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Kitty Darling

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Beschreibung

Glorias Wohnung wird luxussaniert und somit unerschwinglich. Wo soll sie künftig wohnen? Um sich aus der Existenz bedrohenden Lage zu retten, steckt sie die „goldene Brosche“ an, was bedeutet: Haarschneiden mit sexuellen Zusatzleistungen. Sie zögert jedoch und will das Schmuckstück gerade wieder abnehmen, als ihr Kunde, Leo Lehmann, vor ihr steht und ein mittelschweres Erdbeben in ihr auslöst. Der einflussreiche Lobbyist sieht nicht nur sagenhaft sexy aus, sondern sieht vor allem die Brosche – und zieht Schlüsse. Dabei steht er nicht auf Sex mit Prostituieren. Er besucht das legendäre BeautySinn nur, um nach dem Ende seiner Ehe auf andere Gedanken zu kommen. Das tut er in der Tat und erkennt sich selbst kaum wieder, als er, in seinem Friseursessel sitzend, eine wildfremde Frau in den siebten Himmel leckt. Auch Gloria versteht die Welt nicht mehr und verzweifelt zwischen dem unbändigen Begehren und der abgrundtiefen Scham, „es“ für Geld zu tun. Noch dazu hat der umwerfende Fremde einen Massagetermin gebucht, bei dem er gewiss mehr als nur ein bisschen Petting erwartet. Die einzelnen Titel der Reihe sind in sich abgeschlossen und somit unabhängig voneinander lesbar. Sie bauen nicht aufeinander auf.

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Gloria
Leo
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Gloria
Leo
Gloria
Leo
Gloria
Leo
Gloria
Leo
Leseprobe Kapitel 1 aus „Power & Pleasure“
Kapitel 1

Auflage 1, Februar 2019

Copyright: Kitty Darling, 2019, Deutschland

R.O.M Autorenclub, R.O.M. logicware, Pettenkoferstr. 16-18, 10247 Berlin

Kitty Darling unter C.R. Sterling

Copyright Cover: Unter Verwendung eines Motivs von Depositphoto

Korrektorat: Korrekturelfe Kerstin Guzik

 

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung undVervielfältigung, auch auszugsweise, ist nur nach schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Alle Rechte liegen bei der Autorin.

Alle Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

 

„Der Salon: Verlangen“ ist eine erotische Kurzgeschichte,

mit Betonung auf erotisch und Kurzgeschichte.

Das bedeutet, dass die Erotik im Vordergrund steht, und dass Charaktere und Entwicklungen nicht in der Tiefe erzählt werden, wie es in einem Roman der Fall wäre.

Dafür erwartet den Leser prickelnde, anschauliche Erotik mit einem Touch Liebe.

 

 

Gloria

 

„Mensch, Glow! Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du siehst ja aus, als hätte sich der Preis für Mandelhörnchen verzehnfacht!“, begrüßt mich meine beste Freundin Bea mit einer ausholenden Geste und einem stockenden Lachen. Sie hat in unserem Stammlokal Götterfunkeln nahe der Invalidenstraße schon auf mich gewartet und glücklicherweise zwei Plätze an dem langen Tresen der angesagten Bar beschlagnahmt. Die Cocktails hier zählen zu den besten Berlins und kosten dementsprechend, außer in der Happy Hour, und die dauert dienstags bis 20:00 Uhr. Und heute ist Dienstag, 19:30 Uhr.

„Hi Süße. Mach keinen so makabren Witze! Du weißt ja nicht, wovon du redest! Ich meine, wenn es nur um meine Lieblings-Teilchen ginge! Ohne die könnte ich ja noch irgendwie überleben. Es geht aber um die Miete für meine Wohnung, und ohne die tu ich mir schwer!“, heule ich los, während ich noch versuche, mich möglichst elegant auf den hohen Barhocker zu hieven. Prompt rutsche ich mit meinen hohen Haken von der Trittleiste ab und schramme mit dem Kinn nur knapp am Tresen vorbei, was mir immerhin einen blauen Flecken oder gar einen gebrochenen Kiefer erspart. Ist das nun ein gutes, ein schlechtes oder am Ende gar kein Omen?

„Wie, für deine Wohnung? Das geht doch gar nicht! Mietpreisbremse und ...“

„Pf! Vergiss die“, winke ich ab.

