Wiener's G'schichten VI - Ralph Wiener - E-Book

Wiener's G'schichten VI E-Book

Ralph Wiener

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Beschreibung

Der bekannte Regisseur Günter Stahnke sagte im Jahre 2003 in einem Interview mit den Dresdner Neuesten Nachrichten: "Ralph Wiener hat mir, noch zu DDR-Zeiten verschiedene Stücke gegeben. Diese galten als nicht inszenierbar, weil angeblich sozialismusfeindlich!" 2003 inszenierte Stahnke schon das Lustspiel "Fragen Sie Sibylle" an der Komödie Dresden (siehe Band 4 der Wieners's G'schichten). Und auch die Hyazinthen blühten erst 2005 - also 15 Jahre nach Ende der DDR endlich unter seiner Regie auf. Das "Herz in der Truhe" ist ein Lustspiel, in dem ein verschollener Brief, der jahrelang in einer Truhe schmorte, für so manche amouröse Verwicklung sorgt. Wie der Titel "Zwei um eine" vermuten lässt, ist dieses Werk eine Dreieckskomödie - die erste Wieners, der dieses Genre in den Sechzigerjahren noch mehrmals bediente. Es wird hier über die Liebe und Ehe bis zum Gehtnichtmehr philosophiert, um eine Lösung der Beziehungsprobleme zu finden.

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Gertrud & Felix Ecke 1969

Inhalt

Hyazinthen für Susann

Akt

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Akt

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Akt

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Programmheft Theater Karlshorst

Redaktioneller Nachtrag

Herz in der Truhe

Akt

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Akt

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Akt

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Redaktioneller Nachtrag

Zwei um eine

Akt

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Akt

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Akt

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Szene

Redaktioneller Nachtrag

Ralph-Wiener-Bibliografie

Hyazinthen für Susann

Personen:

Dr. Gertrud Bolz, Fachärztin für Psychiatrie

Hansi Urbach, Heimerzieherin

Edgar Scharfenberg‚ Spielmeister (Showmaster)

Schauplatz:

1.Akt: Zimmer bei Hansi

2.Akt: Sprechzimmer bei Frau Dr. Bolz

3.Akt: Zimmer bei Hansi Holke

Zeit:

Gegenwart (1968)

1. Akt

(Zimmer bei Hansi - Die Heimerzieherin Hansi Urbach ist mit dem Einstudieren einer Festrede beschäftigt und geht hierbei, ein Manuskript in der Hand, im Zimmer auf und ab.)

1. Szene

Hansi allein

Hansi: Meine lieben jungen Freunde! Wir haben uns heute aus Anlass des zwanzigjährigen Bestehens unseres Heimes zusammengefunden, um Rückschau zu halten auf das Geleistete und gleichzeitig einen Blick vorauszuwerfen auf - -

(Sie hält inne.)

hm, sage ich nun besser „auf das noch zu Leistende“ oder - -?

(mit einer entschlossenen Gebärde:)

Unsinn!

(Sie geht zum Tisch, streicht durch und schreibt etwas Neues. Dann stellt sie sich wieder in Positur und fährt in ihrer Rede fort:)

... und gleichzeitig einen Blick vorauszuwerfen auf die vor uns liegenden Aufgaben.

(Sie stockt wieder.)

Auf die Aufgaben - klingt auch nicht gut. Ich hätte die Festrede nicht übernehmen sollen.

(Sie setzt sich.)

Wie sich die Schindlern das denkt!

(Sie ahmt die „Schindlern“ nach:)

„Kollegin Urbach, Sie sind die Stellvertreterin der stellvertretenden Heimleiterin - also haben Sie die Pflicht, die Festrede zum zwanzigsten Jahrestag unseres Heimes ...“

(Sie seufzt.)

Leicht gesagt. Vor so einer Rede grault mir mehr als vor meinen achtundvierzig Kindern. Und was für Kindern! Eins toller als das andere.

(Sie steht auf und spinnt ihre Festrede weiter:)

Wenn ihr hier‚ in dieser friedlichen Umgebung, in einer Atmosphäre ungestörten Lernens ...

(Das Telefon klingelt. Sie geht langsam, in ihr Manuskript sehend, auf das Telefon zu.)

... ungestörten Lernens - -

(Sie hebt den Hörer ab.)

Urbach!

(plötzlich freudig:)

Ach, du bist es, Gisela!

(Sie setzt sich.)

Danke, mir geht es ausgezeichnet. Und dir? - Das freut mich. Sonst noch was?

(Sie lacht.)

Du hast recht. Ich führe neuerdings Gespräche nach der aktuellen Mini-Mode: So kurz wie möglich! - - Nein, daraus wird nichts, Gisela. Ich gehe heute nicht weg. Wohin willst du fahren? Ins Heeresgeschichtliche Museum? Du hast Mut. - - Na, wenn die nun mal alle wieder lebendig werden?! - - Gut, du wirst mir morgen Bericht erstatten. Viel Vergnügen!

(Sie legt auf.)

Ins Heeresgeschichtliche Museum. Das hätte mir noch gefehlt - bei meinen achtundvierzig Helden.

(Sie steht auf und fährt in ihrer Rede fort:)

Wenn ihr hier, in dieser friedlichen Umgebung‚ in einer Atmosphäre ungestörten Lernens ...

(Die Wohnungsklingel ertönt. Sie geht langsam zur Tür.)

... ungestörten Lernens - -

(Sie verschwindet, man hört draußen ihre und Edgars Stimme, dann kommen beide herein.)

2. Szene

Hansi & Edgar

Hansi: Ich habe wirklich nicht viel Zeit, Herr Scharfenberg.

