Ungeschminkt - Johannes Wirth - E-Book

Ungeschminkt E-Book

Johannes Wirth

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Beschreibung

Johannes Wirth ist ein von Jesus Beeindruckter, Inspirierter, Geheilter. Er gründete große Gemeinden, die Quellenhof-Stiftung, Wohn- und Arbeitsprojekte; er kümmert sich um Menschen, besonders auch um die am Rande der Gesellschaft. Jetzt legt er die von ihm geleiteten Werke in jüngere Hände und bricht auf, um neue Visionen umzusetzen. Hier berichtet er von Erfolgen und Niederlagen, Erkenntnissen und Segensmomenten, Geistlichem und weniger Geistlichem, schönen Wegen und harten, Enttäuschungen und Überraschungen. In kurzen, knackigen Kapiteln gibt der Autor «Ungeschminkt» Einblicke in seine Erfahrungen auf den vielfältigen Lebensfeldern der letzten Jahrzehnte – ein offenes Interview mit seiner Ehefrau Erika inklusive. «Das ist spannend, ehrlich und authentisch und darum eine echte (Über-)Lebenshilfe für den Alltag mit Gott, mit den anderen und mit mir selbst. Kleine Powerriegel, die es in sich haben. Kraftnahrung für zwischendurch.» Jürgen Werth, Journalist, Buchautor, Moderator, Liedermacher

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Johannes Wirth Ungeschminkt

Johannes Wirth

Ungeschminkt

Inspirationen aus meinem Alltagsleben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 by Fontis-Verlag Basel

Die Bibelstellen wurden folgenden Übersetzungen entnommen: Revidierte Lutherbibel 2017; Neue Genfer Übersetzung 2011; Hoffnung für alle 2015; Lutherbibel 1984; Zürcher Bibel 2019; Revidierte Elberfelder Bibel 2008; Einheitsübersetzung 2016

Umschlag U1: Severin Höin, GvC Winterthur Foto Umschlag: Copyright by Johannes & Erika Wirth E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg

ISBN (EPUB) 978-3-03848-682-4

Inhalt

Legen wir los!

Teil 1: Lebensspuren und mehr

1. Gib nie auf – meine Lebensspuren

2. TownVillage: Ein Traum wird wahr

3. Warum ich nie aufhören werde, Kirche zu lieben

4. Gott versorgt – wirklich?

5. Tragende Arme

6. Menschen in Trauer begegnen

7. Mein unfassbarer Gott

8. Sex in der Ehe – darüber reden wir

9. Beziehungen leben: Verschenken & Empfangen

10. Wenn Beziehungen zerbrechen

11. Einsamkeit und die Antwort der Kirche

12. «Social lifting» und Gourmet-Christen

13. Erika, die Frau an meiner Seite

Teil 2: Selbstführung und Lebensgestaltung

14. Mir selber vorstehen, das Leben formen

15. Sabbatbraut

16. Werkzeugkasten

17. Eine satte Seele?

18. Sssss: Die Mücke über unserem Kopf

19. Geh hin in dieser deiner Kraft

20. Die Kraft von Leitworten

21. Offene und geschlossene Türen

22. Von der Vision zur Realität

23. Unterschätze die kleinen Anfänge nicht

24. Unter wessen Augen lebe ich?

25. Lebensbegleiter

Teil 3: Leiterfunktion und Selbstreflexion

26. Andere führen – Selbstreflexion

27. Alleine oder im Team?

28. Lästige Prozesse und Strukturen?

29. Klare Führung?

30. Ein begeisterndes Bild malen

31. Der Prägungsfaktor

32. Führungsautorität gewinnen

33. Veränderungsprozesse und Spezialisten

34. Die Kraft der Einheit

Teil 4: Wir Ferienmacher

35. Eine spezielle Leidenschaft

36. Ferien-Geheimnisse

37. Israel-Reisen

38. Ferien am Meer

39. Kreuzfahrten

Legen wir los!

So schön, dass du mein Buch in den Händen hältst! Damit du beim Lesen mehr Gewinn hast, gleich noch einige Gedanken dazu.

Zugegeben, dieses Buch ist anders als die meisten anderen. Es ist weder Biografie noch Autobiografie, noch behandelt es ausführlich ein bestimmtes Thema; auch haben die vier Buchteile keinen direkten inhaltlichen Zusammenhang. Der rote Faden, der sich durch all die Texte zieht, besteht aus den vielen Erfahrungen aus meinem Alltagsleben.

