Unser Fräulein Doktor - Wolf- Dieter Erlbeck - E-Book

Unser Fräulein Doktor E-Book

Wolf- Dieter Erlbeck

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Beschreibung

Die Klassenfahrt der Abiturklasse steht an und Dieter, der Held dieser Geschichte, fällt von einem Liebesabenteuer in das nächste und vergleicht doch alle Liebschaften mit seiner Klassenlehrerin, dem "Fräulein Doktor", in die er mit Haut und Haaren verknallt ist. Seine Streiche sind legendär und treiben so manchen Lehrkörper in den Wahnsinn! Während der Klassenfahrt dann der absolute Knaller. Er verliebt sich Hals über Kopf in eine Schülerin einer anderen Schule und verändert von dem Augenblick sein ganzes junges Leben, was nicht ohne Folgen, im Bezug zu seinen Klassenkameradinnen bleibt!

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Seitenzahl: 458

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Wolf- Dieter Erlbeck

Unser Fräulein Doktor

Die Klassenfahrt

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Klassenfahrt

Unser Fräulein Doktor

Abreagieren

Ute

Vorbereitung zur Klassenfahrt

Dafür hat man Freunde

Tiger Lilly

Abendessen

Eine ernste Unterredung

Eifersucht

Das Mädchen Uschi

Begegnung im Waschsalon

Die Notlüge

Zärtlichkeiten

Liebeswirren

Tag 3 und der Wahnsinnsplan

Die Externsteine

Die Rückfahrt

Der nächste Streich

Liebe Unterredung

Jetzt geht es los

Uli in Not

Erfinderisch macht klug

Der Hinterhalt

Der Tag danach

Reibereien

Beleidigte Leberwurst

Der Grillabend

Kleine Intrigen

Zweifel

Kapitel 31

Kapitel 32

Impressum neobooks

Die Klassenfahrt

Der Tag begann mal wieder so normal, daß es schon beinahe wieder unnormal anmutete! Es schien ein wunderschöner Frühsommertag, mitten im Mai zu werden! Die Sonne versuchte schon am Morgen mit aller Macht zeigen zu wollen, wer hier auf Mutter Erde die nächsten Wochen und Monate regiert.

Unsere Klasse war, bis auf zwei Ausnahmen, vollständig versammelt. Die beiden Ausnahmen, wie sollte es auch anders sein, Wolfgang, der permanent zu spät kam und Babsi, unser Partygirl, die allerdings diesmal die Grippe ins Bett zwang!

Heinz, der Bastler und Künstler, beschäftigte sich damit, wie abgesprochen, die beiden heutigen Seiten fein säuberlich aus dem Klassenbuch herauszutrennen, wobei ihm der Umstand, daß es sich um die Mittelseiten handelte, doch sehr entgegen kam!

Uwe plazierte in der Zwischenzeit zirka 30 Reißzwecken so unter die Sitzfläche des Lehrerstuhles, daß die Spitzen schön gleichmäßig zwar herausragten, man es aber bei oberflächlicher Betrachtung nicht sofort merkte.

Alexandra beschäftigte sich noch damit, die Aktfotos eines einschlägig bekannten Massenblattes hinter der zusammenklappbaren Wandtafel zu befestigen während ich versuchte, ohne vorher alles auszukippen, eine randvoll mit Wasser gefüllte Schüssel in den Schubkasten des Lehrertisches zu stellen!

In unserem Vorstellungsvermögen war der durchschlagende Erfolg programmiert, da Herr Paul, dem dieser Anschlag galt, eine Reihe von Gewohnheiten besaß, die sich in schöner Regelmäßigkeit Morgen für Morgen wiederholten. Er bettelte förmlich darum dies in Streichen auszunutzen!

Herrn Paul, unser vorgesehenes Opfer, kann man nicht unbedingt als unsympatisch bezeichnen. Es fehlte ihm lediglich an dem gewissen, unerläßlichen, heißen Draht seinen Schülern und Schülerinnen gegenüber, also uns! Eine unverkennbare Nervosität und schnelle Reizbarkeit ließ uns immer erfinderischer im Aushecken von Streichen zu seinem Nachteil werden.

Das Klingelzeichen auf dem Flur kündigte uns den Beginn des Unterrichtes an!

Sekunden später schon, Pünktlichkeit wurde bei ihm groß geschrieben, vernahmen wir den schlürfenden Schritt unseres Herrn Pauls!

„Guten Morgen“

„Guten Morgen Herr Paul“, brüllten wir strammstehend zurück!

Er nickte kurz und ließ uns damit wissen, auf unseren vier Buchstaben Platz zu nehmen.

Wie gewohnt warf er seine Tasche schwungvoll in elegantem Bogen auf den Lehrertisch. Sie blieb auch genau an der Stelle liegen, wo sich unser Klassenbuch befand. Da seine Tasche das Klassenbuch völlig verdeckte, war Punkt eins unseres Planes erfüllt! Normalerweise befand sich das Klassenbuch nämlich in der Schublade, wo jetzt die Wasserschüssel auf ihren Einsatz wartete.

Für Helmut begann jetzt die schwierigste Phase. Er saß unglücklicherweise, oder für uns glücklicherweise auf dem Platz, wo, wie gewohnt, Herrn Pauls Aktentasche ruhte.

Er sollte, egal wie, die Butterbrotdose aus dieser Aktentasche herauszaubern, um anschließend das Pausenbrot, das er in der Regel während der ersten Unterrichtsstunde zu verspeisen pflegte, zu entfernen und durch einen einfachen, klebrigen Laubfrosch zu ersetzen!

Herr Paul kam ihm, wie erhofft, da es seiner Gewohnheit entsprach, insofern entgegen, daß er die Frühstücksdose selbst herausnahm und fein säuberlich, in Nord- Süd Richtung, Ordnung ist eben das halbe Leben, 2,5 cm von der Tasche entfernt hinlegte!

Dadurch entfiel Aktion „Ohnmacht“, Monikas Aufgabe, Herrn Paul in die hinteren Reihen zu locken, um Helmut sein Vorhaben zu erleichtern. Monikas Seufzer vernahmen wir bis in die erste Reihe und er entlockte mir ein zaghaftes Lächeln.

In diesem Augenblick betrat Wolfgang, völlig außer Puste und mit hochrotem Kopf das Klassenzimmer.

„Entschul....“

Weiter kam er in der Regel nicht, da er zum einen nicht der Schnellste beim Sprechen war und zum anderen Herr Paul, dessen Spitzname übrigens Ede lautete, ihm mit einem donnernden:

„Setzen“,

in das Wort fiel!

Auch heute glich dieser Vorgang den 20 oder 30 Fällen der vergangenen Monate!

Zwischen Kopf und Schulter beliebte es unserem Schöpfer den Hals anzusiedeln, um eine Verbindung zwischen Kopf und Körper herzustellen, was auch nicht zu bemängeln ist.

Bei Wolfgang schien er das allerdings, wie es im Augenblick aussah, total vergessen zu haben. Nicht daß Wolfgang keinen Hals besaß, er hatte nur im Moment den Kopf so weit eingefahren, daß er fast zwischen den Schulterblättern verschwand.

Dass er nach wie vor noch über einen Kopf verfügte, erkannte man spätestens an zwei handtellergroßen Latschen, die in seinem äußerst markanten Gesicht die Ohren darstellten! Wir sagten immer bei der Vergabe der Ohren muß unser Schöpfer sie mit Paddeln, wie beim Rudern üblich, verwechselt haben!

Als er nun endlich hustend und schnaubend seinen Platz erreichte und sich schwer auf den Stuhl fallen ließ, erkannte man bei ihm auch wieder vorne und hinten! Dabei räumten wir wohlwollend ein, daß er sich bestimmt nicht rücklings auf den Stuhl setzte.

Sein Nachbar verabreichte ihm einen leichten Knuff mit dem Ellenbogen und grinste ihn mit der gesamten Breite seines ohnehin nicht gerade schmalen Gesichtes an. Sofort kehrten auch bei Wolfgang nach und nach alle Lebensgeister zurück. Sein Hals wurde lang und länger. Wer das zum ersten Mal sah, kam in Versuchung „Halt“ zu schreien, damit der Kopf sich nicht aus der Gewindeschraube herausdrehen und zu Boden stürzen konnte! Aber mit einem Ruck endete dann das grandiose Schauspiel! Es schien als wäre etwas eingerastet oder ein nicht sichtbarer Endschalter habe angesprochen!

Das anschließende Kopfdrehen bedeutete nicht mehr und nicht weniger eine Funktionskontrolle aller beweglichen Teile der Fläche seines Körpers, die sich oberhalb des Halses befanden und in der Umgangssprache als Gesicht bezeichnet werden.