Edgar: Nur eine Sekunde, wenn ich bitten darf!

Hansi: Die Sekunde ist vorüber.

Edgar: Sie sind noch immer so streng zu mir?

Hansi: Daran wird sich nie etwas ändern.

Edgar: Ich möchte wissen, womit ich Ihren Zorn verdient habe.

Hansi: Das wissen Sie ganz genau.

Edgar: Oh, das müssen Sie mir erklären!

(Er geht zum Sessel.)

Sie gestatten?

(Er setzt sich.)

Hansi (bleibt stehen): Fassen Sie sich kurz, Herr Scharfenberg!

Edgar: Auch das.

(in jovial-verbindlichem Ton:)

Sie wissen, Fräulein Hansi, dass Ihre - beziehungsweise meine - also sagen wir schlicht „unsere gemeinsame Freundin“ Susann geheiratet hat.

Hansi: Dass Sie Susanns wegen kommen, konnte ich mir denken.

Edgar: Ich habe Susann geliebt. Schließlich sind wir drei Jahre lang miteinander gegangen, wie man zu sagen pflegt. Sie wissen das alles. Aber was Sie nicht wissen, Fräulein Hansi: Ich liebe Susann noch immer.

Hansi (streng): Obwohl sie geheiratet hat?

Edgar: Das hat auf meine Gefühle keinen Einfluss.

Hansi (blickt ihn eine Zeitlang verachtend an und sagt schließlich): Sie sind ein Schuft!

Edgar (lächelt ungerührt): Darf ich Sie um etwas bitten?

Hansi: Herr Scharfenberg, meine Zeit ist bemessen, und Sie sind der Letzte, von dem ich sie mir stehlen lasse.

Edgar: Ich würde Sie niemals aufgesucht haben‚ wenn - - wenn Sie nicht die einzige Brücke zu Susann wären. An wen sollte ich mich wenden?

Hansi (spöttisch): Vielleicht an ihren Mann.

Edgar (lacht gezwungen): Endlich ein kleiner Scherz!

Hansi: Mit Ihnen scherze ich nicht, Herr Scharfenberg.

Edgar: Desto besser. Ich habe nämlich eine Bitte - genauer gesagt - einen Auftrag an Sie.

Hansi: Ich nehme keinen Auftrag von Ihnen an.

Edgar (fährt unbeirrt fort): Susann hat morgen Geburtstag. Ich hatte ihr jedes Jahr an diesem Tage ihre Lieblingsblumen geschenkt: Hyazinthen. Diesmal kann ich sie ihr nicht persönlich bringen. Sie wissen‚ ihr Mann! Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie - da Sie ihr morgen ohnehin gratulieren - die Hyazinthen in meinem Namen überreichen würden!

Hansi (tastet nach einem Sessel): Ich muss mich setzen.

(Sie setzt sich.)

Edgar: Darf ich mit Ihrer Unterstützung rechnen?

Hansi (entgeistert): So etwas Unverfrorenes ist mir noch nicht vorgekommen.

Edgar: Es war ein schwerer Weg zu Ihnen, glauben Sie mir. Schließlich kannte ich Ihre Einstellung. Aber da keine andere Möglichkeit besteht, mit Susann in Verbindung zu bleiben ...

Hansi (unterbricht): Herr Scharfenberg! Soweit ich unterrichtet bin, sind auch Sie verheiratet.

Edgar: Allerdings.

Hansi: Sie waren sogar schon verheiratet‚ als Sie Susann kennenlernten.

Edgar: Natürlich.

Hansi: Ich finde das weniger natürlich.

Edgar: Inwiefern?

Hansi (unwillig): Weil alles seine Ordnung haben muss!

Edgar: Ach so.

Hansi: Und von den Grundsätzen der sozialistischen Moral haben Sie offenbar auch noch nichts gehört.

Edgar: Nun fangen Sie noch damit an!

Hansi: Heißt das etwa „sauber und anständig leben“, wenn ein verheirateter Mann seine Frau betrügt?

Edgar: Sie hätten Nonne werden sollen.

Hansi: Es ist keine Kunst, gesunde Ansichten zu verspotten.

Edgar: Das nicht. Aber ich bezweifle, dass Ihre Ansicht gesund ist.

Hansi: Oho!

Edgar (sie nachäffend): Ja, oho! - - Was ist denn „gesund“, Fräulein Hansi? Gesund ist, was mit der Realität in Einklang steht.

Hansi: Aber meine Ansicht ...

Edgar (unterbricht): Ihre Ansicht ist eine Forderung - verstehen Sie: eine Forderung! Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Hansi: Sie wollen doch nicht behaupten, dass alle verheirateten Männer nebenbei eine kleine Freundin haben!

Edgar: Alle Männer nicht. Es gibt alte und kranke. Aber die gesunden, die noch voller Lebenskraft stecken ...

Hansi (steht auf): Pfui Teufel!

Edgar (lacht herzhaft).

Hansi (befremdet): Da lachen Sie noch?

Edgar (beruhigt sich): Entschuldigen Sie! Aber wie leicht man Sie in Harnisch bringen kann. Haben Sie gar nicht gemerkt, dass ich Sie herausgefordert habe?

Hansi: Nein, nein, das war haargenau Ihre Ansicht. Versuchen Sie nicht, sich reinzuwaschen!

Edgar: Sie sind ein Original.

Hansi: Was ich bin, geht Sie einen Quark an!

Edgar (lächelt): Quark ist sehr gesund. - - Aber schon damals‚ als ich noch mit Susann zusammen war, habe ich mir über Sie Gedanken gemacht.