Ich weiß natürlich, dass es eine große Anzahl von Menschen gibt, die es nicht so sehr mit dem Lesen von Büchern haben. Darum habe ich meine Gedanken in vier Teile gegliedert und innerhalb der einzelnen Buchteile kurze, knackige, in sich abgeschlossene Kapitel eingesetzt.

Am besten beginnst du mit dem ersten Kapitel, das gibt einen ganz kurzen Überblick über mein Leben. Anschließend kannst du unbeschwert in jene Teile und Kapitel reinspringen, die dich wirklich interessieren. So eignet sich das Buch auch dazu, alle paar Tage nur ein paar Seiten zu lesen. Falls du dich dann irgendwann fragen solltest, wie die Geschichte meines Lebens, der Kirche oder der Stiftung wirklich war, dann empfehle ich dir mein erstes Buch «Gib nie auf!». Es ist zwar bald vergriffen, aber antiquarisch lässt es sich immer noch finden.

Ich bin mir voll bewusst, dass der Inhalt meiner Texte nicht bis ins Detail ausgewogen ist, auch habe ich das Geschriebene nicht zehn oder zwanzig Mal hinterfragt. Nach längerem Ringen habe ich mich dazu entschieden, es so zu veröffentlichen, wie es ist, ungeschminkt eben. Denn so widerspiegelt es am authentischsten die Person, die ich bin.

Wenn nun meine Erfahrungen, zusammengetragen aus den letzten vierzig Jahren, dich für dein Alltagsleben da und dort inspirieren, ermutigen und gar zum Nachdenken führen können, dann ist mein Ziel erreicht. Und ja, vielleicht ist es durchaus so, dass ich selbst am meisten von diesem Buch profitiere, denn es brachte mich dazu, vertieft über mein Leben nachzudenken, ganz viele Dinge nochmals Revue passieren zu lassen und sie zu bündeln.

Zum guten Start gehört auch der Dank

Ich weiß, es gehört zum Wesen von Büchern, dass darin gedankt wird. Ich tue es nicht aus Tradition, sondern aus allertiefstem Herzen. Denn ich bin mir voll bewusst und halte es mir immer wieder vor Augen, wie viele Weggefährten all das, was aus meinem Wirken herausgewachsen sein mag, mit ihrem Mitgestalten, ihren Finanzen und dem Aushalten meiner Person überhaupt erst ermöglichten.

Ich danke zuallererst meiner Frau Erika, die ich mehr liebe und schätze denn je, und meinen Töchtern Judith und Esther, die mit meinen Grenzen als Vater umgehen mussten. Und ja, auf euch bin ich mega stolz.

Ich danke meinen engsten Freunden, jahrzehntelangen Wegbegleitern, Glaubensgeschwistern und Mitkämpfern in so vielen «Schlachten»: Marcel Mettler, Markus Reichenbach, Stefan Reichenbach, Beat Weber. Hey, ihr seid trotz allem Schwierigen nicht an mir irregeworden. Und das Schönste ist: Wir sind nach wie vor Freunde. Das ist ein riesiges Geschenk.

Mein Dank geht auch an alle Ältesten und Mitleiter der Kirche, den Stiftungsräten der Quellenhof-Stiftung, aber auch an Susanne Gysin, meine Assistentin, ohne die wohl vieles im Chaos geendet hätte. Herzlichen Dank auch an Simone Siddiqui-Reichenbach für das Aufzeichnen des Gesprächs mit meiner Frau.

So, irgendwie wird’s jetzt schwierig, denn so viele Namen pulsieren durch mein Herz und meinen Kopf. Namen von Freunden, Namen von Ermutigern, die mir mit ihren Finanzen, Worten und Taten immer wieder neuen Schub gaben. Ihr seid so zahlreich; verzeiht mir, dass ich nicht jeden von euch nennen kann. Denn wenn ich es zu tun versuchte, würde ich dabei doch glatt einige vergessen.

Danken will ich aber nun vor allem meinem himmlischen Vater, der einen Versager wie mich aus dem Meer des Elends gefischt hat und ihm ein so großes Werk anvertraut hat. Ich muss schon sagen: Mein Gott ist offenbar ein Gott, der es liebt, höchste Risiken einzugehen.

Teil 1

Lebensspuren und mehr

Kapitel 1

Gib nie auf – meine Lebensspuren

Ich machte früh Karriere.

Schon in der zweiten Klasse.

Und zwar eine Karriere als Versager.

Meine gesamte Schulzeit war davon geprägt. Schlechte Noten. Ablehnung. Mobbing. Gehänselt-Werden. Ständig auf der Suche nach Anerkennung.

