William Thomson, der Aussätzige - F.H. Achermann - E-Book

William Thomson, der Aussätzige E-Book

F.H. Achermann

0,0

Beschreibung

Der englische Adlige William Thomson ist Mitglied einer exklusiven Freimaurerloge. Dort wettet er um sein Vermögen, dass er beweisen könne, dass Jesus nicht der Sohn Gottes gewesen sei. Kurz darauf entgeht er nur knapp einem Jagdunfall... und in Basel, wo der junge Arzt eine Weiterbildung macht, kommt es zu mehreren Anschlägen auf sein Leben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 217

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



William Thomson, der Aussätzige

William Thomson, der AussätzigeVorwort des HerausgebersVorwort des AutorsAntiphonDie WetteDer Meister vom StuhlDie Treibjagd„Benotseem""Er hat gelebt"Der geheimnisvolle JapanerDie PestVater und Sohn„Es blüht der Blumen eine…“„Ich habe verloren…!"Die OpferungDie Ehe des Sir Edward ThomsonDie LäuterungDer Größte von Schloss Benotseem!Impressum

Ein Roman der Wirklichkeit

von

F. W. Achermann 

Herausgegeben von Carl Stoll

Vorwort des Herausgebers

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie so oft im Werk Achermanns lassen sich die Bücher auf ganz unterschiedlichen Ebenen lesen. Geht es nun bei diesem Buch um eine Ächtung oder Demaskierung des Freimaurertums? Oder um eine unglückliche Liebesgeschichte? Um menschliches Wachstum? Entdecken wir einen Thriller, in dem der Held sich andauernder Todesgefahr gegenübersieht?

Es ist eine der großartigen Leistungen Achermanns, all diese Dimensionen in – auf den ersten Blick – einfache, spannende Geschichten zu verweben.

Dazu wird dem heutigen Leser wird noch eine Zeitreise in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit seinen Wertvorstellungen und Themen ermöglicht.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Freude,

«Be-not-seem!»

Carl Stoll

Vorwort des Autors

Drei schiffbrüchige Walfischfänger landeten 1908 bei den Samojeden und wurden gastlich ausgenommen. Einer dieser Gestrandeten war Swan Swansen, ein Dichter. Bei flatterndem Tranlicht trug er den wilden Jägern seine Schöpfungen vor und sie lauschten ihm, wie sie in stillen Winternächten auf das Röhren des Hirsches horchten.

So spann der Göttersohn Swan Swansen seinen Freunden eine Arktisnacht lang, vom November bis April, sein dichterisches Seemannsgarn. Aber sein Genosse Snoransen, der auf den erfolgreichen Dichter wegen eines Samojedenmädchens eifersüchtig geworden war, erklärte dem Häuptling zu verschwiegener Stunde, dass die „Geschichten" Swansens nur Erfindungen wären. Da wurde der große nordische Dichter von den Samojeden verprügelt, weil er „geschildert" hatte, was für sie gleichbedeutend war mit: von der Wahrheit abgewichen sein!

Kaum drei Schlafzeiten danach verklagte ein Samojedenmädchen einen jungen Samojeden beim Mondgericht unter der Anklage, dass er sie "angeschildert" hätte.

Es gibt ein psychologisches Naturgesetz, das da heißt: Der Mensch verlangt nach Wahrheit! Erzähle deinem Kinde die schönsten Geschichten, und es wird dir in fünf Fällen von zehn die unvermeidliche Frage stellen: „Vater, ist das eine wahre Geschichte?" In den andern fünf Fällen nimmt es aus Ehrfurcht mit Selbstverständlichkeit an, dass der Vater es nicht "anschildere". Haben nicht selbst viele Erwachsene und Gebildete das Interesse für Karl May verloren, als sie vernahmen, dass er die „geschilderten" Reisen nur zum Teil ausgeführt und die — oft ins Unmögliche geschraubten Abenteuer gar nicht erlebt habe? Und doch bleibt Karl May einer der sympathischsten und spannendsten Schriftsteller Deutschlands!

Und die Moral?

Wahrheit!

Zumindest natürliche Wahrscheinlichkeit, damit die Illusion des Lesers nicht durch Überspannung zerstört und lächerlich gemacht werde.

Gott ist die Wahrheit und deshalb — ewig. Je näher eine „Schöpfung" dieser Wahrheit steht, desto länger wird sie dauern. Die Sensationen überspannter Kioskromane sind deshalb Sternschnuppen, die einen Moment aufleuchten, um in der Nacht der Vergessenheit zu verschwinden.

Basel, 1931.

Der Verfasser.

