Wicked Heartbreaker - Holly Clarkson - E-Book
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Holly Clarkson

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Beschreibung

Abgeschlossener Roman! Jeder Band der Reihe kann unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.

Als hätte die junge Polizistin Aleena nicht sowieso schon den schlimmsten Sche!ßtag ihres Lebens hinter sich, setzt ihr das Schicksal auch noch ihren verhassten Exfreund aus dem College vor die Nase. Dexter Cohen verkörpert alles, wovor Mütter ihre Töchter warnen. Wo Dexter draufsteht, ist Ärger drin. Der Kerl ist arrogant, überheblich und unverschämt - aber leider auch unverschämt attraktiv. Ein Herzensbrecher durch und durch, und Aleena war dumm genug, sich ihres von ihm brechen zu lassen. Dexter besitzt doch tatsächlich die Dreistheit, Aleena nach all den Jahren einen unmoralischen Vorschlag zu unterbreiten, und hält das auch noch für eine großartige Idee. Der Kerl ist total verrückt geworden. Gegen ein hübsches Sümmchen soll sie sich einen ganzen Monat lang von Dexter höchstpersönlich in die Geheimnisse der Liebeskunst einweisen, sich von ihm verführen und vernaschen lassen, um als verdeckte Ermittlerin das Gentleman's Paradise zu retten. Nie im Leben wird sie auch nur einen Fuß in diese Lasterhöhle setzen, in der Männern jeder noch so verruchte Wunsch erfüllt wird. Niemals! Als wäre alles nicht schon schlimm genug, hält der Besitzer dieses Ladens sie wegen einer winzigen Entgleisung auch noch für einen total durchgeknallten Großstadtrambo. Was kann da schon schiefgehen? Leider ist Aleena so pleite, dass sie sogar mit dem Teufel einen Deal eingehen würde. Mit diesem sündigen, verdorbenen und Höschen schmelzenden Teufel, der ihr Herz schon wieder zum Durchdrehen bringt …

Vorsicht! Holly Clarksons Bücher sind ein paar Grade heißer und sündiger.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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WICKED HEARTBREAKER

HOLLY CLARKSON

ÜBER DIE AUTORIN

Holly Clarkson ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin, die unter ihrem richtigen Namen schon zahlreiche Liebesromane veröffentlicht hat. Als Holly sind ihre Geschichten ein paar Grade heißer und sündiger. Mit ihrem ersten Roman Wicked Gentleman Lover schaffte sie es auf Anhieb bis auf Rang 3 der Amazon Charts und stand auf Platz 11 der Bild Bestseller Liste. Eigentlich ist Holly eine hoffnungslose Romantikerin und das spiegelt sich auch in all ihren Büchern wider. Sie glaubt an die Macht der Liebe, an das Universum und daran, dass nichts so sexy ist, wie ein Mann, der einem morgens Kaffee ans Bett bringt.

Deutsche Erstveröffentlichung Februar 2024

Copyright © 2024, Holly Clarkson

c/o Barbara’s Autorenservice

Tüttendorfer Weg 3

24214 Gettorf

Email: [email protected]

Lektorat: Anja Schwesiger

Cover: Booklover Coverdesign

Sämtliche Charaktere, Handlungen und Gegenstände dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Liebe Anke Schipke, ich danke dir für deine tollen Tipps, die mir geholfen haben, diesem Baby den letzten Schliff zu geben.

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Epilog

Newsletter

Leseprobe

Kapitel 1

Kapitel 2

KAPITELEINS

ALEENA

Warum, zum Teufel, musste ausgerechnet ich mit Howard deBreeze, von allen hinter seinem Rücken das Mufflon genannt, Dienst schieben? Der Kerl müffelte bestialisch nach altem Schweiß und rohen Zwiebeln. Ich saß im Streifenwagen, hielt abwechselnd die Luft an, oder versuchte, nicht zu tief einzuatmen. Wir parkten in einer ruhigen Seitengasse, wo wir unsere Mittagspause verbrachten. Mein Magen rebellierte bei jedem Atemzug. Obwohl ich die Seitenscheibe ganz heruntergelassen hatte, half es kein bisschen gegen den Gestank. Die Luft flirrte in der Sommerhitze, heizte den Mief im Auto erst so richtig auf.

Lustlos knabberte ich an einer Pommes, während mein Magen damit beschäftigt war, den Inhalt bei sich zu behalten. Hin und wieder beobachtete ich das Mufflon, wie es herzhaft in seinen BigMac biss. Soße tropfte ihm aufs Kinn. Sein schmatzendes Kauen brachte mich zur Weißglut, aber ich ließ mir nichts anmerken. Immerhin war ich erst seit zwei Monaten als Polizistin in Las Vegas im Einsatz, während Howard bereits zwanzig Dienstjahre hinter sich gebracht hatte. Ich musste mir den Respekt meiner Kollegen erst noch verdienen. Mit meinen vierundzwanzig Jahren nahmen mich einige der älteren Cops nicht ernst und das ärgerte mich massiv. Wäre ich ein Mann, würden sie mir mit Sicherheit mehr zutrauen. Dabei hatte ich dieselbe Grundausbildung durchlaufen wie alle anderen, und war eine der Besten meines Jahrgangs im Nahkampftraining gewesen. Wenn ich wollte, könnte ich selbst das zirka neunzig Kilogramm schwere Mufflon in Nullkommanichts auf den Rücken legen.

Howard deutete kauend mit seinem letzten Burgerhappen auf mich. Seine Finger glänzten verschmiert, Schweiß perlte unter der Polizeimütze hervor und tröpfelte ihm über die Stirn.

»Die hätten dich nicht im übelsten Bezirk von Las Vegas auf Streife schicken sollen. Für eine Anfängerin ist das nichts, viel zu gefährlich«, ließ er mich schmatzend wissen.

Ich strich mir eine blonde Strähne aus der Stirn, die sich aus meinen im Nacken zusammengebundenen Haaren gelöst hatte. »Alvarez Gonzales hat auch erst vor ein paar Monaten seine Ausbildung abgeschlossen und ist im selben Bezirk im Einsatz. Hättest du mit dem auch ein Problem?«

»Das ist ein Kerl. Ist doch was vollkommen anderes. Außerdem hat Gonzalez nicht gleich zum Start diesen impulsiven Fehler hingelegt und das ganze Revier in Verruf gebracht.« Er schob sich den Rest seines Burgers in den Mund und redete kauend weiter. »Gonzales ist locker zwei Köpfe größer als du und hat einen Armumfang, so dick wie dein Oberschenkel. Wenn der Kerl einem den Rücken deckt, hat man nichts zu befürchten.«

»Ach, so ist das.« Ich schluckte. »Du machst dir Sorgen um deinen lausigen Arsch. Mach dir mal nicht ins Hemd, Howard. Ich weiß, wie man mit einer Waffe umgeht und habe selbst Gonzales im Selbstverteidigungskurs auf die Matte gelegt.«

»Bist ja nicht umsonst auf Bewährung«, grummelte er, nahm seinen Pappbecher und trank einen großen Schluck Coke durch den Strohhalm.

»Ja, ich habe übereilt gehandelt, aber aus dieser Disziplinarstrafe auch etwas gelernt. Mein gesundes Maß an Selbstreflektion könntet ihr mir ruhig anrechnen, oder zumindest nicht mehr so nachtragend sein. So ein Missgeschick passiert mir kein zweites Mal mehr, das kannst du mir glauben. Gerade ein älterer Kollege wie du könnte ruhig ein bisschen Verständnis für die Neuen zeigen. Du hast auch mal bei null angefangen, vergiss das nicht. Machst du nie Fehler?«, hielt ich dagegen, und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Hä? Für wie alt hältst du mich denn?«, knurrte er, statt meine wohl formulierten Argumente auch nur im Ansatz in Betracht zu ziehen.

»Nicht alt, ich meinte erfahren«, erwiderte ich hastig, um nicht gleich die nächste Grundsatzdiskussion anzuzetteln. Schlimm genug, dass ich sechs Monate auf Bewährung gesetzt worden war, aber noch schlimmer war es, nun strafversetzt Dienst mit dem Mufflon schieben zu müssen. Meine Impulsivität ging manchmal leider in den ungünstigsten Momenten mit mir durch.

Howard grunzte. »Verständnis? Du hast das Ansehen des Reviers beschädigt. Deinetwegen nannte uns die Presse Großstadtrambos.«

»Ich wollte einen Verbrecher stoppen«, rechtfertigte ich mich. »Mitten in einer Verfolgungsjagd kann man eben nicht auf jedes Detail achten. Der Verdächtige ist am helllichten Tag wie ein Verrückter durch die Straßen von Las Vegas gerast. Irgendjemand musste ihn aufhalten, bevor noch Schlimmeres passierte. Ich musste im Bruchteil einer Sekunde entscheiden, ob ich den Verkehr blockiere oder den Verrückten noch mehr eskalieren lasse. Ja, ich gebe es zu, es war falsch, unser vorgeschriebenes Protokoll nicht zu befolgen. Aber alles ging so wahnsinnig schnell. Ich war mit dem Streifenwagen am nächsten an dem Kerl dran, und hab gehandelt. Wer hätte denn ahnen können, dass dieser Irre trotzdem auf mich zuhält und die Blockade durchbricht? Erst durch diesen Irrsinn kam es dann zu dem Unfall mit dem zivilen Fahrzeug, nicht vorher wegen mir, wie die Presse behauptet. Immerhin gab es nur Blechschaden, niemand wurde verletzt.«

»Ja, aber der Verdächtige ist uns trotzdem entwischt«, grummelte Howard und zog die Stirn in tiefe Falten.

