Wiener's G'schichten Teil 3 - Ralph Wiener - E-Book

Wiener's G'schichten Teil 3 E-Book

Ralph Wiener

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Beschreibung

Bei dem Theaterstück "Geschichten meiner Frau" handelt es sich um eine Dreieckskomödie. Auch Peter, der Schriftsteller in diesem Lustspiel, verfasst solche Geschichten über Konflikte zwischen den Geschlechtern - aber kein Verlag hat sie bisher angenommen. Deshalb kommt Peter auf eine Idee: Er schiebt die Autorschaft seiner Frau Trudchen in die Schuhe, weil er glaubt, ein Lektor würde sich für eine junge Schriftstellerin eher erwärmen als für einen männlichen Verfasser. Der Lektor kommt und erwärmt sich. Trudchen taut dabei auf. Mehr als ihrem Mann lieb ist. Die zuvor an die Hauswirtschaft gefesselte Ehefrau entwickelt ungeahnte Talente... In diesem dritten Band der "Wiener's G'schichten" werden neben den Texten auch alle Spielstationen des Stückes, welches Ende 1962 in Rostock uraufgeführt wurde und zwei Wochen später auch am Thomas-Müntzer-Theater seiner Heimatstadt Premiere hatte, dokumentiert. Programmhefte und Presseartikel sind chronologisch geordnet. Das Stück wurde auch im Fernsehen der DDR gesendet. Allerdings fast zwölf Jahre nach der Uraufführung. Da war das Thema "Gleichberechtigung" allerdings schon längst ein alter Hut in der DDR.

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Seitenzahl: 273

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Felix Ecke alias Ralph Wiener 1962

Personen:

Trudchen (25)

Peter (28)

Schott (38)

Schauplatz:

Ein Arbeitszimmer

Zeit:

Gegenwart (1962)

Inhalt

Akt

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Akt

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Szene

Akt

Szene

Szene

Szene

Programmhefte

1. Volkstheater Rostock

3. Staatliches Dorftheater Prenzlau

4. Landestheater Anklam

5. Städtische Bühnen Quedlinburg

6. Theater der Stadt Zeitz

7. Kreistheater Annaberg

8. Landestheater Parchim

9. Salzland-Theater Staßfurt

10. Schlosstheater Potsdam

Pressestimmen

Theatergrafie der „Geschichten meiner Frau“

Geschichten meiner Frau – Die Novelle

Die Geschichte der Gründung des Eisleber Bürgertheaters

Vorwort

Die Stunde Null

Premiere bis Mitternacht

Graubrot und Kaviar

Zu neuen Ufern

Der Vetter aus Dingsda

Experiment mit Ingeborg

Zwischentöne

Präsente zum Fest

Thema Nummer eins

Finale mit Kabale

50 Jahre später

Programmhefte des Eisleber Bürgertheaters

Pressestimmen zum Eisleber Bürgertheater

Theatergrafie Eisleber Bürgertheater

Ralph-Wiener-Bibliografie

1. Akt

(In einem elegant und zugleich häuslich eingerichteten Arbeitszimmer sitzt Peter an der Schreibmaschine und tippt. Trudchen steht im schichten Hauskleid am Bücherschrank und wischt Staub)

1. Szene

Trudchen & Peter

Trudchen (nimmt einige Bücher aus dem Schrank): Schiller hat schon wieder Flecke.

Peter (unterbricht unwillig seine Arbeit): Musst du mich immer mit solchen Kleinigkeiten unterbrechen?

Trudchen: Kleinigkeiten?

(Sie wischt intensiv an den Büchern.)

Bei Büchern ist schließlich wichtig, dass sie sauber sind.

Peter: Liebes Kind, ich habe dir schon oft gesagt: Es kommt auf den Inhalt an!

Trudchen: Zugegeben. Aber Bücher gehören auch zur Wohnungseinrichtung

(Sie wischt weiter.)

Und da muss es blitzen!

Peter (winkt seufzend ab): Ist ja zwecklos, sich mit dir darüber zu unterhalten.

(Er tippt wieder.)

Trudchen (legt die Bücher zurück und nimmt ein anderes heraus): Jetzt ist sogar das „Kapital“ angerissen.

Peter (unterbricht seine Arbeit): Lass endlich meine Bücher in Ruhe! Deine Literaturbetrachtungen sind nicht zum Aushalten! Schiller hat Flecke, das „Kapital“ einen Riss, Goethe vergilbt, Tucholsky am Rücken beschädigt, Heine zerfranst, Majakowski aufgeweicht - Heilige Einfalt!

(Er verhüllt mit beiden Händen sein Gesicht.)

Trudchen (indem sie ein anderes Buch herausnimmt, ironisch): Und Dostojewski zerknittert!

Peter (steht auf): Jetzt reicht’s mir!

(Er geht auf Trudchen zu und nimmt ihr die Bücher aus der Hand.)

Das ist eine Welt, die euch Freuen nichts angeht,

(Er stellt die Bücher in den Schrank.)

und mit der du dich nicht zu befassen hast! Hast du mich verstanden?

Trudchen: Ehrlich gesagt, nein.

Peter (winkt ab): Auch gut.

(Er setzt sich wieder an die Maschine.)

Und jetzt habe ich noch zu schreiben. Wichtige Ergänzungen zu meiner letzten Novelle.

(Er tippet Trudchen holt Nähzeug, setzt sich seitlich nieder und beginnt, Strümpfe zu stopfen. Nach einiger Zeit unterbricht sie ihre Arbeit.)

Trudchen: Das Fräulein Reuter von nebenan hat schon wieder ein Kind gekriegt.

(Peter brummt und schreibt weiter.)

Und wer der Vater ist, weiß sie nicht, sagt sie.

(Peter brummt heftiger und schreibt weiter.)

Es soll ein Verheirateter sein.

