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Endlich! Der neue Roman der Bestseller Autorin Holly Clarkson ist da.
Hailey Hottinger, von ihren Schülern hinter vorgehaltener Hand nur „Hottie“ genannt, hat es schwer, sich in ihrem ersten Jahr als Lehrerin an der George Washington High durchzusetzen. Besonders Jaden Grant macht ihr zu schaffen. Der rebellische Außenseiter geht keiner Konfrontation aus dem Weg, er ist eigensinnig, unnahbar, aber leider auch unwiderstehlich. Hailey traut dem verführerischen Unruhestifter einiges zu, aber nicht, dass er sich zu Hause rührend um seine kleine Schwester kümmert. Eine beiläufige Bemerkung von Jaden erschüttert Hailey zutiefst, denn was er andeutet, kann ihr zum Verhängnis werden. Was hat der Kerl vor, in dessen Augen ganz deutlich das Wort Ärger geschrieben steht? Bald schon geht es um viel mehr, als nur ihr sorgsam gehütetes Geheimnis, denn Jaden spielt nach seinen eigenen Regeln, und sie darf sich nicht in ihn verlieben.Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2021
Titelseite
Über die Autorin
Hailey
Jaden
Hailey
Jaden
Jaden
Hailey
Hailey
Jaden
Hailey
Jaden
Jaden
Hailey
Jaden
Hailey
Hailey
Hailey
Hailey
Jaden
Jaden
Hailey
Jaden
Jaden
Jaden
Jaden
Hailey
Hailey
Jaden
Jaden
Jaden
Hailey
Jaden
Jaden
Hailey
Jaden
Jaden
Jaden
Epilog
Leseprobe
Aidan
Mai 2021
Copyright © 2021, Holly Clarkson
c/o Barabara’s Autorenservice
Tüttendorfer Weg 3
24214 Gettorf
Email: [email protected]
Cover: NK Design (Nadine Kapp)
all rights reserved
Die Charaktere, Handlungen und Gegenstände dieser Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Holly Clarkson ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin, die unter ihrem richtigen Namen schon zahlreiche Liebesromane veröffentlicht hat. Als Holly sind ihre Geschichten ein paar Grade heißer und sündiger. Mit ihrem ersten Roman Wicked Gentleman Lover schaffte sie es auf Anhieb bis auf Rang 3 der Amazon Charts und stand auf Platz 11 der Bild Bestseller Liste. Eigentlich ist Holly eine hoffnungslose Romantikerin und das spiegelt sich auch in all ihren Büchern wider. Sie glaubt an die Macht der Liebe, an das Universum und daran, dass nichts so sexy ist, wie ein Mann, der einem morgens Kaffee ans Bett bringt.
Bisher von Holly erschienen:
Wicked Gentleman Lover
Wicked Virgin Whisperer
Wicked Lady Killer
Wicked Bad Boy
Mit einem lauten Schlag fiel die Tür meines altersschwachen Mitsubishi ins Schloss, bevor ich über den Parkplatz der George-Washington-Highschool eilte, in der ich seit einem halben Jahr Englisch unterrichtete. Dies war meine erste richtige Anstellung als Lehrerin. Ich liebte meinen Job, schaffte es aber leider jeden Morgen nur mit Ach und Krach pünktlich zur ersten Stunde.
Als ich die Treppe zum Eingang nach oben hastete, gerieten vor mir zwei Jungs aus der Oberstufe aneinander. Es begann rasend schnell, der eine schnappte seinen blonden Widersacher am Kragen und donnerte ihn rückwärts gegen die Glastür. Der Blonde war Tyler Richardson, der Star unseres Lacrosse-Teams. Sein Gesicht war ganz verzerrt, während er sich aus dem Klammergriff seines Gegners zu befreien versuchte. Der andere stand mit dem Rücken zu mir, ihn identifizierte ich nicht sofort. Er umfasste Tylers Kehle, während er mit geballter Faust ausholte. Doch dann zögerte er, schlug nicht zu.
Mir stockte der Atem. Oh, nein. Und jetzt? Sollte ich dazwischengehen, meiner Pflicht als Lehrerin nachkommen? In dieser Phase Streit zu schlichten, war allerdings nicht ungefährlich, immerhin waren die beiden bestimmt zwei Köpfe größer als ich. Der Dunkelhaarige sogar noch um einiges muskulöser gebaut als sein Gegner, während ich ein bisschen mehr als fünfzig Kilo auf die Waage brachte.
Ich legte an Tempo zu, nahm immer zwei Stufen auf einmal.
Scheiße!
Jetzt erkannte ich den anderen. Es war Jaden Grant aus meinem Englischkurs. Der Unruhestifter unserer Schule. Mich wunderte es nicht, dass er die Fäuste sprechen ließ. Jaden war ein Einzelgänger, zumindest sah ich ihn nie mit irgendwelchen Mitschülern abhängen. Auch am Unterricht beteiligte er sich äußerst selten, ein Handzeichen von ihm konnte man getrost als Wunder betrachten. Normalerweise hockte er nur da, starrte aus dem Fenster oder kritzelte in seinem Block herum.
»Noch ein Wort über sie«, knurrte Jaden wie ein Wolf kurz vor dem Angriff. »Nimm noch ein einziges Mal ihren Namen in den Mund und du stehst nicht mehr auf.«
Stritten sie sich um ein Mädchen? Ernsthaft? Tickten die noch ganz sauber, sich so aggressiv in der Schule aufzuführen?
»War doch nur ein Witz.« Tylers Stimme schraubte sich bei jedem Wort mehr in die Höhe, während er Jaden von sich drängte, aber der ließ nicht von ihm ab. Sein Rücken war angespannt, und die Muskeln an seinen Oberarmen wölbten das weiße T-Shirt.
»Ist mir scheißegal. Du wirst sie nie mehr …«
»Aufhören«, unterbrach ich den Streit der beiden, während ich Jadens erhobenen Arm herunterriss. In derselben Sekunde schnellte er mit dem Ellenbogen zur Seite und traf mich heftig am Kiefer. Meine Hand flog zur getroffenen Stelle, weiße Sterne tanzten vor meinen Augen und die Wucht des Schlages riss mich von den Füßen. Ich taumelte, versuchte, mich am Geländer festzuhalten – und griff ins Leere. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon mit gebrochenem Genick am Fuß der Treppe liegen. Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle, während ich in der Luft herumruderte. Jemand packte mich am Arm, zog mich vorwärts und verhinderte in letzter Sekunde meinen Sturz. Ich stolperte und knickte mit dem linken Fuß um.
»Autsch.« Ein scharfer Schmerz blitzte durch meinen Knöchel, während ich nun das Steinpodest näherkommen sah. Noch immer wurde ich festgehalten, mein Fall zwar abgebremst, aber ich konnte dennoch nicht verhindern, dass ich auf dem Boden aufschlug. Eine große Hand unter meinem Hinterkopf bewahrte meinen Schädel vor einer ernsthaften Verletzung. Ich drehte mich auf den Rücken und blickte direkt in zwei stechend blaue Augen. Sie gehörten Jaden Grant, meinem Schüler! Dem Typen, der mich fast ausgeknockt hatte. Er lag auf mir - oder besser gesagt, zwischen meinen Beinen - und musterte mich besorgt.
»Alles klar, Miss Hottinger?«
Ich schluckte. Mein rasender Herzschlag beruhigte sich nicht. Statt zu antworten, stöhnte ich auf. Mein Kiefer schmerzte höllisch, hoffentlich hatte Jaden ihn mir nicht gebrochen. Auch mein Kopf dröhnte.
»Jaden vögelt Hottie«, rief jemand meinen Spitznamen benutzend, und ich zuckte zusammen. Erst jetzt bemerkte ich die vielen Schüler, die sich um uns geschart hatten. Sie lachten oder grinsten breit. Manche filmten mit ihren Handys. Das durfte nicht wahr sein.
Mit beiden Händen stieß ich gegen Jadens breite Brust und befahl ihn von mir herunter.
»Geh runter von mir, und zwar auf der Stelle«, zischte ich ihn an, woraufhin er sich endlich bewegte und aufstand. Er besaß tatsächlich die Frechheit, mir die Hand hinzuhalten, nachdem er mich zum Gespött der ganzen Schule gemacht hatte.
Ich ignorierte seine helfende Geste und auch die feixenden Schüler. Schwerfällig rappelte ich mich auf die Beine. Mein Knöchel schmerzte zwar etwas, schien aber zum Glück nicht gebrochen zu sein, denn ich konnte auftreten. Mehr Sorge bereitete mir mein Kiefer, der saumäßig wehtat, sobald ich den Mund bewegte. Als ich mit den Fingern über mein Gesicht fuhr, ertastete ich eine Schwellung.
»Das war ein Reflex, keine Absicht.« Jaden strich sich die fransigen Strähnen aus der Stirn, die ihm in die Augen hingen. Sollte das eine Entschuldigung sein? Ich blickte ihn fragend an. Nichts weiter folgte.
Immerhin sah er ganz zerknirscht aus, trotzdem kam ihm kein weiteres Wort über die Lippen. Die Kids tuschelten und hörten einfach nicht auf zu lachen.
