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Viktoria lebt ein geordnetes, aber einsames Leben. Seit einem massiven Schicksalsschlag in ihrer Jugend haben zwischenmenschliche Beziehungen ihren Sinn für sie verloren. Als ihr der attraktive Dorian begegnet, bröckelt ihre Fassade. Viktoria fühlt sich zu dem ausgeflippten Künstler hingezogen. Auch Dorian gefällt die geheimnisvolle Frau und sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Dadurch überwindet er zwar seine Schaffensblockade, doch was wird aus seiner Ehe? Und … kann Dorian Viktorias kaltes Herz zum Schmelzen bringen?
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Amanda Partz
Wenn das Herz
gefriert
Ein Roman um die Liebe
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Sofia Steinbeck, nach Motiven, 2023
Dieser Roman erschien ursprünglich unter dem Titel »Frozen: Second Chance«.
Korrektorat: Antje Ippensen
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Wenn das Herz gefriert
Prolog
Die Ausstellung
Dorian
Ein normaler Tag
Im Morgengrauen
Zwiespalt
Wo ist meine Muse hin?
Eine gefühllose Nacht
Das erste Geheimnis
Vorwand
Ablenkung
Ein neues Gefühl
Was geschah
Jetzt verstehe ich
Misstrauen
Fluch oder Segen
Dir verfallen
Streit und Tränen
Wie soll es weitergehen?
Warum, Dorian?
Dunkelheit und Licht
Epilog
Viktoria lebt ein geordnetes, aber einsames Leben. Seit einem massiven Schicksalsschlag in ihrer Jugend haben zwischenmenschliche Beziehungen ihren Sinn für sie verloren. Als ihr der attraktive Dorian begegnet, bröckelt ihre Fassade. Viktoria fühlt sich zu dem ausgeflippten Künstler hingezogen. Auch Dorian gefällt die geheimnisvolle Frau und sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Dadurch überwindet er zwar seine Schaffensblockade, doch was wird aus seiner Ehe? Und … kann Dorian Viktorias kaltes Herz zum Schmelzen bringen?
***
Ein Roman um die Liebe
Amanda Partz
Fröstelnd zog sie den schwarzen Lodenmantel enger an ihren Körper. Über Nacht war die Temperatur in den Minusbereich gefallen und auch wenn die Sonne manchmal zwischen den grauen Wolken hervorlugte, konnte sie weder den wilden Tanz der Schneeflocken noch den eisigen Wind aufhalten. Die junge Frau liebte es, wenn die kleinen Flocken sich auf ihr schulterlanges, blondes Haar setzten und langsam schmolzen. Ebenso schien das Knirschen des Schnees unter den massiven Schneestiefeln wie angenehme Musik.
Trotzdem ging sie nicht oft in diesen Wald. Ihr Beruf allgemein und sonstige Verpflichtungen ließen ihr nicht viel Zeit. Außerdem schmerzte es jedes Mal, obwohl sie alles versuchte, dieses Gefühl zu unterdrücken. Die junge Frau blieb stehen und starrte für den Bruchteil einer Sekunde wie hypnotisiert auf eine Baumgruppe, die seltsam geschlossen beieinanderstand. Normalerweise wurde die Flora eines Waldes in einem Mindestabstand voneinander gepflanzt, damit die Bäume sich ungehindert entfalten konnten. Doch hier hatte man diese Regel entweder außer Acht gelassen oder die Natur selbst hatte ihre Finger im Spiel gehabt. Viktoria vermutete Letzteres.
Mit zögerlichen Schritten näherte sie sich den Bäumen, ihr Herzschlag beschleunigte sich innerhalb weniger Augenblicke um ein Vielfaches, während ein anderer Teil ihrer Seele hartnäckig äußerte, dass sie nicht hätte herkommen sollen. Aber Viktoria wusste es besser, mindestens zweimal im Jahr musste sie diese Stelle aufsuchen. Einmal im Sommer und einmal im Winter, und das exakt seit fünftausendvierhundertfünfundsiebzig Tagen. Es war ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart unweigerlich zusammentrafen. Die Erinnerungen erwachten zum Leben, verschmolzen zu einer greifbaren Einheit.