(Sie gerät in sprudelndes Fahrwasser.)

Stell dir vor: Da sitzt so eine arme Frau zu Hause, glaubt an ihr ungetrübtes Eheglück - und was macht der Mann? Er poussiert mit einer andern! Und jetzt ist sogar noch ein Kind da. Für das Fräulein Reuter ist das eine ganz schöne Belastung. Habe ich dir übrigens schon erzählt, Was mir gestern...

(Peter stöhnt und zieht das Blatt aus der Maschine.)

Peter! Du hörst ja gar nicht zu!

Peter (stellt die Maschine weg): Bei deinem Quatsch soll ich noch zuhören.

Trudchen: Dieser Quatsch sind die Probleme, mit denen ich mich befassen muss, seit wir verheiratet sind. Ich wollte sie dir nur einmal verführen.

Peter: Das kenne ich, wenn eine Frau merkt, dass sie etwas Lächerliches gesagt hat, erklärt sie nachher, es war Ironie.

Trudchen: Ironie ist eine künstliche Überhöhung von Tatschen, Liebling.

Peter (setzt sich und ordnet das Geschriebene): Trudchen, hör zu: Ich habe wichtige literarische Arbeiten zu erledigen. Und wenn du immer mit deinen kleinlichen Sorgen dazwischenkommst, kann das nichts werden.

Trudchen: Ist ja auch noch nie was geworden.

Peter: Na, eben? Aber wer ist daran schuld? Du!

Trudchen: Ich?

Peter: Kein anderer! Den ganzen Vormittag liegst du mir in den Ohren: „Was kochen wir denn heute?“ Und wenn ich denke, am Nachmittag habe ich Ruhe, dann geht das dauernd: „Was kochen wir denn morgen?“

Trudchen: Essen müssen wir doch, Peter.

Peter: Aber nicht immer darüber reden!

(versöhnlicher:)

Siehst du, du bist eine kleine Hausfrau. So soll es auch sein. Das ist für mich bequemer, und auch für - -, für - -, na, eben für mich bequemer. Ich will gar nicht, dass du einen Beruf ausübst. Das verlange ich nur von den Werktätigen, über die ich schreibe. Aber du darfst deine kleine Welt nicht immer in meine geistige Sphäre hineinschieben wollen. Das lenkt mich ab. Das zerstreut mich.

(plötzlich unvermittelt:)

Hast du meine Unterhosen gewaschen?

Trudchen: Noch nicht, Peter. Der Konsum kriegt morgen erst Gentina.

Peter: Gentina? Hm. Auch so ein Wort aus deiner kleinen Welt. Aber das macht nichts.

(mit Betonung:)

Ich werde nämlich jetzt durch dich - hörst du: durch dich - zum Erfolg kommen!

Trudchen: Durch mich?

Peter: Ich habe an den Start-Verlag meine Novellen geschickt.

Trudchen: Das weiß ich.

Peter: Aber du weißt nicht, in welcher Form ich sie eingeschickt habe. Ich habe nämlich - - nein, das muss ich dir genauer erklären.

(Er steht auf und geht im Zimmer umher.)

Trudchen, du wirst dir vielleicht schon lange Gedanken darüber gemacht haben, warum bis jetzt noch kein Verlag meine Novellen angenommen hat. Heute kann ich es dir sagen: Weil ich ein Mann bin! Eine Frau muss man sein - das ist das ganze Geheimnis Auch im Sozialismus, liebes Kind, ist eine gewisse Erotik von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Was meinst du, wie es auf einen Verlagslektor wirkt, wenn eine Dame ihre Novellen einreicht! Das hat etwas Prickelndes, etwas Reizendes, etwas - - also überhaupt etwas Charmantes an sich. Und deshalb, mein liebes Trudchen, habe ich diesmal etwas Besonderes unternommen: Ich habe die Novellen nicht in meinem, sondern in deinem Namen weggeschickt!

Trudchen (verblüfft): In meinem Namen?

Peter: Jawohl, in deinem Namen „Novellen von Gertrud Baumann“. Klingt doch ganz nett, nicht?

Trudchen (unsicher): Aber Peter - du sagst doch immer, Frauen hätten in der Literatur nichts zu suchen!

Peter: Haben sie auch nicht! Ich benutze lediglich deinen Namen, nichts weiterer.

Trudchen: Aber ich habe doch die Novellen gar nicht geschrieben!

Peter: Das ist Nebensache. Wichtig ist, dass sie gedruckt werden. Ob du die Tantiemen bekommst oder ich - das ist völlig egal. Wir sind je eins als Ehepaar, nicht wahr?

Trudchen: Peter, das - - also das mache ich nicht mit!

Peter: Sei bloß kein Frosch!

(Er setzt sich zu ihr.)

Sieh mal: Wir kommen doch sonst nie weiter! Du wirst sehen, man schickt uns den Vertrag, du unterschreibst, und wir sind aus dem Gröbsten heraus.

Trudchen: Ich weiß nicht...

Peter: Natürlich weißt du! Du weißt, dass wir weiterkommen wollen. Später, wenn du berühmt bist, werde ich mich schon gründlich zu erkennen geben. Im Übrigen ist das gar nicht so abwegig. Du hast doch früher, als du noch arbeiten gingst, selbst versucht zu schreiben.

Trudchen (nickt): Sogar einen Roman.

Peter: Na also: Glücklicherweise hast du damals eingesehen, dass das Unsinn war. Eine Ehefrau gehört in die Küche und nicht an eine Manuskriptmappe.

Trudchen: Aber...

Peter (unterbricht): Was denn: Aber? Hast du dich die fünf Jahre, die wir nun hier Zusammenleben, etwa nicht wohlgefühlt?

Trudchen (seufzt): Ich weiß nicht

Peter: Aber ich weiß es.