Wie sollte ich jetzt reagieren? In meinen Schläfen pochte es dumpf. Jaden war zwischen den Schenkeln seiner Lehrerin gelandet, ich war kaum fünf Jahre älter als die Schüler in meiner Oberstufe. Ihr Respekt mir gegenüber war sowieso nur sehr bescheiden ausgeprägt, wie allein ihr Spitzname für mich bewies. Hottie. Dieser Vorfall hatte mir gerade noch gefehlt. Eine Scheißwut auf Jaden wuchs in mir, auf den Jungen, der dauernd Ärger machte.
»Worum ging es bei dem Streit?«, fragte ich eisig und nickte Jaden zu. Ja, ich verlangte eine Erklärung von ihm. Ausschließlich von ihm.
»War ein Missverständnis.« Er zuckte mit den Achseln, während er an mir vorbei in die Ferne schaute. Aha. Der Kerl hielt sich wohl für besonders schlau. So nicht! Nicht mit mir. Sollte er mir keine verdammt gute Erklärung für seinen Ausraster liefern, war ihm eine einwöchige Suspendierung von der Schule sicher.
»Willst du mich verarschen?« Ich baute mich vor ihm auf und stemmte beide Hände in die Hüften.
»Habe ich Ihnen sehr wehgetan?«, fragte er rau, aber besorgt. Bedächtig hob er die Hand, als wollte er mein Gesicht berühren, woraufhin ich hektisch zurückwich. In der Tat pochte mein Kiefer wie verrückt, ich sollte schleunigst einen Eisbeutel darauflegen. Doch Jadens Frechheit war kaum zu fassen. Er würde es nicht wagen, mich noch einmal anzufassen!
Wie in Zeitlupe ließ er den Arm wieder sinken, was auch besser für ihn war. Heute sollte er keine rote Linie mehr übertreten.
Als hätte Jaden meine Gedanken gelesen, versenkte er beide Hände in den Taschen seiner Jeans. Seine zusammengebissenen Zähne verrieten mir, dass er nicht halb so cool war, wie er sich gab.
»Jaden«, sagte ich mit mehr Nachdruck. Um nicht allen Respekt meiner Schüler zu verlieren, würde ich wohl ein Exempel statuieren müssen. Mit Sicherheit würde das Video meines Sturzes demnächst auf YouTube auftauchen, und diese Peinlichkeit hatte allein Jaden mir eingebrockt. Sowieso hatte ich es mit meinen dreiundzwanzig Jahren schwer, an der Schule Fuß zu fassen, und dieser Vorfall machte meine Lage auf keinen Fall besser.
»Vergessen wir den Sturz, das war eindeutig ein Unfall«, setzte ich fort und betonte jedes einzelne Wort. »Aber ich kann dir dein aggressives Verhalten gegenüber Tyler nicht durchgehen lassen. Wir dulden keine Handgreiflichkeiten in der Schule, und du kennst unser oberstes Prinzip.« Dann wandte ich mich an Tyler, der immer noch vor der Eingangstür stand. »Tyler, erzähl du mir, was los war.«
»Der Freak ist grundlos ausgerastet.« Tyler bombardierte Jaden mit wütenden Blicken, ehe er sein blondes Deckhaar zur Seite wischte. Er war ein hübscher Kerl mit Milchbubigesicht, und der Schwarm einer ganzen Reihe Mädchen. »Ich habe bloß einen harmlosen Witz gerissen, und der humorlose Penner rastet sofort aus.«
»Was hast du zu Jaden gesagt?«, hakte ich nach. Verdammt, mein Kiefer brachte mich um. Wie sollte ich in diesem Zustand heute Unterricht halten? Vorsichtig betastete ich noch mal mit den Fingerspitzen die pochende Schwellung, das gab mindestens einen anständigen blauen Fleck.
Statt sich zu rechtfertigen, beobachtete Jaden mich.
»Ich habe einen harmlosen Witz gerissen, über …«
»Halt dein dreckiges Maul oder ich mache dich endgültig platt.« Jaden wollte sich erneut auf Tyler stürzen, und ich Idiotin hielt ihn schon wieder davon ab, indem ich ihn am Oberarm packte.
»Stopp«, schrie ich ihn an, und hatte dieses Mal mehr Glück. Er hielt inne, deutete aber auf Tyler, während er flüsterte: »Du bist fällig.«
»Jaden! Zum Rektor. Sofort.« Egal, was Tyler auch gesagt haben mochte, körperliche Gewaltandrohung war keine akzeptable Reaktion.
Jaden atmete hörbar durch, sein Blick wechselte zwischen mir und Tyler. Mir wurde ganz mulmig. Was sollte ich tun, wenn er mich auslachte und sich anschließend Tyler vorknöpfte? Ich würde diesen muskulösen Kerl niemals aufhalten. Eine Sekunde später lief Jaden los und verschwand im Schulgebäude.
Was sollte das jetzt? Leistete er tatsächlich einer Aufforderung von mir anstandslos Folge? Hastig ging ich ihm nach und holte ihn im Schulflur ein. Vertrauen war gut …
»So kann es mit dir nicht weitergehen«, redete ich ihm ins Gewissen, weil sich die Gelegenheit ergab, obwohl ich mit Sicherheit nicht zu ihm durchdrang. Die Sehnen in seinem Hals waren immer noch angespannt, die Hände zu Fäusten geballt blickte er stur geradeaus. Reue sah definitiv anders aus. Trotzdem wartete ich hoffnungsvoll auf eine Antwort, irgendeine Aussage oder wenigstens eine Reaktion, bei der ich einhaken, und ihm klarmachen konnte, wie inakzeptabel sein Verhalten war. Wenn er so weitermachte, endete er irgendwann noch im Gefängnis.
Als er im Augenwinkel meine abwartende Miene bemerkte, verkniff er sich ein Schmunzeln, was die Härte aus seinen Zügen nahm. Jaden war so ein hübscher Kerl. Wenn er sich nur ein bisschen bemühen würde, könnte er einer der beliebtesten Jungs an der Schule sein. Er trug ein einfaches weißes T-Shirt zu einer tief auf den Hüften sitzenden hellen Jeans. Jaden sah aus wie ein Leistungssportler, obwohl er keinen Sport machte, zumindest nicht an der Schule. Er beteiligte sich an überhaupt keinen Aktivitäten, die hier angeboten wurden. Vieles davon machte sich gut im Lebenslauf für Collegebewerbungen. Wie er es mit dieser Einstellung überhaupt auf eine Universität schaffen wollte, war mir schleierhaft.
»Was ist los mit dir?«, hakte ich nach, als nichts von ihm kam. Wegen meines verknacksten Knöchels hatte ich Mühe, mit seinen langen Schritten mitzuhalten.
Er zuckte lediglich die Achseln.
»Das ist alles?«, schnauzte ich ihn an. »Ist dir deine Zukunft wirklich total egal?« Dieser Inbegriff eines revoltierenden Teenagers machte mich richtig sauer. »Du bleibst nicht ewig achtzehn, Jaden. Was willst du mit deinem Leben ohne guten Schulabschluss anfangen? In dir steckt so viel mehr.« Ich spielte auf seinen letzten Aufsatz an, für den er ein A+ von mir bekommen hatte. Eine beeindruckende und erstaunlich tiefgründige Interpretation von Stolz und Vorurteil, die erkennen ließ, wie viel Potenzial in ihm schlummerte.
»Du hast dauernd Probleme mit deinen Mitschülern, du provozierst Schlägereien auf dem Schulgelände, ich könnte die Liste deiner Verfehlungen endlos fortführen.«
»Das passt alles wunderbar zusammen, nicht wahr, Miss Hottinger?« Er sah mich gar nicht an, während er redete, seine Stimme hatte jede Emotion verloren.
»Dann erklär mir, was los ist.«
Sein Blick flackerte nun doch zur Seite, traf direkt in meine Augen und versetzte mir einen überraschenden Stromschlag. Es war so intensiv, dass ich unwillkürlich den Atem anhielt. Ich sah eine Menge Wut in dem stürmischen Blau, aber mindestens genauso viel Traurigkeit und Resignation. Gefühle, die man einem so jungen Menschen nicht ansehen sollte. Was war mit Jaden geschehen?
»Ich habe keine Erklärung«, erwiderte er mit einem Schulterzucken. »Meine Reizschwelle ist eben sehr niedrig«, fügte er gelassen hinzu.
»Wenn du so weitermachst, wird dich kein College aufnehmen.«
»Wer sagt, dass ich studieren will?«
»Was willst du dann mit deinem Leben anfangen? In einem halben Jahr hast du deinen Abschluss in der Tasche.«
Er prustete leise, als hätte ich etwas unglaublich Dummes gesagt. Jaden schien sich dem Ernst seiner Lage überhaupt nicht bewusst zu sein.
»Sagen Sie bloß, Sie sorgen sich um meine Zukunft.«
Ich strich mir eine störrische rotblonde Strähne aus dem Gesicht. »Du bist mein Schüler, selbstverständlich interessiert mich, was aus dir wird. Es ist mein Job, dich so gut wie möglich auf das Leben da draußen vorzubereiten, dir zu einem guten Start zu verhelfen. Aber mit solchen Aktionen wie eben verbaust du dir selbst alle Chancen. Mit Pech wird dich Mister McCleary für eine Woche von der Schule verweisen. Wie willst du den versäumten Unterrichtsstoff nachholen?«
Er musterte mich, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf, dann zwinkerte er mir zu. »Sie könnten mir doch ein paar Privatstunden geben.«
Ich rieb mir die Stirn. Was stimmte mit diesem Jungen nicht?
