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Die Einführungsvorträge von Brigitte E.S. Jansen beleuchten die Vielfalt und Tiefe zeitgenössischer Kunst anhand von vier Künstler:innen und Ausstellungen. Peter Deglows Werke stehen exemplarisch für die künstlerische Verbindung von Intuition und Intellekt. Seine Malerei schöpft aus Strömungen wie Art Informel und Abstraktem Expressionismus, wird aber durch die Integration von George Spencer-Browns „Laws of Form“ um eine philosophisch-mathematische Ebene erweitert. Deglow vereint das strukturierte Denken des Ingenieurs mit der Spontaneität des Malers. Seine Bilder entstehen als Serie von „Unterscheidungen“ – jeder Pinselstrich ein kreativer Akt, der aus dem Nichts Form, Raum und Zeit erschafft. Diese Prozesse spiegeln Spencer-Browns Idee wider, dass jede Erkenntnis auf Unterscheidungen beruht. Die Kunst wird so zum Erkenntnisraum, in dem der Betrachter selbst zum Teil des schöpferischen Prozesses wird.Im Vortrag zur Ausstellung „Quo Vadis, Homini?“ steht die phantastische Kunst im Fokus. Die Werke von Leon Ariev und Woytek verbinden mythologische, religiöse und psychologische Motive. Arievs Gemälde sind geprägt von Symbolen und Metaphern, die Sinnsuche, Spiritualität und menschliche Existenz thematisieren. Sein Stil vereint russische und europäische Einflüsse, wobei seine komplexen Bildwelten philosophische Fragen nach Identität, Verantwortung und Transzendenz aufwerfen. Woyteks Skulpturen verbinden expressive Gestaltung mit spiritueller Tiefe. Werke wie „Habemus Papam“ zeigen existenzielle menschliche Krisen, innere Konflikte und Transformationen. Die Kunst wird zur Brücke zwischen Bewusstsein und Unbewusstem, zwischen Mythos und Gegenwart.Anca Sonias Werke bewegen sich zwischen Ursprünglichkeit, Kreativität und diskursivem Austausch. Ihre Malerei und Skulpturen sind von prähistorischer Höhlenkunst inspiriert und thematisieren das Streben nach der „inneren Essenz der Dinge“. Die Kunst von Christel Olivier betrachtet den Augenblick als kosmisches Fragment und verbindet Wissen, Lyrik und visuelle Collage. Ihre Werke sind Sinnbilder für die Flüchtigkeit des Seins, aber auch für Bewahrung und Transformation. Als ehemalige Lehrerin sieht sie das künstlerische Gestalten als Form der Wissensvermittlung, die über das Faktische hinausgeht. Ihre Wort-Bild-Collagen sind „geklebte Überreste von datiertem Schweigen“, archäologische Fundstücke der Seele, die neue Bedeutung generieren. Sie laden ein, das Unsichtbare im Sichtbaren zu entdecken.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Unsichtbares sichtbar machen
Reflexionen über Kunst und Wirklichkeit
Brigitte E.S. Jansen
Impressum
Gesellschaft für Arbeitsmethodik e. V, c/o Brigitte E. S. Jansen, Balger Hauptstr. 31, 76532 Baden-Baden, e-mail: [email protected]
Kunst ist niemals nur ein Gegenstand, der betrachtet werden will – sie ist ein lebendiger Prozess, der Dialog, Reflexion und Erkenntnis ermöglicht. Die Einführungsvorträge, die in dieser Sammlung versammelt sind, zeigen eindrucksvoll, wie verschieden und vielschichtig Annäherungen an die Kunst sein können: Sie eröffnen Zugänge, stellen Bezüge her, ordnen ein, provozieren und inspirieren. Was sie verbindet, ist nicht die Beschreibung eines bloßen visuellen Eindrucks, sondern die Einladung, Kunst als offenen Denkraum und als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen. Ob es um abstrakte Malerei, phantastischen Realismus, Bildhauerei oder experimentelle Collagen geht – immer rückt der Mensch als Schaffender und Betrachtender in den Mittelpunkt. Die vorgestellten Künstlerinnen und Künstler bewegen sich an den Schnittstellen von Intuition und Intellekt, von Wissenschaft und Poesie, von Mythos und Gegenwart. Ihre Werke sind nicht nur Ergebnisse ästhetischer Prozesse, sondern sichtbare Spuren einer inneren Suche nach Bedeutung, nach Verbindung und Verwandlung. Die Einführungsvorträge spiegeln diese Vielfalt wider. Sie beleuchten die historischen, philosophischen und psychologischen Dimensionen der Kunst, verknüpfen individuelle Biografien mit übergeordneten Strömungen und fragen nach dem, was jenseits des Sichtbaren wirkt. Kunsttheoretische Reflexion, persönliche Erfahrung und das Wissen um die Kraft des Unbewussten werden dabei ebenso wichtig wie die Freude am unmittelbaren sinnlichen Erleben. In der Begegnung von Werk und Wort entsteht Resonanz – ein Dialog, der weiterführt, neue Fragen stellt und den Blick auf die Welt erweitert. Diese Texte sind Einladung und Anstoß zugleich. Sie richten sich an alle, die bereit sind, Kunst als Abenteuer zu begreifen – als einen Raum, in dem Fragen erlaubt sind und Antworten sich in den Farben, Formen und Geschichten der Werke immer neu entfalten. Möge diese Sammlung dazu beitragen, den Dialog mit der Kunst lebendig zu halten – und vielleicht auch, den eigenen Blick auf das Leben zu bereichern.