(energisch:)

Du bist glücklich!

Trudchen (blickt stumm vor sich hin)

Peter (fortfahrend): Und jetzt musst du mir helfen. Ich sage dir: So ein Lektor...

Trudchen (unterbricht): Peter! Wenn das nun eine Lektorin ist?

Peter (nach kurzer Pause): Naja, dann hätten wir eben Pech gehabt. Aber ich habe des Gefühl, diesmal haben wir Glück. Diesmal - -

(Es klingelt.)

Trudchen (steht auf): Das wird die Post sein.

(Sie geht hinaus.)

Peter (zum Publikum): Jetzt müsste ein Brief vom Verlag kommen. Dann wär’s wie auf der Bühne.

Trudchen (kommt herein): Ein Brief vom Verlag!

Peter (zum Publikum): Na, bitte!

(Trudchen gibt Peter den Brief. Er liest die Adresse:)

„Frau Gertrud Baumann“.

(zu Trudchen:)

Das ist für dich!

(Er gibt ihr schmunzelnd den Brief. Sie öffnet. Dann nimmt er ihr den Brief aus der Hand.)

Na, zeig mal her!

(Beide setzen sich. Er entfaltet und liest:)

„Sehr geehrte Frau Baumann!

Wir danken Ihnen sehr für die Zusendung Ihrer Novellen. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass - obwohl uns die einzelnen Ideen recht gut gefallen - empfindliche Mängel in Aufbau und Stilistik spürbar sind, so dass wir Ihre Arbeit in der jetzigen Form nicht annehmen können. Wir sind aber der Auffassung, dass bei gewissenhafter Unterstützung durch unser Lektorat diese Mängel ausschaltbar sind. Der Unterzeichnete befindet sich am 15. Mai dienstlich in Ihrer Stadt und wird sich bei dieser Gelegenheit erlauben, Sie gegen 17 Uhr persönlich aufzusuchen.

Mit freundlichen Grüßen!

Schott

Lektor.“

(Peter lässt langsam den Brief sinken.)

Jetzt sind wir geliefert.

Trudchen (ängstlich): Das ist ja furchtbar

Peter (blickt noch einmal auf den Brief): Der 15. Mai, das ist heute. Wie spät ist es?

Trudchen (sieht zur Uhr): Dreiviertel fünf!

Peter: Und um fünf will er kommen.

Trudchen: Ich gehe!

(Sie steht auf.)

Peter (zieht sie zurück): Bist du wahnsinnig?

Trudchen (blickt ängstlich vor sie hin): Am liebsten möchte ich in den Erdboden versinken.

Peter: Kühles Blut ist das Gebot der Stunde! Wir haben die Suppe eingerührt, jetzt müssen wir sie auslöffeln,

Trudchen: Wir? Du hast sie eingerührt.

Peter: Keinen Streit, Trudchen ich flehe dich an, keinen Streit! Jeden Moment kann der Lektor kommen. - wenn du wenigstens meine Novellen gelesen hättest!

Trudchen: Ich wollte sie mir schon öfter ansehen - aber du hast deine Werke immer wie ein Heiligtum verschlossen?

Peter: Aus Prinzip, jawohl? Eine Frau hat in der geistigen Welt ihres Mannes nichts zu suchen!

Trudchen (steht auf): Dann kann ich ja in die Küche gehen.

Peter (zieht sie zurück): Aber nein? Du bleibst hier? Du musst doch mit Herrn Schott diskutieren!

Trudchen (ablehnend): Schöne Diskussion, wo ich deine Novellen gar nicht kenne.

Peter: Das holen wir jetzt nach. Pass auf: Die Novellen, die du geschrieben hast...

Trudchen: Ich?

Peter: Für Herrn Schott hast du Sie geschrieben! Also diese Novellen stehen unter dem Sammelnamen „Dreiecksgeschichten“.

Trudchen (nickt): Dreiecksgeschichten.

Peter: Ist dir das ein Begriff?

Trudchen: Selbstverständlich! Oder meinst du, ich denke, du hast

(Sie macht entsprechende Handbewegungen.)

Dreiecke beschrieben?

Peter: Sehr schön. Ich meine also das berühmte Dreiecksverhältnis zwischen zwei Männern und einer Frau. Das ist schon x-mal in der Literatur behandelt worden. Aber ich habe da einen neuen Gesichtspunkt herausgefunden: Ich behaupte nämlich, dass es in der sozialistischen Gesellschaft keine Eifersucht geben kann, weil die ökonomische Grundlage solcher Ehen eine ganz andere ist. Wenn also im Sozialismus solche Dreiecksverhältnisse entstehen - beispielsweise ist da ein Ehepaar, und ein Berufskollege der Frau verliebt sich in diese -, dann sind die Konflikte längst nicht so gewaltig wie im Kapitalismus. Nun habe ich in meinen Dreiecksgeschichten...

Trudchen: Entschuldige, Peter! Mir wird ganz schwindlig.

Peter (seufzt): Auch das noch!

(energisch:)

Ermanne dich!

(sich verbessernd:)

Halt, nein! Bleibe Frau!

Trudchen: Das mit meinem Namen hättest du nicht machen sollen.

Peter: Ich werde es so einrichten, dass ich bei eurer Besprechung dabei bin. Dann kann ich dir helfen.

(Es klingelt.)

Es hat geklingelt.

Trudchen: Das ist er!

Peter: Fasse dich? Ich gehe öffnen.

(Er geht.)

Trudchen (ängstlich für sich): Diese Dreiecke sind aufregend!

2. Szene

Trudchen, Peter & Schott

Peter (geleitet Herrn Schott herein): Bitte sehr, treten Sie näher! Meine Frau hat Sie schon erwartet.

(zu Trudchen:)

Trudchen, das ist Herr Schott!