In der Schule konnte ich kaum stillsitzen. Warum, wusste niemand. Ich musste zu einer Psychiaterin. Nach diversen Tests sagte sie zu meinen Eltern: «Aus Ihrem Sohn wird nie etwas Rechtes werden.»

Heute weiß ich, ich bin ein ADHS-ler, habe also, wie man das im Fachjargon nennt, eine sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Aber diese Diagnose kannte man damals noch nicht.

Ich überlebte knappe acht Schuljahre, dann schmiss ich die Schule und begann in der Westschweiz eine Lehre als Landwirt. Nach acht Monaten brach ich sie ab.

Die einzige Ausbildung, die ich zu Ende führte, war eine einjährige Schulung als Briefträger.

Und nein, ich studierte nie Theologie.

Mit zwanzig Jahren heiratete ich Erika. Doch schon in der Freundschaftszeit war sie spürbar, und auf der Hochzeitsreise kam sie dann erst so richtig zum Vorschein: die krankhafte Eifersucht meiner Frau. Wir warfen uns nicht nur Worte, sondern auch Gegenstände an den Kopf. Das Leben wurde zum Horrortrip.

Psychiater und Eheberater, beide rieten uns zur Scheidung.

Nach zwei Jahren vertrauten wir Jesus unser Leben an. An diesem Punkt begann ein langer Heilungsprozess. Bei Erika war die Eifersucht das große Thema, bei mir waren es meine tief eingegrabenen Minderwertigkeitsgefühle.

Depressionen

Doch vor mir türmte sich auch noch ein anderes Hindernis auf. Rund zwei Jahrzehnte lang litt ich wiederholt an Depressionen. In gewissen Abständen verdunkelte sich meine Seele, was sich anfühlte wie das Einfahren in einen dunklen Tunnel. War ich mal drin, wusste niemand, ob ich je wieder herauskommen würde oder womöglich den Ausweg gar nie mehr finden könnte.

Nach rund zwanzig Jahren erlebte ich das Wunder einer übernatürlichen Heilung.

Unterwegs mit Gott

Meinen Weg zum Glauben fand ich in der damals rund sechzig Personen umfassenden GvC (Gemeinde von Christen).

Teil dieser Kirche war auch Rolf. Er pflanzte in mir den Wunschtraum, eine Jugendgruppe aufzubauen. Ich hatte keine Ahnung, wie das gehen sollte, aber ich lud andere Menschen ein, diesen Traum mit mir zu träumen.

Neben meinen wechselnden Berufen folgte auf ehrenamtlicher Basis über Jahre hinweg eine knochenharte, unspektakuläre Aufbauarbeit. Ich war oft nahe daran, alles aufzugeben, alles wegzuschmeißen, aber ich weigerte mich, solchen Gedanken den von ihnen so unangenehm-dominant geforderten Raum zu geben und diesen letzten Schritt zu tun.

Langsam, sehr langsam, begannen die Jugendgruppe und dann auch die Gemeinde zu wachsen. Da war kein fester Pastor vor Ort. Mehrmals hatte ich den Eindruck, tief in mir drin eine Stimme zu vernehmen, die mir leise sagte, ich solle aus dem säkularen Berufsleben aussteigen und diese Lücke ausfüllen. Aber das kam für mich nicht in Frage, denn ich hatte bei meinem Vater miterlebt, was es für ihn hieß, Pfarrer zu sein. Dazu kam, dass ich meinen damaligen Beruf von ganzem Herzen liebte.

Doch die innere Stimme verstummte nicht. Ich war gerade mal 32-jährig, als ich meinen Beruf als Produktmanager mit den vielen Auslandreisen kündigte und ohne festes Gehalt in der GvC-Gemeinde als Pastor begann.

Was macht ein Pastor?

Ich wusste es nicht.

Doch da kam ein neuer Traum in mein Herz: der Nehemia-Traum. Nehemia ist der Mann aus der Bibel, der in Babylon hörte, dass die Mauern in Jerusalem zerstört waren und die dortigen Menschen deshalb immer wieder ausgeraubt wurden. Er verließ seinen Traumjob, reiste in seine Heimat und begann damit, die Mauern der Stadt wieder aufzubauen.

In unserer Stadt Winterthur war auch vieles kaputt, und es gab Menschen genug, deren Seelen andauernd ausgeraubt wurden. Sie saßen in den Szenelokalen und schlugen die Stunden und Tage tot. So entwickelte sich in mir der Nehemia-Traum, den Menschen in unserer Stadt zu dienen.