»Werde bloß nicht unverschämt.« Flirtete Jaden Grant allen Ernstes mit mir oder machte er sich lustig?
»Sie sollten sich reden hören, Hottie«, sagte er spöttisch. »An Ihnen ist eine Pastorin verlorengegangen. Sie predigen großartig.« Er klang so beschissen sarkastisch, dass ich ihm am liebsten eine gescheuert hätte. Wären wir nicht just aus solchen Gründen auf dem Weg zum Rektor.
»Reiß dich zusammen, Jaden«, verwarnte ich ihn.
»Sie können mich nicht retten, Miss Hottinger«, erwiderte er plötzlich so ernst, als würde die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern liegen. »Widmen Sie Ihre wertvolle Zeit lieber den Schülern, bei denen noch Hoffnung besteht.«
»In dir steckt so viel Potenzial, Jaden.«
Als er lachte, hätte ich ihn fast noch einmal am Arm gepackt, und zum Stehenbleiben gezwungen. Aber ich wusste, ich konnte ihn nicht aufhalten, wenn er nicht wollte. Dafür war er viel zu kräftig und durchtrainiert. Man konnte ihn locker auf Anfang zwanzig schätzen.
»Dein Aufsatz war überragend. Du hättest mit Leichtigkeit den Notendurchschnitt für ein gutes College in der Tasche. Warum machst du dir selbst alles kaputt?«
Er rollte die Augen. »Weil es wichtigere Dinge in meinem Leben gibt. Also hören Sie endlich mit Ihrem dämlichen Gefasel über das College auf.«
»Du bist achtzehn Jahre alt. Was kann es in diesem Alter denn Wichtigeres geben als die Schule?«
Er stoppte so abrupt vor dem Büro des Rektors, dass ich fast in ihn hineingerannt wäre. In letzter Sekunde fing ich mich ab und blieb dicht neben ihm stehen.
»Eine Menge«, erwiderte er knapp.
Ich seufzte frustriert. Himmel, warum war dieser Kerl so stur und wortkarg? Ich wollte ihm doch nur helfen.
»Du hast in deinem Alter schon so viele Geheimnisse?«, stichelte ich, um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken.
Seine Augen funkelten, bevor er sich zu mir beugte, als wollte er mir etwas im Vertrauen ins Ohr flüstern. »Welches Geheimnis verbergen Sie denn, Miss Hottie…nger?«
Ich hielt den Atem an, fühlte mich ertappt. In der Tat verheimlichte ich etwas, das niemals jemand erfahren durfte, sonst war ich geliefert. Spielte er darauf an? Was wusste er? War ich paranoid? Meine Gedanken prallten aufeinander und verpassten mir einen panischen Schub. Nur kurz, denn die Panik war vollkommen unbegründet. Der Kerl bluffte nur. Jaden wusste überhaupt nichts. Wie auch? Er war ein Teenager und wollte mich provozieren, das war alles.
»Keine Ahnung, wovon du redest«, brachte ich schließlich heraus.
Noch immer verharrte er mit dem Gesicht so nah neben meinem, dass ich ihn riechen konnte. Das Aroma seines Duschgels, ein Hauch von Waschpulver und der Duft einer gehörigen Ladung Testosteron machten mich ganz schwindlig.
Jaden öffnete den Mund, aber ich ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. Mir reichte es für heute mit ihm. Stattdessen klopfte ich an die Tür zum Vorzimmer des Rektors, bevor ich sie kurzerhand aufstieß. »Viel Spaß, Jaden.«
Ich nickte ihm zu, ehe ich mich umdrehte und zusah, dass ich davonkam. Mit aller Macht unterdrückte ich das zurückkehrende Rumoren in meinem Bauch, die helle bebende Furcht, die sich in mir ausbreiten wollte, und mir weiche Knie bescherte. Ich irrte mich nicht, oder? Jaden kannte nie und nimmer mein Geheimnis. Das war absolut unmöglich. Seit wann gab ich auch nur einen Cent auf das bescheuerte Gerede eines Teenagers? Die Kids redeten dauernd irgendwelchen Blödsinn.
»Mister McCleary hat jetzt Zeit für dich«, riss mich Juanita, die Sekretärin unseres Rektors, aus meinen Gedanken. Ich atmete hörbar aus, bevor ich von dem Stuhl aufstand, der neben der Tür zu seinem Büro stand. Wie oft ich in diesem Schuljahr schon darauf gesessen hatte, konnte ich gar nicht zählen.
Juanita sah mich über den Rand ihrer Brille hinweg mahnend an, ihr graues Haar stand kurzgeschoren und nicht als Frisur definierbar vom Kopf ab.
»Zum zwölften Mal tauchst du jetzt schon beim Rektor auf.«
So oft war das also gewesen.
»Gratuliere, das ist Schuljahresrekord, obwohl das zweite Semester gerade erst begonnen hat.«
Gelangweilt zuckte ich die Achseln. »Dann bin ich wohl doch in einer Sache die Nummer eins.«
Als ob irgendwas für mich noch eine Rolle spielte. Mich hatten sowieso längst sämtliche Lehrer abgeschrieben. Um ehrlich zu sein – ich hatte das ebenfalls.
»Auf diesen Rekord kannst du dir gewiss nichts einbilden.« Missbilligend schüttelte Juanita den Kopf. »Ich sehe dich schon im Gefängnis landen, Jaden.«
»Warum nutzen Sie Ihre hellseherischen Fähigkeiten nicht sinnvoller? Fangen Sie doch als Wahrsagerin bei einer Esoterik-Hotline an. Dort würde man Sie für den Quatsch, den Sie absondern, sogar bezahlen.«
Ihre viel zu schmalen Lippen verkniffen sich zu einem Strich. »Ich hoffe, Mister McCleary wäscht dir mal so richtig den Kopf, damit du endlich zur Vernunft kommst.«
Ich antwortete nicht, sondern klopfte an die Tür und ging hinein.
Jeff McCleary lehnte sich in seinem ledernen Schreibtischsessel zurück und schüttelte bei meinem Anblick den Kopf, der glänzte, als hätte er ihn sich eingecremt. Lediglich ein schütterer grauer Haarkranz war ihm geblieben.
»Setz dich, Jaden.« Er deutete auf den Stuhl, der vor seinem Tisch stand.
Nachdem ich ohne Hast und Eile die Tür geschlossen hatte, schlenderte ich zu dem mir zugewiesenen Platz und setzte mich breitbeinig hin. Bedächtig lehnte ich mich zurück. »Hi, Jeff. Wie geht es Mary?«
Er stützte sich mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab. »Du willst allen Ernstes über meine Frau quatschen? Warum sitzt du schon wieder in meinem Büro, will ich wissen. Der Unterricht hat noch nicht einmal begonnen, und du machst schon Ärger?«
Jeff McCleary und mein Dad waren in ihrer Jugend beste Freunde gewesen - bis mein Vater ihm die Freundin ausgespannt und sie geheiratet hatte. Meine Mom. Zwar herrschte seither Eiszeit zwischen ihm und meinem Alten, aber mir gegenüber verhielt McCleary sich immer korrekt. Seit meine Mutter uns vor fünf Jahren verlassen hatte, war ich ihm sogar richtig ans Herz gewachsen. Zumindest half er mir aus jedem Schlamassel, in den ich mich so hineinritt.
»Ich hatte mal wieder Stress mit Tyler Richardson.« Ich zuckte mit den Schultern. Mir tat es leid, dem Wichser keine verpasst zu haben.
Jeff seufzte genervt. »Worum ging es diesmal?«
»Ist das wichtig? Es ist überhaupt nichts passiert. Hottie … Miss Hottinger«, verbesserte ich mich rasch, als Jeff die Augenbrauen zusammenschob. »Sie ging dazwischen und hat geschlichtet.«
Jeff räusperte sich. »Erzählst du mir freiwillig, was los war, oder soll ich Tyler dazu holen?« Er klang stocksauer, was mir ehrlich gesagt, scheißegal war. Mir war alles schnuppe. Ich wollte nur meine Ruhe vor den Idioten an dieser bescheuerten Schule haben.
»Er hat etwas Gemeines über Danielle gesagt«, offenbarte ich schließlich, weil Jeff so aussah, als würde er ernst machen. Sollte Tyler hier auftauchen und seine beschissene Klappe aufreißen, konnte ich für nichts mehr garantieren. Niemand redete schlecht über Danielle. Zumindest keiner, der hinterher noch auf seinen eigenen Beinen stehen wollte.
McClearys angespannte Gesichtszüge wurden weich. »Ich verstehe«, sagte er schließlich knapp und verschränkte die Finger locker. »Wie geht es Danielle?«
»Ganz okay … Den Umständen entsprechend.« Ich schluckte, normalerweise redete ich mit anderen Leuten nicht über meine kleine Schwester. Aber McCleary wusste von ihr und meistens nahm er mich wegen Danielle nicht so hart ran, um unsere Situation nicht noch schlimmer zu machen.