Antiphon

Über das Häusermeer von London donnert die große Glocke von St. Paul in weit aushallendem Dröhnen den Osterruf: „Christus ist auferstanden!" — Hunderte von Glocken fallen in den Jubel ein, und ihre hochgehenden Festwogen schwemmen die Brandung der Tonwellen ins weite Land hinaus: „Christus ist auferstanden!" Die Glocken der Landschaft tragen die Botschaft ans Meer, die Schiffsglocke läutet über den Ozean; Amerikas Glocken erwachen und geben mit den Lichtfluten des ewig kreisenden Morgenrots die empfangene Botschaft weiter über das Felsengebirge, nach Alaska — ein verkommener Goldsucher hört sie, aber sie geht weiter — über die Beringstraße nach Asien, um die Welt herum:

Läutet man so einem Toten

Die Wette

Durch das Gewühl der Blackfriars Road drängen sich zwei junge, mit der ungesuchten Eleganz der exklusivsten Gesellschaft gekleidete Männer ausnahmsweise zu Fuß; denn Sir William Thomson, Dr. med., will seinem Basler Freunde Huldreich Fischer einige Spezialitäten Londons zeigen und ihn danach mit dem Klub von „Benotseem" bekannt machen.

Mitten auf der Blackfriars Bridge steht der Engländer still und hält auch den Basler einen Moment zurück:

„Sieh mal, Huldreich! Diese Brücke teilt ganz London in zwei Teile: Auf der Ostseite nimmt man das Geld ein, auf der Westseite gibt man es wieder aus!"

„Wieso?"

„Die City und die Stadtteile östlich der Brücke bilden den handeltreibenden und somit gelderwerbenden Teil Londons mit den Banken, Börsen, Hafenanlagen, den Büros der Großkaufleute, Versicherungsgesellschaften, Zeitungspalästen. Die westlich der Brücke liegenden Boroughs enthalten die königlichen Paläste, die Sitze der Regierung, des Adels und der Reichen — die Parks, Klubhäuser, Museen usw."

„Und — das rechte Themseufer?"

„Die Surreyseite? — Pah, die zählt nicht mit! — Hat weder am Einnehmen noch am Ausgeben einen wesentlichen Anteil: Arbeiterwohnungen, verrauchte Baracken.“

„Halt! — Was ist das dort?" Der Basler zeigt in der Richtung nach Westminster.

„Du meinst das Schloss?"

Zum zweiten Mal stehen die beiden still; der Engländer lächelnd und selbstbewusst, der Schweizer überrascht wie vor einer Fata Morgana:

Auf grüner Bodenwelle reckt sich dort aus alten Tannen titanenhaft ein herrliches Schloss der Feudalzeit empor, von sechzehn Pappeln bewacht, die sich im Parksee wie Grenadiere spiegeln.

„Schloss Benotseem!"

Der Basler setzt seinen Feldstecher ab:

„Der Stanley-Klub?"

Sir William nickt:

„In zehn Minuten werden wir dort sein!"

„Einfach überwältigend! Um dieses Schloss weht alter Normannengeist. — Es macht mir förmlich Herzklopfen! Ist es Eigentum des Stanley-Klubs?"

„Seit 18 Jahren."

„Historisch bedeutend?"

„Sehr! — Seine Grundmauern sind römisch und beherbergten den Stab der von Hengist geschlagenen Briten ..."

„Und sein merkwürdiger Name?"

„Be-not-seem? — ‚Sein, nicht scheinen'! Das war der Wahlspruch des Lord Goright Stuart, dem das Schloss gehörte; zwar ein verbohrter Papist ..."

„Tautologie!"

„. . . aber doch ein rassiger Kerl! Kennst du sein Ende?"

„Wie sollte ich?"

„Huldreich, du bist Dichter: hier hast du den Stoff zum herrlichsten Drama, Trauerspiel und Lustspiel zugleich!"

„Wirklich?"

„Goright Stuart soll —, soll' der schönste und tapferste Ritter Old Englands gewesen sein — und den Teufel hatte er sicher im Leibe: Ein sogenannter Hochverratsprozess um sein Grundeigentum, wie solche damals üblich waren, nötigte ihn, bei der ‚jungfräulichen' Königin Elisabeth, seiner Todfeindin, eine Audienz nachzusuchen. Sie wird gewährt und die Königin empfängt ihn im Kreise des ganzen Hofstaates. Der junge Lord verneigt sich; die Königin betrachtet lange und mehr als unauffällig den strammen Ritter von Benotseem. Endlich öffnen sich ihre Lippen:

‚Ach, das also ist der ‚berühmte' Lord Goright, dessen Ritterlichkeit man mir — jedenfalls mit etwelcher Übertreibung — des Öfteren gerühmt hat! — Was führt Ihre Lordschaft her?'

‚Königliche Majestät! — Meine unwürdige Wenigkeit ist gekommen, um unserer erhabenen Königin zu huldigen, deren Gerechtigkeit und jungfräuliche Schönheit man mir — jedenfalls mit etwelcher Übertreibung — des Öfteren gerühmt hat! Als getreuer Untertan Ihrer Majestät gelange ich ...'