Ich teilte meine Gedanken mit meiner Jugendgruppe. Dann ging’s los: Sieben Jahre lang, Sommer und Winter, suchten wir an jedem zweiten Samstagabend mit einem Grill- und Getränkestand das Gespräch mit kirchenfernen Menschen auf der Gasse. Wir nahmen uns vor, einfach für sie da zu sein. Und das waren wir.

Quellenhof-Stiftung

An einem unserer Samstagabende bat mich ein junger Mann, zu seinem Freund mitzukommen. Da traf ich, nennen wir ihn Gerd, den allerersten Drogensüchtigen, dem ich je begegnete. Er war gerade auf Entzug und ich so voller Eifer, dass ich ihn in einer halben Stunde «bekehrte».

Doch ich ließ es nicht dabei bewenden; ich begann ihn zu begleiten, machte dabei aber so ziemlich alles falsch. Doch jetzt wusste ich, wofür ich da war: für Menschen vom Rande der Gesellschaft. Und sie kamen: Drogensüchtige, psychisch Kranke, ja auch eine Pyromanin, oft mitsamt ihren Angehörigen. Meine Frau und ich betreuten sie, manchmal auch mittendrin in unserem täglichen Familienleben, und die riesige Drogenszene am Zürcher Platzspitz wurde zu einem meiner Arbeitsorte.

Doch da war ein riesiger Berg: Wollte einer wirklich aus dem alten Leben aussteigen, fand sich nur sehr, sehr schwer ein freier Therapieplatz. Da kam ein neuer Traum in mein Leben, eine Wachvision beim Beten vor meinem Bett. Ich sah die Quellenhof-Stiftung in ihrem ganzen Ausmaß vor mir …

Ich teilte diesen Traum mit den Gemeindeältesten – aber sie sahen nicht, was ich sah.

Unverständlich für mich.

Und doch irgendwie auch wieder nachvollziehbar: Eine Gemeinde mit in der Zwischenzeit rund hundertfünfzig Besuchern sollte ein Projekt mit einem Umfang von über dreißig Millionen stemmen?

Eigentlich nicht machbar.

Also musste ich, wollte ich mich den Mitleitern unterordnen, das Ganze abblasen.

Aber ich gab nicht auf, sondern betete weiter und lud Freunde ein, mit mir diesen großen Traum zu träumen.

Ein Jahr später, im November 1990, war es dann doch so weit. Mit Marcel Mettler und anderen Freunden zusammen gründete ich die Quellenhof-Stiftung. Das erste Therapiehaus stand in Gundetswil im Kanton Zürich.

Von jetzt an liefen die Wachstumsentwicklungen in der GvC Winterthur und der daraus entstandenen Quellenhof-Stiftung parallel. Als Kirche bezogen wir über verschiedene Zwischenstationen (inkl. Zirkuszelt!) 2007 das Kongresszentrum Parkarena in Winterthur als neues Domizil.

GvC und Quellenhof-Stiftung: die Entwicklung

Sonntags trafen sich anfang des Jahres 2020 in Winterthur rund 1300 Menschen quer durch die Generationen zum Gottesdienst. Aus der GvC heraus sind vier weitere Kirchen entstanden.

In der Stiftung kamen Schritt für Schritt Häuser, Werkstätten und Arbeitszweige hinzu, so dass heute rund hundert Mitarbeiter über 170 Menschen betreuen.

Und ab Juli 2020 war es dann so weit: Der letzte und größte Baustein meiner Vision, das TownVillage, füllte sich schrittweise mit Leben.

Ferienangebote

Während fast vierzig Jahren gehörte das Gestalten und Begleiten von Ferienangeboten mit zu unseren großen Leidenschaften. So begleiteten wir rund 26.000 Menschen auf ihren Reisen.

Worum es uns dabei ging, würde dieses Kapitel sprengen, darum gibt’s hierzu dann den vierten Buchteil.

Mit Tränen gesät

Ja, es ist so, die Jahre der Kirchen- und Stiftungsentwicklung waren alles andere als ein Spaziergang. Bei weitem kein easy going. Im Gegenteil. Der Weg, den ich auf den Ruf des himmlischen Vaters hin gegangen bin, war mit Tränen und schlaflosen Nächten übersät. Oft war ich nahe daran, alles aufzugeben, aber ich konnte diesem bedrängenden Impuls Gott sei Dank immer widerstehen.

Ich befand mich in einem christlichen Retraitenhaus, als mir ein hirngeschädigter Mann zurief: «Johannes, gib nie auf!»