»Den kriegen wir schon noch«, erwiderte ich schwach und ließ den Kopf hängen. In der Tat hätte ich damals nicht so impulsiv handeln dürfen und wegen der Straßensperre über Funk erst einmal das Okay meines Vorgesetzten einholen müssen. Ich war so dumm gewesen.

»Und du glaubst ernsthaft, deine löblichen Absichten rechtfertigen dein Fehlverhalten?«, ließ der Arsch nicht locker.

Ich hob den Blick vor mich in die menschenleere Gasse. »Natürlich nicht, aber ich wollte einen Verbrecher stoppen, um die Passanten vor diesem irren Raser in Sicherheit zu bringen. Ganz in der Nähe stand eine Schulklasse an einem Zebrastreifen.«

»Sag das mal der unbeteiligten Frau, deren Auto nun Schrott ist. Sie hatte zwei Kinder auf dem Rücksitz.«

Mein Puls pochte in den Schläfen, allein bei dem Gedanken, was wegen meiner Unüberlegtheit alles hätte passieren können. Aber ich war erst zwei Wochen im Dienst, und total überfordert mit der Situation gewesen.

»Ich habe mir seitdem jede einzelne Sekunde Vorwürfe gemacht, und mir nichts mehr zuschulden kommen lassen. Ich weiß, dass ich einen Fehler begangen habe, und ich trage die Konsequenzen.« Was in erster Linie nun Dienst mit dem Mufflon für mich bedeutete. »Aber das heißt nicht, dass ich unfähig für diesen Beruf bin, denn das bin ich nicht. Ich war eine der Besten auf der Polizeiakademie, und schiebe nun eine miese Schicht nach der anderen. Hörst du mich jemals klagen?«

Er zuckte nur mit den Schultern. »Tja, Miss Grünschnabel, das sind keine miesen Schichten, sondern das reale Leben als Cop. Keine Blitzlichter, kein Glamour. Keine Stars, die du bewachen darfst. Nur harte Arbeit und unzufriedene Bürger.«

Das Mufflon konnte mir mit seinen dämlichen Weisheiten getrost gestohlen bleiben.

»Ich leiste genauso viel wie jeder andere von euch. Du könntest ruhig ein bisschen mehr Respekt zeigen.«

»Respekt muss man sich verdienen«, erwiderte er verächtlich. »Leg dir ein bisschen mehr Erfahrung und Fingerspitzengefühl zu, und dann können wir noch mal drüber reden.«

»Und ich dachte, wir sind ein Team.«

»Persönlich hab ich ja nichts gegen dich. Bist ja ganz nett anzuschauen.« Geräuschvoll schlürfte Howard den Rest seiner Cola in sich hinein. »Aber um ehrlich zu sein: Wenn es nach mir ginge, hätte ich lieber einen gestandenen Partner an meiner Seite. Einen, der weiß, was er tut, und der nicht hinter meinem Rücken irgendwelche unüberlegten Aktionen startet. Es ist sowieso immer ein Risiko mit einer Frau auf Streife zu gehen. Mit dir sogar ein doppeltes. Wenn’s hart auf hart kommt, kannst du halt nicht zupacken wie ein Mann.«

Arschloch!

»Ich habe aus meinem Fehler gelernt«, betonte ich jedes einzelne Wort. »Außerdem sollte uns die Vergangenheit nicht definieren.«

»Oh, wie poetisch«, Howard lachte spöttisch. »Aber die Vergangenheit ist nun mal ein Indikator für die Zukunft. Man kann nicht einfach alles vergessen und so tun, als wäre nichts passiert.« Er musterte mich. Mahnend und anklagend. »Deine Fehler können mich das Leben kosten. Also hör besser auf meine Anweisungen, dann kommen wir uns auch nicht in die Quere.«

»Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, wie ich meinen Job zu erledigen habe. Ich hab vielleicht noch nicht so viel Berufserfahrung wie du, aber ich bin leidenschaftlich und engagiert, … und ja, manchmal vielleicht ein wenig zu ehrgeizig«, gab ich zu, was inzwischen ohnehin schon alle wussten. »Aber das bedeutet nicht, dass ich meine Arbeit nicht genauso gut hinbekomme wie ein Mann.«

Seine Mundwinkel umspielte ein Grinsen. »Ach ja? Ich bin mal gespannt, wie lange du es bei uns aushältst. Eine junge, übereifrige Polizistin, die sich schon in den ersten vierzehn Tagen über Anweisungen hinwegsetzt und nicht weiß, wann sie den Mund halten soll. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine lange Karriere.«

»Du wirst schon noch sehen, was in mir steckt«, sagte ich trotzig und knirschte mit den Zähnen. Howards Worte trafen mich wie Messerspitzen in den Brustkorb.

Er nickte mir zu. »Hey, ist doch nichts Persönliches.« Plötzlich klang er fast fürsorglich. »Echt nicht. Ich mag dich. Aber in dieser Gegend laufen ziemlich üble Typen herum, und ich will nicht, dass dir etwas passiert. … Oder mir«, fügte er einen Atemzug später hinzu.

»Ich kann bestens auf mich allein aufpassen.«

Das Klingeln meines Handys erlöste mich von dieser Unterhaltung. Meine beste Freundin und Mitbewohnerin Cora rief an. Genau im richtigen Moment. Ich richtete ein stummes Dankgebet gen Himmel.

»Ich muss rangehen, ist wichtig«, ließ ich Howard wissen, und öffnete die Beifahrertür.

»Fein, steig aus. Aber bau keinen Mist mehr, sonst hast du mich und das gesamte Revier im Nacken.«

Ich ignorierte den Idioten, und hievte mich aus dem Streifenwagen.

»Hallo«, sagte ich, die Tür hinter mir wieder ins Schloss fallen lassend. Tief inhalierte ich die frische Luft, während ich ein paar Schritte beiseite ging, um nicht belauscht zu werden.

»Hey, störe ich?«, hörte ich Coras quirlige Stimme.

»Überhaupt nicht. Du hast mich vor einem langsamen Erstickungstod im Mief des Mufflons gerettet. Außerdem musste ich mir gerade anhören, dass Frauen für den Polizeidienst nicht geschaffen sind. Er hat Schiss um seinen schlaffen Arsch, wenn er mit mir auf Streife ist.«

»Der Typ ist so ein Idiot«, schimpfte Cora, der ich jeden Abend mein Leid klagte. »Kannst du dich nicht versetzen lassen?«

»Ich bin strafversetzt«, erinnerte ich meine beste Freundin an den unangenehmen Fakt, der mir das Mufflon als Partner erst eingebrockt hatte.

»Meine Güte, sind die bis in alle Ewigkeiten nachtragend? Die sollen froh sein, dass du dich engagierst. Ich fand deine Verfolgungsjagd übrigens mega cool«, spielte sie darauf an, dass meine Hetzjagd von einem lokalen Fernsehsender aus einem Helikopter live im TV und Internet ausgestrahlt worden war.

»Das sehen meine Vorgesetzten leider anders.« Ich seufzte theatralisch. »Warum rufst du an?«

Die Fahrertür öffnete sich und das Mufflon stieg aus. Mit dem Unterarm wischte er sich Schweiß von der Stirn, und setzte seine Polizeimütze wieder auf. »Ich geh mir nen Kaffee holen. Willst du auch was?« Er nickte mir zu.

»Einen Salted Caramel Frappuccino mit Mandelmilch«, gab ich meine Bestellung auf und erntete ein genervtes Schnauben.

»Kann ich mir nicht merken. Kriegst nen Milchkaffee.« Er setzte sich in Bewegung, ehe ich protestieren konnte.

»Idiot«, schimpfte ich ihm leise hinterher.

»Alles klar?«, hörte ich Cora fragen.

»Nur das übliche Theater mit dem Mufflon. Also, was wolltest du?« Ich stellte mich in den Schatten einer Hauswand, die sengende Sonne brachte mich in meiner dunklen Polizeiuniform gehörig ins Schwitzen.

»Trey hat mich für ein paar Tage nach Florida eingeladen. Er möchte, dass ich seine Eltern kennenlerne. Endlich. Ich hab schon nicht mehr geglaubt, dass dieser Tag je kommen wird. Aber dann können wir Samstag nicht zusammen auf Johns Party gehen.« Ich konnte ihr Strahlen buchstäblich durchs Telefon hören. John war ein alter Kumpel aus Collegezeiten und hatte ein paar sehr heiße Freunde. Da ich mal wieder Single war, hatte ich gehofft, auf der Party vielleicht einen netten Mann kennenzulernen. Allein wollte ich dort allerdings auch nicht aufkreuzen, außer John kannte ich fast niemanden. Aber ich gönnte meiner Freundin den Trip. Cora und Trey waren zwar schon seit einem dreiviertel Jahr zusammen, doch zu ihrem Unmut hatte ihr Sweetheart sie bislang noch nicht seiner Familie vorgestellt. Was Cora nächtelang zu den wildesten Spekulationen, Tränenausbrüchen und Selbstzweifeln veranlasste, die sie in stundenlangen Gesprächen mit mir verarbeitete.

»Was? Du lässt mich wegen Schwiegereltern in spe im Stich? Na danke, beste Freundin«, erwiderte ich schnippisch und hörte Cora nach Luft schnappen.

»Wenn es dir so viel bedeutet …«, fing sie ganz zerknirscht an, aber ich unterbrach sie lachend.

»Nein, Quatsch, natürlich versteh ich das. Wurde auch langsam Zeit, dass der Kerl endlich mal in die Gänge kommt.« Ich kicherte. »Wenn der sich mit allem so viel Zeit lässt, na dann, gute Nacht.« Endlich ging Trey diesen für Cora so wichtigen Schritt, da würde ich den beiden wegen einer Party garantiert nicht im Weg stehen.

