Ungewollt - Adora Belle - E-Book

Ungewollt E-Book

Adora Belle

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ludger von Instetten kehrt nach der Messerattacke seines Mitschülers Florian gegen den Willen seiner Familie nach Schloss Falkenhorst zurück. Er sieht sich selbst als mitverantwortlich an den Geschehnissen die dazu geführt haben, hat er sich doch vor Jahren eben diesem Jungen in eindeutiger Weise aufgezwungen. Kurz nach seiner Rückkehr verkehren sich die Gegebenheiten jedoch ins völlige Gegenteil, als Sebastian, ein neuer Mitschüler in die Klasse kommt, in dem jeder nur den netten Jungen sieht, dessen wahre Persönlichkeit aber in krassem Gegensatz dazu steht. Bald schon ist Ludger verzweifelt und sieht keinen Ausweg mehr aus seiner prekären Lage. Hinzu kommt, dass auch Max sich ihm gegenüber immer merkwürdiger verhält und das, nachdem Ludger eigentlich schon gehofft hatte, in dem rothaarigen Jungen einen Freund gefunden zu haben. Was steckt hinter dessen rätselhaftem Verhalten? Und was kann er wegen Sebastian unternehmen? (Diese Geschichte ist der dritte Teil der Falkenhorst-Trilogie, die ihren Anfang mit "Ungeplant" und "Ungebeten" genommen hat und mit der vorliegenden Geschichte nun ihr Ende findet. Das Buch ist ebenso wie die beiden vorigen Bände komplett überarbeitet worden und war lange Zeit kostenlos bei bookrix.de eingestellt.)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Adora Belle

Ungewollt

Schloss Falkenhorst Band III

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Ungewollt

 

 

Es heißt, man trifft sich immer zweimal im Leben.

Ich habe das eigentlich immer für Blödsinn gehalten – mit Sprichwörtern hab´ ich es eh´ nicht so. Aber nach der Sache mit Florian war mir klar, dass manchmal doch was Wahres drinsteckt.

Dabei habe ich mir den ganzen Ärger selbst eingebrockt!

Wäre ich ihm nicht vor Jahren ungefragt einfach an die Wäsche gegangen, wäre das alles nicht passiert. Flo hätte Jannis nicht niedergeschlagen, und er wäre auch nicht mit dem Messer auf mich losgegangen.

Hätte ich mich nur damals besser im Griff gehabt!

Aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer!...

 

*

 

… Als es passierte, war Florian mit seinen Eltern zu Besuch auf unserem Gut, denn es war Jagdsaison, und meine Eltern veranstalteten wie jedes Jahr diverse Gesellschaften, zu denen nicht nur Familie und Freunde eingeladen wurden, sondern auch wichtige Geschäftspartner.

Und Florians Vater war genau so ein wichtiger Geschäftspartner.

Außerdem besuchte Flo die gleiche Schule wie ich. Nicht, dass wir uns gut gekannt hätten oder so, er ging in eine andere Klasse der gleichen Jahrgangsstufe, und deswegen war er für mich eigentlich nichts anderes als irgendein Gesicht in der Menge, das man schon mal gesehen hat.

Wir waren beide fast fünfzehn, und ich erlebte damals gerade eine heftige Sturm- und Drangperiode. Ich wusste schon seit einer Weile aus eigener Erfahrung, was feuchte Träume sind und hatte mich gerade zaghaft damit abgefunden, dass ich beim Onanieren nicht an große Brüste dachte, sondern an schmale Hüften und knackige Männerpos.

Mit anderen Worten – ich begriff allmählich, dass ich ... schwul war.

Als ich jedoch einige Zeit später den Mut fand, es meinen Eltern zu beichten, nahmen die mich leider überhaupt nicht ernst.

„Ach, Ludger, du bist noch so jung“, tönte zum Beispiel mein Vater und legte mir jovial den Arm um die Schultern, „du hast doch noch gar keine Ahnung! Wenn dir erst mal die richtige Frau über den Weg läuft, denkst du nicht mehr an diesen Unsinn!“

Damit war für ihn das Thema erledigt und meine Mutter sah es ähnlich. Abgesehen davon waren die beiden ohnehin viel zu sehr mit ihrem gesellschaftlichen Leben beschäftigt, um sich mit meinen „Kindereien“ abzugeben.

Aber das lag zu dem Zeitpunkt, wo die unglückselige Geschichte mit Florian passierte noch ein gutes Stück in der Zukunft und soll daher hier nur am Rande erwähnt weden.