Zuerst dachte ich: «Der weiß ja gar nicht, worum es geht!», doch dann empfand ich, dass Gott gerade diesen gehandicapierten Mann brauchte, um mir mit diesen vier Worten eines meiner wichtigsten Lebensmottos mitzugeben. All die kommenden Jahre hindurch begleiteten sie mich, gaben mir trotz härtester Rückschläge den Mut, nach jedem Stolpern und jedem Hinfallen wieder aufzustehen und weiterzugehen.

Aber ja, da gab es auch so viele treue Freunde und ganz unterschiedliche Menschen aus dem nahen und dem weiteren Umfeld, die mich ermutigt, ergänzt, geprägt, motiviert und mit Rat und Tat unterstützt haben. Und in erster Linie war es der himmlische Vater, der manchmal spät, ja sehr spät eingriff. Aber eben doch nie zu spät.

Stabübergabe

Jetzt, Ende 2020, ist es so weit. Nach einem sorgfältig geführten «Change-Prozess» werde ich die Leitung der Kirche und das Stiftungspräsidium definitiv übergeben.

Nein, einfach war und ist dieser Leitungswechselprozess für mich gewiss nicht. Aber tief in meiner Gedankenwelt war immer die Absicht vorherrschend, nicht wie so viele andere das eigene Pionierwerk durch ein Nicht-loslassen-Können an seiner Entwicklung zu hindern oder gar zu zerstören. So fand der Prozess in großer Einheit und im Frieden statt.

Jetzt bin ich sehr dankbar, dass Leute, die jahrelang in der zweiten Reihe mit mir unterwegs waren, bald in der ersten Reihe stehen werden. Ich bin überzeugt, sie sind die richtige Besetzung.

Und jetzt?

Werde ich mich zur Ruhe setzen? Nein, wie könnte ich auch! In mir leben noch Träume und eine Menge von Gedanken und Bildern, die mir eine Ahnung vermitteln, was auch weiterhin noch aus meinem Leben hinauswachsen könnte. Meine Aufgaben haben sich verändert und werden sich noch weiter verändern, aber ich werde auch in Zukunft mit großer Leidenschaft im Reich meines himmlischen Vaters mitanpacken. Und ja, solange Menschen mit uns kommen möchten, werde ich mit meiner Frau zusammen weiterhin Ferienreisen anbieten und leiten.

So, das waren sie, meine grob skizzierten Lebensspuren. Ausführlicher berichtete ich davon, wie bereits gesagt, in meinem ersten Buch «Gib nie auf!».

Was ich auf all diesen Wegen mitunter auf die ganz, ganz harte Tour entdeckt und gelernt habe, was mir gelungen ist und was nicht, das folgt nun in kleinen Häppchen in den folgenden Kapiteln dieses Buches.

Werde ich mich zur Ruhe setzen? Nein, wie könnte ich auch! In mir leben noch Träume und eine Menge

Kapitel 2

TownVillage: Ein Traum wird wahr

Der Traum des TownVillage geht auf meine inzwischen 32 Jahre alte Vision zur Quellenhof-Stiftung zurück. Damals sah ich in einer Wachvision, wie auf einem großen Areal Menschen aus allen Generationen und aus den unterschiedlichsten Hintergründen im gemeinsamen Unterwegs-Sein erfahren, dass jeder und jede wertvoll ist. Schritt für Schritt erfüllte sich das, was ich damals gesehen hatte, doch das größte Projekt schlummerte länger vor sich hin, bis diese letzte Etappe in mir so weit gereift war, dass ich empfand, die Zeit dafür sei nun gekommen.

Als ich 2013 ein Team von Spezialisten aus ganz verschiedenen Fachrichtungen zusammenrief, waren die Eckpunkte des TownVillage für mich schon klar gesetzt: generationenübergreifendes Wohnen, 24-Stunden-Rezeption, Pflegeabteilung, Lage in unmittelbarer Nähe unseres bisherigen Areals. Auch die Größe und die Anzahl der Wohnungen standen für mich fest: Es sollten sechzig sein.

Wie kam ich zu diesem Wissen, dieser Festlegung?

Keine Ahnung.

Da war einfach dieser klare, deutliche innere Eindruck. Und ich war zu keiner Zeit bereit, auch nur ein kleines bisschen davon abzurücken.

Das könnte nach außen hin durchaus «stur» gewirkt haben, ich weiß.

So begannen wir, auf dieser von Anfang an gesetzten Grundlage in einem genialen Team nach vorn zu arbeiten.

Ein Weg gespickt mit Rückschlägen

Unmittelbar neben der Parkarena hatte der Bauriese «Implenia» ein Projekt für rund 200 Wohnungen in Angriff genommen. Ich nahm Kontakt auf, um abzuklären, ob wir einen Flügel mit sechzig Wohnungen kaufen könnten.