»Och, im Bett ist das mitunter ganz nett«, gluckste sie. »Aber jetzt mal ehrlich, Süße. Bist du sehr enttäuscht, dass ich dich hängenlasse? Du hast dich schon so auf Samstag gefreut. Ich schwöre, ich mache alles wieder gut. Wie wäre es mit einer durchgefeierten Mädelsnacht, sobald ich zurück bin? Wir könnten auch John und einen seiner heißen Freunde dazu einladen.«

John arbeitete als stellvertretender Geschäftsführer in einem der ganz großen Casinos von Las Vegas, das seinem Vater gehörte, und kannte die verrücktesten Leute. Seine Partys waren legendär.

»Genau. Wir holen den Spaß einfach nach. Genieß du jetzt erst mal die Tage mit deinem Sweetheart. Ich lass mir am Samstag ein schönes Schaumbad ein, und mach mir einen faulen Abend auf dem Sofa. Ist mir sowieso lieber, wenn John mir seine Freunde einzeln vorstellt, dann kann ich besser aussortieren.«

Wir kicherten.

»Ich lass dich nie wieder hängen, versprochen.«

»Kein Ding.«

»Ich muss zurück an die Arbeit, mein Chef guckt schon ganz angesäuert.« Cora arbeitete bei einem Steuerberater, der sich jede noch so kurze Minipause seiner Angestellten minutiös notierte.

»Bis dann.« Ich legte auf und hielt Ausschau nach Howard, von dem weit und breit nichts zu sehen war. Hoffentlich blieb er noch ein Weilchen weg. Ich seufzte. Noch vier Stunden bis Feierabend, und die Zeit schlich dahin wie eine fußkranke Schnecke.

Wie aus dem Nichts erklang plötzlich der schrille Schrei einer Frau.

KAPITELZWEI

ALEENA

Ich fuhr mit jeder Faser meines Körpers zusammen, und lauschte angespannt. Die feinen Härchen im Nacken stellten sich auf. Sekunden später folgte der nächste Schrei. Dieses Mal konnte ich auch lokalisieren, woher er kam. Aus dem leerstehenden Gebäude direkt gegenüber. Mein Herz begann zu pochen, während sich meine Hand um den Griff meiner Pistole legte, die noch im Halfter steckte. Was sollte ich jetzt machen? Nachsehen? Ja, klar, musste ich nachsehen! Ich war ein Cop. So abrupt wie die Schreie begonnen hatten, verstummten sie auch wieder. Ich lauschte, wagte kaum zu atmen, ein Schwall Adrenalin schoss mir durch die Venen und trieb meinen Puls in die Höhe. Erst jetzt fiel mir auf, wie beunruhigend still es in dieser menschenleeren Seitenstraße ansonsten war.

Der nächste Schrei! Lauter, verzweifelter, gefolgt von einem langanhaltenden Kreischen, als würde jemand die Person foltern. Scheiße. Was war da los? Ich musste der Sache auf den Grund gehen, ein Mensch brauchte vielleicht Hilfe. Mit panischen Blicken suchte ich die Gasse ab, keine Spur von Howard.

Was jetzt? Ich lief los, eilte zu der verzogenen Haustür des Gebäudes, die windschief in den Angeln hing. Sie quietschte beim Öffnen viel zu laut. Ein feucht-modriger Geruch schlug mir entgegen. Vorsichtig warf ich einen Blick ins menschenleere Innere, bevor ich mich durch den Spalt zwängte. Meine Finger zitterten, als ich die Waffe zog. Ich schlich das Treppenhaus entlang, leuchtete mit meiner Taschenlampe jeden Winkel ab, um der Sache endlich auf den Grund zu gehen. Wollte nicht sofort Verstärkung rufen, ehe ich überhaupt wusste, was los war. Sollte ich falschen Alarm schlagen, würde mich niemand auf der Wache mehr ernst nehmen. Mein Puls pochte dumpf in den Schläfen. Vereinzelte Sonnenstrahlen schienen durch die verschmierten Fenster, und machten aufgewirbelten Staub sichtbar, der mich in der Nase kitzelte. An den Wänden klebte Schimmel, der Boden war total verdreckt. Überall lagen Abfälle und leere Flaschen herum, als würden regelmäßige Gelage stattfinden.

Inzwischen war die Frau verstummt. Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren. Vielleicht sollte ich doch besser auf Howard warten? Verstärkung rufen? Und wenn ich mich lächerlich machte, weil ich wegen nichts und wieder nichts ein Großaufgebot herbestellte? Ich wollte nicht auch noch als die Hysterische verschrien werden, die wegen jeder Kleinigkeit sofort nach den Männern rief. Eventuell hauste in dieser Bruchbude jemand und die Person saß vor dem Fernseher. Ich würde nur kurz nachschauen, mir einen raschen Überblick verschaffen. Sollte mir etwas suspekt vorkommen, würde ich auf der Stelle die Kollegen über Funk herbestellen.

Ich zuckte zusammen. Schon wieder schrie diese Frau grell und kurzatmig. Und zwar im Stockwerk über mir. Kurzentschlossen peilte ich die Treppe an. Was, zum Teufel, war da los? Ich eilte die von Unrat übersäten Stufen hinauf, kickte versehentlich gegen eine Getränkedose, die lärmend die Treppe hinunterpurzelte. Mist. Die Schreie hörten inzwischen gar nicht mehr auf, übertönten zum Glück meine verräterischen Geräusche, und trieben mich voran.

Oben angekommen schlich ich über die knarzenden Dielen zu einer offenstehenden Tür. Unwillkürlich hielt ich den Atem an, meine Fingerspitzen kribbelten wie verrückt. Ich bewegte mich viel zu laut. Jedes Geräusch unter meinen Füßen ließ mich innehalten, doch die Schreie übertönten immer noch alles. Ich war schon viel zu tief in dieses unheimliche Haus vorgedrungen, jetzt gab es kein Zurück mehr. Jemand benötigte ganz eindeutig meine Hilfe. Die Zeit schien stillzustehen, während ich durch den Flur schlich, mich mein eigener Schatten drohend und übermächtig an der Wand verfolgte. Die Pistole wog immer schwerer in meiner Hand.

Das rasselnde Klirren einer Kette bescherte mir Gänsehaut. Was passierte da? Ich hatte die Tür fast erreicht, hielt mich mit einer Hand am Türrahmen fest und spähte hinein. Mein Herz sank in den Magen, ich war zu keiner Regung mehr fähig. Mitten im Raum lag eine nackte Frau bäuchlings auf einem Tisch, breitbeinig und mit den Füßen auf dem Boden. Um ihren Hals war eine schwere Kette geschlungen, die der Kerl, der hinter ihr stand, in regelmäßigen Abständen enger zog. Der Mann würgte sie, während er sein pralles Glied schnell und grob in sie trieb. Er war groß, durchtrainiert, präsentierte sich oberkörperfrei. Die dunklen Haare fielen ihm in die Stirn, das markante Gesicht war vor Geilheit ganz verzerrt. Seine Stoffhose hing um die Knie. Die Frau keuchte, kratzte mit den Fingernägeln über das Holz, ächzte und schrie, sobald der Druck der Kette auf ihren Hals nachließ. Oh, Scheiße. Dieser Irre würde sie noch umbringen.

Hastig wich ich zurück, lehnte mich an die Wand, hörte das rhythmische Klatschen von Fleisch auf Fleisch. Mein Herz trommelte in der Brust, meine Knie gaben fast nach.

Meine Hand zitterte so sehr, dass ich kaum den Knopf des Funkgerätes fand, welches an meiner Schulter befestigt war.

»Zentrale«, sagte ich so leise wie möglich. »Hier ist Officer Simons. Ich brauche dringend Verstärkung, eine Frau befindet sich in einer gefährlichen Notlage.« Hastig gab ich im Flüsterton noch die Adresse durch.

»Verstanden, Officer. Verstärkung ist unterwegs«, hörte ich eine Frau aus der Zentrale antworten und zuckte zusammen. Ihre Stimme klang viel zu laut. Hoffentlich hatte der Kerl nichts mitbekommen. Nicht, dass er am Ende noch durchs Fenster türmte, bevor die Kollegen eintrafen.

Ich wagte einen weiteren raschen Blick. Inzwischen hatte dieser Irre die Frau an der Kette ein Stückweit vom Tisch gehoben. Sie musste nun zwangsläufig ins Hohlkreuz gehen, hing halb in der Luft, und konnte sich nicht mehr mit den Händen abstützen. Eine aussichtslose Lage, sie war ihrem Peiniger völlig ausgeliefert, der immer schneller in sie eindrang.

»Wer besorgt es dir am besten?«, hörte ich ihn mit kalter dunkler Stimme fragen. »Los, sag schon, wer ist dein Sugardaddy?«

Die Kette lag so fest um ihren Hals, dass sie nur noch zu einem Krächzen fähig war. Der Mistkerl holte aus und klatschte ihr mit der flachen Hand so fest auf den Hintern, dass ein roter Abdruck zurückblieb.

»Wer besorgt es dir am besten?«, fragte er noch einmal.

»Du … du«, antwortete sie mit erstickter Stimme.

Ich konnte nicht mehr warten, mir das Martyrium dieser armen Person keine Sekunde länger tatenlos ansehen. Es musste ein Ende haben – und zwar jetzt!

»Wer ist dein Big Daddy, du geiles Stück?« Der Mann klang so überheblich und spöttisch, dass sich ein Schalter in meinem Kopf umlegte, der jeden rationalen Gedanken ausblendete. Wut und Hass brodelten wie heiße Lava in meinem Magen hoch. Die Waffe mit beiden Händen vor mich haltend, stürmte ich in den Raum.