Hansi: Soll ich Ihnen etwas sagen? Ich habe mir Gedanken gemacht. Aber nicht über Sie, sondern über Susann.

(Sie setzt sich.)

Es ist mir unbegreiflich, wie eine Frau ihre besten Jahre an einen Mann verschwenden kann, der verheiratet ist. Psychologisch komme ich da nicht mit. Vom pädagogischen Standpunkt aus ganz zu schweigen.

Edgar: Richtig, Sie sind Heimerzieherin.

Hansi: Mir könnte so etwas nicht passieren.

Edgar: Und dass es „so etwas“ wie Liebe gibt?

Hansi: Zu einem verheirateten Mann?

(Sie schüttelt den Kopf.)

Das ist keine Liebe!

Edgar: Ach so.

Hansi: In einer wohlgeordneten Welt - in einem sozialistischen Staat ist kein Platz für solche Geschichten. Seitensprünge sind Auswüchse einer überlebten kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Bei uns geht alles nach Recht und Gesetz.

Edgar (blickt sie erstaunt an, ironisch): Wo haben sie studiert?

Hansi: In Halle an der Saale.

Edgar (trocken): Ja, da sind sie so streng. Wären Sie lieber nach Leipzig gegangen!

Hansi: Sie scheinen das Leben als Spielerei aufzufassen.

Edgar: Im Gegenteil. Schon von Berufs wegen bin ich ein sehr ernster Mensch.

Hansi: Ich weiß: Der Herr Spielmeister! In der letzten Fernsehsendung hatte ich die Ehre, Sie genießen zu müssen. Übrigens waren Sie damals - zu Susanns Zeiten - etwas anderes. Gebrauchsgrafiker, wenn ich mich recht erinnere.

Edgar: Sie haben sich sehr intensiv mit mir befasst.

Hansi: Unsinn! Susann hat mir gelegentlich davon erzählt.

Edgar: Ja, ja.

Hansi: Und jetzt machen Sie diesen Rummel - ich meine die „Spiel mit“-Sendung.

Edgar: Ganz recht. Aber dass das ein „Rummel“ ist, möchte ich bestreiten.

Hansi: Die Geschmäcker sind verschieden. Mich widert das an. Unser Staat - unsere DDR - ist schließlich kein Kindergarten.

Edgar: Wie Sie das betrachten!

Hansi (ahmt ihn nach): „So, und nun werfen wir alle mit dem kleinen Ball in den großen Ring! O, das war daneben! - Ein halber Punkt geht von Stendal nach Frankfurt!“

(spöttisch:)

Hei, wie lustig!

Edgar: Sie kennen meine Sendung auswendig?

Hansi: Noch peinlicher wirkt es, wenn Sie auf die Tränendrüse drücken.

(imitierend:)

„Meister Rohrbach, trotz Ihres hohen Alters von achtundsechzig Jahren versehen Sie noch immer Ihren schweren Dienst als Nachtpförtner im VEB 'Superglanz'. Die Kollegen sind stolz auf Sie. Alle können ruhig schlafen; denn der Betrieb ist bei Ihnen in guter Obhut. Wir kennen auch Ihren heimlichen Wunsch, Meister Rohrbach: Eine Laube für Ihren kleinen Garten. Und wenn Sie jetzt nach Hause kommen - was werden Sie sehen? Eine während dieser Sendung von Ihren Kollegen errichtete Gartenlaube!“

(spöttisch zu Edgar:)

Gartenlaube, Herr Scharfenberg!

Edgar (senkt etwas betroffen den Kopf).

Hansi: Habe ich Sie gekränkt? Einer muss Ihnen das doch mal sagen.

Edgar: Die Beliebtheit meiner Sendung steht im Widerspruch zu Ihren Worten.

Hansi: Der größte Kitsch kann Erfolg haben.

Edgar: Und Sie wissen natürlich zwischen Kunst und Kitsch zu unterscheiden.

Hansi: Allerdings.

Edgar: Gratuliere! Dann sind Sie die erste.

Hansi: Sie sollten einmal mit Kindern und Jugendlichen so viel zu tun haben wie ich - da könnten Sie etwas lernen! Jugendliche lassen sich nichts vormachen. Die spüren, ob eine Sache gut ist. Wenn zu uns beispielsweise ein Schriftsteller kommt und liest langweiliges Zeug vor, dann klatschen sie nicht höflich Beifall wie die Erwachsenen, sondern sagen geradeheraus: „Das ist großer Käse!“ Und wenn sie applaudieren, dann können Sie sicher sein, es kommt aus dem Herzen! Soll ich Ihnen verraten, was sie über Ihre Sendung gesagt haben?

Edgar: Lieber nicht.

Hansi: Eine „Quasselträne“ wären Sie!

Edgar: Oh!

Hansi: Und einer hat sogar gesagt - - na, lassen wir das. Jedenfalls gibt es bei uns eine richtige „Anti-Scharfenberg-Bewegung“.

Edgar: Da brauche ich mich über Ihre Antipathie nicht zu wundern.

Hansi: Das hat damit nichts zu tun. Ich habe Sie bereits verachtet, als Sie noch Grafiker waren.

Edgar: Trotzdem tun Sie mir unrecht. Ich meine, was meinen Beruf betrifft.

(Er steht auf und geht umher.)