Flo jedenfalls war damals noch nicht der breitschultrige, sportliche Typ, der mir später auf Falkenhorst wieder begegnete. Im Gegenteil, war er sogar fast einen ganzen Kopf kleiner als ich, und obwohl ich selber auch eher ein schmaler Typ bin, wirkte er neben mir fast schon schmächtig.

Seine dunklen Haare hingen ihm in wirren Fransen in die Stirn und ließen ihn ein bisschen wie einer der Charaktere aus den Mangas aussehen, die ich zu dieser Zeit so gerne las, und vielleicht war das der Hauptgrund, weshalb ich an diesem Tag überhaupt auf ihn aufmerksam wurde.

Wir waren uns praktisch selbst überlassen, da die Erwachsenen nach der Jagd alle noch unter Adrenalineinfluss standen und sich gegenseitig, unter dem Deckmantel würdevoller Gelassenheit, ihre Erlebnisse während der Jagd in den blumigsten Farben schilderten. Dabei wurden wie immer Tabletts mit Sekt oder Schnaps herumgereicht, und die wenigen anwesenden Kinder – ja, dazu wurden auch Florian und ich noch gezählt! - nutzten die mangelnde Aufmerksamkeit ihrer Eltern, um sich unbemerkt aus dem Staub zu machen.

Die meisten verschwanden Richtung Ställe, um dort im Stroh zu spielen, doch Flo und ich schlenderten gelangweilt über das Gelände, weil wir uns für solche kindischen Albernheiten schon viel zu erwachsen vorkamen. Wir redeten ein wenig, beschnupperten uns vorsichtig, und währenddessen betrachtete ich ihn verstohlen.

Er war wirklich ziemlich niedlich damals, und ich konnte es nicht verhindern, dass ein paar merkwürdige Gedanken durch mein Gehirn zogen. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie er wohl nackt aussähe, und wie es sich anfühlen würde, ihn im Arm zu halten, oder mehr.

Ich hatte zu dieser Zeit noch keinerlei Erfahrung mit Dingen wie Küssen, Petting, oder gar Sex. Alles Andere wäre sicher schon für einen Hetero in diesem Alter früh gewesen, aber für einen schwulen Jungen wie mich schlichtweg undenkbar. Aber vielleicht ergab sich ja heute noch eine Gelegenheit, das zu ändern?

Kurz entschlossen fragte ich Flo, ob er nicht Lust hätte, mit in mein Zimmer zu kommen, da wäre es doch viel gemütlicher, und arglos stimmte er zu.

Wir trabten also zurück zum Haupthaus, und im Vorbeigehen stibitzte ich noch eine Flasche mit Kräuterschnaps aus der Speisekammer, bevor wir die Treppe hinaufeilten. In meinem Zimmer schaltete ich den CD-Spieler ein und bot ihm einen Sitzplatz auf dem Bett an.

„Setz´ dich doch. Ich hol´ eben noch ein paar Gläser für uns.“

Zum Glück hatte ich zwei kleine Gläser in einem Regal stehen, sonst hätte ich nochmal nach unten gehen müssen, und danach stand mir nun gar nicht der Sinn.

Ich schenkte uns ein und reichte einen Schnaps zu Flo hinüber, der etwas skeptisch auf die braune Flüssigkeit starrte. Dann setzte ich mich auf den Boden und lehnte mich lässig gegen die große Yucca-Palme, die dort stand. Ich prostete ihm zu und beobachtete ihn, wie er sein Glas unschlüssig in der Hand hielt.

„Nun nimm´ schon! Hast du etwa noch nie so was getrunken?“

Ich gab meiner Stimme einen leicht ungläubig-verächtlichen Klang, obwohl ich selbst auch noch nie solche harten Sachen probiert hatte. Aber es wirkte - Florian kippte wortlos den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter und versuchte krampfhaft sein Schaudern dabei zu unterdrücken. Klarer Fall – er wollte nicht, dass ich auf ihn herabsah. Das versprach also noch spannend zu werden! Ich grinste und goss ihm sein Glas, ungeachtet seines Protestes, sofort wieder voll.

Meinen eigenen Schnaps hatte ich, ohne dass er es merkte, rasch und unauffällig in die Blumenerde der Palme geschüttet und dann so getan, als leckte ich mir genießerisch die Lippen. Beim zweiten und dritten Mal machte ich es genauso, und auch ein viertes Glas landete in der Zimmerpflanze.

Dann beschloss ich, dass es genug war, schließlich wollte ich ihn ja nur ein bisschen auflockern und nicht bis zur Bewusstlosigkeit abfüllen.