»Sie wurde vor ein paar Wochen am Herzen operiert und kann seitdem wieder besser atmen. Allgemein ist sie belastbarer, was vieles einfacher macht. Sie ist nun selbstständiger, braucht nicht mehr so viel Hilfe wie vorher. Aber ihr Herz ist trotzdem schwer geschädigt. Die Ärzte meinen, früher oder später wird sie um eine Transplantation nicht herumkommen. Aber noch geht es ohne.«
»Viele Menschen mit Down-Syndrom haben Herzprobleme«, belehrte mich McCleary, als ob ich das selbst nicht am allerbesten wüsste. Seit fünf Jahren kümmerte ich mich schon um meine Schwester, während mein Vater sich den ganzen Tag auf seinem Schrottplatz herumtrieb, erst spät abends nach Hause kam und sich betrank. Es war ein Drahtseilakt. Sollte die Jugendfürsorge uns Danielles Versorgung nicht mehr zutrauen, würden die Sozialarbeiter sie uns wegnehmen und in eine Pflegefamilie stecken. Wir standen unter Beobachtung, nachdem mein Dad vor zwei Jahren vergessen hatte, sie von der Schule abzuholen, woraufhin sich Danielle allein auf den Heimweg gemacht hatte. Natürlich hatte sie sich verlaufen. Die Polizei hatte sie Stunden später weinend und völlig außer sich aufgegriffen und nach Hause gebracht, während ich geglaubt hatte, Dad wäre mit ihr Schulsachen kaufen. Die Cops hatten die Jugendfürsorge eingeschaltet, die Danielles Wohnsituation überprüft hatte. Mir war es gelungen, die ganze Bude vorher noch auf Hochglanz zu bringen, außerdem hatten sie Dad zum Glück abgenommen, dass der Vorfall lediglich auf einer mangelnden Absprache mit mir beruht hatte, und wir gelobten Besserung. Seitdem holte ich meine Schwester von der Schule ab. Nach ein paar Kontrollbesuchen hatten sich diese Fürsorgetypen zum Glück schon länger nicht mehr blicken lassen. Trotzdem machte ich mir nichts vor. Früher oder später würde die Jugendhilfe Danielle wahrscheinlich aus der Familie holen, sollte auch nur der leiseste Verdacht aufkommen, wir würden sie vernachlässigen. Immerhin war sie schwer krank. Ich wollte ja um sie kämpfen, und wie ich das wollte, aber diese Wut in mir verschluckte manchmal einfach alles. Auch die Hoffnung.
»Was hat Tyler über sie gesagt?« McCleary sah mich so mitfühlend an, dass ich am liebsten gekotzt hätte.
»Ist das wichtig?«
»Obwohl ich deine Beweggründe nachvollziehen kann, muss ich dich bestrafen, das ist dir klar, oder? Du hast gegen die Schulordnung verstoßen. Und zwar zum wiederholten Male. Das kann ich dir genauso wenig durchgehen lassen, wie allen anderen Schülern. Ich muss gerecht bleiben. Aber, wenn du mich davon überzeugen kannst, dass er dich heftig provoziert hat, und du nicht einfach wegen irgendeiner Nichtigkeit ausgerastet bist, kann ich vielleicht etwas Milde walten lassen.«
»Er hat Danielle einen behinderten Mongo genannt.« Unwillkürlich ballte ich eine Hand zur Faust. Dafür würde Tyler noch büßen. Es war kaum zu glauben, dass dieser Drecksack bis zur Junior High mein bester Freund gewesen war. Er kannte Danielle, seit sie ein Baby war, und selbst heute noch vergötterte sie diesen Arsch. Obwohl sie Tyler schon ewig nicht mehr gesehen hatte, fragte sie andauernd nach ihm. Sie vermisste ihn, und das war das Allerschlimmste daran. In der Highschool hatte Tyler dann mit Lacrosse angefangen und sich Sportlerfreunde zugelegt. Er hatte mit ihnen gechillt und Partys gefeiert, während ich meiner kleinen Schwester die Mutter ersetzte, so gut es mir eben gelang.
McCleary seufzte tief. »Du solltest dich nicht immer so schnell provozieren lassen. Ignorier Tylers Gerede doch einfach, dann hört …«
»Niemand redet schlecht über meine Schwester«, fuhr ich lauter dazwischen, als in meiner Situation klug war. Aber ich konnte nicht anders, mein Blutdruck schoss steil in die Höhe. Was er von mir verlangte, war absolut unmöglich. Danielle war mein Ein und Alles, meine ganze Familie. Dad zählte ich nicht mehr dazu, er hatte sich völlig ausgeklinkt und wohnte quasi nur noch bei uns.
McCleary lehnte sich zurück und betrachtete mich mit ernster Miene. »Ich weiß, wie schwer du es hast und wie viel Verantwortung du in deinen jungen Jahren schon trägst.«
»Ich brauche Ihr Mitleid nicht, Jeff.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Uns geht es gut.«
»Kannst du nicht wenigstens ein einziges Mal damit aufhören, den harten Kerl zu spielen? Ich möchte dir helfen.«
»Ich brauche auch Ihre Hilfe nicht.« Ich schüttelte den Kopf. Konnte McCleary nicht endlich sein bescheuertes Gequatsche sein lassen? Warum brummte er mir nicht einfach eine Strafarbeit auf und schickte mich zurück in den Unterricht, wie er das mit jedem anderen Schüler tun würde? Aber nein, mir blühte ein Kreuzverhör. Was wollten die alle von mir? Immerhin war ich derjenige, der für genügend Essen im Kühlschrank sorgte, Danielle morgens zur Schule brachte, darauf achtete, dass sie ihre Medikamente einnahm und sämtliche Arzttermine einhielt. Ich hatte alles im Griff. Konnten die Leute mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ohne zusätzliche Schikanen bekam ich schon alles geregelt.
»Kann ich zurück in den Unterricht?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, machte deutlich, dass diese Unterhaltung von meiner Seite aus beendet war. Gerade verpasste ich Hotties Englischstunde. Sie war, wie ihr Spitzname andeutete, heiß. Geradezu verboten sexy für eine Lehrerin. Ich schätzte sie vielleicht fünf Jahre älter als mich. Eine wirklich hübsche Frau mit rotblondem Haar, welches ihr bis zu den Schulterblättern reichte, und einem schmalen mit Sommersprossen übersäten Gesicht, das ihr fast schon etwas Aristokratisches verlieh. Das ganze Jahr über hatte ich meine Zeit im Klassenzimmer abgesessen, obwohl sie wirklich interessant unterrichtete. Hätte ich den Kopf nicht voll mit meinem privaten Scheiß, würden mir die Englischstunden sogar Spaß machen.
»Eine Woche Nachsitzen«, blaffte McCleary mich an, und ich schrak aus meinen Gedanken.
»Unmöglich.« Hastig setzte ich mich auf und schüttelte den Kopf. »Jeff, das kannst du mir nicht antun. Um halb vier hole ich Danielle von der Schule ab, es gibt niemanden, der das für mich übernehmen kann. Sollte ich nicht auftauchen, hetzen die mir sofort die Jugendfürsorge auf den Hals.«
»Okay.« Er rieb sich die Stirn. »Die Schule macht bei einem sozialen Projekt mit. Wegen eines defekten Kabels ist das Haus einer Familie in Atlanta abgebrannt. Die Stiftung Help-for-Hope stellt das Material für den Wiederaufbau über Spenden bereit. Vorausgesetzt, es finden sich genügend Freiwillige, die mit anpacken. Jede helfende Hand wird gebraucht. Also entscheide dich. Entweder Nachsitzen oder du verbringst die nächsten vier Samstage auf einer Baustelle.«
War das sein verfickter Ernst? Vier Wochenenden sollte ich umsonst schuften?
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er stoppte mich mit einem Fingerzeig. »Deine Entscheidung.«
Jeff sah mich durchdringend an. »Du kannst Danielle mitbringen, andere Freiwillige haben auch ihre Kinder dabei. Die Kleinen basteln Sachen, die hinterher verkauft werden, um neues Spielzeug zu kaufen. Die Kinder der Familie haben beim Brand wirklich alles verloren. Danielle wird die Abwechslung guttun, es wird sie auch nicht überlasten.«
Ich fühlte mich, als hätte der Kerl mir einen Gong versetzt. So wie Jeff mir diesen Sträflingsdienst verkaufte, klang es in der Tat nach einer guten Sache. Aber Danielle war anders als Kinder ohne Handicap. Mit ihren zwölf Jahren stand sie geistig auf dem Level einer Fünfjährigen. Ihre Feinmotorik war nicht richtig ausgeprägt, wenn dort nicht nur lauter Kleinkinder herumsprangen, konnte sie nicht mithalten, und sich mit den anderen zu vergleichen, würde sie nur frustrieren. Bei allem brauchte sie Hilfe. Wie sollte ich Zeit finden, nebenher noch an diesem Haus zu arbeiten? Durch ihr krankes Herz konnte Danielle nicht herumtoben oder ohne lange Pausen spielen.
Sie musste beaufsichtigt werden. Außerdem hatte sie bislang nur Kontakt zu den Kindern in ihrer Schule, die allesamt mit besonderen Bedürfnissen zur Welt gekommen waren. Ich hatte keine Ahnung, wie sie mit Kids zurechtkam, die ohne Einschränkungen lebten, und wollte es auch nicht herausfinden. Keine Experimente. Dafür war Danielle mir zu wichtig. Ich wollte nicht, dass ihr jemand wehtat oder sie hänselte. Meine Schwester nahm starke Medikamente ein, die Nebenwirkungen hatten. Sie machten Danielle oft müde und kurzatmig, ihre Leistungsgrenze war fix erreicht, ohne dass sie es selbst einschätzen konnte. Man musste ständig ein Auge auf sie haben. Tausend Gründe fielen mir ein, warum diese Schnapsidee nie und nimmer funktionieren konnte. Vielleicht sollte ich doch nachsitzen und Dad bitten, sie wenigstens von der Schule abzuholen. Aber diesem Scheiß-Alki konnte man eben nicht vertrauen, wie die Vergangenheit gezeigt hatte.
