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Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Lars Baumann war begraben. Lore und ihr Sohn Karsten hatten, zusammen mit einigen Kollegen ihres Mannes, die gekommen waren, am Grab gestanden. Lore hatte nichts von dem, was der Pfarrer sagte, begriffen. Sie hatte nur an das tote, wächsern wirkende Gesicht ihres Mannes gedacht, der da im Sarg lag. Sie hatte ihn nicht mehr angeschaut, weil sie wußte, daß sein Anblick sie kalt ließ. Er war ihr so fremd, wie er da so ruhig lag. Die Kollegen sahen sie unsicher an. Sie wußten, daß Lore es nicht leicht gehabt hatte mit Lars Baumann. Aber keiner verlor ein Wort darüber. Sie saßen hinterher ein bißchen bedrückt da, als Lore sie zum Kaffee in ein Lokal gebeten hatte. Sie wußten anscheinend nicht, was sie sagen und wie sie sich benehmen sollten. Erst, als Lore Baumann zusammen mit ihrem kleinen Sohn das Lokal verlassen hatte, tauten die Männer auf. »Die Frau kann einem leid tun«, sagte einer. »Man soll Toten ja nichts Schlechtes nachsagen – aber ein Tugendbold ist Lars wirklich nicht gewesen.« »Es heißt, daß er sie sogar geschlagen haben soll!« wußte ein anderer zu berichten. Und der dritte sagte nachdenklich: »Das traute ich ihm unbesehen zu. Er war kein guter Mensch, aber keiner wollte es sich mit ihm verderben. Man hätte sich vielleicht schon viel eher um die Frau kümmern sollen.
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Lars Baumann war begraben. Lore und ihr Sohn Karsten hatten, zusammen mit einigen Kollegen ihres Mannes, die gekommen waren, am Grab gestanden. Lore hatte nichts von dem, was der Pfarrer sagte, begriffen. Sie hatte nur an das tote, wächsern wirkende Gesicht ihres Mannes gedacht, der da im Sarg lag. Sie hatte ihn nicht mehr angeschaut, weil sie wußte, daß sein Anblick sie kalt ließ. Er war ihr so fremd, wie er da so ruhig lag.
Die Kollegen sahen sie unsicher an. Sie wußten, daß Lore es nicht leicht gehabt hatte mit Lars Baumann. Aber keiner verlor ein Wort darüber. Sie saßen hinterher ein bißchen bedrückt da, als Lore sie zum Kaffee in ein Lokal gebeten hatte. Sie wußten anscheinend nicht, was sie sagen und wie sie sich benehmen sollten. Erst, als Lore Baumann zusammen mit ihrem kleinen Sohn das Lokal verlassen hatte, tauten die Männer auf.
»Die Frau kann einem leid tun«, sagte einer. »Man soll Toten ja nichts Schlechtes nachsagen – aber ein Tugendbold ist Lars wirklich nicht gewesen.«
»Es heißt, daß er sie sogar geschlagen haben soll!« wußte ein anderer zu berichten. Und der dritte sagte nachdenklich: »Das traute ich ihm unbesehen zu. Er war kein guter Mensch, aber keiner wollte es sich mit ihm verderben. Man hätte sich vielleicht schon viel eher um die Frau kümmern sollen. Na, nun ist es zu spät. Außerdem muß jeder selbst zusehen, wie er im Leben zurechtkommt. Leicht ist es für keinen von uns.«
Sie prosteten sich mit einem Schnaps zu, den sie mit Bier hinabspülten. Lars Baumann war auch auf der Baustelle nicht sonderlich beliebt gewesen. So mancher seiner Kollegen hatte schon seinen sprichwörtlichen Jähzorn zu spüren bekommen.
Unterdessen war Lore mit Karsten heimgegangen. Sie setzte sich in einen Sessel und nahm ihren Jungen auf den Schoß, drückte ihn an sich und sagte leise: »Jetzt sind wir beide ganz allein, Liebling. Ich frage mich, ob wir nicht woanders hinziehen sollen. Irgendwohin, wo es schön ist, wo wir Frieden finden, wo es uns gefällt.«
»Und wo ein See ist, an dem wir Enten füttern können, Mami«, fügte Karsten eifrig hinzu. Lore strich ihm lächelnd das Haar aus der Stirn und nickte ihm zu.