Die Haare hingen weit über seine Augen hinüber und daß er der Einzige in der Klasse blieb, dem wir keine Augenfarbe zuordnen konnten lag nicht daran, daß er keine hatte, sondern an der Länge seiner Haare! Manche Schüler schworen Stein und Eisen, daß er eine Brille trägt, nur gesehen hatte sie noch niemand! Aus seinen Erzählungen ging hervor, daß sein Vater ihm immer die Haare schneidet, streng nach dem System Kochtopf! Aufsetzen und alles was übersteht, wegschneiden! Vielleicht sollte es sein Vater mal mit einem kleineren Topf versuchen! Gerüchteweise befand er sich schon seit einem Jahr auf Montage! Von Wolfgangs Haarlänge ausgehend auch eine plausible Erklärung! Erstaunlich fanden wir auch die Tatsache, daß er trotzdem alle Personen, die vor ihm standen, erkannte!

Einige behaupten es läge, ähnlich einem Hund, an einem sehr ausgeprägten Geruchssinn, der es ihm ermöglichte, seinen Gegenüber nicht zu sehen sondern zu erschnuppern! Manchmal bekräftigte er diese Behauptungen mit geradezu artistischen Glanzleistungen seines Riechorganes! Leider stellte sich aber hinterher meist heraus, daß es nur eine verzweifelte Übung war, wieder Luft durch seine permanent verstopften Nasenlöcher zu bekommen!

Überhaupt seine Nase! Nach den Ohren unzweifelhaft der größte Teil seines Gesichtes. Er mußte dem lieben Gott eigentlich dankbar sein, daß die Nase vorne im Gesicht angebracht war! Hätte unser Schöpfer in einem Anfall von Hinterlistigkeit die Nase an der rückwärtigen Front angebracht, wäre es unserem Wolfgang nicht erspart geblieben, ein Leben lang eine rote Fahne an die Nase zu hängen, da Teile, die mehr als einen Meter herausragen so gekennzeichnet werden müssen!

Nach den Ohren und der Nase galt sein Mund als drittes uneingeschränktes Gütezeichen. Wenn er lachte, bekamen die Ohren Besuch vom Mund. Die Oberlippe klatschte an die Stirn und die Unterlippe knöpfte sein Hemd zu!

Man mußte schon sehr genau hinsehen, um festzustellen wo der Mund aufhört und die Ohren anfangen. Wenn er dann auch noch mit offenem Mund lachte, konnte jeder in der Nähe befindliche Zahnarzt die Hände ineinander reiben und würde sich um ihn als Patienten bemühen!

Eine Lebensaufgabe für jeden Dentisten!

Dort wo andere Menschen Zähne ihr Eigen nannten, besaß Wolfgang so etwas wie eine Bauruine! Man fragte sich unwillkürlich ob er vielleicht die Zahnbürste mit der Schuhbürste verwechselt hatte?

Alle übrigen sichtbaren Teile seines, nennen wir es weiter Gesicht, überwucherten Sommersprossen! Klaus, sein bester Freund, nannte ihn Millionär- Sommersprossenmillionär! Ich hätte gern gewußt ob sich die Sommersprossen auch in den Mund hinein erstrecken, aber in Anbetracht der zuvor beschriebenen Bauruine und des strengen Geruchs, der einem entgegenschlug, wenn man ihm zu nahe kam, verzichtete ich auf mein Vorhaben!

Ede ließ inzwischen seinen Blick über die Dächer unseres kleinen Städtchens schweifen, entsprechend seiner morgendlichen Gewohnheit, und erzählte uns dabei mit abgewandtem Gesicht etwas von nachlassender Moral und Disziplinlosigkeit der heranwachsenden Jugend!

Dieser sich täglich wiederholende Vortrag nahm zirka drei Minuten in Anspruch. Zu wenig um eine Unterrichtsstunde billig über die Bühne zu bringen, genug Zeit aber für Helmut, unter dem Gekichere der Mädchen, den Laubfrosch anstelle der Butterbrote zu plazieren!

Herr Paul, inzwischen am Ende seines Kurzvortrages angekommen, rieb die zu Fäusten geballten Finger aneinander und stellte sich breitbeinig vor die Klasse!

„Dann wollen wir mal“, sprach er voller Arbeitswut und ging zielstrebig auf die Wandtafel zu.

Einige Mädchen hielten die Luft an und wir Jungen stießen uns gegenseitig an. Der Spaß nahm seinen Verlauf!

Genauso schwungvoll wie er zur Tafel geeilt war, öffnete er sie nun auch!

Es blieb ihm keine Zeit mehr die Flügel wieder schnell zu schließen, da sie seinen Händen bereits entglitten waren und dumpf gegen die Wand schlugen.

Edes Reaktion kam für uns überraschend!

Er trat nämlich einen Schritt zurück und betrachtete sich das anrüchige Werk!

„Ich finde das ist eine großartige Idee, dem trockenen Mathematikunterricht durch etwas Schlüpfrigkeit die Trockenstarre zu nehmen“, sprach er wider Erwarten ganz ruhig!

Nach einer spektakulären Pause fügte er hinzu:

„Da dies aber wohl etwas zu schlüpfrig ist und Ihr euch inzwischen alle Einzelheiten eingeprägt habt, kann Buchmann die nackten Tatsachen entfernen!“

Während der Genannte die Tafel säuberte, zog Herr Paul den Lehrerstuhl unter dem Tisch hervor und ließ sich ächzend, in gut verborgener, aber höchster Erregung, darauf fallen!

Das hätte er sicher nicht tun sollen!

Mir ist es noch heute ein Rätsel, wie ein Mann in seinem Alter, aus dem Stand so hoch springen konnte! Normalerweise unterrichtete er uns in Mathematik, aber um den Ton, den er in diesem Augenblick über die weit geöffneten Lippen ins Freie brüllte, hätte in jeder Tenor dieser Welt beneidet!

Ich weiß nicht welche Stellen seines verlängerten Rückgrates die Reißzwecken getroffen hatten, aber verletzt konnte er nicht sein! Wie sonst waren seine drei Ehrenrunden durch die Klasse in Höchstgeschwindigkeit zu erklären? Nach dieser bühnenreifen Vorstellung rechnete ich mindestens noch mit einem doppelten Salto zum Abschluß, den er mir und meinen Mitschülern aber verwehrte!

Irgendwie ergriff er sich bei seiner beispiellosen Rundenjagd durch den Klassenraum einen neuen Stuhl, auf den er sich schwerfällig niederließ, nicht ohne den präparierten zuvor mit Schwung in die Ecke zu pfeffern!

An seiner rechten Schläfe befand sich ein auffälliger Aderstrang, der bei entsprechendem Ärger stark anschwoll! Für uns immer wieder ein Kennzeichen seiner Erregung, auch wenn er versuchte sie mit all seiner Routine zu unterdrücken, was ihm aber nur begrenzt gelang.

So auch jetzt.

Mir tat er in diesem Augenblick eigentlich schon wieder leid, aber unsere einmal in Gang gesetzte Maschinerie ließ sich ohnehin nicht mehr stoppen!

Noch ehe ich einen Versuch zu seiner Rettung unternehmen konnte, riß er vehement den Schubkasten des Lehrertisches heraus, da er dort unser Klassenbuch vermutete, wo es normalerweise ja auch lag, um die ungehörige Klasse dort einzutragen!

Hinterher ist man immer schlauer als vorher, mochte er jetzt, naß, wie aus dem Pool gezogen, wohl denken? Aber dafür blieb nun keine Zeit mehr.

Die zuvor randvoll mit Wasser gefüllte Schüssel konnte ja nun wirklich nichts für

Ede seinen jämmerlich anzuschauenden Zustand. Dennoch ließ er seine ganze Wut nun an ihr aus!

Seinen ersten Versuch, sie zu einem Schneeball zu formen, verwarf er sehr schnell, spätestens in dem Augenblick, als er merkte, daß sie sich nicht verformen ließ! Leider dachte er nicht bis zum Ende, zum Beispiel aus welchen Material sie bestand, denn wie sonst konnte er auf die Idee kommen, die schwere Porzellanschüssel Richtung Fenster zu werfen?

Entgegen seiner Gewohnheit hatte er heute Morgen versäumt, das Fenster zu öffnen!

Nun stand es offen!

Zugegeben es handelte sich nicht um die konventionelle Art ein Fenster zu öffnen, er bevorzugte in diesem Moment mehr die rustikale und auch teurere Art!

Seine Ader befand sich nun unmittelbar vor dem Platzen!

„Dies ist keine Klasse mit Schülern! Dies ist eine Horde Terroristen“, brüllte er unbeherrscht in die Runde!

„ Ich werde mich umgehend beim Rektor beschweren“, schimpfte er weiter!

Gleichzeitig klemmte er seine Aktentasche unter den Arm und stampfte in Richtung Tür. Auf halben Weg kehrte er um, schnappte sich seine Butterbrotdose und das Klassenbuch, das er nun erst entdeckte, und verschwand laut grollend.

Übrigens hielt sich bis heute das Gerücht an der Schule, daß Herrn Paul für den Rest des Tages der Appetit restlos vergangen war und seine Frau, zu Hause, beim Öffnen der Dose in Ohnmacht fiel und einige Tag an den Folgen eines Schocks behandelt werden mußte!

Wie dem auch sei, den Rest der vorgesehenen Mathestunde verbrachten wir allein im Klassenzimmer!

