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Die Programmiererin Katja findet keinen Job in der von Männern dominierten Branche. Bei einem kurzfristig anberaumten Vorstellungsgespräch erhofft sie sich ihre lang ersehnte Chance. Enttäuscht stellt sie fest, dass sie lediglich die Freundin des Firmenchefs auf einer Familienfeier mimen soll. Von der Situation überrumpelt und aus Hoffnung, die Stelle zu bekommen, lässt sie sich zu dieser Farce hinreißen. Gelingt es Katja, durch ihr Schauspieltalent den Job und vielleicht auch noch die Liebe ihres Lebens zu ergattern? Dieser Roman verdankt seine teilweise skurrilen Worte einer Vielzahl von Leserbegriffen, die vorab in einem Aufruf gesammelt wurden.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Copyright: © 2017 Paula Herzbluth
Coverfoto:
Gestaltung: © NaWillArt-CoverDesign
Motive: depositphotos.com - © Wavebreakmedia
depositphotos.com - © bezikus
Korrektorat: Schreib- und Korrekturservice Claudia Heinen
Lektorat: B. Kasten
Paula Herzbluth
c/o Sebastian Münch
Rechtsanwalt / Steuerberater
Großenbaumer Weg 8
40472 Düsseldorf
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Vorwort
1. Katja
2. Matheo
3. Katja
4. Matheo
5. Katja
6. Matheo
7. Katja
8. Matheo
9. Katja
10. Matheo
11. Katja
12. Matheo
13. Katja
14. Matheo
15. Katja
16. Matheo
17. Katja
18. Matheo
19. Zwei Jahre später
Nachwort
Zusammenfassung der Worte
Über den Autor
Liebe Leserin, lieber Leser,
dieser Roman kommt dir sicherlich an manchen Stellen komisch vor und einige Worte sind vermutlich ungewöhnlich für ein Buch. Das möchte ich dir gerne erklären.
Nicht alle Worte aus dieser Geschichte stammen aus meiner Feder und ich bezeichne diese Geschichte gerne als Gemeinschaftsprojekt. Auf meiner Facebook-Seite habe ich vor einiger Zeit dazu aufgerufen, dass man sich an meinem neuen Buch beteiligen kann. Wörter, die mir genannt wurden, habe ich in diesen Roman mit eingebaut.
Es waren einige lustige, aber auch sehr ernste Wörter dabei. Am Ende der Geschichte habe ich eine Liste der Worte beigefügt, damit du weißt, welche Hinkelsteine nicht von mir stammen.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei all jenen bedanken, die sich beteiligt haben.
So, nun wäre das schon einmal geklärt und ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen.
Deine
Paula
Wie auch die letzten Wochen checkte ich mein Postfach bereits im Bett. Mehr aus Gewohnheit als aus Hoffnung. Nachdem ich diverse Werbemails, die ihren Weg durch den Spam-Algorithmus gefunden hatten, gelöscht hatte, stieß ich auf einen Absender, der mein Herz schneller schlagen ließ. In einer E-Mail vom Sekretariat der Firma SibBiz wurde mir mitgeteilt, zu welcher Uhrzeit ich an welchem Treffpunkt für einen heutigen Termin erscheinen sollte. Keine Frage, keine Kompromisse. Entweder man erschien oder man verabschiedete sich von der größten Chance seines Lebens.
SibBiz wurde in den Medien als eines der vielversprechendsten Start-ups der vergangenen Jahre angepriesen. Natürlich hatte ich mich bereits im Vorfeld zu meiner Bewerbung informiert, doch ich hätte niemals gedacht, dass ich dort auch nur angehört werden würde. Selbst in der kurzen Zeit, in der die Medienaufmerksamkeit auf dem jungen Geschäftsmann Marco Combardo lag, konnte festgehalten werden, dass sein beruflicher Fokus auf männlichen Angestellten und im Privatbereich auf häufig wechselnder Frauengesellschaft lag. Dass ich es trotzdem anhand meiner Qualifikationen geschafft hatte, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, schmeichelte meinem Ego. Sehr sogar. Diese Tatsache war ausflippwürdig. Um der Größe meiner Freude Ausdruck zu verleihen, wälzte ich mich auf den Rücken, warf die Beine in die Luft und strampelte quietschend, wobei ich mir das Handy gegen die pink karierte Brust drückte. Sobald sich die erste Euphorie gelegt hatte, bemühte ich mich um Konzentration. Die mir gebotene Möglichkeit musste ich ergreifen und durfte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Im Internet suchte ich nach allen Informationen, die zu dem Unternehmen zu finden waren.