‚Schweig!', unterbricht sie ihn mit zitternder Wut. Nicht blass — grün ist sie geworden, ‚die jungfräuliche' Königin!"

„Beim Himmel! — Kann mir's denken!"

„Die einen ihrer Hofdamen waren zu Tode erschrocken, die andern wechselten Blicke der namenlosesten Genugtuung. Die Audienz war zu Ende; Goright Stuart wurde schon vor dem Palaste von den Häschern in Empfang genommen und in den Tower geführt. In diesem Gefängnis hat ihn Königin Elisabeth besucht!"

„Unmöglich!"

„Ganz allein und — tief verschleiert!"

„Wirklich interessant! — Ist das Sage?"

„Geschichte! — Komm! Wirst sonst noch manchmal stillstehen müssen! Die Königin spricht ihn diesmal an — denn Goright reagiert nicht — und sie fragt ihn:

‚Lord Goright Stuart! Weißt du, was auf dich wartet?'

‚Der Tod!'

Pause! — Nach einiger Zeit kommt es leise von den Lippen der Königin: ‚Oder die Liebe!'

„William…", fährt der Basler auf.

„Still!

Aus dem Dunkel des Kerkers schauen ihn zwei durchdringende Augen an:

‚Du hast zu wählen!', kommt es zuckend von der Königin Lippen.“

„Und?", fragt der Basler, zum dritten Mal stillstehend. Auch William Thomson hält nun inne: „Ritter Goright Stuart sprach: ‚Majestät! — Härter als der Tod wär' diese Liebe! — Wenn ein Stuart zu wählen hat zwischen Sklaverei und Tod, so wählt er den Tod. — Würd' ich sagen, dass ich Euch liebte, so wär' ich ein Heuchler! Benotseem heisst das Schloss meiner Väter, und es ist nicht verkäuflich!‘ Wankend greift die Königin an der Wand entlang!"

„Und Goright?"

„Starb!"

„Das Spiel ist aus?"

„Nein! — Drei Tage danach wurde auch Maria Stuart hingerichtet! — Hätte Goright ‚Ja' gesagt, würde er wahrscheinlich doch hingerichtet worden sein!"

„Aber — das — ist — doch — nicht — menschenmöglich!"

„Ja! — So rächt sich ein Weib!"

„Da sind wir!"

Auf der ausladenden Freitreppe hält der nachsteigende Basler plötzlich seinen Schritt zurück und greift unwillkürlich an den Hutrand.

Im grauen Granitschild über dem frühgotischen Portal liest er flüsternd den lebensechten Wahlspruch:

„Be — not — seem!"

„Sein, nicht scheinen! — Ein wahrhaft göttliches Wort! Denn Gott ist das ewige Sein!", spricht der Basler wie zu sich selber.

Da wendet sich der Engländer mit einem wohlwollenden Lächeln zurück:

„Huldreich, was verstehst du unter — 'Gott'?"

„Ah, William, du bist noch immer Atheist?"

„Mehr denn je! Ich war noch nie ein so überzeugter ‚Gottloser' wie jetzt!"

„Und — Freimaurer?"

„Ich hoffe als solcher zu sterben! — Papa ist seit vier Monaten Meister vom Stuhl!"

„Johannesloge?"

„Ja! — Aber unser altehrwürdiger Deismus hat dem folgerichtigeren Atheismus das Feld geräumt!"

„Sind sämtliche Mitglieder des Stanley-Klubs Freimaurer?"

„Durchaus nicht! — Da gelten nur Forschung und Wissenschaft; sein politischer Grundsatz heißt: Der Gebildete soll auch mit dem Gesinnungsgegner nobel verkehren können, ohne sich etwas zu vergeben —  dort kommt zum Beispiel ein ganz bornierter Papist!"

„Das alte Skelett mit dem meisten Knebelbart?"

„Yes, my dear! - Ursprünglich Mediziner, Professor natürlich…“

„Man sieht es ihm noch an — scheint vor sich her zu spinnen!"

„Spricht hin und wieder mit sich selber!" Aus dem Tone des jungen Engländers klingt es wie verhaltene Bitterkeit.

„Hat er die Professur aufgegeben?"

„Schon seit achtzehn Jahren! Hat sich dann der Anthropologie zugewendet, danach der Ethnologie und ist schließlich bei der vergleichenden Religionswissenschaft gelandet. — Seine Spezialität bilden die Ursagen der Primitiven; er kennt fast alle Tanzlieder und Dialekte des Stillen Ozeans. 

 „Good afternoon, Sir Headley."

Stumm nickt der alte Forscher und geht wie geistesabwesend an den jungen Modelöwen vorbei — durchs Portal.

Verletzt schaut ihm William Thomson nach:

„Nur immer von oben herab! — Intoleranz und Erhabenheit in jeder Gebärde! Komm, Huldreich! — Es gibt Krankheiten, von denen man erst im Tode genest! Will's ihn gelegentlich fühlen lassen, den blasierten Heuchler!"