Zögernde Schritte auf der hohen Schneedecke, ein Rufen zwischen Sorge und Optimismus. Das Tempo beschleunigt sich, auch die Sorge wird allmählich zur Panik. Auch die Stimme wird lauter, ist nahe der Hysterie. Dann der schreckliche Anblick und nichts ist mehr so, wie es war.
Sie stieß die Luft aus, welche in Schwaden zum Himmel emporstieg. Noch immer zitterten ihre Beine wie Espenlaub, obgleich sie laut Expertenmeinung das Erlebnis gut verkraftet hatte. Ein bitteres Lachen blieb in ihrer Kehle stecken. Jene Fassade hatte damals alle getäuscht und war während der Jahre zu einer Mauer geworden. Bis heute weigerte die junge Frau sich standhaft, jemand anderen in ihre eigene kleine Welt zu lassen. Außer mit flüchtigen Bekanntschaften auf der Arbeit und auf Events sprach sie oft tagelang mit niemandem.
Das war nicht immer so gewesen. Einst hatte sie, wie viele junge Mädchen, von einem Partner, vielen Freunden und Kindern geträumt. Utopische Traumbilder, die mit der Realität überhaupt nichts gemeinsam hatten, wie sie heute wusste. Dennoch konnte man jene als angenehm und hoffnungsvoll beschreiben.
Die junge Frau wandte den Kopf und blickte kurz zur Sonne. Ihre schwachen Strahlen liebkosten die geröteten Wangen, verbargen zeitgleich die Tränen. Einst ertönte hier fröhliches, zweistimmiges Kinderlachen. Im Herbst tobten sie im Laub, im Frühling und Sommer waren Erde, Steine, Pflanzen sowie der Bach ihre liebsten Freunde gewesen. Dann, zu Beginn der Pubertät, verebbten diese Spiele, dennoch starb das Lachen nicht. Manchmal saßen sie stundenlang hier im Wald, sprachen über alltägliche Dinge wie Eltern und Schule oder jammerten über die typischen Probleme jener Zeit.
Wir waren ziemlich naiv, dachte sie. Aber es war schön.
Bis zu jenem Tag, an dem sich alles veränderte. Wann es genau begonnen hatte, konnte Viktoria nicht mehr sagen. Aber ab jenem tragischen Augenblick verschwand ihre bis dahin unbeschwerte Welt in einem tiefgrauen Nebel, aus dem es kein Entkommen gab. Im Gegenteil, mit jedem Tag, der verging, schien er dichter zu werden und sie war unfähig, dagegen anzukämpfen. Hinzu gesellten sich Schuldgefühle, die sich wie ein Geschwür in ihre Seele fraßen. Hätte sie es verhindern können? Hatte es an ihrer Aufmerksamkeit gelegen? Waren ihre Augen einfach zu blind gewesen, um die Wahrheit zu erkennen? Diese Fragen beschäftigten sie immer wieder aufs Neue, selbst wenn die Zeit sich langsam der oberflächlichen Verletzungen annahm. Jedoch hatte sie nicht die Ängste besiegen können, die bis heute in ihr wohnten.
Seit dieser Zeit schien es, als wäre der Boden des einst geliebten Waldes unweigerlich mit Blut befleckt. Und weder die Jahreszeiten noch der Regen konnten es entfernen. Die junge Frau stieß ein ersticktes Schluchzen aus, Tränen liefen wie Sturzbäche über ihre Wangen, was sich erschreckend bedeutungslos anfühlte. Ebenso, dass sie auf die Knie sank und ihre Hände in die kalte, feuchte Erde grub.
»Ich entsage der Liebe und werde sie niemals fühlen.« Obwohl ihre Worte kaum lauter als ein Flüstern waren, ähnelten sie einem heiligen Schwur.
Viktoria stieß ein unwilliges Schnauben aus, während sie unruhig in ihrer Handtasche kramte. Wo um alles in der Welt war dieses verfluchte Ticket? Obwohl es, dank der modernen Computertechnik, die Größe eines DIN A4-Dokuments hatte, schien es dennoch wie vom Erdboden verschluckt. Das genervte Murmeln der umstehenden Leute machte sie noch nervöser und es kostete ein beachtliches Maß an Selbstbeherrschung, ihnen keine zornige Erwiderung an den Kopf zu werfen.