„Wie, vergiss die?“ Ungläubig starrt sie mich aus ihren Rehaugen an.

„Na, die gilt nicht bei Luxus-Sanierung, und so eine steht mir ins Haus“, stöhne ich und gebe dem Barkeeper ein Zeichen.

„Einen Planter’s Punch, bitte“, bestelle ich und Bea schließt sich mit „Für mich einen Singapore Sling“ an.

„Luxussanierung? Wann soll das losgehen, und von wie viel reden wir denn?“ Auch sie ist sichtlich entsetzt und streicht sich ihre langen, blonden Haare aus der Stirn.

„Im Mai schon! Das ganze Haus ist verkauft worden.“

„Das ganze Haus? Alter, bitte, wer hat so viel Kohle, dass er ein ganzes Mietshaus kauft!“, ruft sie und starrt zur Decke.

„Tja, frag mich was Leichteres. Brad Pitt vielleicht, keine Ahnung, ist doch egal. Fest steht, dass die alten Mietverträge danach nicht mehr gelten, sondern um das Fünffache stei--“ Weiter komme ich nicht, denn Bea verschluckt sich, ohne etwas getrunken zu haben, und hustet heftig los.

„Um – das Fünffache? Sagtest du das Fünffache?“

„Ja. Du hast richtig gehört. Und ich habe richtig gerechnet. 1800 € soll der Spaß danach kosten.“

„Statt bisher ... 300 noch was?“

„360.“

„Na, das war ja auch extrem günstig!“

Zweifelnd sehe ich sie an. Als ob mir das jetzt etwas helfen würde! „Ich weiß. Aber anders hätte ich sie ja nicht halten können, nachdem Ga- b --“ Ich darf seinen Namen in ihrer Gegenwart nicht mehr erwähnen, weil sie ihn in Zusammenhang mit wüsten Beschimpfungen, Tränen und „ich will wieder Jungfrau werden und als solche sterben“ mindestens einmal zu viel gehört hat. Prompt schnaubt sie (sehr undamenhaft) durch ihre kleine Nase und verdreht ihre großen grauen Augen. „Sorry, aber es ist so. Wir haben den Mietvertrag 2012 von seinem Freund übernommen, seitdem wurde die Miete einmal um 20 Euro erhöht. Klar ist die Wohnung, oder das gesamte Gebäude, nicht mehr modern, es muss einiges repariert werden. Aber doch nicht gleich so!“ Ich ringe die Hände und ziehe eine Grimasse.

„Aber sag mal, hast du dir denn da nichts weg gespart?“, ruft sie beinahe wütend über meine vermeintliche Dummheit, die es in dem von ihr angenommenen Ausmaß aber gar nicht gibt.

„Doch, natürlich! Aber doch nicht solche Unsummen!“

„Na ja, schon klar, auch wieder wahr. Da könnte man ja gleich kaufen“, gibt sie nachdenklich zurück. „Es ist echt der reinste Wahnsinn mit dem Wohnungsmarkt. Irgendwann hausen wir alle auf der Straße. Vielleicht sollte ich beheizbare Pappkartons für die Berliner Winter entwickeln haha, selten so gelacht.“ Sie schüttelt bitter den Kopf. „Im Ernst: So kann es doch nicht weitergehen!“

„Das finde ich auch. Aber es geht so weiter, und wir können nichts dagegen tun. Kein verfluchter Politiker dieser Welt, egal wie grün oder rot er ist, wird daran was ändern, weil er – ach, scheiß doch drauf!“, fluche ich und merke selbst, dass ich mein Gesicht hässlich verziehe und mich ungesund verspanne.

Ein Glück, dass da der nette Bartender mit dem gepflegten Vollbart und einem Grinsen auf seinen (deswegen) kaum sichtbaren Lippen vor uns auftaucht und die zwei vielversprechenden Gläser abstellt. Unmittelbar hellt sich meine Miene auf.

„Na, dann, Prost auf den Schock“, meint Bea und wir stoßen an.