»Ja«, sagte sie dann zustimmend, »und mit einem See, an dem wir Enten füttern können. Ich werde nachdenken, mein Kleiner. Und dann fahren wir los, einfach ins Blaue hinein.«
Das fand das Kind wundervoll. Ungeduldig fragte Karsten: »Wann fahren wir, Mami?«
»Bald, mein Kleiner, ganz bald. Sobald ich diese Wohnung losgeworden bin, mit allen Möbeln, die wir nicht mehr brauchen. Dann kaufen wir uns ein Auto und fahren ab.«
Karsten warf die Arme um den Hals seiner jungen Mutter und seufzte tief auf.
»Ich finde es schön, daß du und ich jetzt allein sind, Mami.«
»Ich auch«, flüsterte Lore. »Ich auch, mein Liebling.«
»Wenn du es schön findest, Mami – warum weinst du denn dann?« fragte Karsten ängstlich und wischte mit der Hand eine Träne aus Lores Gesicht. Sie lächelte ihm zu.
»Ach, ich weiß auch nicht so genau. Vielleicht, weil es mir leid tut, daß Vati nun tot ist. Vielleicht aber auch nur so, ohne zu wissen, warum. Das gibt es manchmal, weißt du? Es ist nichts Schlimmes. Man ist dann einfach nur nervös. Und wenn man ein bißchen weint, geht es einem schon wieder viel besser.«
»Ich bin froh, wenn es dir gutgeht, Mami. Wenn wir miteinander verreisen, geht es uns beiden gut, nicht wahr?«
Ganz fest schloß Lore Baumann ihren kleinen, verständigen Sohn in die Arme und seufzte tief und erleichtert auf.
»Ja, Karsten«, sagte sie, »ja, dann geht es uns beiden gut.«
Hoffentlich, dachte sie bei sich. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ist, wenn man sagen kann, daß es einem gutgeht.
Lore Baumann ging in den nächsten Tagen und Wochen systematisch an die Arbeit. Sie sprach mit dem Vermieter, versprach, für einen Nachmieter zu sorgen und gab entsprechende Annoncen auf. Der Andrang war so groß, daß Lore kaum zur Ruhe kam. Das Telefon stand niemals still.
Manchmal, wenn sie nahe daran war, die Geduld zu verlieren, sagte sie sich, daß sie dann, wenn alles hinter ihr lag, unabhängig und frei sein würde. Niemand würde ihr mehr Vorschriften machen, niemand würde ihr sagen, was sie tun und lassen sollte. Nur Karsten war da, ihr Lebensinhalt. Das würde er auch immer bleiben, solange sie lebte.
Ein Mann? Niemals kam das mehr für sie in Frage. Lore wußte, daß sie so etwas wie ein gebranntes Kind war. Lars war auch lieb und nett und zärtlich gewesen. Aber später, in der Ehe, da hatte er gezeigt, wie er in Wirklichkeit war. Lore war daran beinahe zerbrochen. Nein, das wollte sie nie, nie wieder erleben müssen!
Endlich fand sie ein junges Ehepaar, das ihr auf Anhieb sympathisch war. Es ging alles wie geschmiert. Die jungen Leute waren froh, die Wohnungseinrichtung übernehmen zu können. Zwar würden ihre sämtlichen Ersparnisse draufgehen – dafür hatten sie dann aber auch eine komplette Wohnungseinrichtung, die ihnen dazu auch noch ausnehmend gut gefiel.
Man wurde sich schnell über den Preis einig. Der Vermieter war ebenfalls mit den neuen Nachmietern einverstanden. Lore konnte darangehen, sich nach einer anderen Bleibe umzusehen.
Es war herrlich, durch die einschlägigen Geschäfte zu streifen, um sich ein wirklich gutes gebrauchtes Auto zu kaufen. Lore hätte sich vom Erlös ihrer Wohnungseinrichtung gut und gern ein neues Auto leisten können aber dieser Gedanke kam gar nicht erst in ihr auf. Während der Ehe mit Lars hatte sie nie einen Notgroschen beiseite legen können. Von nun an würde sie dafür sorgen, daß sie, wenn auch nicht viel, so doch aber immerhin etwas, auf der hohen Kante hatte.
Die Rente, die sie von Lars bekam, konnte sie beinahe vergessen, weil sie viel zu niedrig war, als daß sie und Karsten davon hätten leben können. Lore würde sich eine Arbeit suchen müssen, bei der Karsten nicht zu kurz kommen würde. Das war schwer, das wußte sie, aber sie war guten Mutes. Irgend etwas würde sich schon finden. Man mußte nur fleißig suchen und wohl auch etwas Geduld haben.