Fuck. Wieso hatte ich Jeff überhaupt erzählt, was bei mir zu Hause los war, wenn er mir dann so bescheuerte Strafen aufbrummte? Eine unglaubliche Wut krachte durch mich hindurch und brodelte heiß in meinem Magen. Am liebsten würde ich alles hinwerfen und die Schule abbrechen, aber dann galt ich als unzuverlässig, und die Jugendfürsorge würde Danielle unter Garantie in eine Pflegefamilie stecken. Weil ich mich so schwer unter Kontrolle halten konnte, war die Gefahr ohnehin riesengroß. Ich wusste, ich müsste mich öfter zusammenreißen, und sollte mich nicht so schnell provozieren lassen, bekam es nur meistens nicht hin.
»Entweder du hilfst vier Samstage bei dem Projekt mit, oder kommst eine Woche lang nach dem Unterricht zum Nachsitzen. Das sind deine Optionen. Falls dir keine von beiden zusagt, fliegst du von der Schule.« Jeff gab sich heute knallhart.
»Okay.« Beim Aufstehen stieß ich den Stuhl um, der polternd auf dem Boden landete.
»Wo findet der Scheiß am Samstag statt?« Mein Puls pochte spürbar im Hals, während ich mit Mühe die Wut in Schach hielt, die mich nun vollkommen ausfüllte. Hatte ich es nicht schon schwer genug, musste McCleary zu meiner beschissenen Situation auch noch eins draufsetzen?
Er kritzelte eine Adresse auf einen Zettel und reichte ihn mir. »Punkt neun Uhr tauchst du dort auf. Solltest du dich auch nur ein einziges Mal drücken, aus welchem Grund auch immer, musst du in der Schule nicht mehr auftauchen. Also, nutze deine letzte Chance. Meine Geduld mit dir ist überstrapaziert.«
Ich riss ihm den Wisch aus der Hand, lief mit stampfenden Schritten aus dem Zimmer und schlug die Tür krachend hinter mir zu.
Ich spürte meinen schmerzenden Kiefer bei jeder Bewegung, während ich vor meiner Klasse stand und mit meinen Schülern den Roman Blumen für Algernon besprach, den sie bis heute gelesen haben sollten. Eine Geschichte, die von einem menschlichen Experiment handelte. Von dem geistig zurückgebliebenen Charlie, der in einem Versuchslabor einfache Aufgaben gestellt bekam und dabei gegen eine Maus verlor, bis er sich einer intelligenzerhöhenden Operation unterzog.
Als sich die Tür zum Klassenzimmer öffnete, hielt ich mitten im Reden inne. Jaden kam herein und ging ganz nach hinten zu seinem Platz, ohne mich oder die Klasse eines Blickes zu würdigen. Heftiges Getuschel setzte ein, eine Papierkugel flog in Jadens Richtung und traf ihn an der Schulter, aber er reagierte nicht. Stattdessen kramte er seinen Block und einen Stift hervor und lümmelte sich in seinen Stuhl.
Ich räusperte mich. Jadens plötzliches Erscheinen brachte mich völlig aus dem Konzept, ich wusste nicht einmal weshalb. Vielleicht lag es an dem demonstrativen Desinteresse für meinen Unterricht. Oder daran, dass er mich als Lehrerin überhaupt nicht für voll nahm, indem er die Teilnahme verweigerte.
»Jaden«, fing ich mit fester Stimme an und widerstand dem Drang, mich erneut zu räuspern. Keine Schwäche zeigen, ich hatte alles im Griff. Wie in Zeitlupe blickte er auf, seine Miene blieb ausdruckslos.
»Wir besprechen gerade Blumen für Algernon, also würdest du bitte dein Buch herausholen und auf Seite einundvierzig aufschlagen?«
»Ich habe es nicht dabei. Es liegt zu Hause.« Er zuckte die Achseln, auf die gleichgültigste Art, die mir jemals untergekommen war. Unfassbar.
»Sorry«, fügte er noch hinzu, was er sich bei dem phlegmatischen Tonfall getrost hätte sparen können.
Jadens Scheißegal-Einstellung brachte mein Blut zum Kochen. Ich hatte es so satt, mich ständig von ihm herausfordern zu lassen. Kurzerhand kramte ich das rote Notizbüchlein aus meiner Tasche und zückte einen Kugelschreiber. »Dein zweiter Strich, noch einer und du bekommst eine Strafarbeit«, drohte ich ihm, was Jaden ganz offensichtlich kalt ließ. Er nickte nur mit ausdrucksloser Miene, bevor er weiter in seinen Block kritzelte.
Nach einem Moment des Zögerns beschloss ich, ihn ebenfalls zu ignorieren. Die anderen Schüler sollten wegen seines schlechten Verhaltens keinen Schulstoff verpassen. Sollte er doch mit Pauken und Trompeten durchfallen, inzwischen war mir dieser Junge völlig egal.
Ich wandte mich an die Klasse. »Warum lässt sich Charlie auf dieses Experiment ein? Warum will er unbedingt seinen Intellekt künstlich erhöhen lassen? Wer von euch hat eine Vermutung?«
»Weil der Typ blöder als eine Maus ist«, kam es von Tyler. »Warum machen diese Wissenschaftler ein solches Experiment mit ihm?«, fragte er mich provokant. »Weil es ihnen scheißegal ist, ob einer wie Charlie dabei draufgeht.«
»Das ist eine sehr polemische Sichtweise, Tyler«, mahnte ich ihn. »Glaubst du nicht, dass auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnehmen?«
»Welcher sollte das sein? Der einzige Platz, den die ausfüllen, ist ein Heimplatz.« Tyler wandte sich grinsend zu Jaden um, der immer noch vor sich hinkritzelte und wie es aussah, nichts vom Unterricht mitbekam. Wie üblich hatte er sich ausgeklinkt. Vielleicht war Jaden vorhin doch nicht ganz grundlos ausgerastet. Was trotzdem keine Entschuldigung für Handgreiflichkeiten war.
Plötzlich hob Jaden den Kopf. Zuerst musterte er mich auf eine viel zu intensive Weise, die mich ganz kribbelig machte, dann kritzelte er weiter. Ich spürte, wie mir Röte ins Gesicht stieg. Verflixt!
Ein paar Finger hoben sich, erleichtert sah ich mich nach den Freiwilligen um.
»Melissa«, rief ich ein rothaariges Mädchen auf, deren Locken wild von ihrem Kopf abstanden. Sie war eine meiner besten Schülerinnen und würde hoffentlich etwas Sinnvolleres zum Thema beitragen.
»Weil Charlie die Chance sieht, endlich wie alle anderen zu werden.«
»Weshalb sollte er das wollen?«, fragte ich sie.
»Weil er dann endlich dazugehört. Nach einer Operation wäre er kein Außenseiter mehr.«
Jaden schnaubte abfällig, während er Strichmännchen zeichnete.
»Hast du etwas beizutragen, Jaden?« Ich deutete auf ihn. Mein Herz pochte plötzlich wie verrückt los. Hastig ließ ich die Hand sinken, als ich bemerkte, dass meine Finger zitterten.
Jaden fuhr sich mit dem Daumennagel über die linke Augenbraue. »Charlie war auch vorher schon glücklich. Ihm wurde nur eingeredet, dass mit ihm etwas nicht stimmt, das ist alles«, fing er überraschenderweise an. Ich hatte ehrlich gesagt, nicht mit seiner Beteiligung gerechnet, aber er trug verwunderlicher Weise sinnvoll zur Diskussion bei. Wie es aussah, hatte er die Lektüre tatsächlich gelesen.
»Der Typ wurde nur verarscht und hat es nicht mal mitbekommen«, mischte sich Tyler ein. »Er war ein Dummkopf, der sein Leben allein nicht auf die Reihe gekriegt hat.«
»Ja, er war anders.« Jadens Augen wurden schmal. »Charlie war in der Tat nicht besonders schlau, aber in ihm schlummerten tausend gute Eigenschaften, die oberflächliche Idioten nicht sehen können. Er war freundlich und liebenswürdig, hilfsbereit, in seiner Gesellschaft veränderten sich die Menschen zum Guten. Sie wurden ruhiger, weniger hektisch. Mit seinem freundlichen Wesen verwandelte er die Welt um sich herum in einen besseren Ort. Nur ein Scheißtyp kann das nicht kapieren. Nur Arschlöcher führen sich solchen Menschen gegenüber mies auf. Charly hat nie etwas von seinen Mitmenschen verlangt, nie irgendwelche Ansprüche gestellt. Er ruhte in sich selbst. Obwohl Charlie nicht viel verstand, war er reinen Herzens. Die schlechten Seiten seiner Mitmenschen nahm er einfach nicht wahr, weil er glaubte, alle wären ebenso freundlich und sanftmütig wie er. Er bekam die Beleidigungen von ignoranten Menschen gar nicht mit, weil Rücksichtslosigkeit in seiner Welt nicht existierte. Er sah mit dem Herzen, nahm nur das Positive, das Gute wahr. Das alles hat er aufgegeben. Alles was ihn ausmachte, nur um normal zu werden.« Er formte mit den Fingern Anführungszeichen in der Luft. »Was auch immer das bedeutet. Um auch noch dem letzten Arschloch zu gefallen, solchen Scheißtypen wie dir, die sich einen Dreck um andere scheren.« Er nickte Tyler zu, der sich abfällig prustend wieder nach vorn wandte.