Ich stand auf, räumte die Flasche und die Gläser weg und setzte mich neben ihn.

Wir unterhielten uns, wobei ich allerdings schon bald den Einfluss des Alkohols bei ihm bemerkte.

Seine Stimme wurde etwas unsicher, er verhaspelte sich bei längeren Worten und fing an zu nuscheln. Das klappte ja wie am Schnürchen! Ich rückte ein bisschen näher und er lachte.

„Du, isch glaub´ isch binn ein büschen bedrunken!“

Er schien das ungeheuer komisch zu finden, und ich lachte mit ihm, während ich betont unauffällig noch näher rückte.

„Ach was! Und selbst wenn - das ist doch nicht schlimm, Flori!“, gab ich grinsend zurück.

Wie selbstverständlich legte ich ihm die Hand aufs Knie und beugte mich zu ihm. Er war immer noch völlig arglos und ein paar Minuten lachten und flaxten wir weiter herum. Dann beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen und küsste ihn.

Im ersten Moment war er völlig perplex, doch als ich anfing, sein Hemd aus der Hose zu ziehen und meine Hand darunter zu schieben, begann er sich zu sträuben.

Mir gefiel die Sache aber zu gut, um jetzt einen Rückzieher zu machen, also hielt ich ihn fest, wobei mir die Tatsache, dass er doch ziemlich alkoholisiert war, in die Hände spielte.

Zu sinnvollen Äußerungen war er nicht mehr in der Lage, er stieß nur unartikulierte Laute aus, während ich ihn zu Boden drückte und fieberhaft an seinen Kleidern zerrte. Bald hatte ich sein Hemd geöffnet, hockte mich rittlings über seine Hüften und presste mein Becken gegen seines.

Ob es am Alkohol lag, weiß ich nicht, jedenfalls rührte sich bald etwas bei ihm, und ich tastete mit der Hand nach der kleinen Beule in seiner Hose. Sein Widerstand erlahmte, ich konnte endlich ungestört seinen Hosenschlitz öffnen, mit der Hand hineingreifen und seinen halbsteifen Penis zu ganzer Härte reiben.

Mir war natürlich auch selbst ziemlich heiß geworden bei dieser Aktion, und irgendwann holte ich meine eigene Härte ebenfalls heraus. Ich rieb beide Schwänze mit einer Hand, immer schneller und fester, bis wir im Abstand von wenigen Augenblicken beide keuchend abspritzten.

Florian hatte seine Arme vor das Gesicht geschlagen, und kaum stieg ich von ihm herunter, rollte er sich in Embryonalhaltung zusammen und kehrte mir den Rücken zu. Kurz darauf hörte ich ihn leise schniefen. Da erst kam mir zu Bewusstsein, was ich gerade getan hatte, und mein lustumwölktes Hirn fand zurück in rationale Bahnen.

Wenn das jemand von den Erwachsenen erfahren würde, könnte es ziemlichen Ärger geben, soviel war mir klar. Also war es wohl doch besser, wenn ich mich um ihn kümmerte …?!

Ich legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter, und er zuckte zusammen.

„Flo?“ Er rührte sich nicht. „Flo!“ Noch immer keine Reaktion.

Verdammt, er sollte sich gefälligst nicht so anstellen! Er war doch schließlich genauso gekommen wie ich, also konnte es ihm ja wohl nicht völlig zuwider gewesen sein!

„Du wirst doch keinem was davon erzählen, oder?“

Ich bemühte mich, lässig zu klingen, und er setzte sich endlich hoch und drehte sich zu mir um. Mit einer Hand wischte er sich über das Gesicht und schaute mich böse an.

„Bist du bescheuert? Wem soll ich das denn erzählen? Glaubst du ich will, dass mich alle für schwul halten?“

Er rappelte sich vom Boden hoch und richtete seine Kleidung. Ich reichte ihm schnell ein Papiertuch, damit er sich säubern konnte, bevor er das Hemd zurück in die Hose stopfte, und zwei Minuten später war er zur Tür hinaus verschwunden.

Ich blieb noch eine Weile in meinem Zimmer und kostete die Erinnerung an das Erlebnis aus, doch irgendwann mischte auch ich mich wieder unter die Jagdgesellschaft.

Florian ging mir den Rest des Tages aus dem Weg und vermied sogar, mich anzusehen, aber mir war das damals weitgehend egal, denn ich hatte schließlich bekommen, was ich gewollt hatte, und davon würde ich bestimmt noch lange zehren können.