Was bezwecken wir mit unseren Sendungen? Wir wollen ein bisschen Unterhaltung bieten. Keine tiefgehenden philosophischen Erörterungen. Das bleibt speziellen Sendungen vorbehalten wie „Prisma“. Wir sind für Entspannung, ein wenig Ablenkung, aber auch für ein kleines Dankeschön an verdienstvolle Mitmenschen. Alles in zwangloser Form. Wenn Sie wüssten, wieviel Fantasie dazugehört, eine solche Sendung aufzubauen, würden Sie anders denken.

Hansi: Fantasie will ich Ihnen nicht absprechen.

Edgar: Jetzt bin ich zum Beispiel unterwegs nach neuen Motiven. Ich höre mich in der Bevölkerung um. Was ist vorgefallen? Wer hat etwas Besonderes geleistet? Welche Varianten des Mitspielens ergeben sich? Das ist alles nicht einfach, Fräulein Hansi.

Hansi: Sie brauchen Ihren Beruf nicht zu verteidigen.

Edgar: Und wenn man schließlich alles beisammen hat und redet sich die Kehle heiser - dann ist man eine „Quasselträne“.

Hansi: Hat Sie das so getroffen? Was meinen Sie, was wir oft zu hören kriegen! Sogar von unseren eigenen Kindern.

Edgar: Sie haben Kinder?

Hansi: Unsere Heimkinder meine ich. Da ist man einmal eine „Meckerziege“, dann ein „Miesepampel“, mitunter eine „Nachteule“ - aber im Grunde sind es alles prächtige Kerle. Man muss sie verstehen. Hätte ich nicht Psychologie studiert, wäre ich vielleicht dauernd beleidigt.

Edgar: Sie lassen sich viel vom Verstand leiten, nicht wahr?

Hansi: Ausschließlich. Wozu hat der Mensch seine Vernunft?

Edgar: Und das Gefühl?

Hansi: Dieser Luxus kommt bei mir erst in zweiter Linie.

Edgar (steht vor ihr und blickt sie nachdenklich an): Eigentlich unfassbar.

Hansi: Was ist unfassbar?

Edgar: Dass eine äußerlich so anmutige Frau wie Sie derartig verklemmt ist.

Hansi: Herr Spielmeister, Sie befinden sich nicht auf der Bühne!

Edgar (mit einem Blick ins Publikum): Mir kommt es beinahe so vor.

Hansi (gibt sich einen Ruck und steht auf): Ich habe noch zu tun.

(Sie greift zu ihrem Manuskript.)

Edgar: Schreiben Sie Gedichte?

Hansi: Mein Gott, sind Sie neugierig! Kein Wort sage ich Ihnen mehr.

(Sie blickt auf das Blatt; zögernd:)

Es soll eine Festrede werden.

(Sie sieht ihn etwas hilflos an.)

Zum zwanzigjährigen Bestehen unseres Heimes.

Edgar: Eine Festrede?

(Er nimmt ihr langsam das Blatt ab.)

Gestatten Sie?

(Er liest.)

„Meine lieben jungen Freunde! Wir haben uns heute aus Anlass …“

(Er murmelt einige Sätze weiter und lässt dann das Blatt sinken.)

Was ist das für ein Heim?

Hansi: Ein Internat für elternlose Schulkinder. Sie haben bei uns gleichzeitig ihr Zuhause.

Edgar (auf das Manuskript sehend): Davon erwähnen Sie gar nichts. Wissen Sie, was diese Rede ist?

Hansi: Hm?

Edgar: Ein Sammelsurium allgemeiner Phrasen!

Hansi (senkt beschämt den Kopf).

Edgar: „Rückschau halten“ - „Vor uns liegende Aufgaben“ - „Atmosphäre“ - Ihre Kinder werden sagen: „Großer Käse!“

Hansi (empört, aber sehr unsicher): Herr Scharfenberg!

Edgar: Mich überrascht das gar nicht. Genau wie Sie vorhin meine Beziehung zu Susann mit wohltönenden, aber inhaltslosen Worten kommentierten, so tun Sie es hier in Ihrer Festrede. Etwas Menschlichkeit möchte man spüren - aber man vernimmt einen Leitartikel. Das Leben ist anders, Fräulein Hansi.

(Er zerknüllt Hansi anblickend das Manuskript.)

Worte werden zermalmt, …

(Er wirft den Knäuel in einen Papierkorb.)

… wenn sie ohne Gefühl sind.

Hansi (blickt ihn beeindruckt an).

Edgar (geht auf sie zu): Sie haben mich vorhin einen „Schuft“ genannt. Weil ich Ihre Freundin geliebt habe, obwohl ich verheiratet war. Das Wort „Schuft“ spricht sich sehr leicht. Aber was wissen Sie wirklich von uns? Ich habe Susann gleich am Anfang gesagt, dass ich mich nie scheiden lasse; dass ich auch meine Frau liebe. Drei Jahre lang Liebe und Quälerei, Glück und Hoffnungslosigkeit, Sehnsucht und Verzweiflung. Ihnen würde so etwas nie passieren, sagen Sie? Das glaube ich. Sie sind dafür viel zu kalt.

Hansi (nicht ohne Gefühl): Ich - - wollte Sie nicht kränken.

Edgar: Das tun Sie nicht. Aber dass Sie Susann so unrecht tun, schmerzt mich.

Hansi (nach einer Pause, etwas verhalten): Ich werde ihr die Hyazinthen bringen. Haben Sie sie mit?

Edgar: Draußen auf dem Flur stehen sie. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Einen Augenblick!

(Er geht hinaus und kommt mit einer Hyazinthenschale zurück.)

Hier sind sie!

Hansi (nimmt die Schale): Oh, sind die herrlich!

Edgar: Wie ich schon sagte: Susanns Lieblingsblumen.