Nach dieser überraschenden Einladung konnte ich mich nicht aufraffen, mit dem verbleibenden Tag irgendetwas anderes anzustellen, als den gesamten Vormittag wie ein Honigkuchenpferd zu strahlen und mich in den diversen Berichterstattungen zu verzetteln. Als ich mittags – immer noch im pink karierten Flanell-Schlafanzug – auf dem Bett saß, meine Schokoladenfinger ablutschte und mit dem Daumen den Treffpunkt bei einer Suchmaschine eintippte, erstarrte ich für einige Momente. Ein Edel-Restaurant! Der erste Schock verflog, sodass ich – für mich eher untypisch – mit einem Satz von der Matratze sprang und ins Badezimmer flog, wo ich mir das volle Verwöhnprogramm gönnte. Doch damit verlor ich jegliches Zeitgefühl und mir wurde erst bewusst, dass ich schon längst hätte losfahren müssen, als ich in einem Chaos an Kleidungsstücken zu meinen Füßen stand.
Hilflos wie ich mich fühlte, entschied ich mich für eine schwarze Stoffhose, Chiffon-Shirt in gleichem Farbton mit einem ebenso dunklen Blazer, auf dem jedoch weiße Punkte das Gesamtbild aufhellten. Bereits im Badezimmer hatte ich mich auf einen konservativen Look festgelegt und trug daher die Haare dementsprechend in einem wohlgeformten Bob. Eine Strähne zog ich vor das Ohr und lächelte mein Spiegelbild aufmunternd an. Mein Make-up fiel dezent und nicht zu aufdringlich aus. Die Betonung lag auf den mütterlich geerbten braunen Augen. Somit war mein komplettes Outfit schick genug für den Anlass und kaschierte, wie ich hoffte, dabei gekonnt meine Rundungen. Ob mein Aussehen zu meiner Begleitung passte, konnte ich nicht sagen. Nicht, dass es sich um ein Blind-Date handelte – obwohl man gewisserweise davon sprechen konnte. Schließlich kannte ich den Herrn von der Personalabteilung noch nicht. Ob es für den Treffpunkt an sich angemessen war, wusste ich auch nicht. Die Preisklasse entsprach nicht meinem Budget, wohingegen meine Eltern nur leicht anerkennend mit dem Kopf genickt hätten, wenn sie von dem Vorstellungsgespräch erfahren hätten. Dabei war es nicht das Unternehmen oder meine Berufsbezeichnung, die sie dazu veranlassen würde. Vielmehr der Ort. Doch da ich mich von ihnen bereits zu Beginn meines Studiums distanziert hatte, würden sie es niemals mitbekommen.
Aber die Gedanken an meine Herkunft verdrängte ich, als ich mich in meinen alten Ford setzte und drei Anläufe benötigte, um den Motor zu starten.
Für die Dauer der Fahrt, die eine knappe Stunde lang war, sang ich mit Margo Price um die Wette. Ihre klare Stimme und die melodischen Klänge ihrer Lieder entspannten mich. Jedoch verflog dieses Gefühl, sobald meine Handy-Navigations-App mir mitteilte, dass ich das Ziel erreicht hatte. Auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz hielt ich am Bordstein. Die Fahrertür wurde aufgerissen und ich erschrak mich fast zu Tode.
»Willkommen. Dürfte ich Ihr ...« Ein pickeliger Kerl vom Parkdienst schaute meinen Wagen musternd an, als würde er über eine richtige Beschreibung nachdenken, bevor er mit gerümpfter Nase fortfuhr: »Auto parken?«
Die Nervosität erlaubte sich lustige Streiche mit mir, sodass ich aussteigen wollte, obwohl ich noch angeschnallt war. Der Kerl schüttelte den Kopf und auf mich machte er einen genervten Eindruck. Wahrscheinlich hatte er eine Wette verloren, dass er meinen gut zwanzig Jahre alten Ford parken musste. Nachdem ich die mir gereichte Nummer in dem kleinen Fach meiner Handtasche verstaut und tief Luft geholt hatte, betrat ich das eindrucksvolle Restaurant. Der Raum war nur durch Kerzen beleuchtet, das einen ruhigen Eindruck vermittelte, was ich jedoch im kompletten Gegensatz zu dem lebhaften Stimmgewirr empfand. Verwirrt von dem Kontrast, blinzelte ich mehrfach.