Sicherlich muss man nicht erwähnen, daß wir, voller Stolz über unsere restlos gelungenen Streiche uns immer wieder gegenseitig, wie eine Laienspielgruppe, die Szenen vorspielten. Dabei übertrieben wir natürlich maßlos, obwohl das eben Geschehene kaum zu toppen war!

Die Ernüchterung kam jedoch schneller als erwartet, und zwar schon in der nächsten Stunde.

Unser Fräulein Doktor

Diese zweite Unterrichtsstunde gehörte unserem Fräulein Doktor, wie wir Fräulein Lerche zärtlich nannten! Auf ihren Doktortitel legte sie keinen besonderen Wert, zumindestens nicht im Umgang mit ihren Schülern und Schülerinnen.

Beim Betreten des Klassenzimmers merkten wir sofort, daß heute irgendetwas nicht stimmte. Ihre hübschen, gleichmäßigen Gesichtszüge wirkten etwas verkrampft. Um ihre leuchtend roten Lippen bildeten sich beidseitig ungewohnte Sorgenfalten. Ihre bildschönen braunen Augen irrten ziellos im Raum umher. Auch ihre tiefschwarzen, leicht lockig frisierten, schulterlangen Haare, schienen nicht so geordnet wie gewöhnlich. Ihre ohnehin etwas eingefallenen Wangen mit den markanten stark ausgeprägten Backenknochen, wirkten heute noch intensiver und erweckten einen fast bizarren, slawischen Eindruck.

In ihrem schwarzen Hosenanzug, mit der schicken weißen Bluse darunter, sah sie dennoch mal wieder bezaubernd aus!

Während sie mit leiser Stimme zu erzählen begann, sah sie jeden von uns mit ihren tiefbraunen Augen Sekunden lang an:

„Es gibt Schüler und Schülerinnen, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, anderen weh zu tun!“

Sie holte tief Luft.

Wir erstarrten zu Salzsäure!

„Auch wir erdachten uns in unserer Jugend freche Streiche .Auch mich konnte man nicht unbedingt als Musterschülerin bezeichnen. Das verlangte auch niemand, weder damals noch heute.“

Die Klasse hörte mucksmäuschenstill zu und Lerche setzte ihre Standpauke fort:

„Wenn aber heranwachsende Jugendliche, die ihre Kinderstube im Düsenjet durchflogen haben, glauben, das Klassenzimmer als Plattform für terroristische Einsätze zu nutzen, kann ich nur sagen, nicht mit mir! Zukünftig verbiete ich mir solche und ähnliche Vorfälle, wie sie sich heute hier in diesem Raum zugetragen haben! Wir werden mit aller Bestimmtheit und Härte gegen solche Rabauken vorgehen!“

Ihre Stimme wurde nicht nur immer lauter, sie enthielt auch eine bisher nicht gekannte Schärfe.

Im Verlaufe ihrer Ansprache schienen alle Schüler und Schülerinnen unter die Tische gerutscht zu sein, zu tiefst beschämt von ihr.

„Ich möchte gar nicht wissen, wer der oder die Initiatoren dieser Untaten sind. Ich verstehe nur die Unbeteiligten, die, die etwas lernen möchten nicht. Sie müssten solche, nennen wir sie mal trotzdem, Streiche, einfach verhindern! Wenn sie das nicht tun, sind sie genau so schuldig wie die Übeltäter. Wenn ihr den Krieg wollt, bitte, ihr werdet schon sehen wer den Kürzeren zieht!“

Ihre Augen glänzten nun und ich mußte feststellen, daß sie dabei immer hübscher wurde, wenn sie sich so in Rage redete.

Ich musterte sie aufmerksam und leicht erregt!

Auf ihren Wangen bildeten sich zarte rote Flecken. Ein paar vorlaute Haarsträhnen fielen ihr in das schöne, wutverzerrte Gesicht und verhedderten sich im Mund. In ihrer grenzenlosen Erregung merkte sie es gar nicht.

Ihre leidenschaftlichen Worte gingen auch an mir nicht spurlos vorbei, dennoch konnte ich es nicht unterlassen, sie weiter aufmerksam zu betrachten.

Mein Blick fiel dabei auf ihre schlichte weiße Bluse, unter der sich ihr kleiner Busen immer schneller hob und senkte! Diese ungewohnten Bewegungen führten dazu, daß sich ein Knopf, an einer Stelle öffnete, die ich für äußerst bemerkenswert und erotisch hielt. Diesem Punkt galt nun mein ganzes Interesse!

Ich fand es derart spannend, daß ich meinen Nachbarn anknuffte und flüsterte:

„Schau dir das an! Ob die zwei Bällchen herausfallen?“

Mein Nachbar Hartmut bekam den Mund zwar augenblicklich auf, aber nicht sofort wieder zu. Er schnappte nach Luft, wie ein Karpfen. Anlaß genug ihn erneut anzustoßen.

Das wirkte! Die Kinnladen fielen wieder hinunter, aber unsere Augen starrten wie hypnotisiert auf dieses Etwas, das sich noch immer hinter zarter Spitzenwäsche verborgen hielt.

Nun, es sei vorweggenommen. Unsere Hypnose mißlang und die restlichen Knöpfe hielten das zusammen, was wir zu gerne herausgelockt hätten!

Unser Fräulein Doktor, die von alledem nichts bemerkte, kam derweil zum Schluß:

„Ich erwarte von der ganzen Klasse bei der betreffenden Lehrkraft eine aussagefähige Entschuldigung!“

Sie sah sich fragend um und wir nickten artig mit den Häuptern.

„Für heute will ich von einer Bestrafung absehen, aber stellvertretend für diese Lehrkraft trage ich die gesamte Klasse für ihr ungehöriges Benehmen in das Klassenbuch ein!“

Damit legte sie das Buch auf den Tisch und wollte sich hinsetzen. Im letzten Augenblick mußte sie sich wohl die Erzählungen des Herrn Paul in das Gedächtnis gerufen haben, denn sie hielt inne, strich mit ihren feingliedrigen Fingern über die Sitzfläche und nahm erst danach Platz. Dabei umspielten ihre Lippen schon wieder, sehr zu unserer Freude, ein leichtes Lächeln.

Als sie zu schreiben begann, blieb ich nicht der Einzige, der den Mund bereits leicht geöffnet, sie darauf aufmerksam machen wollte, daß die heutigen Seiten im Klassenbuch fehlten. Aber schließlich bevorzugten wir die Schweigepflicht, um nicht unnötig aufzufallen.

Sie zumindest hatte die fehlenden Seiten nicht bemerkt und schrieb ununterbrochen ganze Geschichten in das Buch!

Vorsichtig sah ich mich in der Klasse um.

Die Banausen besaßen Nerven.

Bei einigen schoben sich schon wieder die Lachfalten ineinander, während andere mir unverfroren zuzwinkerten.

Ich musste wohl sehr dämlich ausgesehen haben, denn mein Nachbar Hartmut, vom Gemüt her eher mit einem Elefanten vergleichbar, flüsterte mir zu:

„Jetzt trägt sie die ganze Klasse am Dienstag ein, dabei ist doch heute Montag!“

Mein Gesichtsausdruck mußte sich nicht wesentlich geändert haben, außer daß ich nun einem Kamel wohl immer ähnlicher sah und Hartmut vor Freude sämtliche Gesichtszüge entgleisten, was seinem Antlitz aber auch nicht mehr Intelligenz verlieh!

Er setzte daher seinen Gedankengang fort:

„Na morgen ist schulfrei“, und da bei mir der Groschen pfennigweise fiel, fügte er hinzu:

„Da morgen ein Feiertag ist du Esel!“

Langsam begriff auch ich und sah das dämliche Grinsen meiner Mitschüler in einem anderen Licht.

Wir wurden also gerade wegen ungehörigen Betragens an einem Tag eingetragen, wo wir gar nicht anwesend waren.

Nach einigen Sekunden empfand auch ich Freude, obwohl mir unser Fräulein Doktor schon fast wieder Leid tat, da sie sicherlich mit einem Anschiß rechnen mußte, wenn das der Herr Direktor merken würde!

Der Rest der Stunde verlief dann eher programmgemäß. Fräulein Lerche brachte es sogar fertig über die bevorstehende Klassenfahrt zu sprechen, als wäre nichts passiert.

Das sprach mal wieder für sie.

Ich hätte das sicherlich nicht gekonnt, was sich in meiner Konzentration niederschlug. Noch völlig unter dem Eindruck unserer Streiche und der mehr oder weniger gerechten Ansprache meiner Lieblingslehrerin mochte ich dem Unterricht nicht so recht folgen. Meine Antworten bei Zwischenfragen fielen dann auch so dämlich aus, dass die Klasse sich vor Lachen bog.

Die idiotischste Antwort entlockte sie mir bei ihren Ausführungen über das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald als sie mich plötzlich unerwartet fragte:

„Hast du schon einmal etwas von Arminus gehört?“

„Die letzten Tage nicht“, stotterte ich zur allgemeinen Belustigung, „aber ich kenne ihn auch nicht!“

Das nun folgende Gelächter beschäftigte mich sogar noch Stunden später auf dem Heimweg.

