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Sprichwörter sind bekannt und in aller Munde und werden oft zu irgendwelchen Geschehnissen zitiert. Seien sie nun ernst, warnend oder mit einem lächelndem Augenzwinkern bedacht. Eigene Erlebnisse oder Geschichten, die im Kern zu einem Sprichwort passen, wurden hier in dieser lesenswerten Anthologie gesammelt.
Die Autoren verzichten auf jegliches Honorar, der Nettoerlös geht vollständig als Spende an die "Arca Fabiana - Tierrettung e.V."
Allen Autoren Dank für ihre Beiträge:
Rita Bittner, Heidrun Böhm, Ralf von der Brelie, Alisa Ebert, Emotionboy, Angela Ewert, Doris Frese, gamefreak, Annelie Heyer, Phil Humor, Anneliese Koch, Saskia Kruse, Enya Kummer, Martina Laurenz, Elke Lehmann, Aluma Lugenje, Matthias März, Marcel Porta, Willy Rencin, Pia Richter, Gitta Rübsaat, Manuela Schauten, Roland Schilling, Ga Schu, Christine Singh, Rebekka Weber, Ute Wunderling
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Wer anderen eine Grube gräbt …
Sprichwörtliche Geschichten
Gemeinsam gegen Tiere in Not
Unser Spendenziel sind Tiere in Not, Tiere, die aus der Tötung gerettet, ausgesetzt, unterernährt, krank und als verwahrlost aufgegriffen werden. Die Autoren verzichten auf jegliches Honorar, der Nettoerlös geht also vollständig als Spende an die Tierrettung „Arca Fabiana - Tierrettung Azoren e.V.“
Allen Autoren ein herzliches Dankeschön und unser besonderer Dank gilt Heike Helfen, die uns das von ihr entworfene und gemalte Coverbild ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt hat.
Rita Bittner, Heidrun Böhm, Ralf von der Brelie, Alisa Ebert, Emotionboy, Angela Ewert, Doris Frese, gamefreak, Annelie Heyer, Phil Humor, Anneliese Koch, Saskia Kruse, Enya Kummer, Martina Laurenz, Elke Lehmann, Aluma Lugenje, Matthias März, Marcel Porta, Willy Rencin, Pia Richter, Gitta Rübsaat, Manuela Schauten, Roland Schilling, Ga Schu, Christine Singh, Rebekka Weber, Ute Wunderling.
Phil Humor: Gedanken zu Sprichwörtern
Willy Rencin: Wer anderen eine Grube gräbtAlisa Ebert: Neun Leben hat die Katz'Christine Singh: Die ausgleichende Gerechtigkeit kommt von obenMarcel Porta: Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinkenGitta Rübsaat: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besserMatthias März: Neugier ist der Tod der KatzeEnya Kummer: Niemand darf seine Wurzeln vergessen. Sie sind Ursprung unseres LebensRoland Schilling: Es gibt nichts Gutes, außer man tut esHeidrun Böhm: Hoffen und Harren hält manchen zum NarrenDoris Frese: Altes Brot ist nicht hart, kein Brot, das hart istPhil Humor: Wenn man vom Teufel spricht…Elke Lehmann: Wo man singt, da lass dich ruhig niederAnnelie Heyer: Ein Unglück kommt selten alleinGa Schu: Lieber ein Ende mit Schrecken …Anneliese Koch: Wer lange schläft, den Gott ernährt - wer früh aufsteht, der viel verzehrt.gamefreak: Hoffnung ist die Wiese, auf der die Narren grasenGitta Rübsaat: Die Hoffnung stirbt zuletztRebekka Weber: Scherben bringen GlückUte Wunderling: Gib dem Gespenst die Hand, dann kann es dir keine Angst mehr machenChristine Singh: Alles hat seine Zeit, nur die alten Weiber nichtManuela Schauten: Das Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der PferdeEmotionboy: In der Ruhe liegt die KraftDoris Frese: Dem Hahn, der zu viel kräht, dreht man den Hals umMartina Laurenz: Wer suchet - der findetAluma Lugenje: Wer keine Kinder hat, kann nicht weinenSaskia Kruse: Man erntet, was man sätRoland Schilling: Ein Tod ist schon einer zuvielRalf von der Brelie: Wer Wind sät - erntet SturmAnneliese Koch: Träume sind SchäumeAngela Ewert: Kunst geht nach Brot und findet'sPia Richter: Hunde, die bellen - beißen nichtRita Bittner: Wer nicht hören will, muss fühlenGa Schu: Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiertEnya Kummer: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hineinIst der gut dran, der sich an Sprichwörtern entlang hangeln kann? Sind Sprichwörter weise, trivial, Plattitüden? Sie scheinen schlüssig, doch was erschließt man sich mit ihnen? Wurde je der Versuch unternommen, die Sprichwörter wissenschaftlich auf ihre Richtigkeit hin abzuklopfen?