Hansi (stellt die Schale auf den Tisch): Da wird sie sich freuen.

Edgar (zögernd): Wenn es nicht so vermessen klänge - ich hätte noch eine Bitte.

Hansi: Ja?

Edgar: Würden Sie Susann - einen Kuss von mir überbringen?

Hansi (unsicher): Herr Scharfenberg!

Edgar (lächelnd): Nicht von Herrn Scharfenberg.

(Er ergreift behutsam ihre Schultern.)

Von Edgar!

(Er nähert langsam seine Lippen ihrem Munde. Sie lässt sich küssen. Er küsst etwas zu lange, aber sie lässt ihn gewähren. Dann sieht er sie bedeutungsvoll an und geht eilig hinaus.)

3. Szene

Hansi allein

Hansi (blickt Edgar eine Zeitlang betroffen nach. Schließlich geht sie zum Sessel, der neben dem Radio steht, und setzt sich. Mechanisch schaltet sie das Radio ein. Es ertönt das Poem von Fiebig. Sie beginnt zu träumen. Nach einiger Zeit steht sie auf, geht zum Papierkorb und holt den Manuskriptknäuel heraus, den sie wieder entfaltet. Sie blickt auf den Wandkalender und schreibt mit etwas verklärter Miene das Datum auf das Blatt. Dann zieht sie aus einem Schrank eine Mappe und legt das Manuskript andächtig hinein. Schließlich setzt sie sich wieder in den Sessel und lauscht der Musik. Das Telefon klingelt. Sie stellt das Radio leiser und nimmt den Hörer ab):

Ja, bitte? - Wie, Sie sind es, Herr Scharfenberg? - Sie stehen unten in der Telefonzelle? - Nein, Sie haben nicht gestört. - Was sagen Sie? Sie wollen meine Festrede entwerfen? - Aber das geht doch nicht! Da müsste ich einen Kaffee kochen, und ich habe keinen im Hause. - Sie bringen eine Packung mit? - Gut, bis nachher!

(Sie legt auf, dreht schnell am Radio, bis sie einen flotten Schlager gefunden hat und trifft aufgeregt die üblichen Vorbereitungen: Tischtuch, Geschirr, andere Bluse. Nach einiger Zeit klingelt es. Sie bringt am Spiegel rasch ihre Frisur in Ordnung und geht öffnen. Dann kommt sie mit Edgar zurück)

4. Szene

Hansi & Edgar.

Edgar: (zieht die Kaffee-Packung aus der Tasche): Ich weiß nicht, ob es Ihr Geschmack ist: „Rondo“.

Hansi (nimmt die Packung): Genau das Richtige. Aber ich bezahle ihn natürlich.

Edgar: Kommt gar nicht in Frage! Sie sind mein Gast.

Hansi: Wieso? Sie wollen mir helfen, also sind Sie …

Edgar (unterbricht): Bitte, keinen Streit! Sagen wir: Sie bekommen die eine Hälfte, die andere nehme ich wieder mit.

Hansi: Einverstanden!

(Sie holt eine Kaffeemühle aus der Anrichte.)

Edgar: Darf ich mich als „Mahlmann“ betätigen?

Hansi: Wenn Sie es können.

Edgar: Und ob!

Hansi (gibt ihm die Mühle).

Edgar (setzt sich): Ich bin so eine Art „Kunst-Mahler“!

(Er dreht eifrig die Mühle.)

Hansi: Da müssen erst die Bohnen rein!

Edgar: Ach so.

(Er hört auf zu mahlen.)

Hansi (schüttet Bohnen in die Mühle): Nun können Sie beginnen!

(Sie geht zur Küche.)

Ich werde inzwischen das Wasser aufsetzen. Entschuldigen Sie mich einen Moment!

Edgar (während er eifrig die Mühle dreht): Bitte!

(Er setzt sich.)

Hansi (von nebenan): Möchten Sie lieber Kuchen oder Makronen?

Edgar: Spekulatius!

Hansi: Habe ich leider nicht.

Edgar: Aber ich!

Hansi (steckt den Kopf durch die Tür): Wieso?

Edgar (zieht ein flaches Päckchen aus der Brusttasche): Bitte!

Hansi (geht auf ihn zu und nimmt den Spekulatius): Donnerwetter! Aber ich kann mir denken, warum Sie auf Spekulatius kommen.

Edgar: Nun?

Hansi (neigt sich ihm schäkernd zu): Weil Sie ein kleiner Spekulant sind!

(Dann geht sie rasch wieder in die Küche.)

Edgar (nach einiger Zeit): Fräulein Hansi!

Hansi (von nebenan): Ja?

Edgar: Wenn ich nun statt Spekulatius Liebesknochen mitgebracht hätte?

Hansi: Dann hätte ich das als Heiratsantrag aufgefasst!

Edgar (lässt die Kaffeemühle fallen): Oh!

Hansi (steckt den Kopf wieder durch die Tür): Ist was?

Edgar (hebt die Kaffeemühle auf): Nein, es ist alles in Ordnung.

(Er mahlt weiter und Hansis Kopf verschwindet. - Nach einer Pause:)

Allmählich kommt es mir vor, als ob Sie mit mir Komödie spielen!

Hansi (von nebenan): Ob ich was?

Edgar (ruft): Komödie spielen!

Hansi : Vielleicht!

(Sie kommt mit einer Kaffeekanne herein.)

Oder vielleicht bin ich gar nicht so kalt, wie Sie mich eingeschätzt haben.

(Sie stellt die Kanne auf den Tisch und nimmt Edgar die Mühle ab.)

Danke, das wird genügen!