Wie konnte ich auch ahnen, daß sie von Arminus dem Cheruskerfürsten sprach, dem dieses Hermannsdenkmal 1875 zum Gedenken erbaut wurde.

Meine saudämliche Antwort wurde natürlich umgehend zum geflügelten Wort in der Schule und bei jeder nur halbwegs passenden Gelegenheit, ob im Deutschunterricht, in der Geschichtsstunde, in der Biostunde oder selbst in der Mathestunde kam als einstimmige Antwort:

„Den Herren kenne ich leider nicht, der hat sich bei mir noch nicht vorgestellt!“

Auf diese Art und Weise hatte ich aber für die Klasse einen Beitrag für die Belustigung geliefert, während es mir bei unserem Fräulein Doktor eine deutlich schlechte Zensur einbrachte.

Dieser Vorgang trug jedenfalls nicht dazu bei meine Laune in irgendeiner Form positiv zu beeinflussen. Dabei hätte ich doch rundum zufrieden sein können, denn unsere Streiche am heutigen Morgen wurden in der gesamten Schule verbreitet und als voller Erfolg gewertet. Ja, wir erhielten Anerkennung aus allen Richtungen, ob von den Älteren in der Schule oder den Parallelklassen und man bezeichnete unsere Genialität schlicht und ergreifend als Kult! Wie wir viel später mal auf unserer Abiturfeier erfuhren, natürlich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, sollen sogar einige Herrschaften aus dem umfangreichen Lehrerkollegium recht herzhaft darüber gelacht haben. Unter Abwesenheit des Herrn Paul, versteht sich.

Nur unser Fräulein Doktor folgte diesem Trend nicht, und das tat mir weh.

Meine Unlust setzte sich auf dem Heimweg fort. Zunächst verpaßte ich den Bus, weil ich gedankenverloren zur Haltestelle trottete. Erst beim Erreichen der Haltestelle merkte ich, daß der Bus schon dastand.

Meine ansonsten recht gute Reaktion ließ mich aber fürchterlich im Stich und entsprach wohl eher der eines vollbepackten Möbelwagens. Bis ich schaltete, wäre jeder Selbstmörder kalt gewesen!

So fuhr der Bus vor meinen Augen weg, ohne daß ich auch nur den Versuch unternahm, ihn zu erklimmen.

Als der Bus dann allerdings fuhr, rannte ich reaktionsschnell hinterher.

Warum weiß ich auch nicht, vielleicht damit ich anschließend länger warten konnte.

Als dann schier nach einer Ewigkeit der nächste Bus kam, stand ich hilflos vor dem grinsenden Fahrer und suchte meine Fahrkarte, die ich mir beim Einsteigen zwischen die Lippen geklemmt hatte. Nicht nur daß ich mich über das blöde Gegrinse des Busfahrers ärgerte, durch meine alberne Sucherei waren inzwischen auch die letzten Sitzplätze belegt und ich mußte mich, angesäuert bis zum Anschlag in den Gang stellen.

Man sagt wenn es einmal nicht klappt, dann geht gar nichts mehr, aber an dem folgenden Zwischenfall trug ich die Hauptschuld. Angefressen wie ich war, stand ich freihändig im mittleren Teil des Busses.

Allerdings nicht sehr lange!

Schon unmittelbar nach dem Anfahren des Busses, fand ich mich im hinteren Teil des Busses wieder und zwar in der Horizontalen, direkt vor der letzten Sitzreihe.

Das einzig Positive an diesem Unterfangen blieb die Tatsache, daß die Dame, vor deren Füßen ich nun lag, ausgesprochen hübsche Beine besaß! Unter normalen Umständen hätte ich mir nun den Rest des Körpers betrachtet, der zu diesen wohlgeformten Beinen gehörte.

Danach war mir aber nicht mehr zumute! Das laute Gelächter im Bus, meine zweite Blamage am heutigen Tag, beeinflußte meine Gemütslage noch mehr und ich schwor bittere Rache, gegen wen auch immer.

Nachdem ich meine Schulbücher und Hefte zwischen den anmutigen Beinen wieder eingesammelt hatte, verzog ich mich mit gesenktem Haupt in eine Ecke, diesmal allerdings mit der Hand am Haltegriff.

Das nächste Mißgeschick folgte an der Haltestelle, wo ich eigentlich aussteigen musste.

Wie gesagt, wo ich hätte aussteigen müssen!

Ich tat es nicht, weil ich nicht bemerkte, daß der Bus diesen Punkt erreicht hatte.

So fuhr ich eine Station weiter.

Abreagieren

Beim Aussteigen schien ich dann das Opfer gefunden zu haben, wo ich Luft ablassen konnte! Es erschien in Form eines kleinen unschuldigen Jungen, der mir beim Aussteigen aus Versehen auf den Fuß trat.

Eine Frechheit!

Entsprechend fuhr ich ihn an:

„Kannst du Penner nicht aufpassen?“

Dann verpaßte ich ihm eine Kopfnuß!

Eigentlich sollte noch mehr folgen aber der kleine Kerl war nicht nur reaktionsschnell sondern auch viel beweglicher als ich!

Ehe ich mich versah landete seine kleine Faust mitten auf meiner Nase und ein gezielter Tritt traf mich an der Stelle, wo junge und alte Männer besonders empfindlich sind, und die eher zur Fortpflanzung, denn als Fußball, gegen den man treten muss, geeignet ist.

Meine heutige Reaktion möchte ich nicht erneut beschreiben.

Selbst wenn ich sofort losgelaufen wäre, für den kleinen Kerl viel zu spät!

Wie ein Wiesel hatte er sich in Sicherheit gebracht. Ich versuchte zwar noch ein paar Schritte in die Richtung der Staubwolke, hinter der er verschwunden blieb, hielt aber augenblicklich wieder an.

Meine Wut steigerte sich nunmehr ins Unermeßliche!

Zu allem Übel begann es auch noch zu regnen.

Mit geschwollener Nase und schmerzender Stelle zwischen den Beinen trabte ich nach Hause.

Aus dem Regen entwickelte sich nach und nach ein Wolkenbruch und der Gedanke schon länger in der trockenen Wohnstube sitzen zu können, trieb mir erneut die Zornesröte in das jugendliche, geschundene Gesicht.

Kurz vor dem Haus traf ich Ute.

Besser gesagt, Ute traf mich!

Ute, die Tochter unseres Nachbarn, außerdem meine Schulfreundin ging in die gleiche Schule, nur in die Parallelklasse.

Unter normalen Umständen hätte es mich mit Stolz erfüllt, sie ein paar Meter begleiten zu dürfen. Ich wußte, daß mich meine Klassenkameraden um diese Freundin beneideten.

Sie sah nicht nur ausgesprochen gut aus, ihre kurzgeschnittenen braunen Haare verliehen ihr etwas spitzbübisches und ihre giftgrünen, vor Unternehmungslust funkelnden wunderschönen Augen ließen jeden Jungen erweichen.

Ihre schlanke Figur, an der sich alle Rundungen für ihr Alter überproportional an den Stellen zeigten wo sie hingehörten, ließ mein Herz bei jeder Betrachtung höher schlagen.

Gott musste einen Glückstag erwischt haben, als er sie schuf!

An der einen oder anderen Stelle mußte er sich sogar noch überredet lassen haben, einen Zuschlag zu geben. Nur so ist es erklärbar, daß ihre Beine kaum enden wollten und geradezu liebevoll modelliert erschienen.

Trotz der langen Beine und ihrer respektablen Größe wirkte sie keineswegs als Bohnenstange.

Es stimmte einfach alles an ihr.

Ihre Lieblingskleidung, hautenge Jeans oder knallenge Lederhosen betonten ihre Wahnsinnsfigur noch mehr.

Ich betone dies so ausführlich, um auf meinen damaligen äußeren und inneren Zustand hinzuweisen!

Ich bemerkte dies Wahnsinnsweib gar nicht und ging an ihr vorbei ohne aufzusehen.

Sie erzählte mir später, daß sie ihren Regenschirm angeboten hatte, ich aber stur weiterging.

So ein Angebot ausschlagen, allein mit meiner Ute unter einem Regenschirm, ihren Atem spüren, ihre Berührung erleben, ihr Herzklopfen empfinden, ihre Haare in meinem Gesicht, ihre süße kleine Plappergusche genießen und vielleicht ein bißchen mehr, wer weiß? Ich hätte mich ohrfeigen können!

Stattdessen stampfte ich wütend von Pfütze zu Pfütze.

Der Regen pflügte förmlich durch meine Haare und ergoß sich über meine demolierte Nase, die zusammengepreßten Lippen, den Hals entlang, direkt in meinen großzügigen Hemdausschnitt.

Ich spürte, wie das völlig durchnäßte Hemd auf meiner Haut klebte und die Hose so schwer wie ein Rucksack wurde und erreichte den Höhepunkt meiner angestauten Wut, gerade als ich zu Hause ankam.

Meine Mutter kümmerte sich wie immer liebevoll um mich, aber heute ging mir ihr Getue auf den Keks.