Trudchen (erhebt sich und reicht Schott furchtsam die Hand): Ich freue mich.

Schott: Ganz meinerseits, Frau Baumann.

Trudchen (weist unsicher auf die Sessel): Wollen Sie, bitte, Platz nehmen?

Schott: Ich bin so frei.

(Sie setzen sich. Es entsteht eine kleine Verlegenheitspause. Herr Schott blickt Trudchen ermunternd an, sie sieht daraufhin verlegen zu Boden.)

Peter (zu Schott): Sie kommen sicher wegen der Geschichten meiner Frau?

Schott: Wegen der Geschichten, ja, ganz richtig.

(zu Trudchen:)

Wie ich Ihnen schon schrieb, Frau Baumann, haben wir Ihre Manuskripte gelesen. Sie haben zweifellos Talent...

Peter (stolz zu Trudchen): Siehst du!

Schott (fortfahrend): ...und es wäre wirklich schade, wenn wir uns nicht die Mühe machten, uns etwas näher mit Ihnen zu befassen.

Trudchen (lächelt gezwungen): Vielen Dank!

(Dann blickt sie gleich wieder ernsthaft vor sich hin.)

Schott: Um zur Sache zu kommen:

(Er zieht aus seiner Aktentasche ein Bündel Manuskripte.)

Sie gehen also aus von verschiedenen hypothetischen Vorstellungen, die kausal bedingt sind durch...

Trudchen (steht auf): Verzeihung! Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?

Schott (winkt ab): Aber...

Trudchen (drängend): Oder einen Tee? Ich habe echten chinesischen. Wissen Sie, der wird doppelt gebrüht, und dann kann man statt Rum etwas Arrak nehmen. Es lässt sich auch mixen im Verhältnis zwei zu eins. Aber dann mindestens drei Stück Zucker!

(ironisch zu Peter:)

Das ist doch meine Welt, nicht?

Schott (lacht): Na gut. Wenn es unbedingt sein muss...

Trudchen (erleichtert): Bitte

(Sie geht eilig hinaus.)

3. Szene

Peter & Schott

Schott: Ihre Frau versteht also auch etwas von der Hauswirtschaft.

Peter: Das kann man wohl sagen.

Schott: Alle Achtung! Man findet das nicht immer bei Schriftstellerinnen. Wie vereinbart sie das mit ihrer Arbeit?

Peter: Auch das ist kein Problem. Sie teilt sich’s ein. Früh macht sie die Betten - dann schreibt sie ein Kapitel. Sie kocht Kaffee - dann schreibt sie wieder ein Kapitel. Sie besorgt ihre Einkäufe - dann schreibt sie noch ein Kapitel. Und wenn dann der Tag herum ist, hat sie so allerhand beisammen.

Schott: Wunderbar! Wissen Sie, Herr Baumann, um so eine Frau sind Sie direkt zu beneiden.

Peter: Sie übertreiben.

Schott: Nein, nein, das können Sie mir glauben! Wir haben da unsere Erfahrungen. Es gibt bei uns Autorinnen - ich will keine Namen nennen -, die sind schon so vergeistigt, dass man sie auf den Nachttopf setzen muss!

Peter (lacht): Das möcht’ ich mal sehen!

Schott: Naja, ich meine den Nachttopf symbolisch. Aber eine Frau, die sich literarisch betätigt, darf ihren häuslichen Wirkungskreis nicht aus den Augen verlieren.

Peter: Was das Letzte betrifft, können Sie bei meiner Frau ganz beruhigt sein.

Schott: Das freut mich. Und wie ich sehe, leidet Ihre Ehe keineswegs darunter, dass Ihre Frau zur Feder gegriffen hat.

Peter: Keineswegs, Herr Schott. Außerdem muss man als Mann für die Hobbys seiner Frau Opfer bringen.

(Er zückt sein Zigarettenetui.)

Rauchen Sie?

Schott (nimmt eine Zigarette): Danke!

(Peter gibt ihm Feuer und zündet sich auch eine Zigarette an.)

Sagen Sie, wie ist eigentlich Ihre Frau ausgerechnet auf Dreiecksgeschichten gekommen?

Peter: Wie sie darauf gekommen ist?

(Er überlegt.)

Ja, das ist mir im Grunde auch ein Rätsel. Wir haben bis jetzt immer eine ziemlich ruhige Ehe geführt. Übrigens: Wir sind seit fünf Jahren verheiratet.

(Schott nickt.)

Sie ging damals ins Büro, aber mit dem Tage unserer Eheschließung hat sie diese Arbeit aufgegeben. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch übrigens. Und wie das so ist: Plötzlich kam sie auf die Idee, Novellen zu schreiben.

Schott: Aber ausgerechnet Dreiecksgeschichten?

Peter (steht auf und geht um Schott herum): Ich stelle mir das so vor: Eine Frau, tagaus tagein an denselben Mann gebunden, kommt plötzlich auf die Idee, dass es - eventuell, unter besonderen Umständen, ganz gelegentlich, oder auch nur so - noch einen anderen Mann geben könnte.

Schott (nickt): Das soll vorkommen.

Peter: Und nun malt sie sich aus, was wohl geschehen würde, wenn dieser Mann sich ernsthaft in sie verliebte - uns sie sich in ihn natürlich auch.

Schott (nickt wieder): Soll auch verkommen.

Peter: Und weil nun so ein Mann in der Realität nicht da ist, setzt sie sich hin und schreibt Geschichten. Dreiecksgeschichten.

Schott: Eine plausible Erklärung.

Peter: Was eher das Erstaunliche bei meiner Frau ist: Sie bleibt nicht etwa im Althergebrachten stehen - nein, sie stellt in jeder ihrer Geschichten die Frage: Wie verhält sich unsere Gesellschaft zu diesen Erscheinungen?

(Er gerät ungewollt ins Fachsimpeln.)