Die Koffer waren endlich gepackt. Es waren nicht viele, denn Lore und Karsten waren nicht sehr verwöhnt. Sie hatten ordentliche Sachen, aber eben nicht sonderlich viele. Lore hatte eigentlich immer waschen müssen, um alles sauber und ordentlich zu haben.
Sie nahm Karsten mit, als sie sich das Auto, für das sie sich entschieden hatte, abholen konnte. Es war zugelassen und vollgetankt, so, wie sie es gewünscht hatte. Sie und Karsten, der begeistert war, brauchten nur noch einzusteigen und loszufahren.
Zehn Minuten später saß Karsten stolz hinten, war angeschnallt und verfolgte mit Argusaugen alles, was seine Mami jetzt tat. Wenn er groß war, würde er auch lernen, wie man mit dem Auto fahren mußte. Und dann würde er fahren, und Mami würde neben ihm sitzen und sagen, daß er das alles prima machte.
»Wann fahren wir denn los, Mami?« wollte Karsten wissen, als Lore das Auto in der Tiefgarage abgestellt und abgeschlossen hatte.
»Morgen, mein Kleiner. Morgen fahren wir los, irgendwohin, direkt hinein in ein neues Leben«, sagte Lore mit glänzenden Augen.
Hier hält mich nichts fest, sagte sie sich wenig später, als sie zu ihrer Wohnung emporstieg. Aber vielleicht werden Karsten und ich nette Menschen kennenlernen, wenn wir unterwegs sind. Und da, wo es uns am besten gefällt, da bleiben wir dann!
Lore Baumann spürte plötzlich so etwas wie Unternehmungslust und Vorfreude auf das neue Leben, das sie sich noch gar nicht richtig vorstellen konnte.
*
Es war alles geregelt. Die Koffer mit ihren persönlichen Habseligkeiten hatte Lore im Auto verstaut. Die Schlüssel hatte sie zusammen mit Karsten zum Nachmieter gebracht, der schon in wenigen Tagen einziehen wollte. Und nun strahlte sie ihren kleinen Sohn an.
»Es kann losgehen«, sagte sie fröhlich. »Jetzt fahren wir ab und halten erst wieder an, wenn wir Hunger haben.«
Das Kind nickte begeistert. Karsten hatte schon bemerkt, daß seine Mami ganz anders, viel fröhlicher und gelöster als sonst war. Das machte auch ihn zufrieden. So wie jetzt, fand er, könnte Mami eigentlich ruhig bleiben. Da fühlte er sich ihr ganz besonders nahe und verbunden.
Sie fuhren bis gegen Mittag. Da waren sie schon beinahe bis Hannover gekommen. Und immer noch konnte sich Lore nicht entscheiden, wohin sie nun wirklich fahren wollten. Sie machten Rast in einem Restaurant an der Autobahn. Karsten sah begeistert auf den Teller mit der geliebten Currywurst und der reichlichen Portion Pommes frites.
»So wie jetzt könnte es eigentlich immer bleiben, Mami«, machte Karsten seinem Herzen Luft. Lore sah ihn verblüfft an. Da fuhr er schon fort: »Du lachst viel mehr als sonst. Und du bist ganz anders, fröhlicher als früher.«
»Früher sind wir ja auch nicht einfach ins Blaue hineingefahren«, erklärte sie ernsthaft. Und dann lachten sie einander an. »Nein, früher waren wir immer zu Hause.«
»Und hatten schreckliche Angst vor Vati, daß er wieder getrunken hatte, wenn er heimkam«, setzte Karsten altklug hinzu. Lore sah ihn ernsthaft an.
»Das wollen wir ganz schnell vergessen, mein Kerlchen, ja?« sagte sie ruhig. »Vati ist tot, er kann sich nicht mehr wehren. Und wir – wir leben noch und wollen ihm nichts Böses mehr nachsagen, nein? Wahrscheinlich hat er es gar nicht so gemeint, wenn er gescholten hat.«
»Glaubst du das wirklich, Mami?« wollte der Junge wissen. Lore sah durch ihn hindurch und murmelte: »Ich weiß nicht, Karsten. Ich weiß wirklich nicht, ob ich es so meine. Am besten, wir reden gar nicht mehr darüber. Dann kann man viel leichter vergessen.«
Der Junge war sofort damit einverstanden. Lore war ein bißchen traurig. Eigentlich hat Karsten viel vermissen müssen, dachte sie bei sich. Andere Väter spielen mit ihren Kindern, machen Spaziergänge mit ihnen und erklären ihnen alles, was die Kinder wissen wollen. Lars hat das nie getan. Er hat sich weder um Karsten noch um mich gekümmert. Nur um sich selbst hat er sich gekümmert und geglaubt, das genüge. Mir hat es nicht genügt – und Karsten auch nicht. Das merkt man doch aus vielen Andeutungen, derer er sich gar nicht einmal so bewußt ist.