Die Gespräche waren erfolgreich. So erstellten wir begeisternde Visionsunterlagen und machten uns auf die Suche nach den Finanzen.

Parallel dazu gingen die Verhandlungen weiter.

Kurz vor dem erfolgreichen Abschluss erreichte mich ein Telefonanruf. Mir wurde mitgeteilt, dass «leider, leider» alle Wohnungen, also auch unsere sechzig, an eine Großbank gehen würden.

Ich war geschockt, lag enttäuscht am Boden und musste den vielen Gefährten mitteilen, dass dieses Projekt nun doch nicht umsetzbar sei. So stampften wir die Prospekte wieder ein. Und nein, es war nicht leicht, den Rückschlag gegenüber so vielen Menschen zu erklären. Irgendwie fühlte es sich wie eine riesengroße Niederlage an.

Die Reaktionen ließen sich in zwei Lager einteilen: Die Einen meinten, es sei halt eh alles sehr größenwahnsinnig. Die Anderen klopften mir auf die Schulter und meinten: «Du wirst es schaffen. Dir ist doch schon immer alles gelungen.»

Ganz ehrlich? Beides war nicht gerade einfach zu nehmen. Man steht einfach blöd da und hat tausend Fragen an Gott und sich selbst.

Was jetzt? Aus und fertig?

Nein, mein Motto lautet ja: «Gib nie auf!», also suchten wir neue Wege. Es entstand der Plan, im Kleinen anzufangen, indem wir in der Umgebung Wohnungen anmieteten und so erste Schritte in Richtung «Umsetzung der Vision» machten.

Ein zweiter Visionsprospekt entstand, Gespräche mit Wohnungsverwaltungen fanden statt. Doch stellte sich bald heraus, dass auch dieser Weg sich als nicht gangbar erwies.

Also eine Enttäuschung mehr.

Jetzt aufgeben?

Nein, niemals.

Also: Wieder aufstehen und neue Wege suchen.

So beauftragten wir einen ersten Architekten, um abzuklären, wie viele Wohnungen wir auf unser eigenes Werkstattgebäude bauen könnten. Das Resultat: vier bis sechs, also ein Zehntel von meiner Vision.

Wir beauftragten einen zweiten Architekten, Alain Ettlin von «eins Architekten». Der riet uns dazu, das bisherige Gebäude abzureißen, dann würden vierzig Wohnungen drinliegen.

Vierzig? Das wären ja wieder nur zwei Drittel.

Trug ich falsche Vorstellungen in mir? Würden vierzig Wohnungen nicht auch reichen?

Nein, ich wusste einfach, es müssten sechzig sein.

Im Zuge unserer Abklärungen wies uns die Bauverwaltung darauf hin, dass wir mit dem Land der Stiftung und dem Land der Kirche zusammen auf über 10.000 Quadratmeter kämen, und da wir ja sowieso zusammengehörten, wären sie bereit, uns den «Arealbonus» zu geben. So wurde der Weg für eine größere Ausnutzung des Areals und somit sechzig Wohnungen frei.

Nicht aufgegeben. Gesucht. Gefunden.

Tiefes Aufatmen. Großer Jubel.

Wir waren offensichtlich am Ziel angelangt.

Unser Architekt erstellte mit uns zusammen ein entsprechendes Projekt. Um den Arealbonus auch wirklich zu bekommen, mussten wir unsere Pläne einer speziellen Architektur- und Stadtbildkommission zur Genehmigung vorlegen.

Der Tag kam. Wir trabten vor, präsentierten unser Projekt und mussten dann, während drinnen verhandelt wurde, für zwanzig Minuten vor die Tür (Erinnerungen an die Schulzeit).

Dann wurden wir reingebeten, es kam zur «Urteilseröffnung». Unser Projekt wurde in Grund und Boden gestampft, in großem Bogen abgelehnt.

Wie Schulbuben standen wir da.

Und jetzt? Projekt gestorben? Aufgeben?

Alain Ettlin raffte sich mit uns zusammen auf, nochmals neu zu planen. So begann das Ganze mit dem Vorstellig-Werden bei der Kommission wieder von vorne. Und, eigentlich kaum vorstellbar:

Auch jetzt wurden wir wieder abgefertigt.

Nun waren wir wirklich am Boden zerstört. So viel Zeit, so viel Herzblut, so viele Energien waren da reingeflossen – und dann war alles aus. Und nun?

Als wir mit hängenden Köpfen draußen vor der Tür standen, sagte ich zum Vorsteher des Baudepartements: «Das war’s dann wohl. Dann müssen wir uns mit vierzig Wohnungen zufriedengeben.»