Hinter dem Empfangspult stand eine junge Brünette, die mich neugierig musterte, dabei wirkte sie freundlich, nicht verurteilend, wofür ich ihr dankbar war.
»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sie sich. Ihre Stimme klang warm, was durch ihr Lächeln nur noch unterstrichen wurde.
»Hallo. Ich habe einen Termin mit jemandem von SibBiz«, sagte ich und bemerkte selbst, wie zittrig ich mich anhörte.
Die junge Frau legte die Stirn in Falten, woraufhin ich automatisch vermutete, dass schlechte Neuigkeiten auf mich warteten.
»Bitte warten Sie hier. Mister Combardo möchte Sie persönlich hier empfangen.«
Hatte sie gerade Mister Combardo gesagt? Mir wurde schlagartig schlecht und ich verpasste meine einzige Chance, die junge Angestellte davon abzuhalten, den begehrten Junggesellen zu holen. Warum sollte er sich die Zeit nehmen, um ein Bewerbungsgespräch mit mir zu führen? Waren dafür nicht seine Arbeitnehmer da? Ich geriet in Panik, als ich den hochgewachsenen schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen auf mich zukommen sah. Er trug einen Anzug, der verdächtig maßgeschneidert aussah, und wirkte, als wenn ihm die Welt gehörte. Selbstsicher und elegant. Er trug das Wissen mit sich, dass er alle Probleme beseitigen konnte.
Als er die letzten Meter zurückgelegt hatte und vor mir hielt, bemerkte ich, dass meine Hände zitterten, sodass ich sie vor mir verschränkte.
»Katja?«, erkundigte er sich und schaute mir dabei in die Augen.
Meine Reaktion bestand im ersten Moment nur darin, dass ich schluckte und meine Lider schloss. Das war ein Traum, da war ich mir sicher. Sobald ich ihn wieder anschaute, bemerkte ich, dass sein Blick langsam meinen Körper entlangglitt. Er musterte mich weiterhin ungeniert und blieb eine Sekunde zu lange an meinem Busen hängen. Abermals schluckte ich und ich wurde von einer Gänsehaut heimgesucht.
Immer noch verwirrt räusperte ich mich. »Mister Combardo. Ich freue mich sehr, dass Sie sich Zeit für mich nehmen«, erwiderte ich mit flatternder Stimme und streckte ihm eine Hand zur Begrüßung hin.
Der Mann, der mich durch seine bloße Anwesenheit überraschte, irritierte mich, indem er einen weiteren Schritt auf mich zukam und mir zwei Küsschen auf die Wangen drückte. Die ungewohnte Nähe hinterließ ein Kribbeln in meiner Magengegend. Es war zu lange her, dass ich einen Mann so nah an mich herangelassen hatte. Der dezente Duft nach Karamell stellte in dieser Millisekunde bereits einen hollywoodreifen Film in meinem Kopf an. Er roch himmlisch.
Da ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte, räusperte ich mich lediglich, lachte unsicher auf und klammerte mich an die Henkel meiner Handtasche.
»Katja, Sie müssen mir einen sehr großen Gefallen tun.«
»Okay«, stammelte ich und fragte mich verunsichert, was er von mir wollte.
»Ich weiß, dass die Frage unorthodox auf Sie wirkt, aber könnten Sie meine Freundin spielen?« Überrumpelt zog ich die Luft ein. Hatte er mich das jetzt wirklich gefragt? »Überraschenderweise ist meine Mutter angereist und sie möchte unbedingt meine Partnerin kennenlernen.«
»Aber ...«
»Sie brauchen sich keine Gedanken machen. Wir bleiben bei unverfänglichen Themen und ihr wird sicherlich nichts auffallen.«
»Aber ...«
Doch Marco Combardo war es gewohnt zu bekommen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Daher legte er entschlossen seine Hand auf meinen unteren Rücken und schob mich tiefer in das Restaurant hinein. In diesem Moment war ich so von der Situation überfahren, dass ich mich nicht wehrte. Alle Gedanken schienen wie erstarrt und doch überschlugen sie sich in meinem Kopf, sodass ich keinen greifen konnte. Auf dem Weg quer durch den Raum bildete ich mir ein, dass uns alle anderen Gäste anschauten. Endlich im hinteren Teil angekommen, schaute uns eine ältere Frau neugierig entgegen. Sofort wurde mir schlecht. Das passierte hier alles nicht gerade wirklich, dachte ich noch. Aus reiner Verzweiflung rammte ich meine Füße in den Boden und drehte mich zu dem willensstarken Mann um.