William Thomson scheint verstimmt zu sein; eine Beachtung von Seiten des alten Forschers vor seinem Basler Freunde würde in ihm ein gewisses Gefühl der Genugtuung ausgelöst haben. Er wartet deshalb mit dem Eintreten, bis sich das Portal hinter Headley geschlossen hat, um nicht "Thank you" sagen zu müssen. Diese Pause benützt der Basler zu einer Frage an seinen Freund:

„Welches sind die Bedingungen für die Aufnahme in den Stanley-Klub?"

„Hauptsächlich drei: tadelloser Name, akademische Bildung und 50,000 Pfund Sterling für ein bestimmtes Forschungsgebiet."

„Mensch! — Das sind eine Million und zweihundertfünfzigtausend Goldfranken!"

„Gewiss! — Dafür aber ist man versorgt; der Klub bestreitet sämtliche Kosten der Forschungsreisen und — diese Forderung hält uns das bürgerliche Wanzentum vom Leibe!"

„Very gentlemenlike! — Aber, ist es mir da erlaubt, in diesen exquisiten Kreis einzutreten?"

„Jedes Mitglied hat das Recht, Gäste mitzubringen —, wenn es für deren Aufführung haften kann'!", fügt Thomson lachend hinzu. — „Bitte!"

In diesem Schloss scheint alles stilgerecht zu sein: ein altersgrauer Kastellan, in der Tracht des dreizehnten Jahrhunderts, begrüßt die beiden im Dialekte der damaligen Zeit und führt sie über die Wendeltreppe nach dem Dürnitz, dem Rittersaal, wo holde Ritterfräulein die Gäste begrüßen und züchtig nach ihren Wünschen fragen. Hier gibt es keine Klubsessel, sondern schwere Stühle der Feudalzeit, die Namen und Wappen der Mitglieder tragen, zwanglos um den schweren Eichentisch, in Kemenaten und Gademen gruppiert, wie es einem jeden passt. Die neu Eingetretenen nehmen in einer Nische Platz, und Sir William bestellt einen schweren Burgunder, der in Zinnkanne und Bechern kredenzt wird; nicht weit von ihnen, an einem mit reicher Heraldik bemalten Fenster, sitzt der alte Headley, anscheinend in das Faksimile eines altmexikanischen Totems vertieft. Außer ihnen hat sich bis jetzt nur ein einziges Mitglied eingefunden; denn es ist Karsamstagabend.

„Wer ist das dort?", fragt, auf diesen Einzigen weisend, der Basler, um das Gespräch nicht aufhören zu lassen.

„Warte, bis er einmal den Kopf nach links wendet!"

Der junge Fischer gehorcht und — schrickt plötzlich zusammen:

„Gott im Himmel! — Seine linke Wange ist vollständig zerrissen — Wohl von einer Granate?"

„Nein — von einer Löwenpranke, in der Massai-Steppe.

Der Mann hat das Kilimandscharo-Gebiet nach prähistorischen Kulturen durchforscht und ist mit dieser Visitenkarte heimgekommen! Nächsten Herbst will er ins Tibet; er will den Ausgangspunkt der Menschheit erforschen!"

„Mein Kompliment! — Der Mann imponiert mir!"

„Pass auf, dort kommt noch ein viel interessanterer 'Typ'!"

An zwei Krücken, überdies noch von zwei Edelfräulein mit aller Sorgfalt geführt, humpelt und rumpelt ein angehender Fünfziger herein, dessen kühnes Indianergesicht und willensstarker Blick zu seiner Hilflosigkeit in merkwürdigem Gegensätze stehen.

„Was hat der erlebt?", fragt mit gedämpfter Stimme der Basler.

„Die Arktis durchforscht, beide Füße sind ihm abgefroren."

„Was hat er dort gesucht?"

„Er ist Zoologe — und nebenbei, als Mittel zum Zweck. der beste Jäger und Jagdkenner des schottischen Hochlandes. Was das heißt, können dir die dortigen Jäger sagen."

„Hat er Erfolg gehabt?"

„Einen so herrlichen, dass der Name dieses Krüppels mit der Gloriole der Unsterblichkeit gekrönt sein wird; aber diesen Ruhm hat er mit seiner Gesundheit und — mit der fürchterlichsten Stunde seines Lebens erkauft. Das ist der Mann, der den Ursus spelaeus, den Höhlenbären der Eiszeit wiederentdeckt hat!"

„Donnerwetter, der dort? — Wohl einige Prozent Jägerlatein abzurechnen? Wird ein alter Grizzly gewesen sein?"

„In der Kemenate hängt die Haut samt dem furchtbaren Schädel. Jeder Irrtum ist ausgeschlossen! Die Größenverhältnisse stimmen: beinahe doppeltes Gewicht des ausgewachsenen Grizzlys und, was dich am meisten überraschen wird, der Höhlenbär trägt eine Haut mit ellenlangen Haaren!"