»Las Vegas Police, du Scheißkerl«, rief ich und hielt dem völlig überrumpelten Typen die Waffen an den Kopf. »Hände hinter dem Kopf verschränken und langsam einen Schritt zurücktreten.«

»Was?« Der Mann sah mich total verwirrt an, rührte sich kein bisschen. Sein Glied rutschte aus ihr heraus, als ich ihn an der Schulter zurückstieß.

»Schön langsam, Freundchen. Keine falsche Bewegung, sonst hast du eine Kugel im Kopf.« Ich wandte mich an die Frau. »Alles okay, Ma’am? Sind Sie verletzt? Geht es Ihnen soweit gut?«

»Was?« Sie musterte mich mit weit aufgerissenen Augen.

»Verstärkung ist unterwegs. Sie müssen keine Angst mehr haben, er kann Ihnen nichts mehr tun.«

»Was? Soll das ein Witz sein?«, fuhr mich der Typ an. Als er in seinen Schritt greifen wollte, packte ich ihn mit schnellen, präzisen Bewegungen, und warf ihn über die Schulter, sodass er mit voller Wucht auf den Tisch krachte. Sollte der Schweinehund ruhig mal am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlte, von jemandem hart rangenommen zu werden. Er ächzte, ein Schmerzensschrei rang sich aus seiner Kehle, während ich ihn eisern im Schwitzkasten hielt und ein wenig Druck auf seine Gurgel ausübte. Dreckschwein. Hastig sprang die splitternackte Frau ein paar Schritte beiseite. Es klickte, als ich ihm Handschellen anlegte, der Kerl machte keinen Mucks mehr. Grob zog ich ihn am Oberarm wieder auf die Beine. »Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen, alles was Sie …«, betete ich ihm seine Rechte vor.

Er ächzte, verzog schmerzerfüllt den Mund, aber kein Ton kam ihm mehr über die Lippen. Sein Glied baumelte schlaff aus der Hose. Wie es aussah, war ihm die Lust auf eine harte Nummer wohl gehörig vergangen.

»Gehört der Cop zum Skript? Ich finde die Szene nirgends im Drehbuch«, hörte ich jemanden hinter mir sagen und drehte mich ruckartig um.

An der Wand standen Leute! Die hatte ich bislang nicht bemerkt. Verdammt, ich war unvorsichtig gewesen, die hätten mich locker ausschalten können. Es waren zwei Männer, die mich mit offenen Mündern anstarrten. In der anderen Ecke befanden sich noch zwei Typen und neben ihnen eine Frau. Was, in aller Welt, ging hier vor sich?

Ich richtete meine Waffe abwechselnd auf sämtliche Menschen im Raum. Scheiße, wie sollte ich die alle gleichzeitig in Schach halten, bis die Kollegen eintrafen? Ich hätte warten sollen.

»Keine Bewegung oder ich schieße.« Meine Stimme quiekte ein wenig. »Hände hinter den Kopf, wo ich sie sehen kann, und stehenbleiben.«

In der Ferne hörte ich das Kreischen von Sirenen, die Verstärkung rückte endlich an, was die Anspannung ein wenig aus meinen Gliedmaßen lockerte.

Die beiden Männer sahen sich fragend an. »Ist die ein echter Cop? Oder hast du die engagiert?«, fragte ein Dunkelhaariger, der meinem Exfreund aus dem College verblüffend ähnlich sah. Die Augen des anderen wurden schmal, weshalb ich ihm rasch meine Aufmerksamkeit widmete. Ein extrem gutaussehender dunkelblonder Mann in den Dreißigern.

»Ich hab keine Ahnung, wo die herkommt«, erwiderte er. »Hey, Lady.« Er trug Anzug und Krawatte, wirkte wie ein Geschäftsmann. Aber als Cop durfte man sich von Äußerlichkeiten nicht blenden lassen. »Wer sind Sie? Und warum stellen Sie alles auf den Kopf? Sind Sie total verrückt geworden?«

»Aufpassen, Freundchen«, warnte ich ihn, und schluckte den Kloß im Hals herunter. »Sonst stehen Sie gleich mit gefesselten Händen neben ihrem Freund.« Ich deutete auf den Kerl, den ich dingfest gemacht hatte. Er zerrte fluchend an seinen Fesseln, aber das war selbstverständlich aussichtslos. Hoffentlich nahm der andere meine Drohung ernst, denn ich hatte kein zweites Paar Handschellen bei mir.

»Echter oder Fake Cop, wir haben auf alle Fälle alles im Kasten«, kam es von einem der Typen aus der Ecke. Zum ersten Mal fielen mir die Strahler auf, die um uns herum verteilt waren. Dann entdeckte ich mehrere professionelle Filmkameras. Eine davon auf einem Stativ. Die ganze Zeit über war ich so auf die arme Frau und ihren Peiniger fixiert gewesen, dass ich auf nichts anderes geachtet hatte.

»Was geht hier vor sich?«, fragte ich, meinen Griff um den Oberarm des Verhafteten verstärkend. Sicher war sicher.

»Was hier los ist?«, schnauzte mich der Dunkelblonde an. »Sie haben mein Filmset gestürmt. Wir drehen eine wichtige Szene, die wir wegen Ihrer Übereifrigkeit nun in die Tonne kicken können. Verfluchte Scheiße. Jetzt müssen wir noch mal ganz von vorn beginnen.«

»Ich muss in einer Stunde am Flughafen sein«, sagte der Kerl, den ich verhaftet hatte.

»Du gehst nirgendwohin, Freundchen«, zischelte ich und erntete ein Prusten von ihm.

»Du hast mich nur bis dreizehn Uhr gebucht, Kayne«, sagte die Frau, die ich befreit hatte, mit hartem Akzent. »Wenn du die ganze Szene komplett noch einmal drehen willst, musst du mich auch für den Rest des Nachmittags bezahlen, sonst läuft nichts mehr.«

»Wegen einer einzigen Szene?«, fragte dieser Kayne entgeistert. »Wir brauchen den Take am Schluss, das weißt du, Oksana. Ohne das große Finale funktioniert der ganze Film nicht.«

Sie zuckte die Achseln. »Dann wirst du wohl noch einen Scheck ausstellen müssen.« Ein feines Grinsen umspielte ihre Mundwinkel. Derweil schenkte Kayne mir einen extrem finsteren Blick, der mich schlucken ließ.

Ich kapierte überhaupt nichts mehr. Oder besser: So langsam sah ich klar, und das behagte mir ganz und gar nicht.

»Verfluchte Scheiße.« Kayne wandte sich an mich. Ich könnte schwören, er knirschte mit den Zähnen. »Wer ersetzt mir die ganzen Extrakosten, die ich wegen Ihrer Profilneurose nun drauflegen darf? Sie, Lady? Meine beiden Schauspieler kosten mich jeweils tausend Dollar die Stunde. Ich hoffe sehr für Sie, dass Sie Brad keine blauen Flecke an irgendwelchen sichtbaren Stellen seines Körpers verpasst haben. Meine Maskenbildnerin ist nämlich schon nach Hause gegangen.«

Ich schnappte nach Luft.

»Was ist hier eigentlich los?«, fragte ich noch einmal und wandte mich an die Frau, mein Gehirn wollte diese Wendung partout nicht verarbeiten. Das Opfer selbst sollte mir Kaynes Geschichte bestätigen »Ihnen geht es tatsächlich gut, Ma’am? Sie befanden sich niemals in Gefahr?«, hakte ich sicherheitshalber noch einmal nach.

»Nein, ich bin Schauspielerin.« Oksana griff nach einem weißen Bademantel, der in ihrer Nähe über einem Stuhl hing und schlüpfte hinein. »Und eine sehr gute noch dazu, wenn Sie nicht gemerkt haben, dass alles nur gespielt war.«

»Aber … aber«, weiter kam ich nicht mehr, denn an die zehn Polizisten enterten den Raum, während sie LVPD riefen. Las Vegas Police Department.

Schreie. Tumult. Meine Kollegen stürmten an mir vorbei, griffen sich einen nach dem anderen. Alle ließen sich widerstandslos festnehmen. Handschellen klickten. Sogar Oksana hatten sie welche verpasst.

Howard kam zu mir, legte mir eine Hand auf die Schulter. »Alles okay, Aleena?« Er klang zutiefst besorgt.

Ich nickte, während ich einfach nur sprachlos dastand. Ein unangenehmes Gefühl braute sich in meinem Magen zusammen, das mir zuflüsterte, ich könnte erneut einen riesengroßen Fehler begangen haben.

»Mädchen, warum rennst du ganz allein in ein verlassenes Haus? Wieso hast du nicht auf mich gewartet? Hast du auf der Polizeischule echt nichts gelernt?«, schnauzte mich Howard nun doch an.

»Ich.« Ich schluckte. »Ich wollte nur ganz kurz die Lage sondieren.«

»Und dich dabei umbringen lassen?«, brummelte er. »Du wusstest nicht, was dich in dem Gebäude erwartet. Mensch Aleena, genau wegen solcher Alleingänge geht man als Cop am schnellsten drauf.«

Die Verhafteten wurden in eine Reihe gestellt und sie taten mir unendlich leid. Bislang wusste keiner meiner Kollegen, was ich zwischenzeitlich herausgefunden hatte.

Kayne funkelte mich an, sein Kiefer war total verspannt.

»Darf ich erfahren, was man uns vorwirft? Aus welchem Grund wurde mein behördlich genehmigter Filmdreh von der Polizei gestürmt?«

»Filmdreh?«, wiederholte Gonzales, der mit mir zusammen auf der Polizeiakademie gewesen war, und zu dessen großen Hobbys Bodybuilding zählte. Genau so sah er auch aus.