Fragend hob er eine Augenbraue und schaute mich an.
Die markanten Gesichtszüge, die gerade Nase und auch die eisblauen Augen wurden davon nur betont. Seine Schönheit war wirklich atemberaubend, sodass mich seine Nähe ein wenig schwindeln ließ. »Mister Combardo, ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Katja«, seine Stimme klang bittend und ein bisschen ermahnend. »Für heute bin ich Marco für dich. Wir werden das gemeinsam schaffen. Du und ich, okay?« Bei seinen Worten schaute er mich mit durchdringendem Blick an.
»Marco?«, wiederholte ich nicht gerade geistreich seinen Namen. Es hätte nicht überraschend kommen sollen nach seiner Bitte. Welche Freundin sprach ihren Freund nicht beim Vornamen an? Mir ging das alles zu schnell, ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
Ein Lächeln, das etwas verkniffen wirkte, trat auf sein Gesicht. »Für den Moment, ja.«
Da für ihn die Diskussion mit dieser nichtssagenden Antwort erledigt schien, schob er mich entschlossen weiter.
»Marco, wen hast du denn da?«, fragte die ältere Frau, die uns entgegengeblickt hatte. Sie hatte eine charismatische Ausstrahlung. Eine Eigenschaft, die sie an ihren Sohn weitergegeben hatte, wie mir schlagartig klar wurde. Sie erhob sich und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ihr Körper wurde von einem edlen Etuikleid umspielt und ich musste ihr anerkennend zugestehen, dass sie eine bessere Figur hatte, als ich jemals bekommen würde. Ihr einst schwarzes Haar war von unzähligen weißen Strähnen durchzogen.
»Mama, das ist Katja«, stellte er mich vor und zog mich überraschend an seine Seite. Abermals überforderte mich die Situation, sodass mir lediglich ein verkniffenes Lächeln gelang.
Die ältere Frau breitete langsam die Arme aus. »Katja? Es freut mich, dich kennenzulernen.«
Marco ließ mich los und stieß mich leicht in die Richtung seiner Mutter. Da ich so viel Nähe nicht gewohnt war, wurde ich auch bei der Umarmung nicht lockerer. So stand ich steif in den Armen von Marco Combardos Mutter, die mich liebevoll an sich drückte, und tätschelte ihr hilflos den Rücken.
»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Signora Combardo.« Ich war unwahrscheinlich froh, dass ich meine Stimme und mein Hirn wiedergefunden hatte, sodass ich mit italienischen Bruchstücken glänzen konnte.
»Für dich nur Maria, Katja.« Sie drückte meine Hand und ging wieder zurück zu ihrem Stuhl. »Liebes, neben mir ist noch frei. Setz dich doch zu mir«, bat sie mich und deutete auf ihre linke Seite.
Unsicher blickte ich zu Marco, der sein Schauspieltalent im Griff hatte und mir ermunternd zunickte.
Als ich an meinem Stuhl stand, erhob sich ein Mann, der einen gepflegten Dreitagebart trug, die Haare einen Tacken zu lang hatte und wahnsinnig braune Augen besaß. Er schaute mich freundlich an, als er mir die Hand hinhielt. »Katja, richtig? Ich bin Matheo.«
»Hallo Matheo. Endlich lernen wir uns kennen, ich habe schon viel von dir gehört«, begrüßte ich ihn, wobei mir alleine der Händedruck reichte, damit ich nervös schlucken musste. Dass seine Augenbraue bei meinen Worten fragend in die Höhe wanderten, versuchte ich, nicht als schlechtes Zeichen zu deuten. Was hatte diese Familie mit dem Anfangsbuchstaben M, fragte ich mich. Doch ich behielt meine Gedanken für mich.