Wird es zur Self Fulfilling Prophecy? Schuster - bleib bei Deinen Leisten. Verhindern sie den Aufbruch in nicht von Sprichwörtern reglementiertes Gebiet? Kann man Lebensweisheit in solche Sätze gießen?
Die Zeiten ändern sich - ziehen die Sprichwörter mit? An sich stünde es jedem frei, sich daran zu halten - oder sie in den Wind zu schießen; aber sie haben etwas eigentümlich Wahrhaftiges an sich - bedingt auch durch Stabreim und Reim - etwas Bezwingendes durch Wiederholung und die Form, wie sie daherkommen; eingängig - man wird sie gar nicht wieder los. Kletten?
Sie bieten Welterklärung in einfacher Form: Hat etwas Apodiktisches; wagt man den Widerspruch? Aber sie widersprechen sich ja wunderbar selber. Wer sich auskennt, kann in der Sprichwörter-Zitate-Schlacht punkten mit genau dem entgegensetzten Sprichwort; bleibt also alles wieder in der Schwebe? Haben wir es deshalb in Ehren zu halten, weil es ein Erbgut ist, das man wie einen Erbhof nicht zerteilt, als Ganzes zu nehmen hat? Die Wissenschaft schaut gerne genauer hin. Sprichwort kommt daher wie ein Grandseigneur, verallgemeinernd, mit großer Geste.
Stecken in Sprichwörtern Storys - braucht man sie nur zu schütteln - und die Worte trudeln einem entgegen? Macht man sich als Schriftsteller daran, sie zu beweisen, ihre Gültigkeitsdauer gewissermaßen bis in unsere Zeit hinein zu verlängern? Gelten sie ad infinitum? Ab welchem Zeitpunkt nicht mehr? Unumstößliche Wahrheiten - das wäre tatsächlich was - ein Fundus. Oder die Frechheit, Kühnheit besitzen, Sprichwörter als Bonmots anzusehen, nichts Verbindliches, eher eine Bemerkung über die Menschen und ihr Bemühen, Gesetze zu finden im Chaos; das ist witzig.
Edwin hatte es satt, Ehemann zu sein. Geheiratet hatte er Irene ohnedies nur wegen ihres Vermögens. Dieses in seinen Besitz zu bringen war ihm bislang nicht gelungen und die Aussichten, es irgendwann zu schaffen, schienen äußerst gering.
Es gab nur eine Lösung: sie musste das Zeitliche segnen. Ihr Tod musste ein natürlicher sein, so dass auf ihn nicht der mindeste Verdacht fiel.
Edwin grübelte und grübelte, aber alle seine Einfälle musste er nach und nach wieder verwerfen. Er war nahe dran, sich geschlagen zu geben. Da sah er eines Tages im Fernsehen zufällig eine Sendung über Bulimie und um ein Haar hätte er vor dem Fernseher einen Freudentanz aufgeführt. War ihm doch die Lösung aller Lösungen, wie auf dem Silbertablett serviert worden
Wie viele Frauen, litt die von Edwin unter ihrer leicht drallen Figur und hatte ohne nennenswerten Erfolg sämtliche Schlankheitsrezepte, deren sie habhaft wurde ausprobiert. Ihr Versuch vegetarisch zu leben, scheiterte, da Edwin sich strikt geweigert hatte, den "grünen Fraß" mitzuessen.