»Ich bin Filmproduzent, besitze eine Produktionsfirma«, erklärte Kayne. »Wir waren dabei, eine etwas härtere erotische Szene für einen Film zu shooten, als …«

»Einen Porno?« unterbrach Gonzales ihn, der sich nur halbwegs ein Grinsen verkniff.

»Ja, einen Porno«, bestätigte Kayne und reckte das Kinn. »Ihre Kollegin ist ohne Vorwarnung mitten in unseren Dreh geplatzt, und hat sich wie ein Großstadtrambo aufgeführt«, benutzte Kayne ausgerechnet dieselbe Bezeichnung, die sich die Presse damals für unser Revier ausgedacht hatte. »Wenn Sie mir die Handschellen abnehmen, kann ich Ihnen meine Filmlizenz samt Drehgenehmigung zeigen. … So eine Scheiße«, fluchte er und mein Magen verklumpte zu einem schweren Stein.

»Ich werde eine Beschwerde bei Ihrem Vorgesetzten wegen Ihrer total durchgeknallten Kollegin einreichen«, fügte er noch hinzu und ich schloss für einen Moment die Augen. Oh Gott, mein Boss würde mich bestimmt feuern.

Ich wagte kaum, meine Kollegen anzusehen. Sie grinsten, oder lachten verhalten, während sie die Festgenommenen von ihren Handschellen befreiten.

»Nimmt mir auch endlich mal jemand diese Scheißdinger ab? Ich spüre meine Hände langsam nicht mehr«, beschwerte sich der Kerl, den ich höchstpersönlich verhaftet hatte. Sein Glied baumelte immer noch frei in der Luft, was mir wahnsinnig für ihn leidtat.

»Das ist so typisch für dich. Denk doch mal nach, bevor du im Alleingang losziehst, um die Welt zu retten«, zischelte mir Gonzales zu, während ich den Kerl von seinen Fesseln befreite. Dass ausgerechnet Gonzales mir in den Rücken fiel, tat besonders weh. Wir beide verstanden uns eigentlich super und ich hätte ein aufmunterndes Wort bitter nötig gehabt.

»Unsere Kollegin kommt frisch von der Ausbildung und will sich gern beweisen«, sagte Howard, als wäre ich ein kleines Mädchen, das man nicht ernst nehmen sollte. Sein fieses Gerede kam mir wie bittere Galle hoch. Abwechselnd massierte mein Gefangener seine Handgelenke, an denen sich rote Striemen abzeichneten, während er mich mit Blicken erdolchte. Ich hätte sie ihm nicht so fest anlegen sollen, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.

»Wie soll ich nach dieser Aktion noch einen hochbekommen?«, wandte er sich an Kayne und deutete auf seinen schlaffen schrumpeligen Penis, der ganz traurig aus seiner Hose hervorlugte. Meine Kollegen lachten schon wieder, dieses Mal lauter, schadenfreudiger.

»Das lass mal meine Sorge sein, Schätzchen«, redete ihm Oksana gut zu, ehe sie mit Gonzales heiße Blicke austauschte. »Du hättest den Dreh stürmen sollen, Süßer. Dann hätten wir nahtlos weiterdrehen können.«

Gonzales griff sich in den Nacken. »Vielleicht haben Sie nach der Arbeit noch Zeit für einen Drink?«

War das sein Ernst? Er nahm meine Blamage zum Anlass, sich mit einer Porno-Darstellerin zu verabreden? Ich rieb mir die Stirn, war den Tränen nahe. Alles, bloß nicht weinen, sonst nannten mich meine Kollegen bis zu meiner Pension auch noch die Heulsuse vom Dienst.

»Langweilig wird es mit dir nicht, Aleena, das muss man dir lassen«, kam es von meinem Kollegen George, mit dem ich kaum was zu tun hatte.

Ich ignorierte ihn, trat einen Schritt beiseite, und wandte mich ab, um mich wieder in den Griff zu kriegen. Scham durchsprudelte mich in heißen Wellen und heizte meine Wangen auf.

»Es tut mir leid«, sagte ich zu Kayne, und meinte jedes Wort ehrlich. »Wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen und anders handeln. Aber stellen Sie sich vor, diese Frau wäre tatsächlich in einem unheimlichen Haus gefangen gewesen, hätten Sie da nicht gewollt, dass sich jemand kümmert und hilft?«

Kayne stutzte, seufzte, bevor er ergeben beide Hände hob. »Lady, wir müssen die Szene heute noch in den Kasten kriegen. Das ist ehrlich gesagt alles, was mich interessiert. Ich verliere schon genug Kohle wegen Ihnen. Geld, das Sie mir wohl kaum ersetzen werden.« Abwartend hob er eine Augenbraue, worauf ich den Kopf senkte. Mit meinem mickrigen Gehalt konnte ich mit Sicherheit keinen Schadensersatz dieser Größenordnung leisten.

»Meine Schauspieler sind die nächste Zeit komplett ausgebucht. Sollten wir heute nicht fertig werden, müssen wir den Filmstart verschieben, und das wäre mein persönlicher Supergau. Die Werbung läuft bereits auf vollen Touren, wir haben hunderttausende bezahlte Vorbestellungen für den Download des Streifens, und müssen das Geld erstatten, sollten wir den festgesetzten Termin nicht einhalten können. Aus diesem Grund möchte ich Sie alle bitten, das Set zu verlassen, damit wir endlich weiterdrehen können.«

Ich ließ den Kopf hängen und wandte mich zum Gehen. Das Mindeste, was ich jetzt noch tun konnte, war Kayne keine weiteren Scherereien zu bereiten und die Crew ihre Arbeit machen zu lassen.

»Aleena?«, sagte der Kerl, der neben Kayne stand und ich drehte mich um. In der ganzen Aufregung hatte ich Kaynes Mitarbeitern bislang keinen genaueren Blick vergönnt. Aber das hätte ich besser tun sollen, denn dieser Kerl war MEIN persönlicher Supergau! Heilige Scheiße. Immer wenn ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wurde ich eines Besseren belehrt. Vor mir stand Dexter Cohen. Mit den kurzen Haaren sah er total verändert aus. Ausgerechnet. Mir blieb auch nichts erspart. Dieser Mann war der Grund, weshalb ich das College abgebrochen hatte und zur Polizei gegangen war.

KAPITELDREI

ALEENA

Meine Hand zitterte, als ich an die Tür meines Chefs klopfte, der mich zum Rapport bestellt hatte. Mir ging es nicht nur schlecht wegen meines erneuten Ignorierens der Vorschriften, ich war auch ein nervliches Wrack wegen Dexter. Ihm so unvorbereitet gegenüberzustehen, hatte sich wie ein Schlag in den Magen angefühlt. Verdammt. Es hatte Ewigkeiten gedauert, diesen Kerl aus meinem System zu schwemmen, was mir bis heute nie ganz gelungen war. Nur etwas besser war es geworden. Mein Herz pochte dumpf und spürbar in meiner Brust. Es gab keinen Menschen in meinem Leben, den ich mehr verachtete als ihn.

»Herein«, bellte es von drinnen und ich öffnete behutsam die Tür, streckte den Kopf hindurch.

»Du wolltest mich sprechen, Boss?« Mir gelang ein gepresstes Lächeln.

Er winkte mich mit dem Zeigefinger zu sich, deutete auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Ich kam mir wie eine Teenagerin vor, die in der Schule beim Rauchen erwischt worden war, und nun zum Rektor zitiert wurde.

Garrett lehnte sich zurück, führte die Fingerspitzen vor dem Mund zusammen und musterte mich mit seinen eisblauen Augen, was mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Sein graues Haar trug er in einem kantigen Army-Kurzhaarschnitt. Ihn umwölkte die Aura eines Feldwebels.

»Aleena«, fing er schließlich nach gefühlten Stunden zähen Schweigens an. Die Art, wie er meinen Namen betonte, verhieß nichts Gutes.

»Garrett«, tat ich es ihm leise nach, nachdem ich den fetten Kloß im Hals hinuntergeschluckt hatte.

»Kannst du dir denken, weshalb ich dich sprechen möchte?«

Ich nickte.

Er räusperte sich. »Somit kann ich mir Details zu deiner jüngsten Verfehlung ja ersparen.« Ein Hauch von Röte entflammte seine Wangen.