»Katja, darf ich dir Leonore vorstellen?«, sagte Matheo mit Stolz in der Stimme und deutete auf eine Blondine, die so dürr war, dass ich ihr am liebsten etwas zu essen aus der Küche geholt hätte. Aber ich riss mich zusammen und reichte auch ihr nur die Hand. Ihr Blick war neugierig, doch offen, sodass ich sie anlächelte.
Sobald ich mich versuchte, zu setzen, trat Marco hinter meinen Stuhl und schob ihn mir heran.
»Danke«, wisperte ich verkniffen lächelnd.
»Ich fasse es nicht, dass ich solche Überraschungen vorfinde, wenn ich meine Kinder spontan besuche«, sagte Maria und strahlte uns an, wobei ihr Blick einen Moment länger an mir hängen blieb. »Schade, dass Marta keine Zeit hatte.« Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Katja, was machst du so?«
Ich schluckte, weil ich verunsichert war. Was wurde von mir erwartet? »Ich bin gelernte Programmiererin«, blieb ich daher bei der Wahrheit.
»Ach?« Marias Stimme klang überrascht und ich sah ein neugieriges Glitzern in Matheos Augen aufleuchten.
»Ja, Computer haben mich schon immer interessiert.«
»Ganz wie unseren Marco, nicht wahr?«, fragte Maria und schaute dabei Matheo bestätigend an.
»Mama, wie war denn dein Flug?«, versuchte nun mein angeblicher Freund das Gespräch von mir abzulenken.
»Der war gut«, erwiderte seine Mutter leicht genervt und machte eine Handbewegung, als würde sie eine lästige Fliege verscheuchen wollen. »Wo habt ihr euch denn kennengelernt?«, fragte sie und schaute mich dabei an.
»Mama, Katja und ich ...«, weiter kam Marco nicht, da er unterbrochen wurde.
»Habe ich dir kein Benehmen beigebracht, Marco? Ich habe deine Freundin gefragt. Auch wenn du nun erfolgreicher Geschäftsmann bist, heißt das noch lange nicht, dass du für sie das Sprechen übernehmen musst. Katja scheint wenigstens nicht auf den Kopf gefallen zu sein«, bei ihren Worten schaute sie kurz zu ihrem anderen Sohn.
Hatte nur ich diesen Seitenhieb verstanden?, fragte ich mich kurz. Erst als sich eine abwartende Stille über den Tisch legte, wurde mir bewusst, dass ich gefragt worden war, und blickte panisch zu Marco.
Meine Rettung in Form einer Kellnerin kam und schenkte mir ungefragt ein Glas Wasser ein. »Haben Sie gewählt?«, erkundigte sie sich in der Runde.
Suchend schaute ich mich um, da ich noch keine Karte gesehen hatte. Aber ich hatte auch noch nicht daran gedacht, da ich viel zu abgelenkt gewesen war.
»Wir nehmen zwei Flaschen Chianti und für alle das Menü«, übernahm mein Freund die Bestellung.
»Irgendwelche Sonderwünsche?«, fragte die zierliche Angestellte des Restaurants nach.
»Nein, danke«, überging er den Vorschlag.
Da hier meine Aufmerksamkeit nicht mehr gefragt war, blickte ich zu Leonore. Ihr blondes Haar war zu einem aufwendigen Knoten hochgesteckt und sie hatte ihre Hand auf Matheos Bein abgelegt. Als ich bemerkte, dass er mich musterte, schaute ich eilig auf die weißen Linien der Tischdecke.
Sobald wir wieder unter uns waren, fragte Maria: »Und?«
»Ähm«, stammelte ich und blickte noch mal hilfesuchend zu Marco, der lediglich mit den Schultern zuckte. Da es ihm egal zu sein schien, entschloss ich mich, die Situation auch für mich zu nutzen. »Wir haben uns bei einem Vorstellungsgespräch kennengelernt«, sagte ich und schaute zu meinem angeblichen Freund. Da ihm mein Wink nicht entgangen war, hob er beide Augenbrauen. »Ich fand es ungewöhnlich, dass ein Bewerbungsgespräch in einem Restaurant und mit dem Geschäftsführer persönlich stattfinden sollte. Ich dachte mir, dass es sich wieder einmal um so einen exzentrischen Mann handelt, der denkt, dass ohne ihn die Welt zusammenbricht«, ich stockte mitten im Redeschwall, als mir bewusst wurde, dass ich nun auf jeden Fall meine Stelle vergessen konnte. Sollte ich dann jetzt aufstehen und gehen?