„Was hast du denn gemacht mein Junge? Bist du gestürzt? Wo kommst du denn jetzt erst her?“

Tausend Fragen mit einem Atemzug!

Ich empfand die Fragerei als Körperverletzung, warf die nassen Klamotten in die Ecke und verschwand frustriert in meinem Zimmer.

Der Hunger trieb mich aber wieder zurück in die Küche!

Was sich da allerdings meinen Augen bot, war eher dazu angetan aus dem Leben zu scheiden, als zu essen.

Es gab Milchreis!

Das absolute Horroressen für mich! Wäre ich verheiratet, ein sofortiger Scheidungsgrund!

Meine Mutter wußte das.

Da mein Vater es aber gern aß, kam es in schöner Regelmäßigkeit bei uns auf den Mittagstisch.

Ich wollte die Küche schon wieder verlassen, als mich meine Mutter zurückrief:

„Hiergeblieben! Hinsetzen! Es wird gegessen was auf den Tisch kommt!“

Nun gut, dachte ich, sie will die Konfrontation!

„Du mußt mein Essen nicht auf den Tisch stellen“, begann ich meine Kriegserklärung, „Schweine essen auch vom Boden!“

Das hätte ich nicht sagen sollen!

Meine Mutter lief aschfahl im Gesicht an und ohne Vorankündigung und völlig gegen ihre Gewohnheit, landete ihre flache Hand in meinem vorgeschädigtem Gesicht. Nach der Nase kamen diesmal die Wange und das Ohr an die Reihe!

„Ich finde deine Bemerkung unverschämt“, schäumte sie, „es kann nicht jeden Tag ein Braten auf dem Tisch stehen!“

Ich kannte diesen, ihren Standardsatz von vielen ähnlichen Anlässen schon auswendig, was mich aber nicht davon abhielt nun Platz zu nehmen, mit einem Gesicht, das nichts Gutes verheißen sollte!

Nachdem ich den dampfenden Teller unter dem zornigen Blick meiner Mutter ein paar Mal drehte, ließ ich mich zu der Bemerkung hinreißen:

„Köstlich sieht das aus“, und führte dabei den Löffel quer durch den Teller, füllte ihn, hob ihn an und ließ den Reis wie eine klebrige Masse auf den Teller zurücklaufen!

„Dabei fällt mir ein“, setzte ich meine Überlegung fort, „mein Zimmer müßte mal wieder tapeziert werden. Haben wir noch genug Kleister?“

Der strafende Blick meiner Mutter traf mich nicht überraschend. Von Handgreiflichkeiten hatte sie diesmal Abstand genommen, vielleicht auch weil ich zu weit entfernt von ihr saß.

Dennoch trieb ich mein Spiel weiter:

„Fensterkitt brauchen wir auch!“

Wenn Blicke verletzen könnten, diesmal hätte es meine Augen getroffen!

„Wenn du jetzt nicht anfängst mit essen, sage ich es Vater!“

Ein weiterer Standard, ihre liebste Drohung!

Aber auch die zog bei mir schon lange nicht mehr.

Langsam und bewußt aufreizend schob ich den prall gefüllten Löffel in meinem Mund, nicht ohne „köstlich“ zu murmeln.

„Köstlich“, entfuhr es mir erneut und ich schob gleichzeitig alles was ich gerade im Mund aufgenommen hatte, wieder hinaus.

Nun klebte der ganze Schlamassel an meinen Lippen und ich sah aus, als wenn ich mit dem Kopf in den Reis gefallen war!

„Wenn nur ein Krümel hinunterfällt, donnere ich dir eine“, schrie meine Mutter empört!

Ich schluckte das Zeug brav hinunter und stopfte fröhlich den nächsten Löffel hinterher.

„Jetzt weiß ich auch warum in Indien so viele Menschen sterben“, erwähnte ich eher beiläufig und Mutter begriff auch nicht den Hintergedanken meiner Bemerkung:

„Warum denn?“

„Na bei dem Fraß!“

In ihrem Handgelenk zuckte es deutlich, aber sie beherrschte sich einmal mehr.

Mein nächster einstudierter Angriff endete in der Regel tödlich.

Ich stopfte und stopfte ohne zu schlucken. Klar, dass sich dann irgendwann ein Würgereiz einstellte.

Wie erwartet, stand meine Mutter auf, nahm ihren Teller mit und verschwand im Wohnzimmer.

Ich triumphierte! Wieder gewonnen!

Endlich begann sich meine Stimmung zu verbessern.

Ich aß den Rest schnell auf, auch wenn es mir nicht schmeckte. Schließlich wollte ich mir ja nicht den gesamten Tag versauen.

Da am Nachmittag noch Sport auf dem Programm stand, beeilte ich mich bei der Erledigung aller Schularbeiten und stellte dann erfreut fest, dass inzwischen auch die Sonne den Kampf gegen Wolken und Regen gewonnen hatte und es noch ein recht brauchbarer Tag werden konnte.

Mutter sah herein und fragte nur:

„Ausgedickscht?“

Was sächsischer Redensart entsprach und so viel hieß wie Dickkopf abgelegt?

Ich blickte auf und fragte lammfromm:

„Wie kommst du darauf?“

„Na dein Theater beim Essen entsprach mal wieder einer bühnenreifen Aufführung. Welche Laus ist dir denn heute über den Weg gelaufen?“

Ich log:

„Gar keine, aber bei so einem Fraß kann man doch keine gute Laune versprühen.“

„Versündige dich nicht“, kam die immer wiederkehrende Antwort, „Millionen von Menschen wären dankbar für eine Schüssel Reis!“

„Wobei die Liebe wohl weniger dem Reis als vielmehr der Schüssel gilt“, versuchte ich sie immer weiter zu reizen.

Bei dieser neuerlichen frechen Antwort fiel die Tür in das Schloß, um sich unmittelbar danach wieder zu öffnen:

„Wenn es dir so gut schmeckt, koche ich morgen noch einmal dasselbe“, sagte sie freundlich lächelnd und glaubte wohl damit gewonnen zu haben.

Doch in Grammatik war ich der Bessere!

Schnell sprang ich zur Tür und rief ihr hinterher:

„Das gleiche liebe Mutter! Für dasselbe müßtest Du mir den Magen auspumpen lassen!“

Ich hörte sie noch ein paar Minuten schimpfen und genoß meinen ersten richtigen Sieg am heutigen Tag.

Nachdem ich die Hefte und Bücher verstaut hatte, ergriff ich meine Sporttasche, überzeugte mich von der Vollständigkeit und verließ fröhlich grüßend das Haus.

Nach ein paar Schritten traf ich erneut, diesmal bewußt, Ute.

Hübsch sah sie wieder aus. Mein Herz pochte bis zum Hals und meine Hände wurden feucht, als wir uns begrüßten.

„Du bist vielleicht eine Flocke! Was war denn vorhin mit dir los?“

Sie erzählte mir mit Händen und Füßen von unserer vorangegangenen Begegnung im Regen und ich lauschte aufmerksam diesen unerhört frechen, auffallend rot geschminkten Lippen, die unaufhörlich in Bewegung waren.

Ich hörte ihr gerne zu, konnte ich sie doch dabei ständig beobachten, was mich nicht unbedingt ruhiger machte.

Sie trug heute wieder diese knallenge Lederhose, die eigentlich wie eine zweite Haut auf ihren wunderschönen prallen Rundungen wirkte.

Zu gerne hätte ich mal hineingekniffen, aber da ich von Natur aus als schüchtern zu bezeichnen war, traute ich mich nicht. Vielleicht wollte ich auch nur einer drohenden Ohrfeige aus dem Weg gehen!

Trotz meiner Bedenken riskierte ich aber die Frage:

„Sag einmal Ute, wie bist du in die Hose hineingekommen?“

„Dafür besitze ich einen Schuhanzieher!“

Ihre Antwort kam entwaffnend und ich spürte, wie mein Gesicht von einem roten Hauch überzogen wurde, der sich noch verstärkte, als Ute ganz nahe kam und mir in das Ohr flüsterte:

„Soll ich es dir heute Abend einmal vorführen“, dabei berührten ihre samtweichen Haare mein Gesicht und ich drohte in Ohnmacht zu fallen:

„H-h-heu—t-e- a—benn-d“, stotterte ich?

Völlig unvorbereitet und überraschend blieb sie breitbeinig vor mir stehen:

„Oder wäre dir sofort lieber?“

Jetzt verlor ich jede Beherrschung!

Ihre eiskalten Händchen lagen auf meiner Schulter und sie fragte ganz leise:

„Aber vielleicht doch lieber heute Abend, oder?“

Sie stand mir ganz nahe. Ich spürte den heißen Atem und sah wie sich ihr Busen hob und senkte. Ich berührte fast diese verlockenden Lippen aber besaß nicht den Mut, diesen aufreizend schönen Mund zu küssen.

Ich glaubte alle Welt sieht uns zu!

Ute schien da weitaus weniger Hemmungen zu kennen, zog meinen Kopf heran und küßte mich als wäre es das Natürlichste auf dieser Welt. Ich sah ihr in die Augen, diese giftgrünen Diamanten, die mir angriffslustig entgegen funkelten, dann erwiderte ich ihren Kuß und sah an ihren jetzt geschlossenen Augen, daß sie es genoß! Gleichzeitig befürchtete ich erneut in Ohnmacht zu fallen.