»Ja, Garrett.« Ich senkte die Lider. Ruckartig sah ich wieder hoch. »Ich weiß, dass ich schon wieder Mist gebaut habe, Boss. Aber ich werde mich bessern, ich schwöre. So etwas kommt nie wieder vor. Wer konnte denn ahnen, dass die einen Porno drehen?« Zittrig hob ich die Hand, als stünde ich vor Gericht. »Ich wollte wirklich nur helfen. Diese Frau … der Mann … die Situation, ließen mich zu dem Schluss kommen …«

»Es geht nicht nur um einen kleinen Verstoß, Aleena«, unterbrach er mich. »Du hast dich schon wieder über sämtliche grundlegende Regeln und Vorschriften hinweggesetzt. Du hast dich allein in eine potenziell gefährliche Situation begeben, anstatt auf deinen Kollegen zu warten. Das geht so nicht weiter. Du entwickelst dich zu einem Risiko. Nicht nur für dich selbst, sondern auch für deine Kollegen. Wäre dein Alleingang außer Kontrolle geraten, hätten meine Leute dich da raushauen müssen. Unter Einsatz ihres Lebens. Nach allem, was wir wegen deiner letzten Solotour schon besprochen hatten, machst du denselben Mist gleich noch einmal, anstatt eine Lehre aus dem jüngsten Vorfall zu ziehen? Was ist bloß mit dir los? Zum Glück hat die Presse dieses Mal keinen Wind von der Sache bekommen, ansonsten wäre unser Revier spätestens morgen zum Gespött der Stadt geworden.«

»Ich dachte, es sei eine Notlage. Diese Frau hat mir so leidgetan, er war wirklich brutal zu ihr. Ich … ich hörte Schreie und befürchtete, jemand sei in Gefahr. Also wollte ich nicht untätig bleiben, solange Howard Kaffee holen war.«

»Die paar Minuten bis Verstärkung eintrifft, hättest du noch warten können – nein – sogar müssen. Es befanden sich sieben Menschen in diesem Raum, von denen du fünf erst viel später bemerkt hast. Wären diese Leute Kriminelle gewesen, säßest du jetzt wahrscheinlich nicht mehr in meinem Büro, sondern befändest dich in einem Kühlfach der Pathologie. Ist dir das klar, Aleena?«

Unwillkürlich senkte ich die Lider. »Es tut mir leid, Garrett.«

Mein Boss verzog keine Miene, sondern musterte mich ernst. »Nicht umsonst gibt es für alle, die hier arbeiten, klare Anweisungen und Verfahrensweisen, Aleena. Warum muss man dir das wieder und wieder erklären?«

»Ich werde mich bessern.« Ich biss die Zähne zusammen. Er hatte ja recht.

»Ich glaube dir sogar, dass deine Absichten lobenswert waren«, fuhr Garrett gnadenlos fort, »aber ich dulde in meinen Reihen keinen Querschläger der dauernd ausschert. Beim ersten Vergehen warst du zwei Wochen im Dienst und hattest Welpenschutz, doch der ist inzwischen vorbei.«

Ein dumpfes Gefühl stieg in mir hoch und pochte in meinen Schläfen. »Was … hat das zu bedeuten?« Ich wagte kaum zu atmen, sah Garrett nur angespannt an. Dessen Miene verriet nicht, was in ihm vorging.

Er seufzte laut und tief. »Aleena, es ist nicht so, dass ich deine Entschlossenheit nicht zu schätzen weiß oder dein Engagement für diesen knochenharten Beruf. Trotzdem muss ich meinen Leuten klare Grenzen setzen. Aufgrund deiner wiederholten Verstöße in so kurzen Abständen sehe ich mich gezwungen, dich für einen Monat ohne Gehalt zu suspendieren. Eine Auszeit gibt dir Gelegenheit, über dein Verhalten nachzudenken. Vielleicht kapierst du dann, dass du dich langsam aber sicher zu einem Risikofaktor für alle entpuppst, wenn du so weitermachst.«

»Das kann nicht dein Ernst sein, Garrett.« Hektisch schnappte ich nach Luft, obwohl ich noch halbwegs glimpflich davonkam. Um ehrlich zu sein, hatte ich mit meinem Rausschmiss im hohen Bogen gerechnet. Trotzdem. Ein ganzer Monat ohne Verdienst? Wie sollte ich meine Rechnungen bezahlen? Ich war erledigt.

»Niemand will mehr mit dir Schicht schieben. Deine Kollegen empfinden es mittlerweile als Strafe, zusammen mit dir eingeteilt zu werden.«

»Echt?« Mein Herz begann zu schmerzen.

»Geh nach Hause, sammle dich. Verarbeite den ganzen Stress. Denk in Ruhe über deine berufliche Zukunft nach und dann sehen wir weiter.«

»Ein ganzer Monat ohne Gehalt?«, japste ich. Dass mein Boss mir unterschwellig nahelegte, von selbst zu kündigen, ließ ich gar nicht erst an mich heran. Ich war Berufsanfängerin, hatte kaum Erspartes auf dem Konto. Viel Zeit in meine Ausbildung investiert. Wie sollte ich ohne Verdienst über die Runden kommen? Die Mieten in Las Vegas waren abartig hoch. Ich konnte mir nicht mal ein eigenes Apartment leisten. Selbst für die Bruchbude in der ich zusammen mit Cora hauste, zahlte ich viel zu viel.

»Diese Konsequenzen hast du dir selbst zuzuschreiben.« Die Härte in Garretts Stimme machte überdeutlich, dass jegliches Betteln, Flehen oder Geloben von Besserung sinnlos war.

»Verstanden, Sir.« Meine Stimme klang ganz belegt, ich hatte alle Hände voll damit zu tun, aufsteigende Tränen zurück zu halten. Meine Knie zitterten wie verrückt, als ich mich erhob. Ich hatte kaum drei Monate Dienst hinter mir und wurde schon temporär suspendiert. Wahrscheinlich hatte ich einen neuen Fehlverhalten-Rekord aufgestellt, auf den ich nicht im Geringsten stolz war.

In Garretts Augen mischte sich nun doch ein mitfühlender Glanz. »Du bist keine schlechte Polizistin, Aleena.«

Ich nickte. »Ich weiß.«

»Aber deine Kollegen müssen sich auf dich verlassen können, und die Bürger dieser Stadt ebenso. Nutz die Auszeit, um darüber nachzudenken, ob dieser Job der richtige für dich ist.«

»Du legst mir also die Kündigung nahe?« Ich hielt den Atem an.

Mein Boss schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte nur sichergehen, dass mir beim nächsten Mal nicht die Meldung überbracht wird, dass du tot aufgefunden wurdest, weil du dich ganz allein mit irgendwelchen Verbrechern angelegt hast. Nur um dir selbst etwas zu beweisen. Ich kenne deine Vorgeschichte ein wenig aus deiner Bewerbung. Sie ist zwar heikel, aber kein Ausschlusskriterium für den Polizeidienst.«

Zum Glück wusste er nichts von der Sache, die ich bei meiner Bewerbung verschwiegen hatte. Diese wäre definitiv ein Ausschlusskriterium gewesen.

»Ich verstehe sogar ein ganz kleines bisschen, warum du in gewissen Situationen so irrational reagierst«, machte Garrett weiter, »aber du musst das unter Kontrolle kriegen, Aleena. Im psychologischen Gutachten, das zu deiner Einstellung geführt hat, wurden keinerlei Auffälligkeiten festgestellt. Also verhalte dich auch so normal, dass sich deine Kollegen auf dich verlassen können, wenn sie mit dir Schicht schieben.«

»Ich werde gründlich über alles nachdenken.« Es war mir peinlich, dass er meine Lebensgeschichte ins Spiel brachte. Das war die letzte Sache, die ich ausgerechnet heute thematisieren wollte. Unaufgefordert legte ich meine Polizeimarke, Dienstausweis, und meine Pistole auf Garretts Schreibtisch. »Ich nehme an, die Suspendierung beginnt sofort.« Meine Stimme klang erstaunlich fest.

»Richtig.« Er nickte. »Bevor du deinen Dienst wieder antreten darfst, wirst du dich selbstverständlich zu einem weiteren Gutachten mit der Psychologin treffen. Erst wenn sie dir volle Diensttauglichkeit bescheinigt, kannst du nächsten Monat an deinen Schreibtisch zurückkehren.«

»Ich soll was?« Ich spürte, wie meine Augen groß wurden. »Ich bin nicht verrückt, Garrett.« Unwillkürlich verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Und wenn ich mich weigere? Das kannst du nicht von mir verlangen.«

»Aleena! Das ist keine Wahlmöglichkeit, sondern ein Befehl.« Er klang knallhart. »Bevor das psychologische Gutachten nicht auf meinem Tisch liegt, setzt du keinen Fuß mehr in unser Revier. Ist das klar?«

»Sonnenklar.« Ich reckte das Kinn. »Bis dann.« Den letzten Rest von Stolz zusammenkratzend, verließ ich hoch erhobenen Hauptes das Büro des Chiefs, und bereitete mich auf den Spießrutenlauf durchs Revier vor. Mit Sicherheit war Garrett nicht der Einzige, der mich für mental instabil hielt. Es war echt nicht zu fassen.

Das Gerede im Revier verstummte, als ich zwischen den Schreibtischen hindurchlief und den Ausgang anvisierte. Ich fühlte mich gedemütigt und ungerecht behandelt, fragte mich, ob Garrett mit einem meiner männlichen Kollegen auch so knallhart umgesprungen wäre. Suspendierung. Was sollte ich jetzt machen? Und wie würde es nach diesem Monat weitergehen?

Howard saß an seinem Schreibtisch und lehnte sich zurück. Am liebsten würde ich ihm sein spöttisches Grinsen aus dem Gesicht schlagen.

»Na, hast Zwangsurlaub bekommen, was?« Er nickte mir zu.

Also hatten alle bereits Bescheid gewusst, bevor ich als Letzte von meiner Suspendierung erfahren hatte. Ich ignorierte den Blödmann und beschleunigte meine Schritte. Nichts wie raus, ein fast schon klaustrophobisches Engegefühl presste mir den Brustkorb zusammen.

George, der auf der anderen Seite mit der Kaffeemaschine hantierte, drehte sich um. »Da ist ja die Superpolizistin, die immer weiß, wie man alles vermasselt.«

Gina stellte sich mir in den Weg, sie war Anfang dreißig und mochte mich schon vom ersten Tag an nicht leiden. Insgeheim hatte ich immer das Gefühl gehabt, sie wollte ihre Jungs nicht mit einer Kollegin teilen.

»Du lernst es wohl nie«, sagte sie kopfschüttelnd und im selben Moment verachtete ich sie. Sollten Frauen nicht zusammenhalten? »Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«, machte sie weiter, worauf ich stumm an ihr vorbeilief.