»Und?«, erkundigte sich Matheo mit glitzernden Augen. »Hat sich deine Vermutung bestätigt?«
Ich schluckte und blickte zu Marco, der mich starr anschaute. An seiner Mimik konnte man keinerlei Belustigung ablesen.
Maria erlöste mich aus der Situation, indem sie anfing, lauthals zu lachen. »Katja, genau dich hat mein Sohn gebraucht. Eine Frau, die ihm sagt, dass er seine Nase nicht zu weit nach oben strecken darf.«
»Nein, so meinte ich das nicht«, versuchte ich, meine Worte abzuschwächen. »Er ist ein grandioser Geschäftsmann. Er hat in kürzester Zeit erreicht, was manche ihr ganzes Leben nicht erreichen. Marco hat SibBiz aus dem Nichts aufgebaut und bekommt nur so heftigen Gegenwind, da Spitzenunternehmen Neider haben. Die virtuellen Welten, die er mit seiner Firma auf den Markt bringt, sind atemberaubend designt und bis ins letzte Detail durchdacht. Natürlich macht er das nicht alleine, aber ich bewundere Marco dafür, dass er es versteht, aus seinen Mitarbeitern das Beste herauszuholen.« Ich atmete durch, bevor ich fortfuhr: »Egal, wo man sich umhört, es wirkt wie eine Familie. Niemand verlässt das Unternehmen freiwillig. Das findet man nicht oft. Nicht in dieser Branche.«
Mir entging nicht, dass Matheo wütend in Marcos Richtung schaute.
Nach einem Moment der Stille fragte Maria: »Seit wann arbeitest du unter Marco?«
Abermals suchte ich seinen Blick, in der Hoffnung, dass er mir endlich zur Seite stehen würde. Und tatsächlich. »Seit drei Monaten«, sagte er und legte mir die Hand auf den Rücken. Unsicherheit flatterte in meinem Magen auf und ich vergaß einen Augenblick, zu atmen. Ich blickte auf den weißen Stoff der Tischdecke und lächelte zaghaft.
Als Maria ihr Verhör bei Leonore und Matheo fortsetzte, beugte sich Marco zu mir vor. Er streichelte leicht über meine Wange und raunte in mein Ohr: »Danke.« Abermals seine Nähe genießen zu können und den hinreißenden Duft inhalieren zu müssen, brachte mich schier um den Verstand. Es störte mich, dass es mir in seiner Nähe nicht gelang, mich zu konzentrieren. Doch sobald er mich berührte, schienen jegliche Gedanken fort zu sein.
Mein angeblicher Freund lehnte sich wieder gelassen in seinem Stuhl zurück, ließ seinen Arm auf der Stuhllehne hinter mir liegen und kraulte mir vertraut den Rücken. Nicht, dass ich mit der Situation sowieso schon überfordert war. Dass er das Schauspiel auch fortsetzte, als uns keine fremde Aufmerksamkeit zuteilwurde, irritierte mich ungemein. Doch ich genoss die körperliche Zuneigung, auch wenn sie nur gespielt war. Dafür hatte ich davon einfach zu wenig in den letzten Monaten erhalten.
Matheo schaute mich über den Tisch hinweg an und ich verlor mich einen Moment in seinen Augen, während ich die Streicheleinheiten seines Bruders spürte.
»Leonore, du bist also direkt mit meinem Sohn ins Bett gestiegen?«, fragte Maria ungeniert und ich hustete überrascht über die Unverblümtheit ihrer Worte.
»Ja, das bin ich«, sagte sie selbstsicher. Die Blondine war selbstbewusst und Matheo blickte sie nun stolz an. In seinem Blick lag so viel Zuneigung, dass ich aus Respekt vor ihrer Beziehung wieder den Linien auf der Tischdecke folgte.
»Manche Begegnungen sind einfach vom Schicksal vorbestimmt«, hörte ich seine sonore Stimme und hob erneut meine Lider.
Matheo schaute mir dabei tief in die Augen und mir wurde schwindelig vor Aufregung. Ich war nicht in der Lage, den Blickkontakt mit ihm zu lösen, und starrte ihn eine gefühlte Ewigkeit an.