Es ist ganz einfach so, daß Lars Karsten und mich um viele, viele schöne Stunden gebracht hat. Und um das Glück, auf das wohl jeder Mensch hofft. Aber nur die wenigsten lernen es kennen. Ich habe es nicht kennenlernen dürfen. Nur ein Abglanz davon, in unserer ersten Ehezeit. Aber das liegt schon so lange zurück, daß ich mich gar nicht mehr recht daran erinnern kann.
Nach dem Mittagessen bestellte Lore noch eine große Portion Eis. Und als sie es halb aufgegessen hatten, sah sie Karsten plötzlich begeistert an.
»Fahren wir in die Heide, Karsten. Dort gibt es viele Tiere, die wir in Köln noch gar nicht entdeckt haben. Höchstens dann und wann mal ein Kaninchen. Aber in der Heide gibt es Füchse, da gibt es Vögel, die wir fast nicht mehr kennen.«
»Auch Rehe, Mami?« wollte er aufgeregt wissen.
»Auch Rehe«, bestätigte Lore lächelnd. »Und Marder, Iltisse und Haselmäuse und…«
»Und Enten?« Karstens Blauaugen strahlten.
»Und Enten«, bestätigte sie fröhlich.
»Enten, die ich dann auch füttern kann, Mami?« Karstens Interesse wurde immer größer.
»Ich bin ganz sicher, daß es Enten gibt, die du füttern kannst, mein Liebling.«
»Komm, Mami, laß uns fahren.« Nun konnte es Karsten nicht schnell genug gehen. Er schob den leergegessenen Eisteller ein wenig von sich ab und wartete ungeduldig darauf, daß Lore bezahlen und mit ihm aufbrechen möge.
Fröhlich machten sie sich auf den Weg. Lore Baumann fand es schön, sich ein Ziel gesetzt zu haben. Heute abend werden wir schon irgendwo in der Heide sein, in einem hübschen Hotel übernachten und uns überlegen, ob wir nicht für länger bleiben sollen.
Lore Baumann hatte absolut keine Ahnung, daß sich ausgerechnet in der Heide ihr Leben von Grund auf ändern würde. Sie wußte noch nicht, daß sie in Angst und Schrecken versetzt werden, und auch nicht, daß sie der großen Liebe begegnen würde.
Im Augenblick fühlte sie sich nur neugierig, und das war eigentlich, wenn man es recht bedachte, auch gut zu verstehen. Bis jetzt hatte das Leben für sie noch nicht allzu viele hübsche Überraschungen zu bieten gehabt.
In Celle verließen sie die Autobahn und fuhren gemächlicher auf einer Landstraße weiter, die sich durch eine wunderschöne Landschaft schlängelte. Mal fuhr man durch Nadelwald, mal an Feldern vorbei. Ab und zu durchfuhren sie ein Dorf. Es war sauber hier in der Heide, sauber und ruhig. Lore fand, daß es eine großartige Idee von ihr gewesen sei, sich für die Heide zu entscheiden.
Dann kamen sie an einen Ort, der Ögela hieß. Lore hatte vorher noch nie von einem Ort namens Ögela gehört. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, als sollten sie hierbleiben. Sie fuhr langsam über die Hauptstraße. Es war nicht viel Verkehr. Manche Leute saßen oder standen vor ihren Haustüren und hielten einen kleinen Plausch miteinander. Drüben, auf der anderen Straßenseite, spielten ein paar Kinder mit einem kleinen Hund und jauchzten so laut, daß man es bis ins Auto hinein hören konnte.