(Sie schüttet die gemahlenen Kaffeebohnen in die Kanne.)

Ich brühe gleich auf. Einen Augenblick!

(Sie geht wieder in die Küche.)

Edgar (hat sie die ganze Zeit unentwegt betrachtet, für sich): Da bin ich nun ein alter Spielmeister - aber was ich von dieser Frau halten soll, weiß ich nicht.

Hansi (kommt mit einer Schale, auf die sie den Spekulatius gelegt hat, zurück): Ein bisschen Geduld müssen Sie noch haben; der Kaffee muss sich erst setzen.

Edgar: Selbstverständlich.

Hansi (stellt die Schale zurecht und nimmt Platz): Wollten wir nicht - - ich meine - - die Festrede …?

Edgar (erwacht ruckartig aus seinem Traum): Ach so! Entschuldigen Sie! - Ja, am besten wird es sein, wenn ich noch einmal Ihr Manuskript ...

(Er steht auf und geht zum Papierkorb.)

Ich hatte es, glaube ich, hier hineingeworfen.

Hansi (hastig): Es ist nicht mehr da!

Edgar (dreht sich zu ihr um): Wieso?

Hansi: Ich habe es - - verbrannt.

Edgar: Schade!

(Er geht auf seinen Platz zurück und setzt sich.)

Fangen wir von vorn an!

(Er zieht einen Bogen Papier aus der Tasche, zückt seinen Füller und schreibt)

„Meine lieben jungen Freunde!“

Hansi: Die Anrede hatte ich schon.

Edgar (blickt auf): Wie wäre es, wenn Sie an Stelle allgemeiner Ausführungen mit einem ganz konkreten Fall beginnen würden? Es sind doch Waisenkinder, wie Sie sagten.

Hansi: Ja.

Edgar: Sie müssten eingangs darlegen, auf welche Weise eines Ihrer Kinder seine Eltern verloren hat. Stellvertretend für alle. Und dann fügen Sie die Entwicklung dieses Jungen oder Mädchens an. Das wird die Zuhörer bestimmt mehr fesseln als Ihre - verzeihen Sie das harte Wort - abgedroschenen Redensarten.

Hansi: Ich bin kein Schriftsteller, Herr Scharfenberg.

Edgar: Ich auch nicht. Aber man muss ein bisschen Menschlichkeit fühlen.

Hansi (überlegt): Ich wüsste einen geeigneten Fall. Peter Breuer heißt er. Seine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Peter war dabei‚ hatte aber nur eine Gehirnerschütterung davongetragen. Er kam zu uns, als er sieben Jahre alt war. Heute ist er vierzehn - und einer der lustigsten Kerle. Auch im Unterricht ist er einer der besten.

Edgar: Wunderbar! Den nehmen wir als Aufhänger.

Hansi: Aufhänger?

Edgar: So ist der literarische Ausdruck.

(Er beginnt zu schreiben.)

Ich schreibe Ihnen die Einleitung.

Hansi: Sehr lieb von Ihnen. Ich werde inzwischen den Kaffee holen.

(Sie geht hinaus.)

Edgar (schreibt eifrig weiter): Wie hieß der Junge

Hansi (von nebenan): Peter Breuer!

Edgar: Danke!

(Er schreibt weiter.)

Hansi (kommt mit dem Kaffee herein): Wollen wir uns erst einmal stärken!

(Sie serviert.)

Trinken Sie Schwarz oder mit Milch?

Edgar: Schwarz‚ bitte!

Hansi (setzt sich neben ihn und reicht die Spekulatius-Schale): Greifen Sie zu!

Edgar (legt den Bogen beiseite und bedient sich): Danke!

Hansi: Die Festrede ist zwar wichtig, aber ein gutes Festessen ist auch nicht zu verachten.

Edgar: Wenn Sie immer so gut kochen, komme ich öfter!

Hansi: Sie müssten einmal in Ihrer Sendung ein Koch-Quiz veranstalten. Ich würde verschiedene Gerichte zubereiten, die Zuschauer müssten probieren und dann erraten, was es sein soll.

Edgar: Meinen Sie, dass das spaßig ist?

Hansi: Wenn ich koche, schon.

Edgar: Den Kaffee haben Sie jedenfalls gut zubereitet. Ich hätte nicht auf „Rondo“, sondern auf „Mona“ getippt.

Hansi (kichert).

Edgar: Warum lachen Sie?

Hansi (schelmisch): Ich habe meinen „Kosta“ genommen!

(Beide lachen.)

Edgar (besinnt sich): Aber Sie haben doch vorhin - in meiner Gegenwart -?

Hansi (zeigt zur Anrichte): Dort steht Ihr „Rondo“. Unversehrt!

Edgar (blickt hin).

Hansi: Mein „Kosta“ steht dahinter.

Edgar (lächelt): Raffiniert!

Hansi: Wer hier raffinierter ist, bleibt abzuwarten.

Edgar: Wieso?

Hansi: Mit Hyazinthen für Susann haben Sie sich vor einer halben Stunde bei mir eingeschlichen - und jetzt trinken Sie meinen Kaffee.

Edgar: Sie wollen doch nicht behaupten, dass ich absichtlich - -?

Hansi (unterbricht): Aber kein Gedanke! Schließlich ist alles ...

(Sie zeigt auf das Manuskript.)

... durch die Festrede gekommen!

Edgar: Eben.

Hansi (zögernd): Nur, dass Sie mich für gefühlskalt halten; das hat mich, ehrlich gesagt, etwas geärgert.

Edgar: Ich hatte jedenfalls den Eindruck.