Hm, innerlich wusste ich genau, dass es das nicht sein konnte.

Wenn Türen zugehen …

«Wenn Türen zugehen, hat Gott eine bessere bereit» – ja, stimmt, das ist auch so einer meiner Standard-Sprüche. Einfach dahergesagt, aber wenn man sich den Kopf so oft an geschlossenen Türen wundgeschlagen hat? In diesem Moment hätte mir niemand mit solchen Floskeln kommen brauchen. Und doch, als wie wahr sollte sich das, genau wie früher schon, auch jetzt wieder erweisen! Aber das wussten wir in diesem Moment natürlich nicht.

War das Projekt jetzt begraben? Nein, der Bauvorsteher meinte, er sähe noch eine Möglichkeit: Wenn wir in ein Coaching-Verfahren mit seinen Stadtarchitekten einwilligen würden, wäre dies ausnahmsweise ein Weg, dass wir nicht mehr vor der Kommission antraben müssten. Klar, Abstriche an den bisherigen Plänen müssten wir dabei schon machen. Aber das sei doch zu verkraften, oder?

Wir willigten ein, und so stiegen wir in dieses neue Verfahren ein. In sehr gutem Einvernehmen entwickelte sich in den nächsten Monaten das Konzept für das jetzige TownVillage.

Was für ein großartiger Moment, als wir die Baubewilligung für 61 Wohnungen, sämtliche Werkstätten und viele weitere Räume für Kirche und Stiftung in den Händen hielten!

Denke ich heute zurück, dann sehe ich hinter allem die wunderbare Führung unseres genialen Gottes. Statt enorm teuren, kaum noch auf unsere Bedürfnisse anpassbaren Wohnungen konnten wir nun auf dem eigenen Land bauen, was uns viel Gestaltungsfreiheit und in Form des Landwertes auch einen Großteil des notwendigen Eigenkapitals eintrug.

Heute wohne ich im «TownVillage Süd», direkt gegenüber dem Implenia-Bau, und ihr glaubt nicht, wie oft mir ein «Gott sei Dank» dafür über die Lippen kommt, dass die Großbank uns jene Wohnungen vor der Nase weggeschnappt hat.

Das Resultat dieses langen Weges? Ein unbefriedigender Murks? Nein, alles andere. Was mit so vielen Enttäuschungen und Unmöglichkeiten gepflastert war, hat sich durch all die Wirren hindurch zu etwas Großartigem und Beglückendem entwickelt. Zu etwas, das jedes menschliche Tun und Planen übersteigt und übertrifft.

«Wenn Türen zugehen, hat Gott eine bessere bereit!» Ja, stimmt, das ist auch so einer

Kapitel 3

Warum ich nie aufhören werde, Kirche zu lieben

Im Jahr 2020 waren es 43 Jahre, während denen ich in der immer gleichen Kirche das Reich meines himmlischen Vaters mitbaute. In den ersten rund zehn Jahren engagierte ich mich ehrenamtlich, dann die letzten 33 Jahre als leitender Pastor.

Wie viele Tränen, schlaflose Stunden und Nächte habe ich erlebt. Ich lag am Boden, wollte aufgeben, schrie «Ich mag nüme, suech der en andere …» («Ich schaff’s nicht mehr, such dir einen anderen …») Wie oft meinte ich, alles stürze zusammen. Da waren Konflikte, riesige Hindernisse, Enttäuschungen über andere Menschen, oft aber auch über mich selber.

Doch ich kenne auch die andere Seite: Durchbrüche, Wunder, Erfolge, Feiern, Jauchzen – all das durfte ich erleben. Und gleichzeitig: 43 Jahre lang durfte ich mich immer wieder aufrappeln, konnte wieder aufstehen und bekam die Kraft, um weiterzumachen.

Manchmal frage ich mich selbst:

Warum habe ich mir das alles angetan?

In unseren privaten Ferienreisen besuchen meine Frau und ich so viele Gottesdienste wie nur möglich. Dabei geschieht – egal, ob ich die Sprache verstehe oder nicht – fast immer das Gleiche: Schon beim ersten Lied werde ich tief berührt, und es rollen die Tränen über meine Wangen. Der Heilige Geist bezeugt mir so: Hier ist Er gegenwärtig, und hier sind meine Brüder und Schwestern.

Ganz besonders eindrücklich waren die Erfahrungen vor vier Jahren. In Kambodscha besuchten wir verschiedene, meist aus Lehm gebaute Kleinstkirchen. Da standen oder hockten wir weit draußen im Nirgendwo unter Wellblechdächern, der Schweiß rann nur so an uns hinunter, und wir versuchten, ein paar Brocken zu verstehen. Und doch: Von A bis Z ein «Heimspiel», ein inneres Heimkommen.

