Vom Leben berührt - Peter Henning - E-Book

Vom Leben berührt E-Book

Peter Henning

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Beschreibung

Ein bewegendes Memoir über einen der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Autor und Kritiker Peter Henning gewährt uns einen intimen Einblick in seine tiefe Verbundenheit mit dem Kölner Autor Dieter Wellershoff. Wellershoff, zeitlebens bekannt für sein Einzelgängertum und seine Liebe für die Abgeschiedenheit seines Arbeitszimmers, schloss im hohen Alter überraschend noch enge Freundschaft mit dem jüngeren Schriftsteller Peter Henning. Innerhalb kürzester Zeit entstand zwischen den beiden eine tiefe geistige Verbindung, die Peter Henning heute, acht Jahre nach Wellershoffs Tod, als die Geschichte einer Wahlverwandtschaft beschreibt. In ebenso persönlichen wie eindrücklichen Schilderungen lässt Peter Henning uns an seiner Beziehung zu Wellershoff teilhaben, der für ihn Mentor, Berater und väterlicher Freund war. Ein Muss für alle, die das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Menschen und Schriftstellers neu entdecken wollen.

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Seitenzahl: 73

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Peter Henning

Vom Leben berührt

Erinnerungen an Dieter Wellershoff

Kurzübersicht

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Titelseite

Über Peter Henning

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

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Über Peter Henning

Peter Henning 1959 in Hanau geboren, studierte Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main und lebt heute als freier Schriftsteller und Journalist in Köln. Seine literarische Arbeit wurde von der Kritik vielfach gelobt, ausgezeichnet und durch Stipendien der Kunststiftung NRW und der Robert Bosch Stiftung gefördert.

 

Dieter Wellershoff, am 3. November 1925 in Neuss geboren, starb 2018 in Köln. Er schrieb Romane, Novellen, Erzählungen, Essays und autobiografische Bücher, z.B. »Der Ernstfall« über seine Erfahrungen im zweiten Weltkrieg. Wellershoff erhielt u.a. den Heinrich-Böll-Preis, den Hölderlin-Preis, den Joseph-Breitbach-Preis und den Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik. Übersetzungen erschienen in 15 Sprachen. 

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Über dieses Buch

Dieter Wellershoff, zeitlebens bekannt für sein Einzelgängertum und seine Liebe für die Abgeschiedenheit seines Arbeitszimmers, schloss im hohen Alter überraschend noch enge Freundschaft mit dem jüngeren Schriftsteller Peter Henning. Innerhalb kürzester Zeit entstand zwischen den beiden eine tiefe geistige Verbindung, die Peter Henning heute, acht Jahre nach Wellershoffs Tod, als die Geschichte einer Wahlverwandtschaft beschreibt. In ebenso persönlichen wie eindrücklichen Schilderungen lässt Peter Henning uns an seiner Beziehung zu Wellershoff teilhaben, der für ihn Mentor, Berater und väterlicher Freund war. Ein Muss für alle, die das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Menschen und Schriftstellers neu entdecken wollen.

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Impressum

Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KGBahnhofsvorplatz 150667 Köln

© 2025, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Jana Meier-Roberts

Covermotiv: © Brigitte Friedrich/Süddeutsche Zeitung Photo

 

ISBN978-3-462-31977-4

 

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Inhaltsverzeichnis

Motto

Vom Leben berührt

Dank

Literaturverzeichnis

»Mittendrin sein und zugleich am Rande – jeder macht diese Erfahrung, wenn er durch die belebten Straßen einer Stadt geht.

Jeder ist in seinem eigenen Roman und liest im Vorbeigehen die flüchtig aufleuchtenden Zeichen der fremden Schrift.«

DW

Ich bin seit jenem sonnigen Junivormittag 2018, an dem man ihm auf dem weitläufigen Kölner Melaten-Friedhof die letzte Ehre erwies, nicht mehr an seinem Grab gewesen.