In Zukunft, jetzt mit einem Ziel vor Augen, beschloss Edwin sich anders zu verhalten. Er würde sich nicht mehr über die Diätversuche seiner Frau ärgern. Sie nicht mehr verspotten, sondern bereitwillig mittun, bzw. so tun als ob ...
Seine Wandlung musste allmählich kommen undglaubhaft sein und da er wusste, wie gerissen er sein konnte, war er überzeugt, das zu schaffen..
Für einen winzigen Moment schoss ihm durch den Kopf, ihre im Schlafzimmer stehende Personenwaage zu manipulieren, aber das würde Irene doch irgendwann mitbekommen.
In den folgenden Tagen jammerte Edwin ein bisschen; beim Treppensteigen bekäme er neuerdings kaum Luft, sein Magen mache ihm zu schaffen und er habe zugenommen.
Prompt, wie erwartet, kam von ihr der Vorschlag, dem Übel mit einer Nahrungsumstellung zu Leibe zu rücken. Innerlich frohlockend, aber äußerlich recht zögerlich, stimmte er dann dem Vorschlag zu.
Das Ehepaar aß nun nur noch vegetarisch, legte jeden zweiten Sonntag einen Safttag ein. Irene freute sich, wie ihre Pfunde schwanden, aber Edwin behielt sein Gewicht, da er sich alles, was nun zu Hause nicht mehr auf den Tisch kam, im Betrieb servieren ließ.
Ihren Freundinnen, Edwin hasste sie wie die Beulenpest, erzählte Irene begeistert von der Wandlung ihres Mannes und wie positiv sich das auf ihre Ehe auswirke. Die wiederum waren voller Lob über den so verständnisvollen Ehemann und bestaunten, wie schlank die Freundin geworden war. Edwin war mit der Entwicklung der Dinge sehr zufrieden!
Als sich seine Frau auf 43 kg herunter gehungert hatte, fand es Edwin an der Zeit den zweiten Schritt zu unternehmen.
Es ging darum, ihrem - durch die Gewichtsabnahme ohne Zweifel geschwächten Körper - einen kleinen Stoß zu versetzen, der, dessen war Edwin sich sicher, zu ihrer baldigen Auflösung führen müsse. So ein kleiner Stoß, konnte zum Beispiel eine Erkältung sein, die sie sich zuzog.
Also sorgte Edwin unauffällig dafür, dass in der Wohnung immer ein leichter Durchzug herrschte.
Tatsächlich fing Irene an, nach ein paar Tagen über Kopfschmerzen und leichtes Unwohlsein zu klagen. Edwin, ganz fürsorglich, meinte, frische Luft würde ihnen beiden gut tun.
Er schlug ihr vor, die letzten schönen Herbsttage zu einem ausgedehnten Spaziergang im unweit gelegen Forst zu nutzen.
Seine Frau war begeistert, hatte er sich doch bisher längeren Spaziergängen und Wanderausflügen stets verschlossen; sich auf seine Plattfüße berufen.
Sie waren keine halbe Stunde gegangen, als Edwin merkte, dass er sich verkalkuliert hatte. Während er am ganzen Körper schwitzend, mit schmerzenden Füßen hinter ihr her trottete, sprang Irene munter wie ein Rehlein umher; schien ihm so quicklebendig wie nie zuvor.
Er glaubte, nicht recht zu hören, als sie sagte: „Weißt du was?! Wir gehen den Weg zur 'schönen Aussicht' hoch und dann in die Schulzenmühle Mittagessen. Wir haben die ganze Zeit so spartanisch gelebt, da können wir heute doch mal eine Ausnahme machen.“
Recht war ihm das keinesfalls, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr freundete er sich mit ihrer Schnapsidee an.