»Jaden«, mahnte ich. »Du hast ein paar gute Punkte zum Thema beigesteuert, aber es wäre schön, wenn du dir künftig Beleidigungen ersparen könntest, das würde deine Argumente noch konstruktiver machen. Deine Ausdrucksweise ist nicht gerade förderlich für die Diskussionskultur in diesem Klassenzimmer.« Für heute hatte er ja wohl genug Ärger verursacht. Außerdem wurde ich das Gefühl nicht los, die beiden hatten in Wahrheit über etwas ganz anderes geredet.
»Was hat es Charlie gebracht?«, fragte Jaden mich eine Spur zu aggressiv und sah mir direkt in die Augen. »Nichts. Nichts hat ihm dieses beschissene Experiment gebracht. Es hat sein Leben ruiniert«, gab er sich die Antwort selbst, bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte.
»Du hast recht«, stimmte ich ihm zu. »Aber er hatte auch nie die Chance auf ein selbstständiges Leben, denn er war immer von anderen Menschen abhängig. Diese Operation brachte ihm auch ein Stück Freiheit.«
»Und für wie lange?«, fragte er.
»Zwar nur kurz, aber immerhin …«
»Er hatte vorher schon alles, was er brauchte«, ließ er mich gar nicht ausreden. Noch während Jaden den Satz vollendete, ließ er bereits seinen Stift wieder über das Papier gleiten und widmete sich schließlich voll und ganz seinem Gekritzel.
Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Seine braunen Fransen hingen ihm in die Augen, ab und an blies er sie aus der Stirn und ich musste zugeben, das sah verdammt sexy aus. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Hatte ich gerade tatsächlich in dieser Weise an meinen Schüler gedacht? Irgendwas faszinierte mich an Jaden, ihn umgab eine ganz besondere Aura, die man nicht so schnell vergaß.
Als nichts mehr von ihm kam, rief ich Emily auf, die der Klasse ausführlich ihre Sichtweise erläuterte. Sie war ein kluges, liebes Mädchen, das seine Worte mit Bedacht wählte, weshalb sie mit ihrer Meinung zum Glück nicht bei Jaden aneckte.
Die nächsten zwanzig Minuten vergingen gemäßigter, denn weder Jaden noch Tyler beteiligten sich mehr am Unterricht. Gegen Ende teilte ich einen Fragebogen zu dem Roman als Hausaufgabe aus und schritt die Stuhlreihen ab, legte jedem Schüler ein Papier auf das Schreibpult. Als ich ganz hinten bei Jaden ankam, fiel mein Blick auf seinen Block und ich stockte. Was um alles in der Welt?
Bedächtig hob er den Kopf und musterte mich mit seinen undurchdringlichen blauen Augen, als könnte er in mir lesen. Er versuchte erst gar nicht, seine Kritzelei vor mir zu verbergen. Jaden hatte ein Bleistift Porträt von mir gezeichnet und es war ihm sogar ausnehmend gut gelungen. Er war unglaublich talentiert. Warum machte er nichts aus seiner Begabung? Jede Kunstschule würde sich die Finger nach ihm lecken, aber er warf einfach sein Leben weg. Dieser Dickkopf.
Obwohl ich so viel Talent zu schätzen wusste, konnte ich es ihm nicht durchgehen lassen, dass er seine Lehrerin während des Unterrichts malte. Wortlos riss ich das Blatt von seinem Block, während er sich zurücklehnte und mich angrinste. Derart herausfordernd, dass mich schon wieder dieses mulmige Gefühl packte. Schickte er mir eine stumme Botschaft oder war er einfach mal wieder rebellisch? Ich wurde langsam paranoid.
Anstelle des Bildes bekam er von mir den Fragebogen. Ob er tatsächlich etwas wusste? Meine Hände begannen zu zittern, während die Pausenklingel erlösend das Ende der Stunde einläutete.
Hastig marschierte ich nach vorn und setzte mich an das Lehrerpult, wo ich mir ein paar Notizen in mein Büchlein eintrug. Ein Schüler nach dem anderen verließ an mir vorbei das Klassenzimmer. Mein Herz pochte mir bis hoch in den Hals, als eine irrationale Furcht mich erwischte, die mich im Klammergriff hielt. Kannte Jaden mein Geheimnis doch und verhielt sich deshalb so provokant mir gegenüber? Ich spielte mit dem Feuer, aber Jaden konnte unmöglich davon wissen, dafür war er zu jung. Aber falls doch, was sollte ich dann machen? Dann war ich geliefert und mit Sicherheit meinen Job los.
Als jemand vor meinem Schreibtisch stehenblieb, hob ich den Blick. Jaden stand vor mir. Meine Finger verkrampften sich so heftig um den Kugelschreiber, dass der Clip abbrach.
»Nervös?«, fragte er leise, fast schon heiser.
»Was gibt es?«, erwiderte ich so sachlich wie möglich, während mein Herz in einem wilden Stakkato losgaloppierte.
»Kann ich meine Zeichnung wiederhaben?« Nur halbherzig verkniff er sich ein Schmunzeln.
»Die ist konfisziert.« Ich lehnte mich zurück, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen. »Während des Unterrichts wird nicht gemalt.«
»Soll ich sie Ihnen dann signieren?« Er könnte nicht spöttischer klingen. Unglaublich, ich ließ mich von einem Teenager vorführen.
»Jaden, deine Unverschämtheiten lasse ich dir nicht mehr lange durchgehen.«
»Sie sind eben ein perfektes Motiv.« Er schob eine Hand unter den Saum seines T-Shirts und strich über seinen flachen Bauch. Gebräunte Haut blitzte unter dem weißen Shirt hervor und ein Stromstoß zuckte durch mich hindurch. Ich holte tief Luft.
»Ihr Gesicht hat die perfekten Proportionen.« Er musterte mich wie ein Maler sein Modell, als spräche der Künstler in ihm. Vielleicht sollte ich besser sein Talent fördern, anstatt ihn zu tadeln.
»Ihre hohen Wangenknochen«, machte er leise weiter, »harmonieren perfekt mit Ihrem schmalen Gesicht, es gibt Ihnen schon fast etwas Adliges. Diese großen grünen Augen kommen grandios zur Geltung. Ich musste Sie einfach zeichnen.«
»Jaden.« Mehr fiel mir nicht ein. Ich räusperte mich erneut. Sein Gerede ging über das normale Lehrer-Schüler Verhältnis hinaus, und er sollte meine Geduld besser nicht überstrapazieren.
»Wie geht es Ihrem Kinn?« Sein Blick fand schon wieder meine Augen, viel zu intensiv und unverschämt für einen Schüler, der mit seiner Lehrerin redete. Mir wurde warm – sehr, sehr warm sogar.
»Kann ich das irgendwie wiedergutmachen?«, fragte er.
»Es war ein Unfall, vergessen wir‘s«, erwiderte ich mit Nachdruck und packte meine Sachen in die Tasche.
»Hoffentlich glaubt Ihr Freund nicht, Sie waren in eine Schlägerei verwickelt.«
»Ich habe keinen Freund, also alles gut«, rutschte es mir heraus, bevor ich mir auf die Lippen biss. Mein Privatleben ging meine Schüler nun wirklich nichts an.
»Na dann.« Für den Bruchteil einer Sekunde betrachtete er meinen Mund. Sein Kinn war kantig, männlich, aber die weichen Gesichtszüge verrieten seine Jugend. Genau diese Gegensätze machten ihn sexy und auch charmant. In fünf Jahren war er mit Sicherheit ein atemberaubender Mann.
»Du übertrittst heute eine rote Linie nach der anderen«, verwarnte ich ihn und griff mir unwillkürlich an den Hals. Verdammt, ich sollte meinen Ansagen mehr Nachdruck verleihen, aber der Kerl machte mich nervös.
Betont langsam stützte er sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab und beugte sich zu mir. »Vielleicht liebe ich das Spiel am Abgrund ja.« Er zwinkerte mir zu.
Flirtete Jaden mit mir?
»Du bist eindeutig zu jung, um dich schon am Abgrund zu tummeln, Jaden. Glaub mir, solche Dummheiten solltest du unterlassen.«
»So viel älter sind Sie auch wieder nicht, Hottie.«
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Hör auf, mich so zu nennen, ich verlange mehr Respekt von dir!«
»Es könnte keinen passenderen Spitznamen für Sie geben«, erwiderte er unbeeindruckt, stellte sich aber wieder aufrecht hin, sodass ich nun seinen flachen Bauch direkt im Blick hatte.
Ich atmete tief durch. Jaden hatte einen spektakulären Körper, er war durchtrainiert und seine Haut hatte eine samtige Bräune. Wenn er wollte, könnte er jedes Mädchen haben, da war ich sicher.
»Worauf willst du hinaus, Jaden?« Meine Stimme bebte verdächtig. Er wusste etwas. Garantiert tat er das. Mir wurde ganz schlecht, während ich auf seine Antwort wartete.