Wenn ich Sie vielleicht gleich auf die erste Novelle aufmerksam machen darf: Sie haben ja dort die Manuskripte. Gestatten?

(Er blättert, indem er sich über Schott beugt, darin herum.)

Es geht also hier um das Problem eines Parteisekretärs. Das neunte Gebot der sozialistischen Moral hängt über seinem Schreibtisch, und trotzdem duldet er es, dass seine Frau

(Er zeigt auf eine Manuskriptstelle.)

hier lesen Sie wörtlich: „Am Abend empfing Erika...“

Schott (unterbricht): Ja, ja, ich sehe schon. Ich habe es ja bereits gelesen.

(Er sieht Peter an.)

Sie kennen sich aber in den Novellen Ihrer Frau gut aus.

Peter (sich unsicher setzend): Teilweise. Sie zeigt mir immer, was sie geschrieben hat. Sie werden verstehen: Als Ehemann...

Schott: Natürlich, verstehe ich das. Schließlich interessiert man sich für die geistige Welt, in der sich der Ehepartner befindet.

Peter (widerstrebend): So ist es!

4. Szene

Die Vorigen & Trudchen

Trudchen (bringt den Tee herein): Da wäre der Tee!

Schott: Aber Frau Baumann, das war wirklich nicht nötig

Trudchen (indem sie serviert): Doch, doch.

Peter (zu Schott): Wir können Sie ja nicht so trocken sitzen lassen.

Trudchen (stellt eine Gebäckschale zurecht): Und wenn Sie etwas knabbern möchten - es ist leider nur Selbstgebackenes.

Schott: Leider? Das wird sich gleich herausstellen.

(Er nimmt eine Kleinigkeit zu sich.)

Oh, gratuliere!

Trudchen: Schmeckt es Ihnen?

(Sie setzt sich. Mit ironischem Seitenblick auf Peter:)

Ich nehme zum Spekulatius immer etwas geriebene Haselnuss, nicht wahr, Liebling? Das ist besser als nur mit Mandeln. Und sehr wichtig ist die Backzeit: Auf keinen Fall länger als fünfzehn Minuten? Neulich habe ich Sonnenblumenöl verwendet, aber das bräunt zu stark. Sonja ist viel günstiger. Und was die Milch betrifft...

Peter (unterbricht): Trudchen, Herr Schott will doch sicherlich keinen Spekulatius backen.

Schott: Sagen Sie das nicht: Ich interessiere mich sehr für die Kochkunst.

Trudchen: Wirklich?

(Sie seufzt erleichtert.)

Das finde ich schön. Da könnte ich Ihnen gleich ein Rezept schreiben.

Peter: Trudchen! Herr Schott ist wegen mei - -

(Er verbessert sich:)

deiner Novellen gekommen.

Trudchen: Aber das hat doch Zeit.

(zu Schott:)

Sie trinken ja gar nicht.

Schott (freundlich lächelnd): O doch!

(Er trinkt.)

Trudchen: Wie schmeckt er?

Schott: Ausgezeichnet.

Trudchen (zu Peter): Siehst du?

(zu Schott:)

Ich nehme nämlich zum Tee...

Peter (ungehalten): Also ich schlage vor, dass wir jetzt einmal mit Herrn Schott über deine Arbeiten diskutieren.

(zu Schott:)

Sie sind doch hoffentlich einverstanden?

Schott: Selbstverständlich. Deshalb bin ich ja gekommen.

Peter: Das ist schön.

Trudchen (reicht Schott die Zuckerdose): Nehmen Sie noch Zucker?

Schott (nimmt ein Stück): Danke!

(Er rührt um, dann wendet er sich an Trudchen.)

Frau Baumann, um nun einmal auf den Kern der Sache zu kommen: Die Themen, die Sie in Ihren Novellen angeschnitten haben, sind sehr interessant. Aber wie gesagt - und wir wollen uns da nichts vormachen - druckreif ist das alles noch nicht.

Trudchen: Das hatten Sie ja schon geschrieben.

Peter: Wieso ist das eigentlich nicht druckreif, Herr Schott?

Schott: Das will ich Ihnen erklären. Nehmen wir einmal die Geschichte mit der Malerin.

Trudchen (blickt Peter hilflos an): Mit der Malerin?

Peter (zu Schott): Ach so, mit der Malerin! Die sich in zwei ihrer männlichen Modelle verliebt hat und nun nicht weiß, wem sie den Vorrang geben soll.

Schott (nickt): Richtig.

(zu Trudchen:)

Was haben Sie sich eigentlich bei dieser Geschichte gedacht?

Trudchen (unsicher): Gedacht? Wissen Sie, wenn ich ehrlich sein soll: Gedacht habe ich dabei im Grunde gar nicht.

(Peter stöhnt verzweifelt.)

Schott (zu Trudchen): Sehen Sie, genau diesen Eindruck hatte ich bei der Lektüre.

Trudchen (zu Peter): Siehst du!

Schott (zu Trudchen): Das Nicht-zu-Ende-Denken ist der Fehler vieler Autoren. Wenn Sie eine Malerin darstellen und eine Szene beschreiben - wie zum Beispiel bei dem Atelierfest, wo der eine Mann ihr zuflüstert - - was sagte er doch gleich?

(Trudchen wendet sich hilfesuchend zu Peter um.)

Peter (flüstert ihr ins Ohr): „Herbert hat sich verlobt!“

Trudchen (zu Schott): „Herbert hat sich verlobt!“

Schott: Richtig? Dann stellt man sich doch unwillkürlich die Frage: Wie kommt dieser Mann, der von Herberts Existenz noch gar nichts wusste - jedenfalls haben Sie das vorher nie erwähnt - plötzlich dazu, eine solche Feststellung zu treffen? Da ist doch eine gedankliche Lücke!