Dann kamen wir nach Singapur. Der erste Kirchenbesuch galt einer angesagten, trendigen, hochmodernen Jugendkirche mit einer Art «Catwalk» mit LED-Vorhang. Beim zweiten Besuch ging’s dann in einen avantgardistischen, auf Hochglanz getrimmten Riesenpalast mit 5000 Plätzen.

Hier die äußerlich armen Gemeinden in Kambodscha, dort die funkensprühenden Edelgemeinden in Singapur – aber egal, welche der vielen Gemeindehäuser wir betraten, die Tränen waren da, und ich wusste tief im Innersten: Jesus liebt alle diese Kirchen.

Ja, es ist so, auch ich liebe Kirchen. Egal, wie sie aussehen, ob groß oder klein, strahlend oder etwas runzlig, katholisch oder reformiert, konservativ oder modern, ich liebe sie. Warum? Weil ich Jesus liebe.

Was hat aber meine Liebe zu Jesus mit der Liebe zur Kirche zu tun? Sehr viel, denn Jesus liebt die Kirche, und was Jesus liebt, das will auch ich lieben – oder etwa nicht?

Woran mache ich es fest, dass Jesus die Kirche liebt?

Die Kirche: die Erfindung von Jesus

Es war in Cäsarea Philippi, ganz im Norden von Israel, wo Jesus mit Petrus über die Kirche sprach und ihm sagte: «Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und das Totenreich mit seiner ganzen Macht wird nicht stärker sein als sie» (Matthäus 16,18).

Jesus sagt: «meine Kirche». Ja, die Kirche gehört Jesus und nicht den Menschen, und weil sie seine Erfindung ist und ihm gehört, weiß ich, dass sie wertvoll ist.

Noch etwas sagt Jesus: Nichts wird sie zerstören können. Über zweitausend Jahre lang versuchte der «Durcheinanderbringer» mit all seinen Tricks und Kräften, die Kirche zu zerstören. Von außen mit Verfolgung, aber noch viel stärker von innen her: Irrlehren, Intrigen, Missbrauch, Degeneration. Doch was Jesus sagt, geschieht: Keine Macht konnte die Kirche je besiegen. Auch wenn es oft so aussah, als sei sie am Ende, immer wieder ist sie aus den Trümmern heraus neu aufgeblüht.

Wie könnte ich das, was Jesus erfunden und zweitausend Jahre lang bewahrt und geschützt hat, nicht lieben?

Die Kirche: die Braut von Jesus

Hast du schon mal bei Hochzeiten dem Bräutigam in die Augen geschaut, wenn ihm seine Braut den langen Kirchengang entgegenkam, mitunter hineinbegleitet von ihrem Vater oder einer anderen wichtigen Bezugsperson? Wenn ja: Hast du das Glänzen in den Augen des Bräutigams gesehen? Seine Erwartung, seine Liebe, seine Freude?

Als Pastor konnte ich das hundertfach beobachten, und ich kann mich bis heute noch nicht daran sattsehen.

Und ja, es ist auch wahr, es gibt verschiedene Bräute. Die einen sind jung und bildhübsch, die anderen schon etwas älter und vielleicht auch nicht mehr unbedingt «Typ Supermodel». Die einen sind eher scheu, die anderen selbstbewusst. Die einen schauen bereits glücklich nach vorn zum Bräutigam, die andern sind auf den paar Metern bis zum Altar noch ganz mit sich selbst beschäftigt.

Doch was soll’s, sie mögen so oder anders sein – der Bräutigam strahlt trotzdem um die Wette.

Und genau so ist Jesus! Er vergleicht seine Beziehung und seine Liebe zur Gemeinde mit der Liebe eines Bräutigams zu seiner Braut. Und ja, auch wenn diese «Bräute» mitunter veritable Runzeln haben, er liebt sie trotzdem.

Und noch etwas: Im Epheserbrief schreibt Paulus, dass Jesus sein Leben für die Kirche gab.

Hmm, sein Leben für die Kirche geben?

Dass Jesus sein Leben für mich und dich gegeben hat, das ist gängiges Verständnis und eigentlicher Basisglaube bei Christen. Aber dass Jesus sein Leben auch für die Kirche gab?

Wie könnte ich denn das, was Jesus seine Braut nennt – seine Braut, für die er ausdrücklich sein Leben gegeben hat –, nicht lieben?

Die Kirche: Hände und Füße von Jesus