Die 'Schöne Aussicht' war eine Erhebung, die nach unten zu einem stillgelegten Steinbruch steil abfiel. Wer zu nahe an den Rand trat und vielleicht aus- bzw. abrutschte, hatte keine Chance zu überleben. Die am Boden verstreuten, fast dicht an dicht liegenden, großen Steinbrocken, würden jeden Körper zerschmettern.
'Ein kleiner Schubser und ich bin aller Sorgen ledig', dachte Edwin und folgte, nun mit vorzüglicher Laune, seiner Frau auf die Anhöhe.
Oben wies ein verwittertes Schild auf die Gefahr eines Absturzes hin und am Rande, aber nur in der Mitte, war ein Schutzgeländer angebracht.
Für die wunderschöne Aussicht hatte Edwin natürlich keinen Blick und in der Hoffnung, dass Irene ihm folge, ging er langsam seitwärts.
„Sei vorsichtig!“ sagte Irene, aber blieb an seiner Seite. „Wie schön unsere so triste, graue Stadt von hier oben aussieht!“, rief sie freudig.
„Ja, ich werde ein Foto mit dem Handy machen“, erwiderte Edwin. Er trat einen Schritt zur Seite, dann einen weiteren, um sich unauffällig hinter ihr zu platzieren.
Irene stand etwa einen halben Meter vor dem Abgrund, also musste es schon ein starker Schubs sein, aber ihr Fliegengewicht war sicher keine Herausforderung. Edwin spannte seinen Körper, seine Hände stießen vor, aber da war kein Widerstand, da war nichts ... gar nichts …
Um ihrem Mann zum Fotografieren freie Sicht zu ermöglichen, war Irene einen Schritt beiseite getreten. Sie sah Edwin mit ausgestreckten Armen an sich vorbei-stolpern und im Abgrund verschwinden ...
Es war im Urlaub letzten Jahres. Das Ziel unserer Reise - ein abgelegener Ort in der Nähe des Chiemsees, der im südlichen Bayern lag. Jeden Tag, wenn wir von unseren Ausflügen zurück kehrten, warteten die sechs Kätzchen der Besitzer unserer Ferienwohnung darauf, dass wir mit ihnen spielten, sie streichelten und ab und zu bekamen sie auch mal was zu fressen - natürlich in Absprache mit den Haltern.
Wir liebten Katzen, auch zu Hause besuchte uns täglich die Nachbarskatze 'Lissl'. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam. Wahrscheinlich im Gespräch mit den Leuten dort, die uns erzählt hatten, dass sie hinten im Hof frisch geborene Kätzchen gefunden haben, die eine trächtige Katze geworfen haben musste.
Mein Interesse für die Winzlinge hielt sich stark in Grenzen, die ausgewachsenen Katzen - oder Tiger, wie ich sie immer nannte - gefielen mir besser. Vor allem den orange getigerten Kater mit weißen Pfoten, Bauch und Brust hatte ich gern. Meine Mutter allerdings bestand darauf, dass ich auch immer wieder mal nach den Kleinen sah, was die Kätzin nicht störte - denn diese streunte ständig irgendwo in der Gegend herum und kümmerte sich kaum um die Kätzchen. Ein kleines, dreifarbiges hatte es ihr besonders angetan. Neben ihm gab es noch das orange und ein dunkelbraun getigertes Kätzchen.
Als ich einmal wieder die Kleinen besuchen wollte, waren sie weg - nur noch das Dreifarbige saß mutterseelenallein im Gras, hinter einem umgefallenen Baumstamm. Ich suchte die Umgebung ab, um sicher zu gehen, dass die Kleinen sich nicht einfach versteckt hatten. Doch da war nichts. Ich beobachtete das die nächsten Tage, doch weder die Katzenmutter noch die Jungen bekam ich in den nächsten Tagen, trotz ständiger Beobachtung zu Gesicht.
Das Junge piepste in den Nächten, vergeblich. Mit der Zeit wurde klar, dass die Mutter es sitzen gelassen hatte. "Was sollen wir denn jetzt machen?", überlegte meine Mutter, es ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wir alle dachten ständig an das winzige Kätzchen, das nicht älter als drei Wochen sein konnte.