Trudchen (nickt): Eine Lücke. Ja. Die kann man aber ausfüllen.

(plötzlich auf das Gebäck zeigend:)

Schmeckt Ihnen nicht?

Schott (höflich): O doch!

Trudchen (zwingt ihm die Gebäckschale auf): Bitte, bedienen Sie sich!

Schott (nimmt gezwungenermaßen ein Stück): Was war denn noch?

(Er zieht ein Blatt hervor.)

Ach so, hier ist es. Die Geschichte von der Chefsekretärin.

(zu Trudchen:)

Wissen Sie, es ist nicht schön, den Konflikt gleich am Anfang zu behandeln. Ein Konflikt entwickelt sich

(Er blickt Trudchen durchdringend an.)

nach und nach. Im Verlauf der Handlung.

(Sie sehen sich eine Zeitlang stumm an. Dann blickt er wieder auf das Manuskript.)

Aber was haben Sie hier gemacht? Gleich im ersten Satz sagen Sie:

„Hätte Beate gewusst, dass ihr Chef und seine Frau im Grunde eine glückliche Ehe führten, wäre es nie so weit gekommen.“

Da nehmen Sie ja die ganze Geschichte vorweg. Und das ist Ihr Hauptfehler, Frau Baumann: Sie entwickeln nicht aus den Personen heraus, sondern verfahren nach einer vorher berechneten Konstruktion. Stimmt’s?

(Trudchen blickt Peter fragend an.)

(Peter zuckt resigniert mit den Schultern.)

Trudchen (zu Schott): Ja.

Schott: Das freut mich, dass wir uns verstehen. Und nun fangen wir vollkommen von vorn an!

Peter: Wie denn? Meine Frau soll...?

Schott (zu Peter): Selbstverständlich. Eine Sache, die Erfolg haben soll, muss mindestens, mindestens zweimal geschrieben werden!

Peter: Aber meine Frau...

Schott (unterbricht): Herr Baumann, Sie haben sich offenbar noch nicht mit solchen Dingen befasst. Das merkt man. Aber ich bin überzeugt, Ihre Frau wird mich verstehen.

(zu Trudchen:)

Oder nicht?

Trudchen (nickt): Doch, doch.

Schott: Sehen Sie. Und deshalb möchte ich Sie bitten, Herr Baumann, meine fachliche Aussprache mit Ihrer Frau möglichst wenig zu stören. Fassen Sie es nicht als Beleidigung auf - aber es wäre der Sache dienlicher, wenn Sie uns einige Zeit allein ließen.

(Trudchen blickt erschrocken auf Peter)

Peter (stottert): Entschuldigen Sie! Wenn ich Sie recht verstehe...

Schott (lächelt verbindlich): Es soll kein Hinauswurf sein. Das stünde mir als Gast nicht zu. Aber als Lektor Ihrer Frau wäre ich Ihnen für einige Minuten ungestörter Arbeit sehr dankbar.

Peter (steht sichtlich widerwillig auf): Ja, dann - -

(Er macht eine kurze Verbeugung.)

also bis nachher!

(An der Tür blickt er noch mal Trudchen an, zuckt mit den Schultern und geht hinaus.)

5. Szene

Trudchen & Schott

Schott: So, liebe Frau Baumann, nun wollen wir beginnen.

(Er kramt in den Manuskriptblättern, was Trudchen ängstlich beobachtet.)

Am besten, Sie machen sich einige Notizen!

Trudchen: Notizen? Ja.

(Sie steht auf und holt Schreibzeug aus einem Fach. Dann setzt sie sich zurecht.)

Schott: Also aus Ihrer zweiten Novelle bin ich nicht klug geworden. Sie erinnern sich: Die Sache mit der Brigade.

Trudchen: Mit der Brigade? Ja, ich erinnere mich.

Schott: Da schildern Sie eigentlich gar nichts Neues. Dass zwei männliche Brigade-Mitglieder in eine junge Kollegin verliebt sind und dadurch die ganze Arbeitsatmosphäre verändert wird - das ist an sich nichts Besonderes. Sehen Sie, Frau Baumann, was heißt denn „Novellen“ auf Deutsch? „Neuigkeiten“! Wenn wir uns also schon mit Dreiecksgeschichten befassen, dann müssen sie „Neuigkeiten“ behandeln?

Trudchen (nickt): Das verstehe ich.

Schott (zeigt auf ein Blatt): Hier, in der Geschichte mit Dagmar haben Sie das sehr schön getan. Aber da gefällt mir die Figur des Otto nicht. Was soll das für ein Charakter sein?

Trudchen: Der Otto?

Schott: Ja, der Otto.

Trudchen (zögernd): Ja; also der Otto, der Otto - dass ist eigentlich ein Mann ohne Charakter.

Schott: Genauso habe ich es mir gedacht! Und sehen Sie: So etwas gibt es nicht, Irgendeinen Charakter muss er haben!

Trudchen: Da haben Sie auch wieder recht.

Schott: Wie wäre es übrigens, wenn Sie die ganze Affäre im Produktionssaal einfach streichen würden?

Trudchen: Streichen?

(Sie nickt begeistert.)

Das kann ich machen

Schott: Ich habe nämlich den Eindruck, als ob Sie sich verpflichtet fühlen, irgendetwas in einem Produktionssaal spielen zu lassen, nur damit das Wort „Produktion“ genannt wird. Sozusagen eine höfliche Verbeugung vor unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat. Machen viele Autoren. Leider oft da, wo es nicht hingehört.

Trudchen: Und Sie meinen, hier gehört es nicht hin?

Schott (zeigt auf das Manuskript): In diesem Falle nicht!

Trudchen: Dann nehmen wir’s weg.

Schott: Bravo!

(Er streicht durch.)

