Zauberküsse - Jana Voosen - E-Book

Zauberküsse E-Book

Jana Voosen

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Beschreibung

Liebestrank mit Nebenwirkungen?

Die einunddreißigjährige Luzie fällt aus allen Wolken. Ihr neuer Freund Gregor ist nicht ganz so single, wie er vorgegeben hat. Aus dem Liebeshimmel verbannt, heckt Luzie kleine Rachepläne aus. Und da ist ihr jede Hilfe recht, sogar die von der geheimnisvollen Thekla, die von sich behauptet, zaubern zu können. Schaden kann ein bisschen Aberglauben ja nicht, oder doch?

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Seitenzahl: 391

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Inhaltsverzeichnis
 
Das Buch
Die Autorin
Widmung
Danksagung
Prolog
 
Kapitel 1. – B wie besetzt
Kapitel 2. – Verbrechen aus Leidenschaft
Kapitel 3. – Liebe nine to five
Kapitel 4. – Madame Theklas Zauberstube
Kapitel 5. – Razzia
Kapitel 6. – Liebeszauber mit Nebenwirkung
Kapitel 7. – Du bist doch die Putzfrau!
Kapitel 8. – »Kann man an gebrochenem Herzen sterben?«
Kapitel 9. – Mit ein bisschen Phantasie
Kapitel 10. – Vierlagig und weich und blau
Kapitel 11. – Liebe geht durch die Nase
Kapitel 12. – Mann im Wandschrank
Kapitel 13. – Das ist keine Ja- oder Nein-Frage!
Kapitel 14. – Nouvelle cuisine
Kapitel 15. – Verzauberliebt
 
Copyright
Das Buch
»Ich verlange die sofortige Einführung der Zwangs-Brandmarkung für alle verlobten, verheirateten oder sonstwie gebundenen Männer. Ein schönes, fettes, rotes, vernarbtes ›B‹ für ›Besetzt‹. Nicht wie bei Kühen auf den Hintern, denn wenn ich den erstmal zu Gesicht bekommen habe, ist es sowieso schon zu spät. Nein, ein für die Öffentlichkeit stets zugänglicher Körperteil müsste es sein. Ich bin für die Stirn. Von mir aus auch den Handrücken, aber darunter gehe ich nicht.« (Luzie, 31 Jahre)
 
»Jana Voosen ist ein echtes Ausnahmetalent.« Hamburger Morgenpost
Die Autorin
Jana Voosen, Jahrgang 1976, studierte Schauspiel in Hamburg und New York. Es folgten Engagements an Hamburger Theatern. Daneben war sie in TV-Produktionen wie Tatort, Stahlnetz und Im Tal der wilden Rosen zu sehen. Jana Voosen lebt und arbeitet in Hamburg.
 
Lieferbare Titel
Venus allein zu Haus – Er liebt mich …
Für M.P.
 
Es gibt immer einen besseren Mann, es gibt immer einen besseren Job, es gibt immer eine bessere Stadt, aber es gibt nur dieses eine Leben!
 