In mir grummelt so eine Wut, dass ich auf der Stelle platzen könnte. Wenn Gabriel mich damals nicht vom Kauf der Zweiraumwohnung in Lichtenberg abgehalten hätte, weil er lieber im schicken Prenzlauer Berg wohnen wollte, hätte ich für den Rest meines Lebens ein Dach über dem Kopf! Und wenn er mich nicht hätte sitzen lassen, könnten wir uns die neue Miete teilen. Ja. Auf alle Fälle könnten wir das, besonders jetzt, wo er so richtig Geld scheffelt – nur das er das jetzt mit Julia anstatt mit mir teilt. Ich meine, ich will dem Scheißkerl echt nicht nachheulen, aber gerade jetzt würde ich ihn gern treten. Alternativ mich selbst, weil ich damals auf ihn gehört habe. Aber ich stehe nicht auf Schmerzen, folglich lasse ich es bleiben.

„Und jetzt?“, fragte Bea nach einer Schöner-Wohnen-Gedenkminute.

„Keine Ahnung“, seufze ich hoffnungslos und nehme einen tiefen Schluck aus meinem Glas. Wenn ich mich beeile, schaffe ich noch eine Bestellung vor zwanzig Uhr. Seit heute muss ich ja sparen.

Aber niemand kann so viele Cocktails in der Happy Hour trinken, dass er auf die Differenz von 1440 Euro im Monat kommt. Da stirbt man ja früher. Wobei das natürlich auch eine Lösung wäre, wenngleich – ach, Quatsch. Suizidgefährdet bin ich zum Glück nicht.

Der Abend, der so lustig hätte werden können, verläuft trübsinnig, was ja auch kein Wunder ist, weil wir beide nur zu gut wissen, dass meine Wohnung eine der allerletzten für Normalverdiener war. Wobei: Normalverdiener? Vielleicht machen wir uns auch da was vor und wir sind im Grunde Schlecht-Verdiener.

Ich befürchte, es ist an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken.

 

Leo

 

„Das ist nicht wahr! Sag, dass das nicht wahr ist!“, schreie, plärre, flehe ich. Und doch ist es wahr. Natürlich ist es wahr. Soweit ich durch den schlagartig entstandenen Nebel denken kann, ergibt jetzt alles einen Sinn: Claudias immer stärkeres Desinteresse an Sex, das sich schließlich zur Abneigung auswuchs, was ich allerdings auf den Umstand schob, dass sie nicht schwanger werden konnte. Dann ihre zunehmende Gleichgültigkeit mir gegenüber. An uns. An der Freizeit. An allem, außer ihrer Karriere, am Shoppen, am Reiten, an Fitness und ihren zwei Freundinnen. Sogar mit Golfen hat sie aufgehört, und das, wo sie von Kindesbeinen an gespielt hat. Reiches Elternhaus, anders als bei mir. Ein Unterschied, der mich viele Jahre beschäftigt hat, bis es mit meiner eigenen Laufbahn so richtig steil bergauf ging. Von da an war mir meine Herkunft egal, oder nein, das stimmt nicht: Ich war sogar stolz darauf, es so weit gebracht zu haben. Und ich bin es immer noch.

. Doch nun recken die alten Dämonen wieder ihre hässlichen Häupter, von denen ich dachte, ich hätte sie abgeschlagen: Ich bin aus dem Glasscherbenviertel. Die Mädels wollen nichts von mir, weil ich Pickel habe, schmächtig und billig angezogen bin. Ich mache mich zum Affen, gebe mich cool, werde verarscht. Ich bin schlecht im Bett, Claudia lässt sich nicht fallen, Claudia kommt nicht, wir bekommen kein Kind.

Das ist Unsinn, und das weiß ich. Es ist vorbei. Dass wir kein Kind bekommen, liegt nicht an mir allein, es liegt an uns – mein Sperma ist nicht unfruchtbar, aber was spielt das für eine Rolle, wenn es meiner und ihrer Zelle ums Verrecken kein neues Leben entsteht?

Ich sollte mich beruhigen und klar denken. Nichts von dem oben genannten trifft mehr zu – ich habe straffe, reine Haut, bin sportlich, bin fit und sowohl teuer als auch stilvoll gekleidet. Aber hätte ich all das ohne Claudia erreicht?

Fuck. Fuck. Fuck!