„Wirklich? — Ah, hab' ich nicht in Basel davon gelesen? Wo hat er dieses Exemplar der Urzeit erlegen können?"

„Auf den Aleuten-Inseln, unter dem 165. Grad westlicher Länge und dem 54. Grad nördlicher Breite. Ich glaube, die Insel heißt Umiak."

„Ist er wohl so gefährlich wie der Grizzly, dieser Ursus spelaeus?"

„Noch viel unheimlicher! Man glaubt, dass er sich mit lächerlicher Faulheit dahintrollt, und — auf einmal ist er da!"

„Hat denn ein gewöhnliches Jagdgewehr ausgereicht?"

„Nein! — Aber den Nachrichten der Eingeborenen hatte Dr. Irehand, so heißt der Mann, entnommen, dass es sich um ein Tier von der Größe eines Büffels handeln müsse, um ein Raubtier, vor dem die Ureinwohner eine heilige Scheu haben. Deshalb zog er, begleitet von drei Gefährten, mit einem größeren Kaliber nach den dortigen Fjorden, wo der Bär zur Laichzeit der Lachse mit großer Gewandtheit Fischjagd treiben sollte. Am zweiten Tage sichtet er einen dieser Urbären mit dem Zeiß und versucht, ihn allein zu beschleichen — auf Umwegen natürlich. Der Bär muss ihn gewittert und — den gleichen Plan gefasst haben. Auf einmal ist er da! Beim Anblick der Haut wirst du ohne weiteren Hinweis begreifen.

Huh, wie angesichts dieses gewaltigen Räubers auch das Herz des mutigsten Jägers schneller klopfen kann! Einen Moment starren sie sich an, der Riese der arktischen Vorzeit und der kleine Mensch; wie das Raubtier zum ersten Schritt vorgreift, reiht Irehand seinen Bärentöter an die Wange. Beim ersten Schuss stutzt das Ungeheuer, beim zweiten richtet es sich auf und beim dritten bricht es wie ein Turm zusammen. In diesem Augenblick fliegt Irehand seine zehn Meter über den Boden hin:

Das Weibchen war von hinten an ihn herangekommen!

Der Geschleuderte ist bei vollem Bewusstsein, seine Glieder sind zerschlagen, in den Lendenwirbeln fühlt er eine Luxation — von dort an abwärts fühlt er nichts mehr.

Das 'Weibchen', das an Größe seinem Gespons kaum nachstand, geht zuerst zum toten Gemahl, um ihn zu beschnuppern; dann, nachdem die Diagnose auf 'Tod' gestellt ist, würdigt das Tier unsern armen Irehand seines Besuches, beschnuppert ihn von oben bis unten, und, nachdem die Diagnose auf 'Leben' gestellt ist, packt es ihn an der Schulter, schüttelt ihn in der Luft wie eine Maus und fängt an, mit ihm zu spielen. Es schleppt ihn hierhin und dorthin, schüttelt ihn wieder ein wenig, betastet ihn zartfühlend mit der Pranke, wirft ihn zur Abwechslung einmal in die Luft — Schneeboden und wattierte Lederkleidung lassen ihn noch nicht sterben — dies scheint der Bärin eine große Beruhigung zu sein; denn sofort beschnuppert sie ihn wieder mit behaglichem Brummen und trägt ihn wie einen Hasen fort, stundenlang, nach ihrer Höhle, um den Bezwinger ihres Eheliebsten für die mageren Tage nach der Laichzeit aufzubewahren.

Nach einiger Zeit folgen die Genossen mit ihren Hunden seiner Spur, finden den Kampfplatz, und, da sie nicht glauben können, dass der zweite Bär ihren Führer mit Haut und Haar und Lederkleidung verschlungen haben könne, so beschließen sie einmütig, wenigstens noch die Leiche oder sonst ein Überbleibsel von ihm zu retten. Die Hunde gehen der Spur nach bis zur Höhle. Nach dem neunten Schuss fällt die Bärin — im zerschlagenden Körper ihres Chefs aber konstatieren die Jäger noch pulsierendes Leben und — dort sitzt er nun!"

Mit ehrfürchtigem Schweigen schaut Huldreich Fischer auf den kraftvollen Krüppel, der dort von den zwei schönsten Edeldamen betreut wird.

„Ich verstehe", flüstert er endlich vor sich hin — „der Stanley-Klub ist ein Kreis von Männern, welche Reichtum, Kraft und Intelligenz nicht für den Lebensgenuss, sondern für Wissenschaft und Forschung verwenden wollen und Schloss Benotseem will einer degenerierten Welt wieder Ritter zeigen! — William, welches Forschungsgebiet wirst du dir wählen?"

„Tropische Infektionskrankheiten, vor allem die Schlafkrankheit und — den Aussatz!"