Sie setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. Schließlich war es ihr eigener Fehler. Oder nicht? Theoretisch hatte sie sich ausreichend Zeit genommen, um sich für die Ausstellung bereit zu machen und vorzubereiten. Doch gerade beim Verlassen der Wohnung hatte das Telefon geklingelt. Es handelte sich um einen potenziellen Auftraggeber mit exklusiven Vorstellungen, welche, seiner Meinung nach, bis ins kleinste Detail besprochen werden mussten. Unabhängig davon, ob der entsprechende Vertrag überhaupt zustande kam oder nicht.
Die ganze Zeit über hatte Viktoria unruhig mit ihren Fingern auf dem Schreibtisch getrommelt und vergeblich nach einer Möglichkeit gesucht, die Unterhaltung so schnell wie möglich zu beenden. Aber unhöfliches Abwimmeln oder einfach Auflegen kam in ihrem Business einem Todesstoß gleich. Die Konkurrenz war sehr hoch und der Markt weitestgehend übersättigt. Also hatte sie geduldig seinen ausschweifenden Ausführungen zugehört, während die leuchtend roten Ziffern auf der Digitaluhr immer weiter fortschritten.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, gelang es ihr, das Telefonat einigermaßen ordentlich zu beenden, erkannte jedoch den nicht unerheblichen Zeitverlust. Hektisch, wie es sonst überhaupt nicht ihre Art war, stopfte sie die letzten Dinge unachtsam in die Tasche und machte sich auf den Weg.
Ein erleichterter Seufzer huschte über ihre blassrosa geschminkten Lippen, als ihre Finger schließlich das gesuchte Papierstück fanden. Das Lächeln der Security wirkte steif und aufgesetzt, als sie es ihnen reichte. Nach einem kurzen Abtasten sowie Taschenkontrolle betrat Viktoria den Vorraum, um ihren Mantel an der Garderobe abzugeben. Demonstrativ vermied sie es, die anderen Besucher anzuschauen oder gar einen Blick zurückzuwerfen. Schon auf dem kurzen Fußweg vom Parkplatz bis zu dem imposanten Gebäude war Viktoria aufgefallen, dass ein Großteil der Leute ihrer Meinung nach völlig unpassend gekleidet war. Sie trugen Jeans mit Pullover und wirkten insgesamt, als würden sie in die Kneipe und nicht auf eine namhafte Kunstausstellung gehen.
Viktoria schüttelte leicht den Kopf, während sie den Nummernzettel in ihrem Portemonnaie verstaute. Wie man mit seinem äußeren Erscheinungsbild so nachlässig umgehen konnte, würde sie nie verstehen. In der heutigen Gesellschaft war es das A und O, entschied nicht selten über Erfolg oder Scheitern. Das hatte Viktoria selbst nach dem Abschluss ihres Studiums und nach der darauffolgenden Prüfung schnell gelernt. Menschen beurteilten ihr Gegenüber immer zuerst nach dem Äußeren, egal wie oft sie das Gegenteil behaupteten. Es bestimmte, ob man sich die Mühe machte, den Charakter kennenzulernen oder eben nicht.
Unauffällig warf Viktoria einen Blick an sich herunter, für ihre Begriffe war der knöchellange, blauschwarz karierte Rock mit dem dunklen Oberteil und passender Jacke vollkommen in Ordnung. Jedoch kam sie sich zwischen den anderen Besuchern seltsam overdressed vor, zumal ihre Wahl auf Pumps anstatt auf flache Schuhe gefallen war. Doch nach einigen Minuten des Überlegens wandte sie den Kopf entschlossen nach rechts. Dann sah sie eben anders aus als die übrigen Besucher, was machte das schon? Schließlich gab es bei ihr keine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit. Die Möglichkeit, neuen Auftraggebern über den Weg zu laufen, und dann zählte der erste Eindruck.
Lächelnd stolzierte Viktoria in die Kunsthalle. Die stickige Luft dort schlug ihr regelrecht entgegen und reizte die Lunge. Nach einem leichten Hustenanfall schaute sie sich um. Entgegen ihrer Erwartung waren doch mehr Besucher anwesend, als man auf den ersten Blick hätte vermuten können.