Karsten wandte sich seiner Mutter zu und fragte drängend: »Ach, Mami, wollen wir nicht hierbleiben? Es sieht alles so schön aus.«
»Gut, bleiben wir hier. Ich finde es auch sehr hübsch hier. Alles macht einen so friedlichen Eindruck.«
Lore fuhr langsam weiter, bis sie ein Schild an einem hübschen, gepflegt wirkenden Fachwerkhaus sah. »Heidekrug« stand auf dem Schild. Lore hielt an. Sie sah Karsten auffordernd an und meinte: »Komm, Liebling, sehen wir uns diesen Heidekrug einmal näher an. Vielleicht können wir hier bleiben.«
Und sie blieben. Sie standen in der Gaststube, sahen sich suchend um und setzten sich an einen Tisch mit einer rotblau gemusterten Tischdecke und warteten darauf, daß man sich um sie kümmern möge.
Rita Berger, Inhaberin des Heidekrugs, eine rundliche, gemütlich wirkende Frau, kam freundlich an ihren Tisch und sah sie fragend an.
»Wir möchten beide eine große Limonade«, bestellte Lore. »Außerdem sind wir hungrig und möchten gern wissen, ob Sie auch Zimmer an Gäste vermieten.«
Es dauerte nicht lange, da führte Rita Berger ihre neuen Gäste in ein hübsches Gästezimmer, das ganz im bäuerlichen Stil eingerichtet und sehr gemütlich war. Durch eine kleine, schmalere Tür kam man in ein Bad. Lore war begeistert und beschloß heimlich, für länger hierzubleiben, ehe sie sich um eine Stellung bemühte und um eine kleine Wohnung.
Rita Berger warf Lore einen mitfühlenden Blick zu.
»An Ihrer schwarzen Kleidung sehe ich, daß Sie in Trauer sind. Ich hoffe und wünsche für Sie, daß Sie hier bei uns in Ögela Ruhe und Erholung mit Ihrem kleinen Sohn finden.«
»Danke.« Lore lächelte. »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Das, was ich bisher von Ögela gesehen habe, gefällt mir ausnehmend gut. Ich würde gern für länger hierbleiben.«
»Dem steht nichts im Wege. Sie sind willkommen, Frau Baumann.«
Lore und Karsten gingen wieder mit nach unten, aßen zu Abend und gingen dann früh schlafen. Die Fahrt war lang und anstrengend gewesen, und sie waren beide rechtschaffen müde.
Karsten fühlte sich sehr erwachsen, weil er neben seiner Mami im Doppelbett schlafen durfte.
Eigentlich hatte er noch ganz, ganz lange mit ihr sprechen wollen, aber dazu war er viel zu müde. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er eingeschlafen war. Und Lore erging es ebenso. Vielleicht ließ die innere Ruhe, die sie allmählich fand, sie so leicht einschlafen.
Karsten war am nächsten Morgen als erster wach. Er kletterte aus dem Bett und lief zum Fenster, durch das heller Sonnenschein in das hübsche Zimmer fiel. Draußen trieb ein Bauer gerade eben eine kleine Herde Rinder über die Straße. Wahrscheinlich sollten sie auf die Weiden, die sich am Dorfeingang weit ausbreiteten. Begeistert sah Karsten zu, wie sich die Tiere bewegten. So aus der Nähe hatte er sie noch nie gesehen.
Es war wenig Verkehr. Sogar Hühner liefen über die Straße. Aber sie schienen auch genau zu wissen, wohin sie gehörten. Ach, es gab ja so unendlich viel zu sehen und zu bewundern, fand Karsten.
Er lachte seine Mutter an, als er sich umwandte und feststellte, daß sie blinzelte.
»Oh, Mami«, sagte er begeistert. »Da sind Kühe, die über die Straße laufen. Und Hühner und Katzen und Hunde. Es gibt so viel zu sehen. Könnten wir nicht ganz lange hierbleiben?«
»Wie wäre es, wenn wir uns erst einmal waschen und ankleiden, damit wir frühstücken können?« fragte Lore lachend und sprang aus dem Bett. Sie hatte herrlich geschlafen und fühlte sich unternehmungslustig. Nie hätte sie es für möglich gehalten, daß das Leben für sie noch einmal so schön sein könnte.
Eine halbe Stunde später saßen sie in der Gaststube am Frühstückstisch. Es war noch nicht viel zu tun um diese Zeit, und so setzte sich Rita Berger einfach zu ihnen. Sie war immer für einen kleinen Plausch zu haben.
Und so erfuhr sie dann, daß Lore und Karsten aus Köln kamen, daß sie einfach ins Blaue gefahren waren und erst einmal nichts weiter wollten, als sich erholen und ein wenig Abstand von ihrem früheren Leben finden.
»Das klingt so endgültig«, sagte Rita und sah Lore neugierig an.