»Musst dich nicht wundern, dass keiner mehr mit dir zusammenarbeiten will«, rief sie mir nach und erntete Applaus von den anderen.

»Muss das echt sein, Gina?«, hörte ich Gonzalez sagen, er klang sauer. »Aleena ist schon bestraft genug.«

»Und das ist auch gut so«, erwiderte Gina. »Wäre besser, sie sucht sich einen Job, in dem sie nicht so viel Schaden anrichten kann. Vielleicht als Postbotin oder Küchenhilfe.«

»Aleena leistet gute Arbeit«, hörte ich Gonzalez noch antworten, bevor ich die Glastür aufstieß und hinaus ins Freie entfloh. Ich wollte kein Wort mehr hören, weder die gehässigen Stimmen von Gina und meiner Kollegen, noch Gonzalez, der mich sowieso nur verteidigte, weil wir zusammen auf der Polizeiakademie ausgebildet worden waren.

Mein Blick richtete sich gen Himmel, während ich Tränen wegblinzelte. Der strahlende Sonnenschein passte kein bisschen zu meiner miesen Stimmung. Am liebsten würde ich durch peitschenden Regen und Sturmböen zu meinem Auto laufen, mich in den nächsten Abgrund fegen lassen. Ich fühlte mich leer und ausgebrannt, um fünfzig Jahre gealtert. Einsam und ungerecht behandelt. Hoffnungslosigkeit breitete sich mit einem üblen Druck in meinem Magen aus. Dexter hatte damals im College recht behalten. Ich war eine Versagerin, und würde immer eine bleiben, ganz gleich wie sehr ich mich auch anstrengte, es lag in meiner Genetik.

Ich steuerte den Parkplatz der Polizeidienststelle an, als eine dunkle Männerstimme meinen Namen rief. Ruckartig blieb ich stehen. Dieses tiefe Timbre würde ich aus einer Million anderer auf der Stelle wiedererkennen, obwohl ich es Jahre nicht mehr vernommen hatte. Was wollte er hier? Wie in Zeitlupe drehte ich mich um. Meine Schultern verspannten fast schon schmerzhaft.

KAPITELVIER

DEXTER

Verdammt. Trotz allem, was passiert war, übte diese Frau noch immer dieselbe Faszination auf mich aus, wie sie das vor Jahren schon getan hatte. Ich musste masochistisch veranlagt sein, anders konnte ich mir das Zittern in meinem Brustkorb nicht erklären, welches mich im selben Moment erfasst hatte, als sie zur Tür herausgekommen war. Aleena sah verteufelt sexy in ihrer Polizeiuniform aus. Schmutzige Bilder spulten sich in meinem Kopf ab, Szenen, in denen sie ihre Uniform allerdings nicht lange anbehielt. Fuck. Was war mit mir los? Ich war aus einem völlig anderen Grund hinter ihr her. Einem verdammt wichtigen sogar! Und alles woran ich denken konnte, war sie zu vögeln? Ich war schon immer ein Freund von verdorbenen Rollenspielen gewesen, ein Faible, für das sich nicht jede Frau begeistern ließ. Allein Aleenas Anblick triggerte meinen Spieltrieb. Mein Schwanz zuckte. Was stimmte nicht mit mir? Wäre ich nicht dringend auf ihre Hilfe angewiesen, könnte mich nicht mal ein Bulldozer in die Nähe dieser Frau schieben. Sie war Gift für mich. Eins von der Sorte, das einem einen langsamen und qualvollen Tod garantierte, und trotzdem bekam ich einen Steifen.

»Dexter.« Sie könnte meinen Namen nicht abfälliger aussprechen. »Wie hast du mich gefunden?«

»Einer deiner Kollegen hat Kayne die Adresse eurer Polizeiwache genannt, falls er eine«, ich räusperte mich, »Beschwerde gegen dich bei deinem Vorgesetzten einreichen möchte.«

Ihr Blick schweifte zur Seite, richtete sich traurig und frustriert ins Leere. »Verstehe. Auch das noch«, murmelte sie, und plötzlich tat Aleena mir leid.

Sie winkte ab. »Auch schon egal«, sagte sie und wollte weitergehen.

»Ich werde mit Kayne reden. Bestimmt lässt er die Sache auf sich beruhen, sobald er sich beruhigt hat. Er ist eigentlich ein echt netter Kerl, überhaupt nicht nachtragend. Glaub mir.«

»Was willst du von mir? Solltest du nicht am Filmset deine Pornostars in Pose bringen? Müsst ihr nicht ganz dringend diese letzte wichtige Rammelszene in den Kasten kriegen? Bestimmt ist deine Fachmeinung extrem gefragt.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.

»Manche Leute mögen es beim Sex eben härter und solange alles im gegenseitigen Einverständnis geschieht, ist nichts gegen ein bisschen mehr Spice bei der Sache einzuwenden.«

»Noch einmal: Was willst du von mir?« Sie musterte mich abwartend, ihre blauen Iriden leuchteten auffällig im hellen Sonnenlicht. Ich hatte ganz verdrängt, was für fantastische Augen sie hatte.

»Die Frage sollte wohl lauten: Was hat dich in diese zwielichtige Ecke der Stadt verschlagen? Warst du auf der Suche nach aufregenderen Verbrechen als dieser kleinen Verfolgungsjagd vor ein paar Wochen?«

Selbstverständlich waren auch mir die krassen Jagdszenen im Fernsehen nicht entgangen. Allerdings hatte ich das Chaos erst mit Aleena in Verbindung gebracht, als einer ihrer Kollegen vorhin einen Kommentar dazu abgelassen und ihren Namen genannt hatte.

»Fick dich.« Ihre Lippen verzerrten sich. Scheiße, wie es aussah, triggerte der Vorfall Aleena noch extrem. Früher war sie nicht so schnell reizbar gewesen. Seit Jahren hatten wir schon nichts mehr miteinander zu tun. Und das war auch gut so. Tief in meinem Herzen hasste ich sie immer noch. Wäre ich nicht so dringend auf ihre Hilfe angewiesen, würde ich mich von ihr fernhalten.

»Tut mir leid. Das sollte ein Witz sein, der mir ganz offensichtlich nicht gelungen ist.« Ich schluckte. In meinem Inneren begann es zu rumoren, je länger ich ihr hübsches Gesicht betrachtete, das ich gar nicht mehr attraktiv finden wollte. Was war ich im College in diese Frau verliebt gewesen. Meine allererste und einzige Liebe.

»Dein Humor war schon immer viel zu schräg für meinen Geschmack.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

»Du hast dich kaum verändert, Ally«, nannte ich sie bei dem Spitznamen, den ich ihr damals verpasste hatte, und schluckte die Bemerkung hinunter, dass sie nie so etwas wie Humor besessen hatte. Leider benötigte ich ihre Hilfe, und sollte es nicht auf einen Streit ankommen lassen. Fuck, ich konnte meinen Blick nicht von ihrem hübschen Gesicht lösen, diesen fast schon hypnotisierenden blauen Augen, ihrer niedlichen Stupsnase, auf der sich ein paar Sommersprossen tummelten. Und erst diese geschwungenen Lippen, die ich so gern noch einmal küssen würde. Ich riss mich zusammen, straffte die Schultern. Jetzt bloß nicht ins Nostalgische verfallen. Ich stand aus einem völlig anderen Grund vor ihr, als um der guten alten Zeiten willen. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich dich vorhin nicht sofort erkannt habe, als du wie Harley Quinn das Set gestürmt und unseren Schauspieler aufs Kreuz gelegt hast.«

Sie verzog keine Miene. »Nenn mich nicht Ally.«.

»Komm schon.« Ich legte den Kopf schräg, versuchte es mit demselben charmanten Lächeln, mit dem es mir früher immer gelungen war, sie milde zu stimmen. Es prallte an ihr ab, ihr Blick wurde düster, sie funkelte mich an.

Ergeben hob ich beide Hände. »Ich will nur mit dir reden.«

»Ich habe einen wirklich riesengroßen Scheißtag hinter mir, Dexter. Und alles wird sofort schlimmer, sobald du auftauchst. Also geh bitte.« Sie rang die Hände.

»War sonst noch was heute?«, wagte ich einen Vorstoß.

»Falls es dich interessiert: Ich wurde für einen Monat ohne Gehalt suspendiert. Lass es gut sein, Dexter, und hau ab.« Sie wandte sich zum Gehen.

»Aleena, warte.«

Ein Knurren rang sich aus ihrer Kehle. »Was denn noch?«, fauchte sie mich an.

»Was ist aus deinen Plänen geworden, nach dem Studium als Architektin nachhaltige Gebäude zu entwerfen?«

Ihre hübsche Stirn schob sich in tiefe Falten. »Was ist aus deinen Plänen geworden, nach dem College erst mal gepflegt zu chillen, weil ein Vollzeitberuf für die sensible Künstlerseele ja absolutes Gift ist?« Sie winkte ab. »Vergiss es. Allem Anschein nach hast du dein Karriereziel wohl schon erreicht.«

»Ich arbeite derzeit in einem anderen Bereich, das stimmt. Aber der Job wird sehr gut bezahlt. Außerdem sind die Ladys, für die ich verantwortlich bin, in ihrem Metier auch so etwas wie Künstlerinnen.«

»Wie künstlerisch wertvoll eure Projekte sind, durfte ich vorhin live miterleben. Es wundert mich ehrlich gesagt kein bisschen, dass du bei so einer perversen Filmfirma gelandet bist.«

Wow. Ally war ganz offensichtlich immer noch tierisch sauer auf mich. Sie! Auf mich! Es war einfach nur lachhaft. Wenn hier einer das Recht darauf hatte, wütend zu sein, dann ja wohl ich. Wie würde sie erst reagieren, wenn sie erfuhr, wo ich tatsächlich arbeitete? Nicht an Kaynes Filmset, sondern in seinem Bordell.