Er nickte mir zu. »Ich muss zur nächsten Stunde, schönen Tag noch.«
Noch ehe ich etwas erwidern konnte, hatte er sich bereits in Bewegung gesetzt und marschierte zur Tür hinaus. Ich saß noch ein Weilchen am Tisch und betrachtete die Bleistiftzeichnung, denn meine Beine fühlten sich zu weich zum Aufstehen an. Jeder Strich saß mit einer Präzision, als wäre er ein professioneller Maler oder hätte Kunst an einer berühmten Akademie studiert. Ich verstand zwar nicht viel von solchen Sachen, aber selbst ein Laie erkannte auf Anhieb, dass hier kein Dilettant am Werk gewesen war. Ich legte das Bild in meine Aktenmappe, damit es in meiner Tasche keine Knicke abbekam, stand auf und verließ das Klassenzimmer. Die nächste Stunde ging gleich los.
Im Schulkorridor kam mir meine Kollegin Molly DeMayo entgegen und winkte mir schon von weitem. Sie hatte ein Jahr vor mir an dieser Schule als Lehrerin angefangen und unterrichtete Mathematik. Wir verstanden uns auf Anhieb, und da die meisten unserer Kollegen schon zu den älteren Semestern zählten, hatten wir uns schnell zusammengetan. Mittlerweile waren wir Freundinnen und trafen uns auch privat. Seit Kurzem datete Molly einen Zahnarzt, den sie auf Tinder kennengelernt hatte, und war bis über beide Ohren verliebt.
»Hey«, grüßte ich Molly, als sie mich erreicht hatte. Sie strahlte beneidenswert über das ganze Gesicht, wahrscheinlich war sie heute Morgen aus anderen Gründen flachgelegt worden, als durch einen Kinnhaken wie ich.
»Stimmt es, dass Jaden Grant sich auf dich geworfen hat? Die ganze Schule spricht davon.«
Ich seufzte. »Es war ein Unfall. Haben die Leute nichts Wichtigeres zu tun, als Gerüchte in die Welt zu setzen?«
»Also, ich habe das Video vorhin gesehen, es …«
»Können wir dieses Thema bitte bleiben lassen?«, grätschte ich dazwischen und fühlte mich schrecklich bloßgestellt.
Sie legte einen Arm um mich. »Nächste Woche haben die meisten den kleinen Vorfall bestimmt schon wieder vergessen.«
»Mit Sicherheit.« Nicht. Diese Blamage würde unter Garantie nicht so schnell verjähren.
»Was ist mit dir los?«, wechselte ich das Thema. »Du siehst aus, als wärst du um einiges angenehmer in den Tag gestartet.« Ich zwinkerte ihr zu. »Du hattest Sex mit Alec, gib es zu«, raunte ich ihr ins Ohr, damit auch ja kein Schüler etwas von unserem Gespräch mitbekam.
Theatralisch langte sie sich an die Brust. »Wie kommst du denn darauf?«
»Du siehst auf eine ganz gewisse Weise entspannt aus«, wisperte ich und brachte Molly zum Kichern.
»So offensichtlich?«, hakte sie nach.
»Das erkenne nur ich«, beruhigte ich sie. »Ich bin auf Entzug. Für normale Menschen siehst du wahrscheinlich einfach nur glücklich aus.«
»Alec ist unglaublich«, erwiderte sie euphorisch und handelte sich einen schrägen Blick von zwei Schülerinnen ein, die an uns vorbeispazierten. Mahnend legte ich einen Finger an die Lippen und Molly nickte.
Ich freute mich für meine Freundin. Molly war von Natur eine sehr kurvige Frau, mit runden Hüften und einer enormen Oberweite. Einmal hatte sie mir anvertraut, dass sie als Teenager extrem unter ihrer Figur gelitten hatte, obwohl ich sie wirklich attraktiv fand, sie hatte tolle Proportionen. Alec hatte sich vom Fleck weg in Molly verliebt, er vergötterte ihren Körper, was ihr Selbstvertrauen schenkte und sie von innen heraus strahlen ließ.
Wir liefen weiter in Richtung Lehrerzimmer, nach dem katastrophalen Morgen brauchte ich dringend eine Tasse Kaffee.
»Alec ist ein großartiger Mann«, bestätigte ich ihr, denn die beiden passten gut zueinander.
»Ja, das ist er. Heute Abend besuchen wir ein Musical im Fox Theater in Atlanta und danach gehen wir essen.« Sie strich sich eine dunkelbraune Strähne hinters Ohr.
»Klingt nach einer weiteren heißen Nacht.«
Sie kicherte. »Das könnte durchaus sein. Ich habe in dieser Hinsicht so viel nachzuholen«, spielte sie auf ihr fünfjähriges Singledasein an, mit dem es zum Glück jetzt vorbei war. Sie musterte mich schräg. »Alec hat einen echt netten Freund. Einen Kieferorthopäden. Wie sieht es aus, Lust auf ein Doppeldate?«
»Ich weiß nicht«, wiegelte ich ab, während wir ins Lehrerzimmer abbogen und sofort die Kaffeemaschine ansteuerten.
»Wäre es nicht toll, wenn unsere Partner Freunde wären? Drake ist sehr attraktiv, warum lernst du ihn nicht kennen, bevor du Nein sagst?«, ließ Molly nicht locker. Sie senkte ihre Stimme, als wir die steinalte Miss Lewandowski passierten, die am Tisch saß und ein Sandwich futterte, das fürchterlich nach Thunfisch müffelte und die Luft im Raum verpestete. Sie warf uns einen argwöhnischen Blick zu.
»Ich hatte noch nie ein Blind Date«, wehrte ich ab. Seit meiner üblen Trennung von Wyatt war mir die Lust auf Verabredungen mit Männern vergangen. Bei unserer Abschlussfeier hatte ich ihn mit meiner damals besten Freundin beim Vögeln auf der Damentoilette erwischt.
Molly zückte ihr Smartphone, wischte durchs Menü und zeigte mir das Foto eines Mannes um die dreißig, mit dem strahlendweißesten Zahnpastalächeln, das ich jemals bei einem menschlichen Wesen gesehen hatte. Er stand neben Alec, jeder hielt eine Flasche Bier in der Hand, während sie am Grill hantierten.
»Wie findest du Drake?« Molly klang ganz aufgeregt.
Er sah nett aus, für meinen Geschmack allerdings ein bisschen zu geleckt und gestylt. Ich mochte Naturburschen lieber. Aber vielleicht war nach der Ellenbogenattacke von Jaden, ein Kieferorthopäde genau das, was ich jetzt brauchte.
»Warum leuchten seine Zähne, als wäre der Ärmste radioaktiv verseucht?«
Molly goss Kaffee in zwei Tassen. »Die sind nur gebleicht.«
»Aber warum so extrem?« Ich gab einen Schubs Milch in meine Tasse. Seine Zähne sahen aus, als hätte er sich Tic-Tac Dragees eingepflanzt.
»Er ist ein echt netter Kerl, du wirst ihn mögen. Nur auf einen Drink. Komm schon. Ganz zwanglos«, ließ sie nicht locker, woraufhin ich aufseufzte.
»Na gut. Aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen, dass aus mir und Drake etwas wird. Dank meines Exfreundes bin ich extrem bindungsgestört.«
Sie winkte ab. »Lernt euch erst mal kennen. Wie sieht es am Freitagabend aus?«
Ich zuckte zusammen. Am Wochenende waren meine besten Abende, die durfte ich auf keinen Fall sausen lassen und ich konnte Molly unmöglich in mein Geheimnis einweihen. »Tut mir leid, am Wochenende fahre ich zu meinen Eltern«, improvisierte ich in der Eile. »Sie leihen mir das Geld für das Einfrieren meiner Eizellen«, flunkerte ich. Auf eine Lüge mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an. »Wie wäre es nächsten Mittwoch?« Vielleicht fiel mir bis dahin eine plausible Ausrede ein, mit der ich dieses verflixte Date absagen konnte. Ich konnte gerade keinen Mann in meinem Leben gebrauchen.
Wir setzten uns an einen Tisch, möglichst weit weg von Miss Lewandowski und ihrem Sandwich.
»Mittwoch geht bestimmt auch, ich gebe dir Bescheid.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Dann wird es langsam ernst, was?«
Ich nickte. »Ja, demnächst lasse ich mir meine Eizellen entnehmen und einfrieren.«
»Wie viel kostet das?«
Ich trank erst mal einen Schluck Kaffee. Eigentlich wollte ich über dieses Thema gar nicht reden, denn es deprimierte mich viel zu sehr.
»Fünfzigtausend Dollar.«
»Wow, das ist ein Haufen Geld.« Sie streichelte meinen Unterarm. »Ich finde es großartig, dass deine Eltern dir helfen.«
»Ja, Mom und Dad sind die besten.« In Wahrheit kannten meine Eltern meine Pläne gar nicht. Selbst wenn sie wollten, könnten sie niemals so viel Geld für mich auftreiben. Ich trug ein Krebsgen in mir, an dem schon meine Grandma und meine Tante viel zu früh gestorben waren. Meine Mom hatte sich daraufhin vorsorglich beide Brüste abnehmen und die Eierstöcke entfernen lassen, aber so drastisch wollte ich in meinem Alter noch nicht vorgehen. Immerhin war ich erst dreiundzwanzig. Meine Ärztin hatte mir jedoch geraten, mir vorsichtshalber meine Eizellen einfrieren zu lassen, damit ich hinterher noch Kinder kriegen konnte, falls die Krankheit ausbrechen sollte und eine entsprechende OP nötig wurde.