Übrigens, notieren Sie sich mal: Die Sache mit der geteilten Prämie muss aufs Land verlegt werden.

Trudchen (schreibt): „Prämie aufs Land.“

Schott: Wollen Sie dann den alten Schwarzkopf’ noch auftreten lassen?

Trudchen (wiegt ihren Kopf): Das ist nicht unbedingt nötig.

Schott: Aber er bringt doch das Ehepaar wieder zusammen!

Trudchen (schwitzt schon vor Aufregung): Ach so. Ja, dann lasse ich ihn lieber da.

Schott (sieht Trudchen aufmerksam an): Frau Baumann, fühlen Sie sich nicht ganz wohl?

Trudchen (wischt sich die Stirn und stammelt): O doch! Ich fühle mich - ausgezeichnet.

Schott: Ich habe nicht den Eindruck.

(Er klappt die Mappe zu.)

Na, lassen wir das!

Trudchen (sichtlich erleichtert): O ja!

Schott: Wie, bitte?

Trudchen (verlegen): Ich meine - wir lassen - den alten Schwarzkopf.

Schott: Ach so.

(Er sieht Trudchen wieder aufmerksam an.)

Sagen Sie, Frau Baumann, Sie sind doch eine intelligente Frau...

Trudchen (wehrt ab): Aber...

Schott: Nein, nein, das stimmt schon. Nun erklären Sie mir, bitte einmal ganz ehrlich, wie Sie eigentlich zu Ihren Novellen stehen!

Trudchen: Wie ich dazu stehe? Wenn Sie unbedingt meine ehrliche Meinung hören wollen: Ich halte das alles für unfertige Sachen.

Schott: Ist das Ihr Ernst?

Trudchen: Absolut. Denn was Sie mir darüber gesagt haben, war alles berechtigt. Ich glaube, ich muss noch sehr an mir arbeiten.

Schott: Also so eine Selbstkritik freut mich! Das hört man nicht alle Tage.

Trudchen: Ich würde überhaupt bei diesen Geschichten mehr auf die Realitäten Rücksicht nehmen.

Schott: Wieso haben Sie das denn bisher nicht getan?

Trudchen (unsicher): Weil - -, weil - -, vielleicht war ich noch zu sehr gehemmt.

(mit Betonung:)

Aber das wird jetzt bestimmt anders!

Schott: Hoffentlich! Und an mir soll es nicht liegen!

(Sie sehen sich eine Weile an, dann steht Schott auf und blickt sich im Zimmer um.)

Nett eingerichtet haben Sie's hier.

Trudchen (steht ebenfalls auf): Gefällt es Ihnen? Das freut mich. Was sagen Sie zu der Truhe? Antiquarisch! War ein Gelegenheitskauf.

Schott (betrachtet ein an der Wand hängendes Gemälde): Oh, ein van Gogh!

Trudchen: Donnerwetter! Das hat noch keiner geraten.

(Sie geht zum Tisch.)

Trinken Sie noch ein Tässchen?

Schott (geht zum Tisch und bleibt vor ihr stehen): Sie sind eine eigenartige Frau.

Trudchen: Eigenartig?

Schott: Ja. Wenn ich Sie so betrachte, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Sie solche Novellen schreiben. Sie sind so einfach, so unkompliziert.

Trudchen: Wozu soll ich kompliziert sein?

Schott: Ja, ja - wozu? Vielleicht könnte ich Ihnen jetzt antworten: Wenn man „Dreiecksgeschichten“ schreibt, muss man kompliziert sein.

Trudchen (lächelnd): Und vielleicht könnte ich Ihnen dann antworten: Kompliziert kann ich ja noch werden!

Schott (winkt ab): Um Himmels willen!

Trudchen: Warum nicht?

Schott: (lächelt): Wie Sie sind, gefallen Sie mir viel besser.

Trudchen (schelmisch): Danke!

Schott (geht zur Seite und stützt den Ellbogen auf die Vitrine): Ich habe schon vorhin zu Ihrem Gatten gesagt: Ich finde es außergewöhnlich, dass Sie sich mit

(Er zeigt auf die Manuskripte.)

solchen Problemen befassen. Fast könnte man denken, Sie hätten schon allerhand erlebt.

Trudchen (schlicht): Ich habe noch gar nichts erlebt.

Schott: Seltsam. Wirklich seltsam.

Trudchen: Muss man denn, wenn man schreibt, etwas erlebt haben?

Schott: Unbedingt!

Trudchen (aufmerksam): Und aus meinen Novellen schließen Sie, dass der Autor etwas erlebt haben muss?

Schott: Das schließe ich.

Trudchen (für sich): Der kann was erleben!

Schott: Wie meinen Sie?

Trudchen: Nichts! Aber vielleicht können Sie mir Ihre Ansicht näher begründen?

Schott: Das ist nicht einfach. So etwas hat man mehr im Gefühl. Immerhin spricht aus den Novellen ein Feuer.

Trudchen: Feuer?

Schott: Eine Leidenschaft.

Trudchen: Leidenschaft?

Schott: Und überhaupt eine gewisse Lebenserfahrung.

Trudchen: Eine gewisse - -,

(Sie fasst sich.)

ja, das trifft bei mir zu.

Schott: Wie meinen Sie? Was trifft bei Ihnen zu?

Trudchen (schlägt in gespielter Koketterie ein Bein über das andere): Alles! Das Feuer, die Leidenschaft, die gewisse Lebenserfahrung.

Schott (geht auf sie zu): Aber vorhin sagten Sie doch...

Trudchen: Vorhin!

(Sie steht auf und stellt sich ihm gegenüber.)

Da wusste ich doch noch nicht, was in meinen Novellen drinsteckt!

Schott: Ich verstehe nicht...

Trudchen: Sie verstehen nicht, was eine Frau fühlt, die langsam zu sehen, was sage ich: zu leben anfängt?