Dann kam eine stürmische, verregnete Nacht. Sozusagen das Todesurteil für das Junge. Die Nacht war eisig kalt und es war klar, dass es das nicht überstehen würde.
Da fasste ich einen Entschluss. Nachdem wir von unserem Abendessen zurück waren, ging ich zu dem Versteck des Jungen und rief es. Nichts. "Kätzchen", rief ich immer wieder, spürte wie mein Puls stieg. Doch alles blieb still, kein Kätzchen antwortete oder regte sich. "Wo bist du?"
Der Regen wurde heftiger."Jetzt komm doch her", sagte ich in meiner Panik, ich wollte das Kätzchen auf keinen Fall sterben lassen. Und plötzlich, ich wollte schon aufgeben, erregte ein hohes Piepsen meine Aufmerksamkeit. "Kätzchen?", rief ich wieder. Und ein klatschnasses, dreifarbiges Etwas stolperte hinter einem der Baumstämme hervor, direkt auf mich zu. Es quiekte jämmerlich.
Es bahnte sich mit zugekniffenen Augen blind einen Weg zu mir, folgte meiner Stimme und als es in Reichweite war, schob ich eine Hand unter das zitternde Bündel und hob es hoch. Es hörte nicht auf zu quieken und zu zittern. Schnell wickelte ich es in meinen Pulli ein, drücke es vorsichtig an mich, um es irgendwie zu wärmen.
Bevor mich der Regen auch völlig durchnässte, lief ich zurück - nun selbst am Zittern. Meine Mutter riss die Augen auf, als sie erkannte, was ich da auf dem Arm hatte. "Was hast du denn gemacht?" "Ich lass' es nicht da draußen alleine", sagte ich einfach.
"Was sollen wir jetzt bitte mit dem Kätzchen machen? Die Mutter nimmt es nicht mehr an, wenn du es angefasst hast!", wollte sie schimpfen. "Die Mutter hat es sitzen lassen!", erwiderte ich. "Die kommt nicht mehr." Darauf sagte sie nichts mehr.
Da kam auf einmal einer der Besitzer unserer Ferienwohnung. "Was hast du denn da?", fragte er. "Ein verlassenes, zitterndes Kätzchen", antwortete ich und fügte in Gedanken hinzu: 'Wonach sieht's denn aus? Hilf ihr lieber!'
Und so kam es auch. Nachdem das Kätzchen aufgehört hatte, zu zittern, fiel uns auf, dass es ein Auge geschlossen hielt. Es bekam Augentropfen und über Nacht hatten wir es in die Scheune ins Stroh gesetzt, mit ein paar Decken, damit es nicht erfrieren konnte.
Es blieb mir ein Rätsel, wie das Kätzchen diese Nacht überlebt hat, ohne irgendwie krank zu werden; auch der Tierarzt, den wir am nächsten Tag aufsuchten, wunderte sich.
"Katzen haben halt doch neun Leben", schmunzelte er, während er das Kätzchen untersuchte. Es bekam Medizin, damit es sich von seinem Schnupfen erholen konnte, aber es konnte keine ernsthafte Krankheit festgestellt werden.
Natürlich hatten wir in Betracht gezogen, dass kleine Kätzchen mit zu uns nehmen, sofern es reisetauglich war. Jeden zweiten Tag ließen wir das Kätzchen kontrollieren, ob auch alles in Ordnung war. Dann bekamen wir grünes Licht.
Der Tierarzt hatte zudem noch überprüft, ob es sich um einen kleinen Kater oder ob um eine kleine Kätzin handelte. Letzteres war der Fall.
"Dann sucht mal einen Namen für sie aus", meinte meine Mutter zu meiner Schwester und mir. Wir freuten uns wahnsinnig, dass wir das Kätzchen behalten durften - vor allem, weil der Wunsch nach einer eigenen Katze riesig war.