Trotzdem spürte Viktoria, wie die Anspannung mehr und mehr von ihr wich. Zum ersten Mal seit Stunden erreichte das Lächeln ihre graublauen Augen, während sie einige der Bilder betrachtete. Den Bereich der alten Meister ließ Viktoria dabei bewusst außen vor. Jene Art von Kunst hatte sie noch nie gereizt, die Bilder waren zu gradlinig, zu klar in ihrer Aussage, auch wenn ihr Stil gleichzeitig eine wohltuende Ruhe verströmte. Größeren Ansporn versprachen hingegen die zum großen Teil impressionistischen Werke sogenannter moderner Künstler. Für das ungeübte Auge wirkten die Darstellungen jedoch oft lieblos und dahingeschmiert.
Ein Begriff, der Viktoria in Gesprächen mit Kunden häufig begegnete. Ihre Reaktion darauf war meist ein verhaltendes Kichern oder ein scharfes Gegenargument. Natürlich stand es jedem frei, eine Kunstform zu mögen oder auch nicht, aber Beleidigungen ließ sie nicht durchgehen. Schließlich steckte in jedem einzelnen Gemälde viel Arbeit und außerdem ein Stück weit die Seele des Schöpfers.
Viktoria atmete aus und betrachtete das erste Bild. Es zeigte ein relativ kleines Format mit schwarzem Untergrund, auf dem sich violette Kreise unterschiedlicher Größe tummelten. Trotz ihrer scheinbaren Rastlosigkeit waren sie durch grellrote Pinselstriche miteinander verbunden.
Das Interesse war sofort geweckt. Sie warf ihre hellblonden Haare zur Seite, stellte sich in einem angemessenen Abstand vor das Werk und erlaubte ihren Gedanken, auf die Reise zu gehen. Was wollte der Künstler mit seinem Werk ausdrücken? In welcher Situation hatte er es auf die Leinwand gebracht? Wofür standen die Kreise und Striche? Zufall? Oder symbolischer Charakter? In Viktoria arbeitete es und sie genoss jede einzelne Sekunde, in der sie das Werk betrachtete. Solche Überlegungen waren eine gute Abwechslung zu ihrem Alltagsgeschäft, das sich sehr gradlinig und nicht selten ein bisschen eintönig darstellte.
Nach einer Viertelstunde war ihre Eigeninterpretation des Gemäldes beendet. Ihrer Auffassung nach standen die Punkte für verschiedene Stationen oder Aspekte im Leben, die durch starke, leidenschaftliche Emotionen miteinander verknüpft waren. Und egal, was geschah, nichts und niemand konnte diese Bande lösen. Sie existierten für alle Ewigkeit.
Ob ihre Ansicht der Wahrheit entsprach, wusste Viktoria nicht und es schien momentan zweitrangig. Obwohl es auf der anderen Seite sehr spannend sein konnte, mit dem Maler über sein eigenes Werk zu sprechen, daraus ergab sich häufig ein interessanter Meinungsaustausch. Sie ging weiter zum nächsten Bild, ihre Gedanken hatten noch lange nicht genug philosophiert und interpretiert.
Doch kaum, dass sie ihre gewohnte Position angenommen hatte, weiteten ihre Augen sich zu der Größe eines Tellers. Was für ein Bild! Auf den ersten Blick wirkte es wie eine lieblose Kombination aus Farbklecksen, die in schwarz und grün sowie ihren Zwischentönen unwillkürlich platziert worden waren. Erst bei näherem Hinsehen erkannte man, dass dem nicht so war. Das Gemälde zeigte einen Wald im impressionistischen Stil, in welchem der Künstler auf jegliche Anzeichen von Hoffnung oder Wärme verzichtet hatte. Dort gab es keine Blume, kein Tier, sondern einzig und allein die melancholische Atmosphäre, verbunden mit unterschwelliger Trauer.
Ein kalter Schauer rann über Viktorias Rücken, als ihr ein weiteres Detail auffiel. Die schwarzgrauen Flecken in der Mitte des Bildes konnte man im ersten Augenblick für einen zufällig gewählten Steinhaufen halten. Aber das waren sie nicht. Viktorias Hände zitterten wie unter Strom, diese Flecken zeigten nichts anderes als ein christliches Kreuz. Eine letzte Ruhestätte mitten im Wald.