Wenn ich später, von Bayenthal kommend, mit dem Rad in die Kölner Südstadt fuhr, wich ich der Mainzer Straße, in der ich so oft bei ihm gewesen war, regelmäßig mit einem Schlenker in den Oberländer Wall oder nach links auf die Alteburger Straße aus, um nicht zu den Fenstern im zweiten Stock des Hauses Nummer 45 hinaufsehen zu müssen, hinter denen wir viele Male beieinandersaßen, redeten, lachten, Fußball schauten und warmes Bier tranken, und immer wieder ausschweifend über Fragen der Literatur diskutierten.

Wahrscheinlich tat ich es, um mir auf kindlich-naive Weise die schöne Illusion zu bewahren, ich bräuchte bloß anzuhalten, den Klingelknopf mit dem Namen »Wellershoff« zu drücken, um ihn kurz darauf mit seiner sonoren, freundlichen Stimme sagen zu hören, »Ja, bitte!«, wie er es regelmäßig tat, wenn ich unten vor dem Haus stand und er mich auf meine Antwort hin »Ich bin’s, Peter!« durch Druck auf den Knopf an seiner Gegensprechanlage einließ.

Nun, da ich es mir sieben Jahre nach seinem Tod in Erinnerung rufe, ist es, als machte die Zeit einen Sprung rückwärts: Die entsprechenden Bilder und Erinnerungen bauen sich sogleich in Sekundenschnelle auf und reihen sich aneinander, sodass der Film unserer nicht ganz fünf Jahre währenden, durch seinen Tod jäh beendeten Freundschaft noch einmal vor meinem geistigen Auge abzulaufen beginnt – und wie im Handumdrehen alles wieder da ist!

***

Das erste Mal begegnet bin ich Dieter Wellershoff an einem frühlingsmilden Sonntag im März des Jahres 2013 – er war damals bereits 87 Jahre alt, aber so ansteckend lebendig, intellektuell agil und voller Pläne und Ideen wie er es als 30-Jähriger gewesen sein mochte.

Dem Treffen war ein Telefonat vorausgegangen (ich hatte zuvor lange hin und her überlegt, ob ich es wagen durfte, ihn anzurufen, denn wir waren einander noch nie begegnet), in welchem ich mich ihm vorstellte, verbunden mit der Frage, ob ich ihm das Manuskript meines Romans »Ein deutscher Sommer« schicken dürfe und er mir womöglich nach erfolgter Lektüre ein paar Zeilen dazu schreiben möge, die der Aufbau Verlag zu Werbezwecken verwenden könne.

Ich weiß noch, dass ich ihn vom Abendbrottisch weggelockt haben musste mit meinem Anruf, denn während wir sprachen, kaute er gut vernehmbar an einem Wurstbrot.

Er erklärte, ich möge ihm das Manuskript vorbeibringen – er werde sich bei mir melden. Bereits 4 Tage später bestellte er mich zu sich (so empfand ich das damals: als eine Art Einbestellung). Und dann saß ich ihm im hellen, großzügig geschnittenen Salon der Wellershoff’schen Wohnung in der Mainzer Straße in einer Mischung aus Respekt und gespannter Erwartung gegenüber.

Er musste meine Anspannung gespürt haben, denn ein paar Mal sah er mich von der Seite an, als wolle er mir signalisieren:

Du musst dich nicht eingeschüchtert fühlen! Das Einzige, was uns unterscheidet, ist der Umstand, dass ich mir schon ein wenig länger als Du Gedanken über die großen und kleinen Zusammenhänge des Lebens mache!

Doch wie würde ihm mein Manuskript gefallen haben? Hatte es vor seinem unbestechlichen Blick auf literarische Texte bestehen können, für den er berühmt geworden und für den er, der ehemalige Lektor, von seinen Autoren einst gefürchtet gewesen war?