Baden-Baden, im September 2025
Dr. Dr. Brigitte E.S. Jansen,
- Herausgeberin, 1. Bundesvorsitzende. -
Dr. Dr. Brigitte E.S. Jansen
Der Artikel widmet sich der einzigartigen Ausstellung von Peter Deglow, einem deutschen Künstler, in der DCS-Contemporary Art Gallery in Karlsruhe, gehalten am 25.10.2023. dieser Beitrag basiert auf dem Einführungsvortrag der Autorin.
Die heute präsentierten sieben Arbeiten von Peter Deglow stellen einen bewussten Kontrapunkt zu früheren Ausstellungen dar. Dieser bewusste Bruch signalisiert die besondere Natur dieser Präsentation. Peter Deglow wird hier nicht nur als Maler vorgestellt, sondern entscheidend auch als Ingenieur. Diese duale Identität bildet den Kern des konzeptuellen Rahmens der Ausstellung. Der Titel der Ausstellung, „Laws of Form“, ist bewusst doppeldeutig gewählt. Er verknüpft den Begriff sowohl mit der Kunst als auch mit einem spezifischen mathematischen System, das aufgrund seiner Besonderheiten hervorragend zum Sujet und zum Künstler passt.
Die besondere Bedeutung der doppelten Identität des Künstlers als Maler und Ingenieur ist nicht nur eine biografische Randnotiz; sie prägt vielmehr das konzeptionsbezogene Fundament der gesamten Ausstellung. Die Denkweise eines Ingenieurs ist von Natur aus strukturiert, analytisch und befasst sich häufig mit Systemen und grundlegenden Prinzipien. Im Gegensatz dazu ist die Denkweise eines Malers intuitiv, expressiv und befasst sich mit Form, Farbe und Emotion. Die Vereinigung dieser beiden Denkweisen in einer Person ermöglicht einen einzigartigen Zugang zur Abstraktion, der sowohl konzeptionell rigoros als auch zutiefst intuitiv ist. Diese doppelte Identität befähigt Deglow, die scheinbar disparaten Welten von Kunst und Mathematik zu verbinden. Seine Werke gehen über bloße ästhetische Äußerung hinaus und münden in eine tiefere philosophische Untersuchung der Natur der Realität selbst, wie sie durch Spencer-Browns System erforscht wird. Er ist somit nicht nur ein Künstler, der ein Konzept verwendet; er ist ein Künstler, dessen gesamtes Wesen den interdisziplinären Dialog verkörpert und damit eine einzigartige Perspektive auf die „Laws of Form“ bietet.
Die Bezeichnung der Ausstellung als „Kontra-Punkt zu den bisherigen Ausstellungen“ deutet auf eine bewusste Verschiebung oder Herausforderung gegenüber früheren Präsentationen hin. Obwohl Deglows Stil in der malerischen Tradition des Informel und des Abstrakten Expressionismus verwurzelt ist – Bewegungen, die für ihren Fokus auf Ausdruck, Automatismus und das Brechen von Konventionen bekannt sind –, führt die Integration eines mathematischen Systems als konzeptuellen Rahmen eine Ebene intellektueller Absichtlichkeit ein. Dies steht möglicherweise im Gegensatz zu einem rein intuitiven oder emotionalen Fokus, der oft mit diesen Bewegungen assoziiert wird. Es deutet auf einen Übergang von einer rein „ungezügelten, ursprünglichen Schöpfung“ zu einer Schöpfung hin, die, obwohl spontan, von einer tiefgreifenden strukturellen Philosophie untermauert wird. Dieser Kontrapunkt bereichert das Verständnis seiner Arbeit und positioniert sie nicht nur als eine weitere abstrakte Ausstellung, sondern als eine konzeptuelle Aussage, die konventionelle künstlerische Grenzen herausfordert und zu einer tieferen intellektuellen Auseinandersetzung einlädt.
Peter Deglows Kunst steht in einer reichen Tradition der Nachkriegsabstraktion, die sowohl in Europa als auch in Amerika prägende Formen annahm. Seine Arbeiten spiegeln eine Synthese dieser Bewegungen wider und erweitern deren Ansätze durch eine einzigartige konzeptuelle Tiefe.
Art Informel entstand in den 1940er Jahren in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg als eine trotzige Reaktion auf den Intellektualismus des Kubismus und die geometrische Abstraktion der Vorkriegszeit. Diese Bewegung zeichnet sich durch ihren Schwerpunkt auf expressive Impulse statt auf Form, Spontaneität, gestische oder kalligraphische Pinselführung und die Verwendung innovativer Medien aus. Der Begriff „Tachisme“, der sich vom französischen Wort „tache“ (Fleck oder Spritzer) ableitet, ist praktisch gleichbedeutend mit Art Informel und wird durch spontane Pinselführung, Tropfen und gekritzelte Spuren charakterisiert. Die Bewegung lehnte rationalistische Methoden und konventionelle Hierarchien der bildenden Kunst ab und bevorzugte eine ungezügelte, ursprüngliche Schöpfung, deren Wurzeln im Automatismus des Surrealismus liegen. Deutsche Künstler wie Max Ackermann, Peter Brüning und Hann Trier von der Düsseldorfer Kunstakademie werden in diesem Zusammenhang als Vertreter dieser Tradition genannt. Eine faszinierende indirekte Beeinflussung des Informel durch Claude Monets „Seerosen“ deutet auf eine Linie der Abstraktion der Natur und eine Konzentration auf sensorische, atmosphärische Erfahrungen hin, die mit den „lyrischen“ Aspekten dieser Abstraktion in Einklang stehen.