Längst war die Entspannung aus Viktorias Gesichtszügen verschwunden, einige Schweißtropfen perlten von ihrer Stirn. Mühsam beherrscht schob sie einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und holte mehrmals tief Luft. Sie spürte, wie ihr Inneres in Aufruhr geriet und lang unterdrückte Empfindungen wie ein kleiner Vulkan brodelten.
Ruhig. Sie befahl sich, gleichmäßig zu atmen. Es ist gleich vorbei … gleich vorbei. Zumindest hoffte sie das und nach einer kurzen Zeitspanne klappte es tatsächlich. Langsam, aber sicher normalisierten sich Puls und Herzschlag wieder. Zum Glück; das war knapp gewesen.
Ein flüchtiger Rundumblick verriet, dass ihr kurzer Gefühlsausbruch unbemerkt geblieben war. Was Viktoria erleichtert aufseufzen ließ. Nicht auszudenken, wenn es jemandem aufgefallen wäre, zumal es sie unweigerlich in Erklärungsnot gebracht hätte. Dennoch ließ die Beklemmung nicht nach, als ihre Augen sich wieder auf das Gemälde richteten. Ob Viktoria wollte oder nicht, es berührte einen bestimmten Bereich ihrer Seele, der schon sehr lange Zeit im Dunkeln ruhte und auch besser dortblieb. Ihr Herzschlag beschleunigte sich erneut und reflexartig hielt Viktoria Ausschau nach einer Sitzgelegenheit. Eine kurze Pause würde ihr guttun.
Endlich. Keine sechs Schritte entfernt stand ein Stuhl und nachdem sie sich darauf niedergelassen hatte, spürte sie regelrecht, wie ihre Sinne sich beruhigten. Zwar war Viktoria aufgrund ihrer Selbstständigkeit durchweg an stressige Situation gewohnt, aber das hier war etwas anderes. Ihre Hände vibrierten noch immer, auch wenn der Fakt, dass jenes Bild genau dieses Thema behandelte, sicherlich Zufall war. Schließlich war der Künstler relativ unbekannt, wie es schien, nicht einmal sein Name sagte ihr etwas.
Noch während Viktoria über ein mögliches Verlassen der Ausstellung grübelte, legte sich ein Schatten über sie.
»Hallo.« Die Stimme klang hell und warm.
Dennoch zuckte Viktoria merklich zusammen. Wie in Zeitlupe hob sie den Kopf und sah sich einem jungen Mann gegenüber, der sie freundlich anlächelte und die Hand zur Begrüßung ausstreckte. Viktoria erwiderte sein Lächeln etwas gezwungen. Nach Gesellschaft stand ihr momentan nicht der Sinn und außerdem brauchte sie nur wenige Sekunden, um festzustellen, dass sie sich in Gegenwart dieses Menschen unwohl fühlte. Zwar waren seine Gesichtszüge angenehm weich, die langen, schwarzen Haare gepflegt. Dennoch störte sie sich an den meeresblauen, künstlichen Strähnen in seinem Schopf, an der zerrissenen Jeans sowie dem kurzärmeligen T-Shirt, dessen verblasste Farbe es unmöglich machte, den Spruch darauf zu entziffern. Ein exzentrischer, ausgeflippter Künstler, wie er im Buche stand. Normalerweise hatte Viktoria trotz der eigenen Antipathie kein Problem mit solchen Leuten, schließlich befasste sie sich von Berufs wegen mit ihnen. Doch jetzt, in diesem Moment wollte sie einfach nur ihre Ruhe. Auch weil die Empfindungen noch immer nicht ganz zur Ruhe gekommen waren.
Unmerklich verzog ihr Gesicht sich zu einer Grimasse. Die Lage war nicht angenehm und außerdem ausweglos. Sie wollte einerseits nicht unhöflich sein, jedoch genauso wenig eine längere Konversation betreiben.
Irgendwie gerate ich heute öfters in solche Situationen, dachte Viktoria sarkastisch, bevor sie verhalten zu sprechen begann.