„Gott im Himmel! William! Und die Liebe?"

„Soll schweigen!"

„Ist das nicht ein wenig verwegen gesprochen, ein Stück Fanatismus?"

„Ohne Fanatismus kommt kein großes Werk zustande — du kannst ihn auch stille Begeisterung nennen!"

„Ihr Engländer vereinigt in eurem Charakter die Rassenmischung der Kelten, Angelsachsen und Normannen: Stolz, Hochmut, Rücksichtslosigkeit und Härte, aber — Energie habt ihr und — was ist mit dir, William?"

Soeben hat Sir Headley, der „bornierte Papist", einen Flügel des gotischen Fensters geöffnet und — herein donnert von der St. Pauls-Kathedrale her mit mächtigen Ausklängen die Osterbotschaft der großen Paulusglocke:

„Christus ist auferstanden!"

In feierlichen Wogen überschwemmt die Tonflut des Osterjubels das Steinmeer der Millionenstadt.

William Thomson hält seine Stunde für gekommen; mit einem kleinen Zucken um die Mundwinkel ruft er hinüber:

„Bitte, Herr Headley, machen Sie das Fenster zu!"

Etwas überrascht, aber durchaus nicht ungehalten, wendet sich der Alte an den Sprecher:

„Wirklich, Sir William? — God save you, ich hätte nicht gedacht, dass ein frisches Lüftchen den zukünftigen Forscher der Tropen gefährden würde!"

„Nicht das Lüftchen, Sir Headley, ist mir zuwider; das Gebimmel geht mir auf die Nerven!"

„Der 'große Paul' hat die tiefste und weichste Stimme von ganz England!"

„Ich habe durchaus nichts gegen den 'großen Paul', aber ich verabscheue aus ganzer Seele den Aberglauben, der heute an ihm zieht!"

„Hören Sie, Sir William Thomson, wie feierlich die gewaltige Glocke den Ostergruß über die Dächer jubelt: 'Christus ist auferstanden!' Sollte diese Botschaft nicht auch in Ihnen gewisse Erinnerungen aus der Kindheit..."

„Schwindel! — Ja, für Kinder mag es passen, für kleine und für große!"

„Sir William!", lächelt der Alte ohne den geringsten Anflug einer Aufregung — „Schwindel nennen Sie die Tatsache der Auferstehung Christi? — Sie haben ein schweres Wort ziemlich leicht ausgesprochen!"

„Tatsache? — Pah, nicht einmal gelebt hat er!"

„Wer?"

„Dieser Jude, dieser, wie hieß er doch, Jesus von Nazareth!"

„Nicht gelebt? — Sir William Thomson, Sie sind sehr jung und sehr schön!"

Der junge Thomson fährt empor wie von einer Stahlfeder geschnellt:

„Herr Professor Headley! — Ich gehe jede Wette ein, dass die Welt seit Jahrhunderten mit diesem Namen, mit dieser Personifikation einer jüdischen Selbstüberhebung genarrt worden ist! Ich betrachte es als eine Un-Würde, dass selbst Forscher und ernsthafte Gelehrte heute noch einer Hypothese das Wort reden, die jeder wissenschaftlichen Weltauffassung und jeder naturgesetzlichen Erfahrung ins Antlitz schlägt!"

„So, so; den Obersatz hätten wir; der wird sich mit einer Wette sehr schwer beweisen lassen!"

„Ich wiederhole nochmals: Ich gehe jede Wette ein, dass er nicht gelebt hat!"

„Wer soll entscheiden?"

„Das Gericht unseres Klubs?"

„Aaah?"

„Ja! — Ich erbiete mich, innerhalb von zehn Jahren den Beweis zu erbringen, dass keine wissenschaftlich vollgültigen Urkunden existieren, welche die historische Existenz dieses Jesus von Nazareth einwandfrei bekunden! — Unser Schiedsgericht soll über den Wert und die Beweiskraft meines Materials entscheiden! — Nun, Herr Professor Headley, was sehen Sie?"

„Hm, die Wette ist sehr ungleich!"

„Aha?"

„Ja, die Chancen sind wirklich sehr verschieden: Ich wette mein Vermögen gegen die schöne Stecknadel, die Sie dort in der Krawatte tragen!" —

Alles ist still geworden!

„Ihr — Vermögen? — Herr Headley, man spricht von siebzehn Millionen!"

Der Alte schneidet sorgfältig die Spitze seiner Havanna weg und betrachtet den Schnitt durch seine dicke Brille:

„Wenn's nicht genügen sollte", plaudert er vor sich hin — „so wird Herr Dr. Irehand mir den Rest borgen!"

Der Krüppel schaut zurück:

„Zu Diensten, Herr Headley!", sagt er mit lachendem Blick und wendet sich wieder seinen Präparaten zu, als ob er soeben um Feuer gebeten worden wäre.