Wir ließen uns unzählige Namen einfallen, doch irgendwie wollte nichts passen. Ich beobachtete die selbstbewusste Kätzin, die immer wieder abhauen und die Welt erkunden wollte, als mir die Idee kam. "Muffin!", rief ich begeistert. "Wie wäre es mit Muffin?" "Jaaa!", stimmte meine Schwester freudig zu. "Muffin, sie soll Muffin heißen!"
Und so kam es zu seinem Namen. Das Kätzchen mit den neun Leben und dem Schutzengel sollte Muffin heißen. Bevor wir wieder abreisten, schafften wir uns schon mal das nötige Material an. Eine lilafarbene Transportbox, einen Napf, extra tief für winzige Katzen, Spezialmilch von Tierarzt und natürlich Spielzeug. Muffin war sehr verspielt, frech, selbstbewusst und einfach niedlich. Wir waren alle begeistert von ihr, nur Lissl fauchte sie an und ließ sich nicht wieder blicken. Vielleicht fing damit auch das ganze Übel an.
Wir machten - gefühlt - alles falsch, was man falsch machen konnte. Muffin fing an, uns zu attackieren, hörte kein bisschen auf unser deutliches 'Nein!', man konnte sie tausendmal vom Tisch setzen - wenn man sich umdrehte, saß sie doch wieder dort. Das Schlimmste waren die Angriffe. Sie wollte spielen, doch im Spiel benutzte sie ihre scharfen Zähne und Krallen - hinterließ Wunden, die mehrere Wochen anhielten.
Irgendwie wurde alles zu viel. Meine Mutter war am Boden zerstört. Sie konnte nicht einmal mehr die Fenster kippen, um frische Luft hereinzulassen oder die Türe zu öffnen - Muffin würde entweder zwischen den Fenster zerquetscht enden oder nach draußen verschwinden und den Weg nicht mehr zurück finden. Zudem gewann sie an Kraft - ihre Bisse wurden stärker und irgendwie reagierte meine Mutter plötzlich leicht allergisch auf ihr langes Fell.
Der Tagesablauf war bestimmt von dem kleinen Fellball; man durfte nicht einmal wegsehen, man musste ständig nach ihr gucken. Wir suchten also einen neuen Platz für sie, bei Bekannten. Doch keiner wollte sich mit ihr abgeben. Wir hatten überall gesucht, doch niemand wollte sie haben; keiner hatte Zeit für sie.
"Tierheim", schlug mein Vater als Notlösung vor. Doch meine Mutter meinte, dass man das doch nicht machen könne. Die Tage wurden immer trüber. Irgendwie konnten wir uns nicht von Muffin trennen, andrerseits konnte es so nicht weitergehen.
"Wir haben gemacht, was wir konnten", argumentierte mein Vater. "Wir haben sie gerettet, mehr können wir nicht tun, sie ist eine Wildkatze, mit einem starken Charakter, weil sie in der erbarmungslosen Natur geboren wurde; das ist was ganz anderes, als wenn man ein reines Hauskätzchen hat."
Meine Mutter weinte immer öfter, sie wusste wohl, dass wir keine andere Wahl hatten. Am Morgen des 12. Septembers fiel dann der Entschluss. Tierheim wäre das Beste für alle Beteiligten.
"Ich bring sie hin", sagte mein Vater, weil meine Mutter meinte, sie könnte das nicht. An die Reaktion meiner Schwester kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie war wohl etwas traurig, aber froh, nicht mehr ständig Angst haben zu müssen, dass Muffin sie anfiel. "Ich gehe mit", entschied ich. Entsetzen seitens meiner Mutter. "Wie kannst du da freiwillig mitgehen?"
Ich zuckte mit den Schultern. Ich war schuld, dass wir Muffin hatten. Ich war doch diejenige, die das
Kätzchen vor dem Tod bewahrt hatte, ich würde auch bei ihr sein, wenn sie gehen musste. Von Anfang bis zum Schluss würde ich bei ihr sein, so viel stand für mich fest.
Dass ich dafür durch meine persönliche Hölle gehen muss, war nebensächlich. Es ging um Muffin, nicht darum, wie es mir damit ging. Es sollte ihr gut gehen.