»Guten Tag.« Seinen Händedruck erwiderte sie ablehnend, auch wenn es sich wohltuend anfühlte.
»Was möchten Sie von mir?« Viktoria tat ihr Bestes, um ihrer Stimme einen freundlichen, aber desinteressierten Klang zu geben.
Vielleicht ließ das Gespräch sich auf diese Art und Weise schnell beenden. Zu ihrer Überraschung verzogen die Lippen ihres Gegenübers sich zu einem breiten Grinsen, was sie entrüstet schnauben ließ. War ihre Frage so dermaßen witzig? Oder hatte der Kerl selbst keine Manieren? Machte er sich gar über sie lustig?
»Nichts Besonderes. Ich habe nur Ihre heftige Reaktion auf das Bild bemerkt und wollte fragen, ob alles in Ordnung ist?«
Gegen ihren Willen errötete Viktoria und hatte gleichzeitig Mühe, die aufschäumende Wut niederzukämpfen. Verflixt! Offenbar war ihr kleiner Zusammenbruch doch auffälliger gewesen als gedacht. Doch dass ausgerechnet ein solcher Mensch es bemerkte, war fast zu viel.
»Ich danke Ihnen für die Nachfrage. Mir geht es gut, es war nur ein kleiner ... Schwächeanfall.«
Innerlich schlug Viktoria sich mit der Hand gegen den Kopf, diese Ausrede war billig und mehr als unglaubwürdig. Die hochgezogenen Augenbrauen ihres Gegenübers verrieten, dass er zumindest ähnlich dachte. Viktoria betete stumm, dass ihr eine Nachfrage erspart bleiben würde, denn wie sollte sie einem Fremden erklären, dass das Thema des Bildes sie so aus dem Konzept gebracht hatte.
»Seltsam, ich hatte das Gefühl, dass es etwas mit dem Bild zu tun hatte.« Nachdenklich kratzte der Unbekannte sich am Kinn, was ihn in Viktorias Augen noch unsympathischer machte.
Und überhaupt, was ging diesen Mann ihr körperliches oder seelisches Befinden an?
»Warum wollen Sie das überhaupt wissen?«, gab Viktoria schnippisch zurück.
Eigentlich war es nicht ihre Art, so aufbrausend zu reagieren, doch seine undurchsichtige Art brachte sie einfach auf die Palme.
»Sind Sie der zuständige Sanitäter oder wie?«
»Nein.« Sein Grinsen erstarb nicht, sondern wurde sanfter. »Es ist nur, dass ich das Bild gemalt habe und infolge dessen erfahren möchte, was die einzelnen Leute davon halten. Besonders, wenn eine Reaktion wie die Ihre, verzeihen Sie mir, dermaßen heftig ist.«
Eine kalte Dusche hatte nicht wirkungsvoller sein können und Viktoria spannte ihre Muskeln an, um nicht zu taumeln. Das konnte nicht sein! Aufmerksam blickte sie in seine blauen Augen, suchte fieberhaft nach einem Zeichen von Lüge, doch sie erkannte nichts außer Aufrichtigkeit, Kreativität und eine Spur von Sorge. Viktoria räusperte sich, es passierte nicht oft, dass eine Situation sie überforderte.
Eigentlich lag es in ihrer Natur, ständig beherrscht zu sein und die Ereignisse unter Kontrolle zu haben.
»Ich möchte es wirklich gerne erfahren.«
Viktoria zog scharf die Luft ein, als ihr Gegenüber den letzten Abstand zwischen ihnen überwand und nur eine rasche Bewegung ihrerseits den Körperkontakt verhinderte.
Sie spürte die Wut in sich aufsteigen, so eine Unverschämtheit. Viktoria hasste es, wenn fremde Menschen ihr zu nahekommen wollten, überhaupt war sie kein Freund von physischer Nähe. Energisch rief die junge Frau sich zur Ordnung, wollte sie sich wirklich von so einem ausgeflippten Typen aus dem Gleichgewicht bringen lassen?
Auch wenn er der Schöpfer des Gemäldes war, was sie ihm mittlerweile aus unerfindlichen Gründen glaubte, hatte er nicht das Recht, ihre persönlichen Grenzen schamlos zu überschreiten. Viktoria erhob sich, versteifte ihre Haltung und schritt an dem leicht überraschten Künstler vorbei.