Hansi: Was die Gefühle einer Frau betrifft, täuschen sich Männer sehr oft.

Edgar: Mag sein.

Hansi: Meine Freundin Gisela zum Beispiel: Jeder hält sie für einen Eisklumpen - und in Wirklichkeit sehnt sie sich nach einem Vulkan! Den meisten Eisklumpen geht es so.

(nach kurzer Pause, trocken:)

Ich bin auch ein Eisklumpen.

Edgar: Ich bin leider kein Vulkan, Fräulein Hansi.

Hansi: Susann hat mir etwas anderes erzählt.

Edgar: So indiskret war sie nicht. Außerdem hätte sie dann gelogen.

Hansi: Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel!

Edgar: Wollen wir nicht - ein anderes Thema …?

Hansi: Wie zartfühlend die älteren Herren sind!

Edgar: Ich bin ein schwacher Vierziger!

Hansi: So? Ich hätte Sie eher für einen falschen Fuffziger gehalten.

(Beide lachen, dann rühren sie im Kaffee.)

Haben Sie schon Motive für Ihre neue Sendung gefunden?

Edgar: Das Richtige ist es noch nicht.

Hansi: Was bezeichnen Sie als „richtig“?

Edgar: Unterhaltungsspiele, die uns etwas zu sagen haben.

Hansi: O je!

Edgar: Warum reagieren Sie so abfällig?

Hansi: Ich kann mir nicht vorstellen, wo bei Ihren - sagen wir einmal milde - Kindereien der besondere gesellschaftspolitische Pfiff herkommen soll.

Edgar: Sie urteilen sehr hart.

Hansi: Ich meine nicht Sie persönlich. Aber Sie verplempern Ihr Talent an einer - wie mir scheint - unwürdigen Sache. Erinnern Sie sich an Ihre vorletzte Sendung?

(Sie steht auf und markiert.)

„Die Kolleginnen aus dem Bezirk Magdeburg bitte nach links‚ aus dem Bezirk Cottbus nach rechts!“

(nebenbei zu Edgar:)

Darin liegt schon eine Abwertung für Cottbus!

(Sie fährt fort:)

„Jeder bekommt einen Stab - und nun wird die Murmel in das gegnerische Tor geleitet. Auf geht's.“

(Sie stochert mit einem aus der Ecke genommenen Stubenbesen auf dem Fußboden herum.)

„Hei!“ - „Hei!“ - „Hei!“

(Dann hält sie inne und sieht Edgar an.)

Wo liegt hier das Gesellschaftspolitische?

Edgar (erhebt sich und geht zu ihr): Meine Sendung besteht doch nicht nur aus solchen Spielen. Wenn Sie sich zum Beispiel an die Einlage erinnern: „Der kluge Otto im Wissenstoto“!

Hansi (seufzt): Jetzt fängt er mit Quiz an!

Edgar: Warum nicht? Wir können ja einmal privat ein kleines Quiz veranstalten.

Hansi: Ich lasse mich doch nicht auf den Arm nehmen!

Edgar: Würde ich mir nie erlauben! Außerdem wären Sie dazu nicht leicht genug.

Hansi (lächelt): Leichte Frauen - das ist es wohl, was Sie suchen.

Edgar: Ich suche überhaupt nichts.

Hansi (nimmt einen enttäuschten Gesichtsausdruck an): Schade.

(Sie geht zur Anrichte.)

Trinken Sie einen Cinzano?

Edgar: Wie kommen Sie zu Cinzano?

Hansi: Wird doch importiert. In einem Aufwasch mit „My Fair Lady“

(Sie nimmt die Flasche.)

Nächstes Jahr kriegen wir die „Physiker“. Da kommt dann „Dujardin“ mit.

(Sie stellt zwei Gläser zurecht und schenkt ein.)

Ich hoffe, Sie sind nicht motorisiert.

Edgar: Bei Cinzano auf keinen Fall.

Hansi: Unser Bürgermeister hat seinerzeit am Tag des Gesundheitswesens einen einzigen Schnaps getrunken - schon ist er in der Kurve gegen einen Baum gefahren.

Edgar: Kann mir nicht passieren. Ich trinke nie in der Kurve.

Hansi (hebt lachend ihr Glas): Zum Wohl, Herr Scharfenberg!

Edgar (stößt mit ihr an): Auf Ihr ganz Spezielles!

(Sie trinken, dann setzen sie sich.)

Hansi: Was meinen Sie eigentlich mit meinem „Speziellen“?

Edgar: Wieso?

Hansi: Darauf haben Sie getrunken. Auf mein ganz „Spezielles“.

Edgar: Ach so. Ja, das ist wohl mehr eine Redensart.

Hansi (betont): Ich möchte wissen, was mein „Spezielles“ ist!

Edgar (windet sich): Fräulein Hansi, sprechen wir nicht von so intimen Dingen!

Hansi: Sie haben an etwas Intimes gedacht?

Edgar (unsicher): Nein. Das heißt, ja. Ich meine …

Hansi: Herr Scharfenberg! Soll ich einmal sagen, was ich über Sie denke?

Edgar: Wenn Sie unbedingt wollen.

Hansi: Sie sind ein ganz gerissener Filou! Als Spielmeister heute hier, morgen dort; heute diese Freundin, morgen jene; gleichzeitig ein treusorgender Ehemann - ich möchte wetten, Sie haben sich mit Ihrer Frau noch nie gestritten.

Edgar: Ich wüsste von keinem Streit.

Hansi: Sehen Sie! Allerdings sind Sie ja auch selten zusammen.

Edgar: Das stimmt.