Im folgenden Jahr schickten meine Eltern mich auf ein Internat, und dort verliebte ich mich dann eines Tages ernsthaft in einen Mitschüler.

Mein Erlebnis mit Florian war bis dato eine einmalige Episode geblieben, und leider war auch mein Schwarm nichts weniger als schwul. Im Gegenteil, war er vermutlich der größte Heteromacker der ganzen Schule! Groß, sportlich und gutaussehend wie er war, gab es wohl kein einziges Mädchen an der Schule, das nicht zumindest heimlich von ihm träumte.

Und während er fast jede Woche eine andere Tussi abschleppte, stand mir der Sabber fast knöchelhoch in den Schuhen …

Leider beging ich dann jedoch den Fehler, mich von ihm erwischen zu lassen, als ich versuchte, eine seiner Boxershorts zu stehlen.

Er machte natürlich einen Riesenaufstand, und die Sache zog umso größere Kreise, als ich vorher derart vorsichtig gewesen war, dass tatsächlich niemand auch nur im Entferntesten geglaubt hatte, ausgerechnet ich könnte homosexuell sein.

Naja, aber wie auch immer, die Schule war streng katholisch, und wenn man auch sonst nicht viel davon merkte - nicht zuletzt weil eine Menge Schüler, die anderen Konfessionen (oder auch gar keiner) angehörten, dort unterrichtet wurden, besann man sich nach meinem Fauxpas plötzlich wieder auf die angebliche göttliche Verteufelung aller Schwulen und legte meinen Eltern nahe, sich nach einem anderen Internat für mich umzusehen.

Mein Vater war stocksauer, allerdings nicht auf mich – was ich getan hatte, fiel für ihn unter das Kapitel „Jugendsünden“. Er fluchte jedoch völlig unchristlich und seinem Stand unangemessen auf die Schule und die „geldgierigen Heuchler“, die sich von den „neureichen Jammerlappen“ unter den anderen Eltern einwickeln ließen. In seinen Augen hatte ich nichts Schlimmes getan, dennoch folgte er der Empfehlung und brachte mich im folgenden Schuljahr in Schloss Falkenhorst unter.

Gleich am ersten Tag lernte ich Gregor kennen und schon kurz darauf begriff ich, dass er und sein Mitbewohner Jannis ein Liebespaar waren. Es wunderte mich, dass die Anderen es nicht kapierten, aber vielleicht fiel es mir auch nur auf, weil ich selber auf Jungs stand. Die Blicke, die sie sich zuwarfen, die verstohlenen Berührungen, so viele Kleinigkeiten gab es da, die in meinen Augen völlig eindeutig waren.

Offenbar wussten aber nur ihre drei besten Freunde Bescheid, und deren Benehmen nach auch noch nicht allzu lange.

Dass es sich bei meinem eigenen Mitbewohner jedoch ausgerechnet um den niedlichen Florian von damals handelte, war mir lange Zeit nicht bewusst. Ich hatte ihn seit der unglückseligen Geschichte nur noch selten gesehen, da er mir aus dem Weg ging und seit ich auf einem Internat zur Schule ging, sogar überhaupt nicht mehr, und nicht zuletzt hatte er sich in den vergangenen drei Jahren auch sehr verändert.

Er war ziemlich gewachsen, trug die Haare kürzer und praktisch immer einen finsteren Gesichtsausdruck, sobald er mich nur sah. Anfangs dachte ich ja noch, der Grund dafür wäre, dass er seinen vorherigen Zimmerkameraden vermisste, mit dem ihn wohl eine enge Freundschaft verbunden hatte. Aber wirklich gesprächig war er mir gegenüber ja nicht, und erst, als wir uns wegen einer Kleinigkeit heftig in die Haare gerieten, brach es aus ihm heraus, wer er war. Und selbst da war ich noch so verbohrt, dass ich meine anfängliche Bestürzung verbarg und einfach weiter den coolen Typen markierte. Obwohl ich merkte, wie sehr die Sache von damals ihm noch immer zu schaffen machte, tat ich so, als ginge mich das alles nichts an. Ich redete mir ein, das alles wäre lange her und keinen weiteren Stress wert.

Ich hätte allerdings auch nicht im Traum erwartet, dass er Jannis überfallen und versuchen würde, es mir in die Schuhe zu schieben, um sich zu rächen!