Manchmal fragte ich mich, ob ich es vielleicht doch einfach hätte sitzen lassen sollen - es wäre ein natürlicher Tod gewesen; es wäre von der Natur vorgegeben, dass es passiere. Wenn wir nicht zufällig da gewesen wären, wäre sie sowieso dem Tode geweiht gewesen.
Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt Tränen vergossen hatte. Irgendwann in Kindertagen vermutlich; ich war nicht der Typ, den man schnell zum Weinen bringen konnte. Doch bei Muffin war das irgendwie etwas anderes.
Erst auf der Fahrt realisierte ich wohl, was da gerade vor sich ging. Muffin saß unwissend in ihrer Box auf meinem Schoß. Da flossen dann die ersten Tränen. Die Fahrt war kurz, aber dafür umso schlimmer. Ich wollte schreien, dass wir umkehren, dass wir es nochmal versuchen sollten. Doch ich blieb stumm, aus Angst, mir versagt die Stimme.
Irgendwie wurde mir klar, dass ich verloren hatte. Ich wollte dieses Kätzchen retten und jetzt hatte ich sie doch verloren; ich hatte an einer kleinen Katze versagt. Der einzige Hoffnungsschimmer - als wir im Tierheim ankamen, sprang eine der Betreuerinnen gleich auf und rief:
"Genau so eine wollte Alina schon die ganze Zeit! Ich rufe sie gleich mal an!"
Bei dem Namen zuckte ich zusammen; er war meinem eigenen viel zu ähnlich.
Während der ganzen Prozedur hatte ich auf den Boden gesehen; ich wollte nicht, dass irgendwer mein verweintes Gesicht sehen konnte. Dann nahmen sie Muffin, um sie zu den anderen Katzen zu bringen. Den Moment werde ich nie vergessen.
Muffin kletterte an der Pflegerin hoch, auf die Schulter, und während die sich mit ihr entfernte, sah sie mich nur an, wie zu einer stummen Verabschiedung.
Dann war sie verschwunden, für immer, und erneut rannen mir Tränen über die Wangen. Ich hatte meine geliebte Muffin tatsächlich verloren. Das mutige, kleine Kätzchen, das wohl als einzige überlebte und noch immer lebt.
Als ich heute Morgen ins Bad ging und die Tür öffnete, wollte ich mich gleich wieder zurückziehen, als ich die zwei Individuen in meiner Badewanne erblickte. Aber es half nichts; ich musste wirklich hinein. Eine andere Alternative hatte ich nun mal nicht.
Die Zwei in der Badewanne versuchte ich währenddessen zu ignorieren, so gut es ging. Ihrerseits schienen sie auch von meiner Gegenwart unbeeindruckt. Die Beiden in der Wanne waren weiblichen Geschlechts; mit mir waren´s nun drei Weibsen im Bad.
Inzwischen war ich fertig, hatte mich gewaschen und riskierte nun doch einen Blick in die Badewanne. Ihr werdet nicht glauben, was ich da sah!
Das eine Weibchen machte sich am Kopf der Konkurrentin zu schaffen. Das konnte nichts Gutes bedeuten, denn ich sah auch, wie das Opfer in offensichtlich schmerzhafter Haltung seinen Rücken krümmte.
Sollte ich die Polizei rufen? - Ich war unschlüssig. - Der missbräuchliche Anruf bei der Notdienststelle würde eine Anzeige für mich zur Folge haben.
Ich musste mir erst sicher sein und schaute zu, wie die Beiden in der Wanne sich weiterhin verhielten.
Da, was war das? - War da ein Kopf zur Seite gerutscht und hing nur noch lose am Hals? - Ich schaute GANZ GENAU hin!
Tatsächlich hatte die Eine der Anderen den Kopf fast abgebissen, während das Opfer sich noch verzweifelt wehrte.
Das durfte nicht ungestraft bleiben!
Zuerst schloss ich das Badezimmerfenster, denn was jetzt passierte, durfte niemand mitkriegen.
Dann füllte ich einen Eimer mit heißem Wasser und schüttete es über die Beiden. Sie waren sofort tot.