»Sie wollen also mit mir über Ihr Werk diskutieren, ja? Dann sollten wir dorthin gehen. Aus der Ferne fällt das Interpretieren schwerer.«
Ein wenig verunsichert folgte er ihr und Viktoria lächelte in sich hinein. Bestimmt war er es als Künstler nicht gewohnt, auf selbstbewusste, energische Frauen zu treffen. Die meisten würden ihm, nicht zuletzt wegen seines außergewöhnlichen Erscheinungsbildes, jeden Wunsch von den Augen ablesen. So etwas zog einen Großteil der Frauen an wie die Motten das Licht. Sie schnaubte gehässig, merkte jedoch mit Schrecken, dass das Bild seine verstörende Wirkung keineswegs eingebüßt hatte.
Ein flüchtiger Blick reichte aus, um Beklemmung, Furcht und Trauer erneut aufflammen zu lassen. Viktoria zog die Luft ein, sie wollte verschwinden … irgendwo hin.
»Was haben Sie?«
Die junge Frau sah, wie er nach ihrer Hand griff und machte eine abrupte Bewegung. Sie wollte nicht angefasst werden, in drei Teufels Namen. Ihr Gegenüber murmelte eine Entschuldigung, die Viktoria widerwillig annahm. Jedoch schien ihn der Mut nicht zu verlassen.
»Bevor wir eine tiefgreifende Unterhaltung führen, sollten wir die Formalien ablegen. Ich bin Dorian.«
»Viktoria«, antwortete sie ausweichend, vermied es, ihn länger als nötig anzusehen, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gemälde.
Sofort rann ein Schauer über ihren Rücken.
»Nun, was wollten Sie mit dieser Arbeit ausdrücken?« Ihre Frage war ungewöhnlich direkt.
Dorian schmunzelte.
»Soll ich zu Anfang gleich alles aufklären? Oder wollen Sie mir erst mal Ihren Eindruck mitteilen?«
Mit dieser vermeintlich lapidaren Aufforderung traf er genau ins Schwarze. Viktorias Herz raste. Es auszusprechen würde bedeuten, die sonderbaren Eindrücke, an deren Ursprung sie nicht erinnert werden wollte, erneut zu durchleben. Viktoria versteifte sich und starrte ihr Gegenüber unterschwellig kämpferisch an. Offensichtlich glaubte dieser Dorian, sich über sie lustig machen zu können. Doch da hatte er sich geschnitten. Sie, Viktoria, würde nicht die Beherrschung verlieren.
»Ich sehe einen Wald, in dem Melancholie und Trauer Einzug gehalten haben.« Ihre Stimme klang neutral und nur geübte Lauscher konnten das Zittern darin vernehmen. »Alle Hoffnung ist unwiederbringlich verloren und alles, was bleibt, ist die eisige Kälte. Verbunden mit …«
»Dem Tod?«
Erschrocken fuhr Viktoria zusammen. Dorian stand hinter ihr und umfasste ihre bebenden Schultern. Eine Gänsehaut legte sich augenblicklich über ihren Körper und das Herz begann wie verrückt zu klopfen. Trotzdem hatte sie nicht die Kraft, sich gegen die aufdringlichen Berührungen zu wehren.
»Ist der Tod denn etwas Endgültiges?«, fragte Dorian weiter.
Er machte keine Anstalten, Viktoria loszulassen, im Gegenteil, einen Wimpernschlag lang streifte sein Atem ihren Nacken. Alles in Viktoria schrie danach, sich zu befreien und sofort zu verschwinden. Doch kein Muskel gehorchte. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, möglichst wenig körperliche Reaktion zu zeigen. Vielleicht würde dieser aufdringliche, selbstherrliche Künstler so ihr Desinteresse bemerken und sie endlich loslassen. Aber momentan sah es nicht danach aus.