»Ich arbeite im Gentleman’s Paradise, das ist ein Nobelbo…«

»Erspar mir weitere Details«, schnitt sie mir das Wort ab und gab einen verächtlichen Laut von sich. »Ich kenne diesen ordinären Schuppen, das ist ein Bordell außerhalb der Stadt. In letzter Zeit gibt es dort einige Probleme. Wir wissen Bescheid. Warum überrascht es mich nicht, dass du dich in einem Puff verkrochen hast? Oder brauchst du nur einen bequemen Platz, um all deine schmutzigen Geheimnisse zu verstecken? Dann bist du dort ja bestens aufgehoben.«

Ich belohnte ihre Aufmüpfigkeit mit einem überheblichen Grinsen. »Ach Ally, du bist immer noch genauso schnippisch und voreingenommen wie früher. Aber um deine Frage zu beantworten – ich bin der Security Chef des Gentleman‘s Paradise. Ich bin dafür zuständig, dass sich unsere Gäste und Mitarbeiter zu jeder Zeit sicher und geschützt fühlen können.«

»Du teilst also die Kondome aus?« Sie legte den Kopf schräg.

»Sehr witzig. Im Prinzip verrichte ich denselben Job im Club wie du als Cop auf der Straße – selbstverständlich bevor man dich gefeuert hat.«

»Suspendiert.« Ihre Stimme klang wie unheilvolles Donnergrollen. Ich könnte schwören, sie knirschte mit den Zähnen.

»Außerdem hast du keine Ahnung, was echte Polizeiarbeit bedeutet. Du warst schon immer besser darin, Probleme zu schaffen, als welche zu lösen.« Sie drehte sich um und ging davon, aber so leicht ließ ich mich nicht abschütteln, und folgte ihr, lief neben ihr her.

»Ach, komm schon, Ally. So nachtragend kenne ich dich gar nicht. Okay, du wurdest für ein paar Wochen suspendiert. Shit happens. Aber hey, zum Glück hast du mich getroffen, denn du siehst aus, als könntest du etwas Abwechslung dringend gebrauchen.«

»Alles was ich brauche, ist meinen Job zurück, um meine Rechnungen bezahlen zu können.«

»Was für ein Zufall. Denn ich möchte dir ein reizvolles Angebot machen.«

»Danke, verzichte.« Ally sah stur geradeaus.

»Hör es dir wenigstens an. Du weißt doch noch gar nicht, worum es sich handelt.«

»Verzieh dich endlich, Dexter.«

»Sonst … rufst du die Polizei?«, konnte ich mir nicht verkneifen.

Sie rollte mit den Augen. »Du bist ja ein richtiger Komiker geworden. Mit dir werde ich auch allein fertig.«

»Ich biete dir zehntausend Dollar, wenn du einen Monat lang für das Gentleman’s Paradise arbeitest«, ließ ich die Katze aus dem Sack.

Sichtlich schnappte die Gute nach Luft. »Du bist total übergeschnappt. Ist das dein Job in diesem zwielichtigen Laden? Rekrutierst du Frischfleisch für eure Kunden?«

»Selbstverständlich nicht. Du kämst bestimmt nicht für den Kundenkontakt infrage.« Was dachte Aleena von mir? Ich war doch kein Zuhälter.

Mit Blicken schleuderte sie mir wütende Pfeile entgegen. »Oh, bin ich also nicht exquisit genug für eure erlauchte Kundschaft, oder was?«

»Ich brauche dich für eine Undercover Aktion.«

Ich hörte an ihrem quiekenden Lachen, dass sie mein Angebot keine Sekunde lang ernst nahm. Mist.

»Hey, du siehst immer noch toll aus.« Ich stupste sie mit dem Ellenbogen an, was mir einen weiteren finsteren Blick einbrachte. Ihre Schritte wurden schneller.

»Du glaubst allen Ernstes, du könntest einfach so wieder in mein Leben spazieren, als wäre nichts passiert? Nach allem was war? Du bist die größte Enttäuschung meines Lebens, und ich hatte dich gerade so schön vergessen.«

»Du denkst überhaupt nicht mehr an mich?« Ich unterdrückte den Sarkasmus nicht. Wer hat denn hier wen verarscht?

»Übertreib es nicht.« Sie sah aus, als wollte sie sich jeden Moment auf mich stürzen, um mich zu vermöbeln.

»Okay, einiges ist am Ende nicht ganz astrein zwischen uns gelaufen. Wir waren jung, das College hatte uns fest im Griff. Aber gib’s zu. Tief in deinem Herzen hast du mich bestimmt ab und zu vermisst. Immerhin hatten wir ein paar wilde Zeiten miteinander.«

Theatralisch legte sie eine Hand auf ihr Herz. »Du bist wie ein Feuerwerk, Dexter. Beeindruckend anzusehen, aber am Ende nur heiße Luft.«

»Autsch.« Ich verzog den Mund wie unter Schmerzen. Das hatte gesessen. »Komisch. Wenn ich an uns zurückdenke, sehe ich immer diese bildhübsche und kluge Studentin vor mir, die mich tief beeindruckt hat. Aber hey, ist unser erneutes überraschendes Zusammentreffen nicht die passende Gelegenheit, um noch einmal von vorn anzufangen?« Ich hob den Zeigefinger. »Immerhin hatten wir auch eine Menge gute Zeiten, das musst du zugeben. Warum fokussieren wir uns nicht auf das Positive?« Ich senkte die Stimme. »Dass wir uns unter diesen Umständen über den Weg gelaufen sind, hat ja schon fast etwas Schicksalhaftes.«

»Seit wann glaubst ausgerechnet du an Schicksal?«

»Ich habe eine lange Zeit an uns geglaubt«, sagte ich so feierlich wie möglich. »Reicht das nicht?«

Sie prustete. »Du hast immer nur daran geglaubt, dass du jede ins Bett kriegen kannst, das ist alles.«

»Hey, die Frauen sind zu mir gekommen.«

Sie hob den Blick fast schon eine Spur zu direkt in meine Augen. Mir ging es durch und durch.

»Zum Glück waren wir nie miteinander im Bett.« Etwas Schlimmeres hätte sie nicht mehr sagen können, als würde sie mit einem Skalpell in meinen Brustkorb schneiden.

»Also hat sich nichts geändert.« Meine Stimme wurde ganz rau, bevor ich mich wieder im Griff hatte und locker weiterreden konnte. »Vorgestellt habe ich es mir öfter.« Leider tat ich das auch genau jetzt. Mein Blick streifte ihren schlanken Körper, der sich schwach unter der Uniform abzeichnete. Wie gerne würde ich die Jacke aufknöpfen und sie ihr von den Schultern streifen. Diese Frau ließ mich selbst nach so langer Zeit nicht kalt.

»Dann behalt deine Fantasien gut im Kopf, denn sie werden niemals Realität werden.«

Dieses Gespräch ging in die total verkehrte Richtung. Keine guten Voraussetzungen, um ihr ein Angebot zu machen, das sie hoffentlich nicht ablehnen konnte. Wir brauchten sie. Dringend. Um meinen Plan in die Tat umzusetzen, musste mir Ally wieder vertrauen. Mir wäre es auch lieber, sie würde auf alle Zeiten aus meinem Leben verschwinden. Aber es gab niemanden, der sie ersetzen könnte.

Ich holte tief Luft. »Du bist immer noch genauso schlagfertig wie damals. Aber jetzt mal ganz im Ernst. Ich möchte dich für einen Job anheuern, und wie es der Zufall will, brauchst du wohl einen neuen. Wie gesagt, biete ich dir zehntausend Dollar, wenn du einen Monat lang für mich arbeitest.«

»Also doch als Prostituierte.« Sie schüttelte den Kopf. »Du besitzt tatsächlich die Frechheit, mich nach allem was zwischen uns passiert ist, als Nutte anwerben zu wollen? Du bist echt noch dreister, als ich dich in Erinnerung habe.«

»Als falsche Prostituierte«, stellte ich richtig, und redete hastig weiter, denn sie öffnete bereits den Mund zum Widerspruch. »Hör mir doch erstmal zu, bevor du mich zerfleischst. Ich brauche dich Undercover, um den Maulwurf in unserem Team ausfindig zu machen, der uns so viel Stress verursacht und unsere Angestellten der Reihe nach vergrault. Inzwischen haben uns schon fünf Frauen verlassen, sind in andere Bordelle abgewandert, oder haben sich einen neuen Job gesucht. Wir konnten bislang nicht herausfinden, warum sie aus heiterem Himmel einfach kündigen. Und da kämst du ins Spiel. Wir brauchen jemanden mit kriminalistischen Fähigkeiten. Eine ausgebildete Polizistin ist perfekt für diesen Job.«

»Um dieses Rätsel zu lösen, muss ich nicht für dich arbeiten: Mit ziemlicher Sicherheit liegt es allein an dir, dass sie alle abhauen.« Sie schnitt mir eine Grimasse.

»Sehr witzig, Ally. Könntest du deinen messerscharfen Verstand nicht einsetzen, um uns zu helfen? Wir müssen diese Sache dringend klären, sonst können wir den Club bald dichtmachen. Euch haben sie auf der Polizeiakademie doch bestimmt beigebracht, wie man unauffällig ermittelt. Außerdem hast du ja schon einiges an Erfahrung gesammelt und wärst perfekt für den Job. Und Babe.« Ob ich wollte oder nicht, ich verschlang sie mit Blicken. »Du bist immer noch verdammt sexy. Du wärst eine perfekte …«