Ja! Hätte ich! Sie hat mir nicht bei der Karriere geholfen! Ich hatte mich schon gemausert, bevor ich sie kennengelernt habe, sonst hätte sie mich doch gar nicht beachtet und schon gar nicht geheiratet. Aber dennoch ... Dennoch habe ich sie wie meine Aufenthaltsgenehmigung in der Welt der Schönen und Reichen betrachtet. Das ist scheiße! Verdammte Scheiße! Was jetzt?

Und wer zum Henker ist dieser Andi?

„Ich freu mich auf dich“, und dazu drei Kussmünder! Was ist das überhaupt für eine Oberschwuchtel, Kussmünder zu schicken?

Darunter, von ihr: „Und ich mich erst. Ich bin schon seit dem Aufstehen heiß auf dich.“

Er: „Schön nass?“

Sie: „Darauf kannst du wetten.“

Was soll das? Meine prüde, staubtrockene Frau schreibt solche Sache? Die Frau, mit der ich seit fünfzehn Jahren zusammen und seit acht verheiratet bin? Die Frau, die von Sex so viel hält wie ein Eskimo von einem Kühlschrank mit Gefrierfach? Die sich ab einem gewissen Punkt immer weggedreht, Kopfweh, ihre Tage oder Arbeit hat? Die mich zu einsamer Handarbeit verdonnert hat? Der Frau, der ich, ich absoluter Vollidiot, trotz allem treu geblieben bin? Ich – Arsch? Wozu das alles, wozu?

Ich könnte schreien, Stühle zertreten und Betten zerhacken.

Aber besagte Frau steht still vor mir, macht ein bedröppeltes, aber kein am Boden zerstörtes Gesicht, und versucht erst gar nicht, irgendwas zu erklären. „Ja. Es gibt wen anderen. Schon seit zwei Jahren“, sagt sie einfach und tut so, als stünden wir in der Wüste.

Um mich wird alles schwarz, dann glühend blutrot. „Seit – zwei Jahren?“ Das ist fast so lange, wie sie mich komplett ablehnt und gar nicht mehr an sich ranlässt!

„Richtig“, antwortet sie gefasst und mit einem herablassenden Lächeln, das mir die Galle hochtreibt. Normalerweise bin ich ebenfalls gefasst, aber das hier bringt mich in Rage.

„Richtig? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“, keife ich.

„Was willst du denn sonst hören?“

„Dass es -“ Nein. Nicht, dass es ihr leidtut. Die Blöße gebe ich ihr nicht. „Nichts“, entgegne ich stattdessen nun ebenfalls gefasst, oder eher: hochgradig selbstbeherrscht, und füge mit minimal zitternder Stimme hinzu: „Das war’s dann wohl.“

„Davon ist auszugehen.“ Noch immer zuckt sie mit keiner perfekt gezupften Braue.

Davon ist auszugehen? Himmel Arsch und Zwirn, wer wie was wann ist der Frau jegliches Gefühl abhandengekommen? Und wieso habe ich mir das so lange gefallen lassen? Steht Andi auf Foltermethoden im Bett? Erlebt sie gerade ihr persönliches 50 Shades of Bullshit und hält es für die wahre Liebe? Oder muss man sie erst prügeln, damit sie überhaupt was spürt, dieser verdammte Eisklotz, der mir so lang am Bein hing?

„Gut, dann noch einen schönen Sonntag. Ich bin erstmal weg“, lasse ich sie wissen, packe meine Sachen und finde mich keine Stunde später am Kleinhesseloher See ein, wo sich Ben mit seiner Frau und den vierjährigen Zwillingen die Zeit vertreibt.

„Hey, Kumpel, was ist los?“, begrüßt er mich mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken.

„Die Hölle. Hi Micha, hi Fanny und Emmy“, begrüße ich seine Frauen und mache tapfere Miene.

„Gehen wir eine Runde?“, fragt er und sofort setzen wir uns in Trab.

Ben ist nicht nur mein bester Freund, er ist auch mein Kollege und wie ich unter der Woche die meiste Zeit in Berlin. Wir beide sind sogenannte strategische Berater, besser bekannt als Lobbyisten, und da wir beide enorm gut verdienen, liegt der Verdacht nahe, dass wir höchst umstrittene Produkte vertreten, dass auch noch erfolgreich, und der Verdacht ist richtig.