Erst, als er mir das Messer an die Kehle hielt und mich auf die Schlossmauer schleppte, fing ich an nachzudenken und kapierte, wie egoistisch ich mich in Wahrheit verhalten hatte. Wenn ich den Mut gehabt hätte, zu meiner Tat zu stehen und mich bei Flo wenigstens zu entschuldigen – was wenig genug gewesen wäre! - wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Aber das wurde mir erst klar, als es zu spät war, als ich wie ein heulendes Häufchen Elend über der Mauerzinne hing und um mein Leben fürchtete!

Zum Glück ging die Sache einigermaßen glimpflich ab, zumindest für mich.

Florian musste die Schule zwar verlassen, aber ich konnte meinen Vater wenigstens überreden, die Anzeige gegen ihn fallen zu lassen, sodass die Geschichte von damals nicht in der Öffentlichkeit breit getreten wurde. Das war das Mindeste, was ich für ihn tun konnte, wenn ich ihn schon nicht mehr persönlich sah und meinem Vater war die Erleichterung anzumerken, dass auf diese Weise ein größerer Skandal verhindert wurde, bei dem der Name Instetten durch den Dreck gezogen würde.

Natürlich musste ich ihm im Zuge des Ganzen dann auch beichten, was zwischen Florian und mir damals vorgefallen war. Das nahm meinen Vater sichtlich schwer mit, hatte er doch bisher jeden Gedanken an die Homosexualität seines einzigen Sohnes stets erfolgreich von sich geschoben. Und nun sah er sich mit Tatsachen konfrontiert, die sich nicht wegschieben ließen und kräftig an seiner Weltsicht rüttelten. Auseinandersetzen konnte oder wollte er sich aber ganz offenbar noch immer nicht damit. Die Vorstellung war ihm sichtlich zuwider.

Eigentlich wollte er mich nach der ganzen Sache wieder auf eine andere Schule schicken, aber in einer seltenen Anwandlung von Bußfertigkeit bestand ich darauf, nach Falkenhorst zurückzukehren. Keine Ahnung, was ich mir davon versprach, aber es gelang mir, meine Eltern zu überzeugen, und so brachte mich mein Vater bereits zwei Tage nach dem Vorfall mit Florian ans Internat zurück ...

 

*

 

Es ist später Vormittag, als ich eintreffe, und so gut wie alle Schüler befinden sich im Unterricht. Daher begebe ich mich zunächst in mein Zimmer und bleibe dort einen Moment in der offenen Tür stehen.

Das Bett meines Zimmergenossen ist abgezogen und all seine Besitztümer verschwunden. Es ist ein komisches Gefühl, sich in dem halbleeren Zimmer aufzuhalten.

Mein Vater hat sich bereits von mir verabschiedet, und ich kann das bittere Gefühl nicht abschütteln, dass er froh ist, seinen schwulen Sohn wieder für eine Weile los zu sein. Auch beim Schulleiter bin ich schon gewesen, und er hat mich freundlich begrüßt, sich nach dem Schnitt in meiner Hand erkundigt, wo ich Florian ins Messer gegriffen habe und mir dann freigestellt, ob ich heute noch in den Unterricht gehe. Ich habe für mich beschlossen, bis nach der Mittagspause zu warten. Mir ist klar, dass ich kaum darauf hoffen kann, völlig unbeachtet zu bleiben, aber ich nehme an, dass es weniger Aufsehen erregt, wenn ich einfach nach dem Essen in der Klasse auftauche, als wenn ich jetzt mitten in den Unterricht platze.

Tief aufatmend lasse ich mich auf mein Bett sinken und versuche, mich mental auf das Wiedersehen mit den Anderen vorzubereiten. Wie werden sie reagieren?

Zwar haben etliche meiner Klassenkameraden schon vorher geahnt, dass ich schwul bin, denn die Geschichte aus meiner alten Schule hat auch ohne mein Zutun die Runde gemacht, aber jetzt nach Florians Überfall auf mich, brodelt die Gerüchteküche bestimmt noch mehr.

Gregor und Jannis haben garantiert nichts rumerzählt, die sind einfach nicht der Typ dafür, genausowenig wie Max oder Antonio. Nur bei Markus bin ich mir nicht sicher, der ist doch eine ziemliche Tratschtante, nach allem was ich bis jetzt mitbekommen habe.

Diese Fünf sind vor zwei Tagen hautnah dabei gewesen und wissen über den Hintergrund in groben Zügen Bescheid. Ihre Gesichter haben Bände gesprochen, als Florian die Story über die Mauer zu ihnen hinunter posaunt hat, also liegt die Vermutung nahe, dass sie mir die kalte Schulter zeigen werden, wie sicherlich die restlichen Schüler auch.