Tja, wenn einen das Schicksal traf, dann so richtig und nachhaltig. Ich hatte keinen müden Cent gespart, im Gegenteil, ich bezahlte meinen Studienkredit zurück. Von meinem Gehalt blieb am Ende des Monats kaum etwas übrig.
Molly sah mich mitfühlend an. Ich hasste diesen Blick. Mitleid war das Letzte, was ich wollte. Genau aus diesem Grund weihte ich sonst niemanden in meine Probleme ein.
»Falls du etwas brauchst oder mal reden willst; ich bin immer für dich da«, sagte sie, und ich wusste, dass sie ihr Angebot ernst meinte.
Ich rang mir ein Lächeln ab. Molly war so lieb und loyal, sie hatte es nicht verdient, dass ich sie belog und ihr Märchen auftischte. Ich fühlte mich schrecklich, ihr dauernd etwas vorspielen zu müssen und nie ehrlich sein zu können. Aber das konnte ich ihr nicht anvertrauen.
»Du bist die Beste.« Ich atmete tief durch und beschloss, alles was mich bedrückte, weit von mir zu schieben. Jaden hatte zwischen meinen Beinen gelegen, mehr Drama benötigte ich für heute garantiert nicht mehr.
Ich lehnte an meinem Motorrad und wartete darauf, dass Danielle aus dem Schulgebäude kam, damit wir endlich nach Hause konnten. Ich hatte die alte Kawasaki auf dem Schrottplatz meines Vaters gefunden und das Baby ein Jahr lang mühsam restauriert, jetzt liebte ich die Maschine heiß und innig. Auch Danielle war ganz scharf aufs Motorradfahren. Wir wohnten nur zwei Straßen weiter, lange Strecken würde ich sie niemals hintendrauf mitnehmen. Aber wir hatten geübt, und sie liebte es, den Sozius zu spielen. Es brachte Danielle eine Menge Selbstvertrauen und ich fuhr langsam und vorsichtig, wenn sie dabei war. Außerdem konnte ich danach gleich weiter zu meiner Highschool fahren, die ein paar Meilen entfernt lag.
Danielle besuchte eine Förderschule. Seit ihrer Operation am offenen Herzen vor drei Monaten ging es ihr zum Glück wieder etwas besser. Das Laufen strengte sie nicht mehr so an, auch die ständige Kurzatmigkeit hatte nachgelassen.
Die Angst um meine kleine Schwester steckte mir noch in allen Knochen, ihren Anblick in dem Krankenhausbett würde ich für den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen. Sie hatte winzig und zerbrechlich gewirkt, so krank, wurde künstlich beatmet und war an zig Drähte und Kabel angeschlossen gewesen.
In solchen Situationen brauchte man seine Mutter und keinen achtzehnjährigen heillos überforderten Bruder. Aber ich hatte keine Ahnung, wo Mom jetzt lebte. Selbst wenn ich sie erreicht hätte, wäre sie wahrscheinlich nicht gekommen. Eines Morgens vor fünf Jahren hatte sie das Haus verlassen und war nicht mehr heimgekehrt. Ohne ein Wort, ohne einen Brief. Ohne eine Erklärung war sie einfach verschwunden und hatte ihre Familie im Stich gelassen. Zuerst hatten wir einen Unfall befürchtet. Mord oder eine Entführung. Welche normale Mutter verließ schon ihre Kinder? Wochenlang hatten wir uns riesige Sorgen um sie gemacht, bis Dad die Scheidungspapiere per Post zugestellt bekam.
Danielle verstand bis heute nicht, dass Mom nicht mehr zurückkommen würde. Anfangs hatte sie sich jeden Tag weinend im Wandschrank verkrochen und sich nicht von mir trösten lassen, während ich im Alter von dreizehn Jahren den Job meiner Mutter übernahm. Jahrelang hatte ich mich gefragt, ob ich Mom mit meinen frechen Antworten aus dem Haus geekelt hatte, oder weil ich nie mein Zimmer aufräumte. Immerhin hatte ich sie mit meinem Verhalten in den Wahnsinn getrieben. Eine Zeitlang hatte ich insgeheim sogar Danielle die Schuld gegeben. Wäre sie nicht behindert oder andauernd krank, wäre Mom vielleicht nicht gegangen. Aber vermutlich hatte meine Mutter einfach einen Scheißcharakter, wenn sie nicht erkannte, wie großartig ihre Tochter war.
Ich schüttelte die Erinnerungen an diese Frau ab und verdrängte die aufsteigende Wut, die sowieso zu nichts führte. Meine schlechte Laune würde nur Danielle ausbaden müssen, und sie konnte am allerwenigsten für den Schlamassel, in dem wir steckten. Also brachte ich meine Emotionen zur Ruhe und füllte mein Inneres mit einer wohltuenden Leere aus. Danielle brauchte ihren gut gelaunten Bruder, der ihr eine heile Familie vorspielte. Ich wollte ihr ein Vorbild sein. Sie war ein sensibles Mädchen, jede noch so kleine Stimmungsschwankung von mir beunruhigte sie.
Die ersten Kinder kamen heraus, manche wurden von ihren Eltern nach draußen begleitet. Als eine der letzten erschien meine Schwester, tapsig und tollpatschig, aber mit einem so ansteckenden Strahlen im Gesicht, dass ich bei ihrem Anblick unwillkürlich lächeln musste. Sie trug ein Spiderman T-Shirt und Jeansshorts und winkte, als sie mich entdeckte. Ich stieß mich von meiner Maschine ab und ging ihr entgegen, um ihr den Rucksack abzunehmen, bremste mich aber nach ein paar Schritten. Es war an der Zeit, dass Danielle Selbstständigkeit übte.
Nach der OP hatte ich fast schon panisch darauf geachtet, dass sie sich nicht überanstrengte, aber die Ärzte hatten mich beruhigt, sodass ich langsam aber sicher etwas loslassen konnte. Also sah ich zu, wie sie bedächtig eine Stufe nach der anderen nahm, bis ich ihren losen Schnürsenkel bemerkte und den Atem anhielt. Nur mühsam widerstand ich dem Drang, ihr entgegenzurennen, hoffentlich stolperte sie nicht. Doch sie kam unversehrt unten an.
»Hey, Süße.« Ich streichelte ihr über den Kopf. »Das hat heute aber lange gedauert.«
»Der blöde Schuh.« Sie streckte mir ihren Fuß entgegen. »Lässt sich nicht binden«, erklärte sie wegen ihrer vergrößerten Zunge ein wenig undeutlich. Ein typisches Merkmal für Menschen mit Down-Syndrom.
Sie hatte ihre Schuhe auch noch verkehrt herum an. »Enten können auch keine Schuhe binden«, neckte ich sie.
Danielle betrachtete ihre Füße, bevor sie loskicherte. »Enten haben Flügel.«
»Richtig.« Ich nickte. »Und Füße wie du heute.«
Sie hüpfte um mich herum. »Ich bin eine Ente. Quak. Quak.« Ihr linker Zopf hatte sich gelöst, sodass die Hälfte ihres dunkelblonden Haars offen über ihren Rücken fiel. Frisieren war nicht gerade meine Stärke.
»Was war heute los?« Ich deutete auf ihre Frisur. Danielle zupfte immer an ihrem Zopf herum, wenn sie zappelig wurde.
»Nichts.« Sie kicherte hinter der vorgehaltenen Hand. Ihre leicht schräggestellten Augen funkelten. Aha, es war doch etwas gewesen und ich sollte sie fragen.
Ich nahm ihr den Batman-Rucksack ab und hängte ihn mir über die Schulter. Seit kurzem fuhr sie total auf Superhelden ab. »Und warum ist dein Zopf dann offen?«, fragte ich, während ich in die Hocke ging. Ich zog ihr die Schuhe richtig herum an und band die Schnürsenkel zu.
»Lucas hat sein Pausenbrot mit mir geteilt.«
»Du hattest doch auch was zu essen dabei.« Ich stand auf und reichte Danielle ihren Sturzhelm, den sie sich über den Kopf zog, bevor ich ihr Visier nach oben klappte.
»Aber Lucas hatte Erdnussbutter mit Gelee drauf, und du hast mir nur Pastrami und Käse mitgegeben.«
»Du sollst doch keine Herzen brechen.« Ich zwinkerte ihr zu.
»Er hat einen Kuss von mir gekriegt«, platzte es aus ihr heraus.
»Danielle«, mahnte ich sie mit gespielter Strenge in der Stimme. Seit wann interessierte sich meine kleine Schwester für Jungs?
»Lucas findet mich schön.« Als sie das sagte, wärmte es mein Herz. Auch Lucas lebte mit Down-Syndrom und war ein ebenso sanftmütiger Junge.
»Auch wenn man Komplimente kriegt, kann man nicht jeden gleich küssen.« Ich setzte mich aufs Motorrad und Danielle kletterte hinter mich. Sie schlang ihre Arme um meinen Bauch.
»Du küsst auch die Mädchen, die du magst«, hörte ich sie hinter mir sagen, und ihr Argument nahm mir den Wind aus den Segeln.