„Claudia hat einen anderen.“

„Wie bitte? Welche Claudia? Deine Claudia?“

„Welche sonst.“

„Sorry. Aber wie denn? Ich denke, sie hat’s nicht so mit Sex?“

„Ha, das dachte ich auch! Dabei will sie nur nichts von mir, dafür aber umso mehr von einem Andi!“ Ich spucke den Namen aus, als sei er pures Gift.

„Oh Shit. Und woher weißt du das?“

„Von ihrem Handy. Sie war vor mir im Bad, ging raus, als ich kam, hat das Ding liegen lassen und als die nächste Nachricht eintraf, war die Sperre noch nicht aktiv. Da ich genau daneben stand , hab ich die Vorschau gesehen. „Ich freue mich auf Dich. Und drei Kussmünder! Das Ding mit den Lippen!“

„Igitt!“

„Dann hab ich drauf geklickt und den Rest gefunden. Oder einen Teil davon. Hat schon gereicht. Sie ist nämlich nicht nur so versaut wie früher, als wir uns kennengelernt haben, sondern noch mehr. Ich fasse es nicht!“ Mir ist echt zum Heulen, aber natürlich heule ich nicht. Wer bin ich denn!

Dafür bleibt Ben stehen und schaut mich voll Mitgefühl an. „Scheiße, Alter.“

Wir gehen die Runde um den kleinen See und planen meine Trennung von meiner Noch-Frau, denn für mich gibt es kein Zurück. Was ich lange verdrängt habe, wird mir nun überdeutlich bewusst: Unsere Ehe ist schon lange eine Farce. Wir haben keine Zeit mehr zusammen verbracht, nur noch ab und zu gemeinsam Freunde besucht oder getroffen. Wir haben uns nach dem gescheiterten Kinderwunsch voneinander entfernt, wobei es mir egal ist, wer sich schneller entfernt hat. Meiner Meinung nach war sie es.

„Zum Glück habt Ihr ja den Vertrag.“

„Zum Glück, ja. Und zum Glück gehören die Möbel allesamt ihr, weil sie mir ohnehin nicht gefallen.“

Das ist das erste Mal, dass wir lachen. Zumindest schöner wohnen werde ich. Und ganz bestimmt nicht mehr in der Nähe von München, wohin ich nur ihretwegen gezogen bin.

„Aber schon krass: Da steht man von einem Moment auf den anderen völlig anders da. Ohne Frau, ohne Wohnung, wie vor dem Nichts.“

„Ja, ein Partner gibt schon Halt. Aber zum Glück hast du ja nicht Nichts.“

„Halt? Du Positiv-Denker. Mit Claudia war der Halt eher wie Fußschellen.“

Und schon wieder lachen wir.

Als wir schon fast wieder bei seiner Familie sind, bleibt Ben erneut stehen, sieht mich zuerst ernst an, dann fängt er an, breit zu grinsen, bis er sich vor Lachen kaum noch halten kann: „Ein Gutes hat das Ganze auf alle Fälle: Jetzt gibt es keine Ausrede mehr, dass du nicht das BeautySinn besuchst!“

„Ha!“ Auch ich lache laut auf, aber nur kurz, und mache eine wegwerfende Handbewegung. „Ich steh nicht auf Nutten, das weißt du doch.“

„Musst du ja auch nicht. Du musst ja keinen Extra-Service buchen. Aber gönn dir was. Frauen machen auch Wellness. Warum wir Männer also nicht auch?“

„Ich weiß nicht ...“, wende ich ein und wiege den Kopf hin und her.“

„Klar weißt du! Sei nicht so feig. Ruf an! Buch ohne, aber tu was zur Ablenkung, okay?“

Mehr, um ihn zum Schweigen zu bringen, als um mein Zugeständnis zu signalisieren nicke ich. Er grinst zufrieden und fragt: „Bist du am Mittwoch auf dem Benashi Empfang?“

„Ja, du auch?“

Er nickt. „Hab da aber viel anstehen. Sind irre wichtige Leute da, weiß von daher nicht, ob wir viel zum Reden kommen. Ich bin erst ab Mittwoch in der Stadt, hab davor noch in Frankfurt zu tun. Wann fährst du zurück? Oder fährst du überhaupt zurück?“

„Donnerstagabend. Und klar, ja, muss ja den Umzug organisieren!“

„Rasanter Entschluss, Aber gut, ich kann dich verstehen.“ Schweigend sieht er mich an. „Peilen wir den 18:00 Uhr Zug an? Dann können wir in Ruhe reden.“