Im nächsten Augenblick war der Zauber vorbei und Ute rannte lachend davon. Sie sah aus wie eine Feder die davonschwebt.

Nach ein paar Metern blieb sie unvermittelt stehen, drehte sich herum und rief:

„Bis heute Abend um 19.00 Uhr am Spielplatz. Sei pünktlich!“

Nach einigen Schritten blieb sie erneut stehen und rief:

„Zur Hosenanprobe!“

Ich hörte ihr Lachen noch am Sportplatz. Ich wußte nicht genau ob sie Spaß mit mir trieb oder es ernst gemeint hatte? In Anbetracht des noch immer auf meinen Lippen brennenden feurigen Kusses nahm ich mir fest vor diesem eventuellen Rendezvous auf jeden Fall Folge zu leisten.

Auch wenn ich noch Stunden später unter dem Erlebnis meines ersten richtigen Kusses stand, erlebte ich den anschließenden Sportunterricht doch mit der erforderlichen Freude und dem immer vorhandenen Spaß.

Das lag zum einen an unserem tollen Sportlehrer und zum anderen an einigen Sportkanonen der Extraklasse, die sicherlich besser als Punchingball beim Boxen aufgehoben waren, als in unserem Sportunterricht!

Zum Beispiel Martin!

Größe ohne Schuhe etwa 1,70 m, Gewicht vorsichtige 2 Zentner! Eigentlich eher ein Fall zum Bedauern, aber in unserem Alter bedauert man nicht, man genießt und belacht solche bemitleidenswerten Geschöpfe!

Die sogenannte Schadenfreude!

Aber zurück zu Martin.

Unsere Freude begann bereits beim Auflockerungslauf.

Während die ersten bereits wieder am Ausgangspunkt eintrafen, setzte sich Martin gerade schwer atmend in Bewegung. Breitbeinig stampfte er die Kunststoffbahn hinunter. Gut, dass der Platzwart ihn nicht sah! Er hätte ihn sicherlich wegen Sachbeschädigung aus dem Verkehr gezogen!

Helmut sagte einmal:

„Laßt ihn nur auf der Außenbahn laufen, sonst trampelt er uns die Innenbahn kaputt!“

Beim Schlagball werfen stürzte er einmal. Viele behaupten hartnäckig, daß es sich um die Stelle vor dem Tor handelte, wo auch heute noch kein Gras wächst!

Auf die Frage was er mal werden will wenn er groß ist antwortete er mir:

„Bauarbeiter!“

Meine anschließende Frage stieß dann bei ihm auf keine Gegenliebe mehr:

„Bauarbeiter? Als Dampfwalze?“

Doch zurück zu anderen Sportkanonen in unserer Klasse!

Da gab es einen Uli!

Von der Größe her, der ganze Gegensatz zu Martin!

Uli, als der Kleinste in unserer Klasse, wurde an seiner Körpergröße gemessen und da erzielte er nicht die schlechtesten Ergebnisse!

Sein Handikap bestand eher in der Körperfülle, die in keinem Verhältnis zur Größe stand! Man kann sagen, er war so hoch wie breit. Wenn man ihn etwas gehässig beschreibt kann man sagen, wo der Kopf sich befand mußte oben sein!

Beim Weitsprung rief ihm heute der Sportlehrer Herr Walter zu:

„Springen Uli, nicht durchlaufen!“

„Aber ich bin doch gesprungen“, kam die weinerliche Antwort.

Unser kollektives Lachen wirkte an dieser Stelle einmal mehr unangebracht!

Nun sollte Wolfgang springen! Wie schon erwähnt, der Größte in der Klasse!

Bei Größe meine ich Körpergröße und nicht Geistesgröße!

Unser Geschichtslehrer, den ich später noch ausführlich vorstelle, bekannt für seinen trockenen Humor fragte einmal:

„Was passiert wenn Wolfgang eine Fliege verschluckt?“

Da keine Regung von uns kam, gab er selbst die Antwort:

„Dann hat er mehr Hirn im Magen, als im Kopf!“

Wir trommelten damals vor Begeisterung mit den Fäusten auf den Tischen!

Aber zurück zum Sport.

Wolfgang besaß eigentlich durch seine enorme Körpergröße die richtigen Hebel, aber zum einen wußte er nicht wie er sie einsetzen sollte, zum anderen konnte er sein Gewicht nicht in die Luft katapultieren!

Er sprang schon einen halben Meter vor dem Brett ab! Bei seiner Schrittlänge von zwei Metern auch ganz richtig! Nur war kein Flug zu erkennen und er fiel wie ein nasser Mehlsack in die Sprunggrube, auch noch auf den Rücken, wie ein verunglückter Maikäfer!

„Ich verstehe das nicht“, sagte Herr Walter, „mit Deinen Segelfliegerohren dürftest du erst jenseits der Sprunggrube wieder landen!“

„Vielleicht sollte er sie anlegen, damit der Luftwiderstand geringer wird“, lästerte Hartmut und hatte mal wieder alle Lacher auf seiner Seite!

„Und den Mund schließen beim Sprung, um die Ballonwirkung zu unterbinden“, gab ich meinen Senf dazu!

Diese Bemerkung bezog sich auf seine „Riesenschnauze“, die ungelogen vom linken bis zum rechten Ohr reichte.

Ja, und dann ist noch Rüdiger erwähnenswert!

Sein Spitzname lautete Stangenspargel!

Nicht weil er so lecker wie Spargel schmeckte, sondern weil er so dünn wie Spargel aussah.

Ihm bereitete vor allem Gegenwind große Probleme, da mußten wir ihn regelmäßig anschieben und beim Weitsprung konnte es passieren, daß er in der Luft stehenblieb und vor dem Brett wieder aufschlug!

„Minus 30 Zentimeter“, schrieb Herr Walter auf.

Beim Duschen mußte er von Strahl zu Strahl springen, um überhaupt naß zu werden! Er wollte einmal eine Wette für „Wetten Das“ einreichen, dass er unter einer laufenden Dusche garantiert nicht naß wird!

Stangenspargel wurde auch vom Pech verfolgt! Als er bei einem Fußballspiel zum ersten Mal den Ball traf, brach er sich das Bein!

Alexandra, die im gleichen Haus wohnte, vertraute uns einmal an, daß er zwei Tage mit einer Gehirnerschütterung im Bett liegen mußte, nur weil ein aus einem Schrank herausgefallenes Handtuch ihn am Kopf traf!

„Das wäre mir nie passiert“, sagte Wolfgang damals spontan und ich gab ihm recht mit den Worten:

„Wo nichts ist, kann auch nichts erschüttert werden!“

Übrigens, im Winter, wenn der Sportunterricht in die Halle verlegt wurde, steigerte sich unser Unvermögen! Herr Walter bezeichnete uns dann regelmäßig als unterentwickelte Monster, als bewegliche Kleiderschränke oder als nasse Handtücher!

Die Mädchen unserer Klasse trieben, fein säuberlich von uns getrennt, zeitgleich mit uns Sport, nur an einem anderen Ort! Unter ihnen befand sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die eine oder andere Rakete, aber wie gesagt an einem für uns nicht zugänglichen Platz!

Das wollten wir ändern und arbeiteten daran!

Zum Abschluß der Sportstunde stand immer ein Mannschaftsspiel auf dem Programm, heute zum Beispiel Fußball!

Herr Walter ging damit recht sorgfältig um, da er der Meinung war, beim Fußball würden zu viele Aggressionen freigesetzt! Umso erfreuter für uns, dass er diese Meinung heute in den Hintergrund schob.

Wir spielten schon eine geraume Zeit mit wechselndem Erfolg!

Ich befand mich meilenweit von meiner Bestform entfernt und fabrizierte Fehlpass auf Fehlpass. Um ein Haar wäre mir sogar ein astreines Eigentor gelungen, aber zum Glück verfehlte mein Querschläger das Tor!

Offensichtlich wirkte meine nachmittägliche Begegnung mit Ute immer noch stark nach!

Meine Form sollte sich aber schlagartig verbessern!

Unerwartet für mich und für uns erschien Ute mit einer Freundin am Spielfeldrand!

Ich bemerkte es erst, als Hartmut mir zurief:

„Reiß dich am Riemen, sonst denkt dein Stammzahn, du bist bei anderen Sachen auch so hilflos!“

Wie ein Ruck durchzuckte es meinen Körper!

Ich rannte, spielte, schoß, grätschte, köpfte und dribbelte, daß es ein Genuß sein musste, mir zuzusehen! Zum Schluß gelang mir sogar ein Tor, das spielentscheidende Tor!

Wie es letztendlich zustande kam behielt ich für mich, aus guten Grund!

Für meine Mannschaft sah es so aus, als wäre ich mit letztem Körpereinsatz in eine Flanke von Hartmut gesprungen und hätte den Ball voll mit der Stirn, unerreichbar für den Tormann, im Netz versenkt!