Hansi: Und wenn jedes Geplänkel, das Sie mit andern Frauen haben, so endet wie Ihre Affäre mit Susann - dann könnten Sie eigentlich zufrieden sein.

Edgar: Zufrieden? Ich habe Susann dadurch, dass sie geheiratet hat, verloren.

Hansi: Gott, wie tragisch! Aber mir scheint, dieser Ausweg war Ihnen ganz recht.

Edgar: Sie sind herzlos.

Hansi: Ich kenne die Männer. So lassen sie sich eine Freundin gefallen: Jahrelang mit ihnen gehen und dann still wegheiraten lassen, damit die arme Ehefrau nichts merkt! O ich wünschte, Sie würden einmal an eine geraten, die Ihnen richtig Feuer unter den Hintern macht! Die mit allen Mitteln um sie kämpft! Die Ihre Frau besucht!

Edgar (erschrocken): Fräulein Hansi!

Hansi: Jetzt sind Sie erschrocken, was? Echt Mann! Nur nicht in seiner Ruhe gestört werden wollen - die sonstigen Annehmlichkeiten nimmt er mit.

Edgar: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass es für ein Mädchen‚ das einen verheirateten Mann liebt‚ der richtige Weg ist, sich mit der Ehefrau auseinanderzusetzen?

Hansi: Warum nicht? Ich würde es tun. So leicht wie Susann würde ich es Ihnen nicht machen.

Edgar (seufzt): Ein Glück, dass wir uns nicht lieben!

Hansi (hebt ihr Glas): Prost!

Edgar (nimmt gedankenvoll sein Glas).

Hansi (lächelt): Sie können ruhig wieder auf mein Spezielles trinken.

Edgar (wirft ihr einen scheuen Blick zu).

(Sie trinken.)

Hansi (nach einer kleinen Pause): Tanzen Sie gern?

Edgar: Ich bin nicht in der richtigen Stimmung.

Hansi: Kann ich mir denken. Aber wir wollen nicht mehr philosophieren.

(Sie geht zum Plattenspieler.)

Ich habe ein paar nette Platten.

Edgar: Hoffentlich keinen Beat!

Hansi (dreht sich zu ihm um): Vielleicht ein Tango‚ wenn's recht ist?

Edgar: Tango ist immer gut.

(Sie legt auf. Es erklingt „Die Herren in den bessern Jahren“. Edgar geht auf sie zu, verbeugt sich kurz, und beide tanzen. Als der Tango zu Ende ist, stellt sie den Plattenspieler ab.)

Hansi: Sie tanzen ausgezeichnet.

Edgar (lächelt): Bei solch einem passenden Lied.

Hansi (blickt ihn vom Plattenspieler aus an und lächelt ebenfalls): Ja, ich bin gewarnt.

(Sie geht auf ihn zu und singt die letzte Zeile, indem sie ihm bei dem Wort „gefährlich“ mit dem Zeigefinger auf die Nase tippt.)

„Gib acht, weil das gefährlich werden kann!“

(Dann wendet sie sich zum Tisch.)

Möchten Sie noch ein Glas?

Edgar: Wollen mich in einen Rausch versetzen.

Hansi: Erraten.

(Sie schenkt ein, beide setzen sich.)

Edgar: Fräulein Hansi‚ ich weiß genau‚ dass Sie mit mir spielen - und trotzdem gefällt es mir.

Hansi: Wenn ich ehrlich sein soll: Ich weiß nicht‚ ob ich spiele. Das weiß eine Frau nie. Gewiss wir fangen manchmal etwas als Spielerei an - aber dann wird es plötzlich Ernst, ohne dass wir es gemerkt haben. Ich bin ganz offen: Sie haben mich ein bisschen herausgelockt. Ihre Bemerkung, dass ich gefühlskalt sei, hat meinen Widerspruchsgeist geweckt. Ich wollte Ihnen gern das Gegenteil beweisen. Jetzt will ich es nicht mehr. Jetzt habe ich es nicht mehr nötig. Weil ich jetzt Gefühl habe.

(Pause)

Edgar (hebt das Glas): Auf Ihr Gefühl, Fräulein Hansi!

Hansi (stößt wortlos mit ihm an).

(Sie trinken.)

Edgar: Wollen wir - - Brüderschaft trinken?

Hansi (nickt ihm zu): Hm!

(Sie trinken über Kreuz. Dann küssen sie sich.)

Edgar (flüstert): Hansi!

Hansi (ebenso): Edgar!

(Edgar will sie noch einmal küssen, aber sie steht auf und geht umher.)

Das ist ganz töricht von mir. Du machst das bestimmt bei allen Frauen so. Rede nicht! Ich weiß es. Und trotzdem finde ich dich irgendwie nett.

(Sie hebt possierlich den Zeigefinger.)

Denk aber nicht, dass ich dich anhimmle‚ weil du ein berühmter Fernsehstar bist. Aus solchen Teenager-Allüren bin ich heraus.

Edgar: Das will ich hoffen.

Hansi: Vielleicht gefällst du mir, weil du so unbeholfen bist, so naiv. Ihr Künstler seid alle naiv. Und durch eure Naivität erreicht ihr alles.

(Sie schlägt sich vor die Stirn.)

Mein Gott, bin ich blöd!

(Sie stellt sich vor den Tisch und betrachtet sinnend die Flasche)

Morgen werde ich wissen, ob es nur der Cinzano war.

Edgar: Und wenn er es nicht war?

Hansi (nimmt die Flasche zur Hand und betrachtet entrückt das Etikett): Dann wird Edgar mich heiraten.

Edgar: Ich? Dich?

Hansi