„Passt gut.“

„Und ich verlass mich auf dich: Am Donnerstag hast du kürzere Haare, und der Schnitt hat nicht 19.50 Euro gekostet!“

 

 

Gloria

 

„So ein Mist!“, fluche ich innerlich und schüttle den Rücklichtern der abfahrenden M1 die geballte Faust hinterher. Dann rase ich zum U-Bahn-Eingang und den selbigen hinab. Da ich die Tramlichter in letzter Zeit des öfteren von hinten gesehen habe, weiß ich, dass mir höchstens zwei Minuten bleiben, um die U8 zu erreichen. Eigenartigerweise fahren die Berliner Öffis außerhalb der Stoßzeiten überpünktlich, zumindest kommt es mir so vor, oder sollte tatsächlich mein großzügiges Zeitmanagement an den vielen Rücklichtern schuld sein?

Rücklichter sind ja so eine Sache. Sie signalisieren uns deutlich, dass wir etwas verpasst haben. Zu spät dran sind, dass der Zug abgefahren ist, sprich- und wortwörtlich. Wortwörtlich betrachtet würde mich das Ganze weniger stören als im übertragenen Sinn. Denn schließlich kommt immer der nächste Zug, oder man nimmt den Bus, die U-Bahn, das Rad, Taxi oder geht zu Fuß. Ganz zu schweigen davon, dass man auch einfach wieder umkehren und zuhause bleiben oder sich ein neues Ziel suchen kann. All diese Möglichkeiten hat man, wenn man das mit dem Zug wörtlich nimmt.

Nur ist das anders, wenn man den Zug im übertragenen Sinn nimmt, wenn man also das wahre Leben betrachtet. Mir kommt es so vor, als gäbe es nur einen Zug, in den man bei der Zeugung oder spätestens bei der Geburt hineingesetzt wird. Da fragt keiner, wohin man eigentlich will. Man sitzt einfach drin und fährt mit. Von da an sind, wieder so ein Spruch, die Weichen gestellt. Umsteigen kann man nur nach heftigen Beschwerden und größeren Kraftakten. Man sitzt drin und wenn man Glück hat, im ICE, erste Klasse, Ruheabteil mit Service am Platz, funktionierender Heizung bzw. Klimaanlagen und flottem Internet. Ab und zu steigt ein netter Mensch ein und bleibt, vielleicht für die gesamte Fahrt, vielleicht nur für eine Station.

Ja, nun, der Vergleich hinkt, denn: Warum können die anderen aus- und umsteigen, ich aber nicht?

Eigenartig.

Ohnehin kommt es mir so vor, als wäre der Zug von meinem Leben eine in die Jahre gekommene Bimmelbahn, und mein Stammplatz ein Stehplatz in der zweiten Klasse, ohne funktionierende Heizung oder Klimaanlage. Ganz zu schweigen von irgendeinem Service, der mir einen Kaffee zu meinen vierzig mal vierzig Zentimetern Gang vor der wegen eines Spüldefekts geschlossenen Toilette bringen würde.

Ich kann mich an bessere Plätze und Züge erinnern. Mit Carlo, mit Tomaso, mit Gabriel. Aber seitdem es mit Gabi aus ist, und das ist über ein Jahr her, hab ich diesen verdammten Stehplatz und komm nicht weg davon. Dabei sollte ich froh darüber sein, dass ich nicht bei voller Fahrt rausfliege. Könnte ja wehtun. Aber wer weiß – vielleicht wäre da draußen mordsmäßig was los? Und ich hätte jede Menge Spaß? Spaß, den ich mir hier drin nicht einmal vorstellen kann, weil ich mich so verzweifelt an alte, vermeintliche Sicherheiten klammere, die längst keine mehr sind?

Wie zum Beispiel, die Erinnerung an Gabi und dass der schlechte Sex mit ihm besser war als keiner. Nicht nur, weil ich nur ein einziges Mal (kein Scheiß!) mit ihm gekommen bin, sondern weil ich auch sonst umso froher war, je eher er zum Ende kam. Oder dass die geteilte Miete die Antwort auf mein zukünftiges Problem ist.

---ENDE DER LESEPROBE---