Diese glänzende Nonchalance, diese urenglische Kaltblütigkeit scheint das Ehrgefühl, mehr noch die Eitelkeit William Thomsons in ihren Tiefen getroffen zu haben; etwas blasser ist er geworden, als er mit scheinbar äußerster Kälte vor den Professor hintritt:

„Herr Headley! Ich nehme an, dass Sie mich nicht weniger gentlemanlike einschätzen werden: Ich setze mein Vermögen nebst Anwartschaft!"

Headley schaut ihn unter seiner Brille hervor an:

„Herr Thomson! Ich bin jederzeit bereit, von meiner Wette zurückzutreten!"

„Aah! — Sie scheinen kein unbedingtes Vertrauen auf Ihre Chancen zu hegen!?"

„Sir William Thomson! Jetzt kann ich nicht mehr zurücktreten! Ich werde die Aufnahme der Wette ins Protokoll veranlassen!"

William Thomson verneigt sich, anscheinend mit der geschäftlichen Ruhe eines Fremden, der soeben nach dem rechten Wege gefragt hat, ebenso sein Freund Fischer, und sie verabschieden sich; unter der Saaltür ruft ihn der alte Gelehrte noch einmal an:

„Eh, Herr William!"

„Ja?"

„Hm, ich hätte noch" — und da nimmt er die Brille ab und hält sie gegen das Licht — „eh, ich hätte eine persönliche Bitte an Sie!"

„Bitte?"

„Ja, hm" — und dabei behaucht er die trüb gewordenen Augengläser — „es wäre mir sehr lieb, wenn, hm, auch Ihr Herr Papa die Wette mitunterzeichnen würde."

Dem jungen Engländer schwillt die Stirnader, und er lässt die Türklinke fahren:

„Herr Headley! — Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt und infolgedessen mündig! Ich danke für Ihr Wohlwollen!"

„Bitte, kein Missverständnis! — Es ist nicht Ihretwegen, sondern meinetwegen: Das englische Strafrecht erklärt denjenigen für belangbar, welcher die Unkenntnis des Nächsten zu seinem Vorteil ausnützt!"

„Herr Headley, ich danke nochmals für Ihr geneigtes Wohlwollen!" Damit schmettert Thomson die Türe hinter sich zu.

Herr Headley setzt die Brille wieder auf:

„... scheint etwas, hm, impulsiv zu sein, der junge Sir William Thomson!"

Dr. Irehand betrachtet durch sein Mikroskop das Präparat eines arktischen Schimmelpilzes.

„Seine Mutter ist Französin!", knurrt er, ohne aufzusehen.

„Hm ... ja, mir ist, als ob etwas in ihm steckte; aber God save him, ich weiß nicht was!"

Damit war die Angelegenheit für die beiden Forscher vorläufig erledigt.

Stumm schreiten indessen die beiden andern durch den nächtlichen Nebel der lichtdurchfluteten Piccadillystraße. Auch der Basler ist schweigsam geworden. Beide stehen im Banne der gewaltigsten Menschheitsfrage — unter dem Eindruck der furchtbaren Wette!

Was ist geschehen?

Etwas Furchtbares?

Oder etwas Großes?

Jedenfalls etwas Entscheidendes!

Von der Jesuitenkirche schlägt es neun Uhr; William Thomson steht einen Moment still und fasst seinen Freund krampfhaft beim Handgelenk.

„Huldreich! — Nun hab' ich ein großes Ziel!"

Im Palais Thomson am Kensington-Garten brennt die ganze Nacht ein Licht, im ersten Fenster links im zweiten Stock, wo sich William Thomsons Schlafzimmer befindet.

Hat ihn die Wette oder das „große Ziel" nicht schlafen lassen, oder hat er vergessen, das Licht zu löschen?

Der Meister vom Stuhl

Am folgenden Morgen, gegen 9 Uhr, will William Thomson bei seinem Papa, Dr. jur. Thomson, vorsprechen, um ihm das Vorgefallene mitzuteilen. In leichten Morgenpantoffeln schreitet er unhörbar durch den Korridor. Schon krümmt er den Finger, um an den inneren Flügel der Doppeltür zu klopfen, als er nochmals innehält. Drinnen knistert etwas; hin und wieder ein Schritt, aber nicht der seines Vaters. Plötzlich klopft er an und stößt sofort die Türe auf: Am Papierkorb steht das Stubenmädchen, eine kleine Schlange, die hin und wieder Näschen und Finger zu tief in fremder Leute Sachen steckt und außerdem unsterblich in Sir Thomson jun. verliebt ist.

Der Eintretende hat das Gefühl, als ob sie soeben mit der einen Hand in die äußere Tasche ihres koketten Schürzchens gefahren sei:

„Was haben Sie dort, Trice?"

„Nichts! — Was sollt' ich haben?   Einige Papierfetzchen hab' ich aufgelesen!"

„Und in die Tasche gesteckt! Wozu?"