Was würde er zu einem Roman sagen, der die spektakulärste Geiselnahme der deutschen Nachkriegsgeschichte – das sogenannte »Gladbecker Geiseldrama« von 1988 – fiktionalisierte, um, am Beispiel einer Handvoll von mir in das Geschehen nachträglich eingefügter, erfundener Personen, die Wechselwirkungen zwischen übergeordneter und privater Geschichte zu untersuchen?

So saßen wir einander nun also gegenüber: er auf der kleinen orangefarbenen lederbezogenen Eames-Couch – ich im ausladenden Sessel. Maria, seine Frau, hatte die das Wohnzimmer von der Küche trennende Schiebetür zugezogen und hörte, denn das Radio spielte leise vernehmbar, nebenan Musik.

Vor ihm auf dem Glastisch lag aufgeschlagen ein mit einer Fülle von Seitenzahlen, Notizen und Anmerkungen, die er sich zu meinem Buch gemacht hatte, bedeckter Notizblock, bei deren Anblick ich spontan dachte: »Das Werbesätzchen für die Umschlagrückseite, das der Verlag sich von ihm erhoffte, kannst du vergessen!«

So ähnlich mochte sich der junge Essener Chemiegraf Nicolas Born gefühlt haben, als er 1964 seinem damaligen Lektor Dieter Wellershoff in den Räumen des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch das Manuskript seines ersten Romans »Der zweite Tag« übergab, woraufhin dieser ihn ansah und sagte: »Gehen Sie zwei Stunden spazieren! Anschließend sage ich Ihnen, wie ich den Roman finde!« (Das Buch erschien 1965 im Verlag, und diese Episode darf als der Gründungsmythos der späteren Freundschaft zwischen dem jungen Schriftsteller und seinem Lektor gelten.) Und dann bescherte er mir, indem er mit mir Punkt für Punkt seine Fragen und Anmerkungen, die er zum Text hatte, durchging, eine knapp 70-minütige Lektion sowohl in denkerischer als auch dichterischer Genauigkeit, an deren Ende er den Block erkennbar zufrieden zuklappte, mich freundlich ansah – und zu meiner großen Verwunderung mit nicht mehr für möglich gehaltener Anerkennung sagte: »Sie haben ein großartiges Buch geschrieben!«

Nachdem wir zu dritt den Kuchen, den ich mitgebracht hatte, in der Küche gegessen und den von seiner Frau zubereiteten Tee dazu getrunken hatten, ließ er mich zum Abschied wissen, ich könne mir das erhoffte Werbesätzchen für den Verlag in ein paar Tagen abholen.

Als es so weit war, überreichte er mir einen zusammengerollten cremefarbenen Bogen aus kräftigem Büttenpapier, auf den er in seiner ausholenden Handschrift mit Feder und schwarzer Tinte jene Sätze geschrieben hatte, die bis heute die Rückseite des Buchumschlags meines Romans »Ein deutscher Sommer« zieren. Sie lauten:

»Peter Henning hat das berühmte Geiseldrama von Gladbeck detailgenau als exemplarisches Gewaltverbrechen der Mediengesellschaft dargestellt.«

 

Ich habe mir den Bogen später rahmen lassen. Seither hängt er hinter Glas über meinem Schreibtisch an der Wand. Und so, als bildete unsere Begegnung ganz selbstverständlich den Auftakt zu nachfolgenden, rief er mich bereits drei Tage später an, um zu fragen, ob ich Lust hätte, im nahen Römerpark einen Spaziergang mit ihm zu unternehmen.

Ich sagte erfreut zu und genoss anschließend für die Dauer von fast vier Jahren das Privileg, einen Menschen zu erleben, dessen Neugier selbst im hohen Alter ungebrochen zu sein schien: Allem, was im jeweiligen Moment seinen Weg kreuzte oder seinen Blick auf sich zog, galt seine Aufmerksamkeit.