Schott: Frau Baumann, Sie machen mir Angst!

Trudchen: Ich Ihnen?

(Sie lacht.)

Das wär' ein Spaß!

(Plötzlich sieht sie ihn eindringlich an.)

Aber im Ernst: Ich würde mich sehr freuen, Sie wieder hier zu sehen.

Schott: Warum würden Sie sich freuen?

Trudchen (nachdenklich): Sie sind so ganz anders als mein Mann. Und dann - -

(wieder ungezwungen:)

und dann freue ich mich auf unsere Arbeit!

Schott (reicht ihr beide Hände): Darauf freue ich mich auch!

Trudchen (ergreift seine Hände, sieht ihn eine Weile an, läuft dann zur Tür und ruft hinaus): Peter! - Peter!

6. Szene

Die Vorigen & Peter

Peter (kommt herein): Ist die Aussprache beendet?

Trudchen: Ja, und wir sind beide sehr zufrieden.

(zu Schott:)

Stimmt's?

Schott (zu Peter): Es stimmt. Wie gesagt, lieber Herr Baumann, zu Ihrer Frau kann man Ihnen gratulieren!

Peter (zu Trudchen): Ich bin platt.

Schott (fortfahrend zu Peter): Und ich möchte meine Hand ins Feuer legen: Aus ihr wird etwas ganz Großes!

Peter (blickt Trudchen von der Seite an): So?

Schott: Nun will ich Sie nicht länger aufhalten.

(Er nimmt seine Tasche.)

Wenn ich wieder in Ihrer Stadt bin, komme ich vorbei.

(zu Trudchen, auf die Manuskripte zeigend:)

Ihre Manuskripte lasse ich hier. Sie werden inzwischen alles überarbeiten, ja?

Trudchen: Selbstverständlich.

(Sie reicht ihm die Hand.)

Auf Wiedersehen, Herr Schott! Und vielen Dank für Ihre Hilfe!

Schott: Nichts zu danken.

(Er gibt Peter die Hand.)

Auf Wiedersehen, Herr Baumann!

Peter: Auf Wiedersehen!

(Peter bringt Schott hinaus. Trudchen sieht beiden nach. Dann kommt Peter zurück.)

7. Szene

Trudchen & Peter

Peter: Gottseidank, das hat geklappt!

(Er geht zum Tisch und nimmt die dort liegenden Blätter.)

Da will ich mal gleich meine Manuskripte...

Trudchen (greift zu): Halt!

(Sie nimmt die Blätter an sich.)

Die Novellen schreibe ich jetzt weiter!

Peter (verwundert): Du?

Trudchen: Allerding. Sie sind ja schließlich von mir, oder?

Peter: Aber das war doch...

Trudchen: ...eine wunderbare Idee von dir! Und jetzt werden wir sie auch beibehalten.

Peter: Trudchen, du bist so anders. Aus welchem Grunde willst du dich denn auf einmal mit den Novellen befassen?

Trudchen: Aus zwei Gründen, mein Lieber? Erstens glaube ich, dass ich vielleicht tatsächlich schreiben kann - oder es zumindest lerne.

Peter: Du?

Trudchen: Und zweitens

(sie blickt andächtig vor sich hin)

finde ich Herrn Schott sehr, sehr nett.

Peter: Auch das noch!

(Vorhang)

2. Akt

(Trudchen - diesmal in Hose und Pullover - sitzt an Peters Schreibtisch und arbeitet an den Manuskripten)

1. Szene

Trudchen allein

Trudchen (schreibend): „Seit diesem Abend war Karin wie verändert.“

(Sie blickt überlegend vor sich hin.)

„Wie verändert.“ - Nein, das ist nicht gut.

(Sie macht einen deutlichen Strich.)

„Seit diesem Abend war Karin verändert.“ So klingt es besser.

(Sie schreibt weiter.)

„Sie fühlte, dass Bernhard sie nicht für voll nahm, dass er sie nicht als Menschen achtete, dass er in ihr nichts anderes sah als eine - -, eine - -

(Sie denkt nach.)

Ja, als was sieht er sie eigentlich an? Hm. Natürlich!

(Sie schreibt.)

„...als eine bessere Dienstmagd.“

(Plötzlich stutzt sie.)

nein, das ist zu altmodisch.

(Sie verbessert.)

„...als eine Raumpflegerin.“

2. Szene

Trudchen & Peter

Peter (kommt im Morgenrock, ein Oberhemd über dem Arm, herein): Sag mal: Bügelst du meine Oberhemden nicht mehr?

Trudchen (für sich, ohne Peter zu beachten): Wenn ich nur wüsste, wie ich jetzt die Geschichte weiterentwickeln kann. Karin ist also zu der Einsicht gekommen...

Peter (stellt sich vor Trudchen): He! Ich habe dich etwas gefragt.

Trudchen (blickt Peter kurz an): Bitte, stör mich nicht? Ich muss mich konzentrieren.

Peter (ungehalten): Vielleicht konzentrierst du dich auf meine Oberhemden?!

Trudchen (als ob sie nichts gehört hätte): Die Novelle mit Karin hast du ganz falsch angelegt. Zu oberflächlich, finde ich.

Peter: Und ich finde: Das geht dich einen Quark an!

Trudchen: Herr Schott ist da anderer Meinung

Peter: Herr Schott! Herr Schott! Schließlich bin ich auch noch da!

Trudchen (spöttisch): Wirklich? Das hätte ich beinahe vergessen.

(Sie vertieft sich wieder in die Manuskripte.)

Peter (hält ihr wütend des Oberhemd vor die Hase): Also was wird nun mit meinem Hemd?

Trudchen (blickt ihn unwillig an und steht dann auf): Da werde ich es dir einmal zeigen.

(Sie geht auf eine Zimmerecke zu.)

Peter