Erst als Marco sich vorbeugte und mir ins Ohr raunte: »Er hat eine Freundin, schon vergessen?«, löste ich ihn schockiert über mich selbst. Wenn es bereits meinem angeblichen Freund auffiel, konnte es sich nur noch um Sekunden handeln, bis auch Maria mein Schmachten bemerkte. Dass es ihr »falscher« Sohn war, würde ihr sicherlich auch nicht entgehen.
»Entschuldigt mich bitte«, sagte ich, schob gleichzeitig den Stuhl zurück und verließ fluchtartig den Tisch.
Erst als ich mich im Schutz einer kleinen Toilettenkabine befand, wagte ich wieder, einzuatmen. Wie war ich in diese Situation geraten? Warum ich? Wie die vielen Fotos im Netz zeigten, entsprach ich nicht im Geringsten Marcos Frauengeschmack. Wie war er dann auf mich gekommen? Er hatte reichlich Geld, sodass er sich die Gesellschaft williger Frauen erkaufen konnte. Es gab doch zahlreiche weibliche Begleitungen, die so etwas beruflich machten. Die Vorteile lagen ganz klar auf deren Seiten, denn sie waren nicht so ungeübt wie ich dabei. Sie wären wahrscheinlich auch professionell genug, um den Bruder ihres Auftraggebers nicht anzuhimmeln.
Nachdem ich noch einmal tief eingeatmet hatte, trat ich aus der Kabine, wusch meine Hände und ging wieder zu dem ungewöhnlichen Bewerbungsgespräch zurück.
Vor den Plätzen standen bereits Teller und alle hatten schon zu essen begonnen. Marco erzählte seiner Mutter gerade irgendetwas und blickte mich lediglich kurz an, als ich mich hinsetzte. Da ich eben nicht so geübt war wie manch käufliche Begleitung, hob ich meinen Blick und schaute Matheo über den Tisch hinweg an. Er zwinkerte mir zu und nahm sein Besteck auf. Überrascht stellte ich fest, dass er als Einziger auf mich gewartet hatte. Es freute mich, dass er so aufmerksam war. Doch es irritierte mich auch.
Das gesamte Essen hielt ich mich zurück, beantwortete höflich Fragen, doch ich hegte nur noch einen Wunsch. Ich wollte dieses Treffen und den damit verbundenen Ort einfach hinter mir lassen. Es lag nicht an den Menschen oder gar den Speisen. Die Situation setzte mir zu. Auch wenn ich zu meinen Eltern keinen Kontakt mehr hatte, vertrat ich immer die Ansicht, dass man ehrlich zueinander sein musste. Auch wenn es mit Gegenwind und Streit endete, so sollte man niemals seine eigene Persönlichkeit verleugnen. Das hatte letztendlich auch zum Bruch in unserer Eltern-Kind-Beziehung geführt. Ich entsprach nicht dem Bild, das meine Erzeuger gerne von mir gesehen hätten, und ich war nicht bereit, mein Leben für ihre Ansprüche umzustellen, nicht mehr. Sollte ich diese Einstellung ablegen, nur damit ich einen Job bekam? Natürlich brauchte ich eine Stelle, benötigte Geld, um mir meine Wohnung weiterhin leisten zu können. Aber war dieser Wunsch alleine Grund genug? Geld und ein guter Job? Waren das nicht immer die Ausreden meiner Eltern gewesen? Ausflüchte, die ich als Kind zutiefst verabscheut hatte? Sein eigenes Leben so leben zu müssen, damit alle zufrieden und begeistert waren, nur ich selbst nicht? Das wollte ich nie und würde ich auch nicht sein. Ich war anders und bisher konnte ich mir mit dieser Einstellung noch immer im Spiegel in die Augen blicken.
Die Teller des Hauptganges wurden abgeräumt, als ich mich entschlossen zu Marco drehte und ihn leise um ein Gespräch bat.
Wieder legte er in der vertrauten Geste seine Hand auf meinen Rücken. »Hat das nicht Zeit?«
»Nein, ich denke, das hier ist falsch«, flüsterte ich.
»Jetzt nicht, Katja«, sagte er bestimmend, entzog mir seine körperliche Nähe und schaute lächelnd zu Maria.
Einen Augenblick blieb ich wie erstarrt sitzen, fühlte mich zehn Jahre zurückversetzt und saß mit meinen Eltern in einem Restaurant. Als ich den Flashback abgeschüttelt hatte, erhob ich mich mit klopfendem Herzen.