bevor sie gemeinsam im Club abtauchten.
Verdutzt starrte Holden auf die nun wieder geschlossene Tür.
»War das eine Fata Morgana, oder haben wir tatsächlich Gäste?«, murmelte er, bevor er sich wie in Zeitlupe umwandte. »Wie hast du … ich meine, wie haben Sie das gemacht?« Er deutete in Richtung Eingang. Anerkennung schwang in seiner Stimme mit und trotzdem wuchs ein Kloß in meinem Hals. Er erinnerte sich tatsächlich nicht mehr an mich. Elender Mistkerl!
Ich setzte ein falsches, unverfängliches Lächeln auf und reichte ihm grazil die Hand. »Joanne Farnham, mein Name.« Ich legte eine kurze Pause ein, wartete auf eine Reaktion. Irgendwas, das durchblicken ließ, er könnte mit meinem Namen etwas anfangen. Aber es kam keine. »Ich bin Aidans Assistentin«, schob ich noch rasch hinterher. »Und Sie sind?«
Nach kurzem Zögern schüttelte er meine Hand, bevor er sich räusperte. »Holden Barkley. Ich leite das Lady’s Paradise. Wir sind uns schon einmal bei meiner Einstellung in Kaynes Büro über den Weg gelaufen.«
Er ließ mit keiner Regung durchblicken, was er dachte, ob er mich erkannte, an was er sich alles erinnerte. Nichts. Er stand einfach da: höflich, freundlich, formvollendet. Ein echter Gentleman. Wüsste ich es nicht besser, würde ich ihm seine Maskerade wohl abkaufen.
»Ach, Sie waren das«, spielte ich die Überraschte. »Auf den ersten Blick habe ich Sie gar nicht erkannt. Bitte entschuldigen Sie, Mr Barkley.« Ich sah mich um, weil ich seinem intensiven Blick nicht mehr standhalten konnte. Der Kontrast von seinen wasserblauen Augen zu seinen dunklen Haaren und dem gebräunten Gesicht war krass. Leider im positiven Sinne. Er sah noch immer genauso attraktiv aus, wie vor neun Jahren. Sogar noch besser. Holden war so groß, dass ich beim Reden meinen Kopf in den Nacken legen musste, die Jahre in der Army hatten ihn durchtrainiert und muskulös gemacht. Sein schwarzes Jackett saß maßgeschneidert und betonte seine breiten Schultern. Verdammt. Mir dürfte seine Optik überhaupt nicht auffallen. Mein Puls wummerte in meinen Schläfen, und ich hasste mich selbst für meine innere Unruhe, die seine bloße Nähe in mir auslöste. Ich meine, der Mistkerl erkannte mich nicht einmal! Darüber kam ich nicht hinweg.
»Nennen Sie mich Holden.« Er lächelte, worauf ich mich endlich aus meiner Starre löste. Nein, er würde mich nicht noch einmal mit seinem Charme und diesen wunderschönen Augen einlullen. Ich war kein Teenager mehr.
»Joanne«, gestattete ich großmütig und nickte ihm zu, obwohl ich es bei unserer gegenseitigen Anrede am liebsten förmlich belassen hätte. Aber ich wollte mich nicht kindisch aufführen. Ich strich meine weiße Bluse glatt, die ich in meinen engen schwarzen Bleistiftrock gesteckt hatte.
»Darf ich das Geheimnis erfahren, wie du es geschafft hast, diese vielen Frauen in unseren Club zu lotsen?«
Mein kühles, unnahbares Lächeln gefror auf meinem Gesicht. »Ich habe die Ladys eingeladen.«
Er musterte mich durchdringend, als schien er mir nicht so recht zu glauben. »Und das war alles?«
»Wir hatten einen Penis zusammen«, gelassen zuckte ich mit den Achseln. »Die Ladys suchten einen Club, um Libbys Junggesellinnen-Abschied zu feiern und ich habe ihnen vom Lady’s Paradise erzählt. Sie fanden die Idee toll, sind sofort ins Taxi gestiegen und jetzt sind wir hier.«
»Ihr hattet einen Penis zusammen?«, wiederholte er perplex. Wie es aussah, war er nach diesem Wort aus der Unterhaltung ausgestiegen.
»Einen Shot in so einem winzigen niedlichen Glas-Penis.« Mit Daumen und Zeigefinger deutete ich die Größe des Fläschchens an und entlockte Holden ein Schmunzeln.
»Du stehst auf kleine Penisse?«
»Kommt auf die Füllung an«, rutschte es mir heraus, bevor ich mir hastig auf die Lippen biss. Hatte ich das tatsächlich laut gesagt?
Galant deutete er in Richtung Eingangstür, während sein Blick an mir entlangschweifte. Glücklicherweise ersparte er mir eine spöttische Antwort. »Dann zeige ich dir jetzt gern den Club.«
Ich straffte mich und atmete einmal tief durch. Joanne, du schaffst das, sagte ich in Gedanken zu mir selbst. Mit Leichtigkeit würde ich dieselbe Würde und Eleganz an den Tag legen, die Holden ausströmte. Voll Tatendrang lief ich los, um zum allerersten Mal in meinem Leben das sündige Erdgeschoss eines Paradise-Clubs zu betreten.
Holdens Nähe kribbelte in meinem Bauch, was mir eine professionelle Körperhaltung leider erschwerte. Dicht nebeneinander betraten wir über einen Vorraum das Innere des Lady’s Paradise und mich haute der Anblick beinahe aus meinen Stilettos.
»Oh, wow«, mehr brachte ich nicht über die Lippen. Fast klang ich schon wie Libby. Der Club war unglaublich stylish und man stand sofort in einer Art Lounge, die einen breiten Durchgang freiließ, der direkt nach hinten zu einer Showbühne führte. Links und rechts der Lounge befanden sich rote Ledersofas, die nacheinander zu kleinen Sitz-Inseln angeordnet waren.