„Weil sie durch das Geflecht des Papierkorbes hindurch rutschen! — Soll ich sie jeden Tag dreimal auflesen?"

Das ist gar nicht so übel gesprochen, aber — die kleine Elster ist bei seinem Eintritt rot geworden, und dieser Umstand könnte auf eine andere Auswertung der Papierfetzchen hindeuten. Zerrissene Briefe sind gewöhnlich die interessantesten und lassen sich wieder zusammensetzen!

„Darf ich um diese Fetzchen bitten, Trice?"

„Warum nicht?", entgegnet sie mit gut verstellter Schnippigkeit. — „Hier sind sie!"

„Schön, Trice!", lächelt William, die Handvoll winzig kleiner Fetzchen entgegennehmend und in seiner eigenen Rocktasche versorgend. — „Sollst dafür gelegentlich etwas anderes erhalten — was wünschst du dir?"

Die kleine Katze wird rot bis an die Ohren; während Sir William sich bückt, um noch ein kleines Fetzchen aufzuheben, kommen Schritte gegen die Türe und — „bitte, nichts sagen!" kann ihm die Elster noch zuraunen — da geht die Türe auf, und in ihrem Rahmen steht ein schlanker, vornehmer Mann mit graumeliertem Haar: Sir Edward Thomson, Williams Papa.

„Morning, Boy! — Was tust du hier?"

„Ich warte auf dich. Papa!"

„Allright! — Hier, Iass dich nieder! — Trice! Deine Anwesenheit ist nicht unumgänglich notwendig! Und nun, mein Lieber?“

„Papa, ich habe etwas sehr Wichtiges — hm, etwas sehr, sehr Ernstes auf dem Herzen!"

Das feine, aristokratische Gesicht des gewieften Advokaten wird ernst, und der unsichere Ausdruck seiner grauen Augen verdüstert sich bis zur abweisenden Reserve.   

Weiß er etwas?

„Papa! — Ich bin eine, nach deiner Meinung wohl zu wenig bedachte, hm, Wette eingegangen, die tief in mein Leben einschneiden wird!"

Wie auf ein Stichwort der Bühne heitern sich die Züge Sir Thomsons wieder auf! — Was bedeutet das? Was hatte der alte Herr erwartet?

„Pah! — Wird nicht so schlimm sein! Vielleicht eine Wette auf Leben und Tod? Ein amerikanisches Duell mit Schienenhocken und Pulverfass?"

„Es geht allerdings um Sein oder Nichtsein, Papa, aber in einem andern, ich möchte sagen, höheren Sinne!"

„Dann los — lass mich hören!"

Sir William erzählt seinem lauschenden Herrn Papa die ganze Begebenheit von Schloss Benotseem.

Sir Edward Thomson scheint nicht schnell außer Fassung zu geraten; mit offensichtlicher Gleichgültigkeit, ohne seinen Einzigen unterbrochen zu haben, hat er die Geschichte mit Professor Headley angehört; nun legt er sich behaglich im Stuhle zurück und stopft sehr angelegentlich seine unvermeidliche Hunterpfeife.

„Tja, du hast das Temperament deiner Mutter! — Eine böse Geschichte; aber ich hoffe, bis in zehn Jahren den größten Teil deines Vermögens retten zu können!"

„Retten? — Retten sagst du? Ich will ja gewinnen!"

„Wünsche dir Glück! — Aber es haben vor dir schon Größere den Sprung versucht! — Zudem bist du nicht Fachmann!"

„So sprichst du, Papa? — Du, der Meister vom Stuhl? Sind wir Freimaurer nicht grundsätzliche, überzeugte Gegner jeglicher Dogmatisierung aus religiösem Gebiete?"

„Gewiss! — Das schon! — Aber man kann überzeugter Gegner von bewiesenen Tatsachen sein, wenn sie uns nicht gefallen, wenn diese Tatsachen mit unserer Lebensauffassung nicht vereinbar sind!"

„Tatsachen? Tatsachen, sagst du? — Soll denn zum Beispiel die Wundermär von der Auferstehung des Nazareners eine Tatsache sein?"

„Das weiß ich nicht! Ich persönlich glaube selbstredend nicht daran — ich habe mich um solche Fragen nie sonderlich gekümmert. — Schlagen nicht in mein Fach ein; aber das eine haben mir große Führer des englischen und französischen Großorients des Öfteren gestanden, dass mehr als neunzig Prozent der Freimaurer, besonders der Hochgrade, zu gebildet seien, als dass sie die Grundwahrheiten der Offenbarung vor sich selbst und mit innerer Überzeugung zu leugnen imstande wären!"

„Donnerwetter! — Das ist mir allerdings neu!  

Wie kann man denn nur gegen Tatsachen und die innerste Überzeugung ankämpfen? — Wir, wir Maurer von der hohen Einsicht, erklären doch jedem religiösen Dogma den Krieg!"