»Ja«, erwiderte Viktoria auf seine Frage hin und bemühte sich, ihrer Stimme erneut einen neutralen Klang zu geben. »Ich glaube, dass der Tod etwas Endgültiges ist. Wenn ein Mensch stirbt, lässt er nichts auf dieser Welt zurück, außer vielleicht sehr schmerzhafte Erinnerungen und nicht zu vergessen … die Sehnsucht.«
Schnell schlug Viktoria sich die Hand vor den Mund. Verdammt! Die letzten Worte hatte sie gar nicht aussprechen wollen. Im Leben war es niemals klug, sich zu sehr auf Gefühle zu verlassen oder auch, sie offen zu äußern. Doch genau das war eben passiert. Was um alles in der Welt ging in ihrem Innern vor? Im nächsten Augenblick spürte Viktoria, wie Dorian ruckartig seinen Griff lockerte und sie schließlich ganz losließ. Viel besser! Mit einem selbstsicheren Lächeln drehte Viktoria sich zu ihm um und schaute ihn an. Der Maler wirkte etwas verloren, bei näherem Hinsehen fiel auf, dass er ernsthafte Schwierigkeiten hatte, seine Hände still zu halten.
Och, dachte Viktoria gespielt mitleidig. Habe ich dich so sehr aus der Fassung gebracht?
Innerlich kostete sie diesen Triumph in vollen Zügen aus, zumal er die gewünschte Wirkung erzielt hatte. Trotzdem blieb ihre Miene unverändert freundlich. Wenn auch nur so lange, bis Dorian nach einer Weile Luft holte und erneut zu sprechen begann.
»Darf ich fragen, warum Sie diese an sich sehr zynische Ansicht vertreten?« Zu Viktorias Verdruss machte er erneut Anstalten, sie zu berühren. »Haben Sie in der Vergangenheit einen Menschen verloren, der Ihnen sehr nahestand? Oder gab es in der Familie einen tragischen Todesfall, der Ihre Welt gänzlich aus den Fugen gerissen hat?«
Merkt er nicht, dass ich sein Anfassen nicht mag, schoss es Viktoria durch den Kopf und schluckte den Impuls herunter, ihn auf der Stelle zu ohrfeigen.
Doch ein solches Benehmen war nicht nur absolut stillos, sondern hätte zwangsweise eine Peinlichkeit zur Folge. Schließlich befanden sie sich auf einer öffentlichen Ausstellung und nicht in irgendwelchen privaten Räumen.
»Leider«, fauchte Viktoria kaum hörbar.
Sie spürte, wie ihre Hände sich zusammenkrampften. Trotzdem gelang Viktoria es, ihre Fassade aufrecht zu halten und Dorian weiterhin anzulächeln.
»Meine Ansicht vom Tod beruht allein auf Rationalität, Dorian.« Ihr absichtlich überheblicher Tonfall schien ihn zu erschrecken. »Und wenn Sie damit nicht klarkommen, ist es nicht mein Problem. Ferner haben Sie nicht das Recht, mir dermaßen persönliche Fragen zu stellen und dann auch noch eine Antwort zu erwarten. Von Anstand haben Sie wohl noch nie etwas gehört, oder? Außerdem darf ich anmerken, dass in Ihrem Bild ebenfalls kein Funke Hoffnung zu finden ist. Oder irre ich mich?«
Trotz des erheblichen Geräuschpegels ringsum herrschte zwischen ihnen nach dieser Ansprache eine bedrückende Stille. Viktoria meinte sogar, jeden Atemzug ihres Gegenübers zu hören, obwohl das unmöglich war. Auch lag eine gewisse Traurigkeit in seinem Blick, die ihr fast leidtat. Ein Teil von ihr wollte sich sogar bei ihm entschuldigen, obgleich das, rein objektiv betrachtet, lächerlich war. Schließlich hatte Dorian aus eigenem Antrieb begonnen, ihr diese unsachlichen Fragen zu stellen. Von den ungewollten Berührungen ganz zu schweigen. Entweder hatte er sie absichtlich provoziert oder war krankhaft von sich selbst überzeugt.
»Wenn ich ehrlich bin, haben Sie die Botschaft des Gemäldes schon gut verstanden, Viktoria.«
Sie zog scharf die Luft ein. Meinte Dorian das ernst oder wollte er sich bei ihr anbiedern, weil sie seinen Annäherungsversuchen widerstanden hatte? Innerlich schüttelte sie den Kopf, manchen Leuten war wirklich jedes Mittel recht.