Die Realität, die ich für mich behielt, sah allerdings anders aus!

Ich stolperte, völlig entkräftet über meine eigenen Beine, und fiel unglücklich zu Boden, just in dem Augenblick als Hartmuts Flanke in den Strafraum segelte und mich zwischen Schulter und Stirn traf! Die darauf folgende Richtungsänderung des Balles kam für den Tormann so unerwartete, dass er hilflos mit zusehen mußte, wie das Geschoß einschlug!

Unmittelbar darauf pfiff Herr Walter das Spiel ab und schickte uns unter die Dusche!

Übrigens gelang mir nie wieder ein so schönes und wichtiges Tor!

Nach dem Duschen kehrten auch sehr schnell die Kräfte wieder und voller Unternehmenslust verließen wir den Sportplatz!

Ute

Ute, die mir freudig zuwinkte und ihre Freundin warteten draußen vor dem Tor.

Ich erwiderte den Gruß und näherte mich, Hartmut im Schlepptau, den Beiden!

„Das ist meine Freundin Melanie“, sagte Ute und schob ein zierliches, zerbrechlich wirkendes Wesen nach vorne!

Ich gab ihr die Hand:

„Hallo Melanie, ich heiße Dieter!“

„Ich weiß schon aus Utes Erzählungen von dir!“

„Hoffentlich hat sie nur Gutes erzählt“, fragte ich zurück?

„Warum willst du das wissen“, fragte sie?

„Weil ich von Natur aus ein neugieriger Mensch bin“, entgegnete ich frech!

„Dann frag sie doch selber“, kam es schlagfertig zurück und lachend deutete sie an, dass damit die Fragerei für sie beendet schien!

Ich stellt ihr meinen Begleiter Hartmut vor und widmete mich dann meiner Ute, die mich heute Nachmittag schon einmal völlig durchschüttelt hatte!

Auch diesmal überraschte sie mich wieder, indem sie ganz unvermittelt meinen Arm ergriff und mich zur Seite zog.

„Hast du denn noch ausreichend Kraft zum Hosentest?“

Mit der freien Hand strich sie mir dabei zärtlich über die Wange und hauchte einen Kuß auf meine Lippen!

Erneut fühlte ich mich überrumpelt und blickte ängstlich über die Schultern zu meinen Klassenkameraden!

Zu spät!

Sie standen fein säuberlich aufgereiht in Zweierreihen und taten so, als wenn sie sich gegenseitig küssen wollten!

Diese Deppen, dachte ich, die sind doch nur neidisch!

Entschlossen nahm ich Ute in die Arme und erwiderte ihren Kuß! Ich wußte ja seit heute Nachmittag wie es geht!

„Nicht schlecht“, hauchte sie außer Atem, „ich dachte schon du hast deine Kräfte beim Fußballspiel verschleudert!“

„Dann bist du eben einem Irrtum erlegen“, antwortete ich und zog sie beiseite. Im Gehen drehte ich mich nach Hartmut um und fragte:

„Kommt ihr mit?“

Die Beiden befanden sich noch auf einer Distanz, daß ein Öltanker zwischen ihnen hätte vorbeifahren können, ohne einen zu verletzen. Ich musste lächeln!

„O.K.“, hörte ich Hartmut im weitergehen brummen!

Nach ein paar Metern warf ich einen letzten Blick in Richtung Sportplatz und sah gerade noch wie sie die Köpfe zusammensteckten! Jetzt würden sie sich wieder die Mäuler zerreißen!

Wir schlenderten durch einen kleinen Park, kamen an einem künstlich angelegten Teich vorbei, überquerten eine kleine wacklig wirkende Holzbrücke und landeten schließlich in einem weiteren, mit uralten Bäumen und Sträuchern überwucherten Park, in dem einige recht unauffällig angebrachten Bänke standen. Hier konnten eventuell Vorbeikommende keinen direkten Einblick nehmen.

Ich hielt noch immer ihre kleine zittrige Hand und wir sprachen, entgegen ihrer Gewohnheit nicht ein einziges Wort.

Die Stimmung entsprach meinen erotischen Vorstellungen in jeder Weise. Ich fühlte mich wie im siebenten Himmel. Die Kehle trocken vor Aufregung stolperte ich förmlich neben ihr her.

„Setzen wir uns“, fragte sie auf die Bank deutend?

Da ich kein Wort herausbrachte, nickte ich nur und ließ mich nieder!

Ich dachte Ute würde sich neben mich setzen, aber Irren ist menschlich!

Ganz vorsichtig ließ sie sich auf meinen Oberschenkeln nieder und lehnte sich kurzatmig an meine Brust.

Bis hierher glaubte ich noch Herr meiner Sinne zu sein, aber nun verlor ich auch den übrig gebliebenen Rest.

Ich unternahm einen letzten zaghaften Versuch:

„Wir haben Hartmut und deine Freundin verloren“, flüsterte ich mitten hinein in die erotische Stimmung!

Meine Hoffnung, die Beiden könnten mich als Einzige noch aus dieser mißlichen Situation befreien, blieb unerhört!

„Was interessieren uns die Beiden“, flüsterte sie und ihr schönes Gesicht befand sich nun unmittelbar vor meinem!

Ich fühlte mich zwar unglaublich erregt, aber dennoch unwohl, da ich nicht wußte was nun passieren würde.

Ihr Atem umfächerte mein Gesicht, ihre Haare kitzelten an meiner Nase. Ich schloß vor lauter Angst instinktiv die Augen. Ich roch dieses einschmeichelnde kirschrot ihrer zauberhaften, samtweichen Lippen, die sie im nächsten Augenblick auf die meinen preßte.

Ein durchaus angenehmes Gefühl erfaßte mich. Meine Brust drohte zu zerspringen. Mein Herz vollführte Freudensprünge in dem viel zu kleinen Brustkorb.

Ihre Hände umfaßten meinen Kopf und ihre zärtlich fordernden Finger spielten in meinen Haaren, an den Ohren und an anderen, viel empfindlicheren Stellen meines Körpers!

Währenddessen küßte sie mich unaufhörlich, als gäbe es kein Morgen mehr!

Auch meine Hände begannen nun ihren wahnsinnig gut gebauten Körper zu erforschen, erst suchend, fragend, tastend und zärtlich bemüht, ihr nicht wehzutun. Dann immer forscher und fordernder und schließlich aggressiv und angriffslustig.

So unvermittelt wie es begonnen hatte, beendete sie das Spiel.

War ich zu weit gegangen?

Große fragende Augen sahen mich an. In der anbrechenden Dämmerung funkelten ihre grünen Augen wie Diamanten.

„Mein Gott“, dachte ich, „sind das märchenhaft schöne Augen!“

Plötzlich begannen diese Edelsteine feucht zu glänzen.

„Um Himmels willen“, dachte ich, „bitte keine Tränen!“

Ich wollte sie schnell wieder in die Arme schließen, aber zwei kleine Fäustchen, mit denen sie mich auf Distanz hielt, hinderten mich daran!

„Liebst du mich“, fragte sie wie aus heiterem Himmel.

Da mir noch nie ein Mädchen diese Frage gestellt hatte, wußte ich auch keine Antwort. Mit geöffnetem Mund stand ich vor ihr.

„Liebst du mich“, wiederholte sie ihre Frage.

Ohne so richtig zu wissen was Liebe ist, antwortete ich ihr vorsichtig:

„Wenn du das Kribbeln in der Magengegend, das bis in die Fußspitzen reicht, meinst, wenn ich dich berühre. Wenn es das Verlangen nach dir ist. Wenn es die feuchten Hände sind, die ich bei deiner Berührung bekomme. Wenn es die ausgetrocknete Kehle ist. Wenn das Herz bis zum Hals schlägt und der Boden vor Aufregung schwankt. Wenn das alles Liebe ist, ja dann liebe ich dich!“

Ein dankbares Lächeln huschte über ihre gleichmäßig schönen Gesichtszüge und blitzschnell und flüchtig hauchte sie mir erneut einen Kuß auf meinen staunenden Mund.

Bevor ich nach ihr greifen konnte stand sie vor mir und bot mir ihre Arme an um aufstehen zu können.

Ich erhob mich ebenfalls und stand nun vor ihr.

„Dann laß uns Freunde sein. Versprich mir mit Deinem großen Ehrenwort, dass du mir immer treu sein wirst und wenn du tatsächlich mal ein anderes Mädchen kennenlernst mit mir darüber sprichst?“

Ich kam mir vor wie Winnetou und Old Shatterhand!

Sie überraschte mich damit erneut. Mit allem rechnete ich, aber nicht mit einem Schwur!

„Aber Ute...“, versuchte ich dem entgegen zu steuern, aber sie duldete keinen Widerspruch!

„Bitte versprich es mir!“

Sie sah mich flehentlich an und tat mir plötzlich unendlich leid. Sollte sie mit ihren jungen Jahren schon eine große Enttäuschung hinter sich haben?

Ich versuchte ihre Schultern zu ergreifen, aber sie trat einen Schritt zurück.

„Erst versprechen“, sagte sie leise, „ich möchte doch nur einen Freund besitzen, zu dem ich Vertrauen habe, mit dem ich auch über unangenehme Sachen sprechen kann, ohne dass es sofort in den Dreck gezogen wird!“

„Versprochen“, sagte ich fest und hielt ihr die Hand entgegen.

„Dann schwöre es!“

„Gut, ich schwöre es“, antwortete ich sichtlich unbehaglich.

Wie im Kino trat sie mit tränengefüllten Augen einen Schritt näher, zog meinen Kopf zu sich herab und küßte mich einmal mehr heiß und innig.

Ich stand vor ihr als wenn ich in die Hose geschissen hatte!

Eine so schöne, beneidenswerte Freundin zu haben fand ich cool, aber einen Schwur abzulegen, über dessen Tragweite ich erst viel später erfahren sollte, ging mir gehörig gegen den Strich.

Aber was tut man nicht alles, um den anderen nicht zu verlieren, besonders bei diesem Exemplar, das da vor mir stand und mich noch immer küßte!

Es sollte in meinem Leben auch nicht die einzige Konzession einem Mädchen oder einer Frau gegenüber bleiben.

Nachdem die Dunkelheit die Dämmerung eingeholt hatte und unser amouröses Abenteuer langsam zu Ende ging und die fordernden kirschenroten Lippen dieses wunderschönen Mädchens die meinen freigab, fiel mein Blick auf die Uhr:

„Ich glaube wir sollten uns langsam in Richtung Heimat begeben. Meine Alten sind stocksauer wenn ich zu spät zum Abendessen erscheine!“

„Meine auch“, seufzte sie und fügte hinterlistig hinzu, „verschiebe wir den Hosentest auf einen anderen Tag!“

Mich an der Hand ergreifend, rannte sie los.

Jetzt erkannte ich wieder das hübsche, begehrenswerte, lustige Mädchen, in das ich mich heute endgültig furchtbar verliebt hatte!

Ich ließ mich gerne von ihr führen und wir erreichten unser zu Hause zum ersten Mal Hand in Hand!

Die nächsten Tage verliefen wie im Flug.

In der Schule kehrte nach unserer Attacke gegen Ede Paul wieder der Alltag ein. Er ging gar nicht mehr darauf ein und tat rein äußerlich so, als wäre nichts geschehen, Seine Gewohnheiten ließen allerdings andere Rückschlüsse zu!

Seine Tasche flog nicht mehr im hohen Bogen auf das Lehrerpult. Die Brotdose ließ sich überhaupt nicht mehr blicken und somit entfiel auch sein genüßlicher Verzehr von der einen oder anderen Scheibe Brot während der ersten Stunden.

Mit anderen Worten, unsere Streiche hatten Wirkungen hinterlassen.

Unser Fräulein Doktor betrachtete die Angelegenheit offensichtlich auch als erledigt, was uns mit Genugtuung erfüllte!

Damit herrschte, zumindestens oberflächlich betrachtet eitel Sonnenschein.

Wolfgang erreichte den Unterricht wie eh und je zu spät.

Babsis Grippe kapitulierte in Anbetracht eines riesigen Medikamenten Angebotes und sie erfreute sich wieder allerbester Gesundheit, sehr zur Freude aller Jungen in unserer Klasse!

Martin mußte, wie mir schien, etwas an Gewicht zugelegt haben.

Uli blieb so klein wie zuvor, vielleicht mit etwas mehr Bauchumfang.

Rüdiger sah mit einem blaugrün geschwollenen Auge und einer stattlichen Beule auf der Stirn etwas verletzt aus.

Bei Hartmut seinem Kommentar hörte sich das wie folgt an:

„Ein tragischer Zusammenstoß mit einem Schmetterling!“

Ich ergänzte die Verwundung auf meine Art:

„Der Spargel ist reif!“

Im Laufe der Woche fiel dann auch die endgültige Entscheidung, wer uns neben Fräulein Lerche auf der Klassenfahrt begleiten durfte.

Die Entscheidung fiel zu unser aller Zufriedenheit auf unseren Geschichts- und Physiklehrer Herrn Hermes.

Bis zum Schluß stand die Befürchtung, daß die Wahl auf Ede Paul fallen konnte, aber davon hatten wir uns durch unsere Streiche selber befreit!

So liefen dann alle Reisevorbereitungen nach Plan und auf Hochtouren. Unser Stammquartier sollte in Detmold liegen, von wo aus wir alle Wanderungen und Fahrten starten wollten.

Wir beabsichtigten einen Besuch im Teutoburger Wald, einen Abstecher zu den Externsteinen und zum Hermannsdenkmal und eine Tagesfahrt nach Kassel auf das Schloß Wilhelmshöhe.

Das sensationelle an dieser Fahrt war die Tatsache, daß wir erstmalig eine ganze Woche fahren würden!

Eine Woche ohne Hausarbeit und Schulstress, aber auch eine Woche ohne Ute!

Überhaupt Ute. Nach unserem romantischen Spaziergang bestand ein völlig neues Verhältnis! Wenn wir uns trafen begrüßten wir uns mit einem Kuß. Wenn wir den gemeinsamen Schulweg begingen, hielten wir uns an den Händchen und wenn wir spazieren gingen hakten wir uns ein wie ein verliebtes Pärchen, was wir ja auch darstellten! Es folgten sehr schöne Tage, auch ohne Hosentest, wie sie immer spitzbübisch lästerte! Es schien tatsächlich aus einer langjährigen Schulfreundschaft so etwas wie Liebe zu werden. Ich genoß diese Zeit sehr intensiv, handelte es sich doch um meine erste große Liebe!

Umso trauriger wurde mir um das Herz wenn ich nur daran dachte, sie eine Woche nicht sehen zu können. Ich wußte ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht was während der Klassenfahrt so alles auf mich zukommen sollte!

Vorbereitung zur Klassenfahrt

Unsere Klassenfahrt stand nun unmittelbar bevor. Eine der letzten Unterrichtsstunden hielt Herr Hermes, der Co- Pilot unserer Fahrt, wie wir ihn ab jetzt nannten!

Geschichte stand auf dem Programm und zu allem Überfluß auch noch die griechischen Götter! Ich muß wohl nicht erwähnen, daß viele von uns dieses Thema für völlig überflüssig hielten und sich entsprechend aufführten.

Babsi las einen schonungslosen Liebesroman, von dem sie uns in den Pausen immer mit geröteten Wangen erzählte.

Rüdiger informierte sich in mehr oder weniger einschlägig bekannten Massenblättern, immer peinlich genau darauf achtend, die Zeitung gerade zu halten, damit kein Blut herausfließen konnte,

Alexandra versuchte sich in der hohen Kunst des Strickens! Sie schwor Stein und Eisen einen Pullover herzustellen! Den Abmessungen zu Folge tippten wir aber eher auf einen Wintermantel.

Martin gab sich mit Inbrunst seiner Lieblingsbeschäftigung hin, dem Vernichten von Eßbarem! Was er so im Verlauf nur einer Schulstunde in sich hineinstopfte, schien eher angetan, ein Schwein zu mästen, als einen heranwachsenden Jüngling zu sättigen. Seine Mutter, die ihm die Brote zu Hause vorbereitete, mußte sicherlich jeden Tag eine Stunde früher aufstehen, um das gewaltige Pensum zu schaffen!

Uwe fertigte in beispiellosem Einsatz seine vergessene Hausarbeit in Mathe an, das in der letzten Stunde auf dem Programm stand. Von Zeit zu Zeit sah er dann aufmerksam und interessiert zu Herrn Hermes empor, der ihm auffällig oft aufmunternd zunickte! Er nahm wohl an, Uwe schrieb alles mit, was er erzählte! Zum Glück ahnte Herr Hermes aber nichts von Uwes tatsächlichem Tun!

Hartmut und ich spielten Schiffe versenken. Das Match stand noch remis.

Der Gipfelpunkt aber war mal wieder Wolfgang, unser notorischer Zuspätkommer, der es fertigbrachte, in der zweiten Reihe tief und fest zu schlafen! Von Zeit zu Zeit erhielt er einen leichten Knuff von seinem Nachbarn Klaus, den das laute Schnarchen manchmal schon etwas störte. Der Baum, den Wolfgang im Traum zersägen wollte, mußte schon mehr als einen Meter im Durchmesser dick sein!

Herr Hermes, bis dahin nichts merkend von alledem, erzählte gerade von seinem Namensvetter, Hermes, dem Götterboten, als er das schlafende Wunder bemerkte!

„Wie hieß doch unser griechischer Götterbote, Wolfgang?“

Der so angesprochene regte sich nicht im Geringsten!

„Wolfgang“, donnerte es vom Lehrertisch!

Aber selbst diese in höchster Tonlage vorgetragene Aufforderung, riß ihn nicht aus den Schlaf! Lediglich ein leichtes Lächeln umspielte seine schlafenden Lippen! Ansonsten waren keinerlei Anzeichen zu erkennen, daß er sich innerhalb kürzester Zeit wieder unter die Lebenden einreihen würde!

Das war nun auch Herrn Hermes etwas zu viel, seinen fesselnden Geschichtsunterricht zu verschlafen.