Aus »Gabrieles Universum« von Lucie Völcker
Danke!
Lucie für Gabriele, die zu mir kam, als ich sie brauchte!Stormi vom »Freudenhaus«, für gastronomisches Know-how!Steff dafür, dass du an mich glaubst, wenn ich es nicht mehr tue!Natalie für kreativen Input und Inspiration!Wiebke für Beistand, selbst wenn bei dir die Hütte brennt!
Prolog
»Irgendetwas ist in letzter Zeit gründlich schiefgelaufen«, fährt es mir durch den Kopf, als ich plötzlich einen Stoß im Rücken spüre, der mich zu Boden reißt. Jemand drückt mir sein Knie unsanft in den Rücken. Er hält mich mit seinem ganzen Körpergewicht am Boden, sodass mir die Luft aus den Lungen gepresst wird.
»Gregor«, versuche ich mich ihm zu erkennen zu geben, doch es kommt nur ein heiseres Flüstern aus meiner Kehle. Jetzt dreht er mir mit einer schnellen Bewegung beide Arme auf den Rücken, sodass ich einen Schmerzenslaut von mir gebe.
»Hab ich dich«, herrscht er mich an und ich komme mir vor wie in einem wirklich schlechten Film. »Anna«, ruft er dann mit erhobener Stimme in Richtung des oberen Stockwerkes, »ich habe ihn. Ruf die Polizei.«
»Nein, bitte nicht«, presse ich hervor. Das fehlt mir gerade noch.
»Halts Maul«, fährt er mich an und drückt meine Handgelenke noch ein Stückchen weiter in Richtung Schulterblätter. Gequält gebe ich meinen Widerstand auf und lege mein Gesicht auf das kühle Holz des Parkettfußbodens. Mein Blick fällt auf das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Bis vor einer Minute räkelte sich dort noch eine nackte Schöne mit wallender, dunkler Lockenmähne auf einem Diwan. Jetzt sind von ihr nur noch ein Paar wohlgeformte Füße und ein schlanker, weißer Arm zu erkennen. Fasziniert beobachte ich die rubinrote Farbe, die zähflüssig über die zwei Meter breite Leinwand läuft und träge auf das darunterstehende, schwarzlackierte Klavier tropft.
»Ich habe angerufen. Ist alles in Ordnung, Liebling?«, ertönt eine weibliche Stimme aus dem Nebenraum und es läuft ein Adrenalinstoß durch meinen Körper.
»Ja,«, antwortet Gregor und lockert seinen Griff ein kleines bisschen. »Bleib lieber, wo du bist, vielleicht ist der Kerl bewaffnet.«
»Ist gut«, zwitschert Anna verschreckt und findet ihren Ehemann gerade wahrscheinlich sehr heldenhaft. Und er sich auch. Ich ziehe empört die Luft ein. Mir reicht es nämlich langsam. Gut, das Zimmer mag ja nicht gerade hell erleuchtet sein, aber im Mondlicht, das durch die gläserne Fassade hereinscheint, hätte er nun wirklich langsam erkennen können, dass es sich bei »dem Kerl« um eine Frau handelt. Eine kaum einen Meter siebzig große Frau mit langen blonden Haaren. Um mich, Luzie Kramer. Die Wut mobilisiert meine Kräfte, ungeachtet seines Polizeigriffs bäume ich mich auf und drehe mich unter seinem Körper auf die Seite. Sehe ihn an. Gregor zuckt zurück.
»Der Kerl ist nicht bewaffnet«, zische ich ihn an, »aber vielleicht sollte deine Frau trotzdem besser bleiben, wo sie ist. Oder was meinst du? Liebling?« Mit offenem Mund starrt mein Freund mich an.
»Was zum Teufel machst du denn hier?«, stammelt er hilflos, während ich mich nun vollends seinem Griff entwinde.
»Das wollte ich dich auch gerade fragen«, erwidere ich wütend und reibe mein schmerzendes Handgelenk.
»Ich wohne hier«, verteidigt er sich.
»Du weißt ganz genau, was ich meine«, fauche ich ihn an und will gerade damit beginnen, ihm so richtig die Meinung zu sagen, als es an der Tür klingelt. Wir fahren beide erschrocken zusammen, während von draußen ein erleichterter Aufschrei Annas zu hören ist, gefolgt von dem Tapsen nackter Füße auf dem Holzfußboden.
»Da sind Sie ja schon. Das ging aber wirklich schnell.«
»Ich war gerade mit meinem Einsatzfahrzeug in der Nachbarstraße, als Ihr Notruf einging«, antwortet eine tiefe Männerstimme.
»Was für ein Glück! Bitte kommen Sie herein. Mein Mann hat den Einbrecher im Wohnzimmer überwältigt.« Hilflos lauscht Gregor nun den Schritten, die sich der angelehnten Wohnzimmertür nähern. Mein Blick fällt erneut auf das ruinierte Bild an der Wand. Der Schwerkraft gehorchend fließt die Farbe weiterhin munter in Richtung Boden und hat mittlerweile die Tastatur des Klaviers erreicht. Wer lässt denn auch so ein Instrument einfach offen rumstehen? Mir ist alles andere als wohl in meiner Haut und ich verfluche mal wieder mein überschäumendes Temperament.
»Sag kein Wort. Lass mich reden«, flüstert Gregor mir hektisch zu und packt erneut mein Handgelenk.
»Aua«, sage ich empört.
»Du lässt mich reden, verstanden? Verstanden?«, wiederholt er in drängendem Tonfall und sieht mich fast flehend an. »Bitte«, fügt er hinzu und legt seine Hand kurz an meine Wange. Sein Gesicht ist jetzt ganz nah an meinem, sein geschwungener Mund Millimeter von meinem entfernt. Ich sehe in seine schönen braunen Augen und habe plötzlich einen Kloß im Hals. Als die Tür mit einem Ruck aufgestoßen wird, nicke ich ergeben.
 
Wie konnte ich nur in diese Situation geraten? Vor ein paar Tagen war das Leben noch so einfach. Und so schön. Als ich letzten Freitagmorgen die Augen aufschlug, war ich verliebt. Und glücklich. Bis der Mann in meinem Bett meinte, mir ein nicht ganz unwichtiges Detail seiner Lebensumstände nicht länger vorenthalten zu dürfen. Ich frage mich, ob Ehrlichkeit in Beziehungen nicht grundsätzlich überschätzt wird …
 
Drei Tage zuvor:
1.
B wie besetzt
Ich verlange die sofortige Einführung der Zwangsbrandmarkung für alle verlobten, verheirateten oder sonstwie gebundenen Männer. Ein schönes, fettes, rotes, vernarbtes »B« für »Besetzt«. Nicht wie bei Kühen auf den Hintern, denn wenn ich den erstmal zu Gesicht bekommen habe, ist es sowieso schon zu spät. Nein, ein für die Öffentlichkeit stets zugänglicher Körperteil müsste es sein. Ich bin für die Stirn. Von mir aus auch den Handrücken, aber darunter gehe ich nicht.
Doch auf dem Körper meines Gegenübers ist beim besten Willen nirgendwo ein B zu entdecken. Und das kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, denn er liegt nackt in meinem Bett. Genauer gesagt: In meinen Armen, die ich, ebenfalls im Evakostüm, neben ihm liege. Verschwitzt vom leidenschaftlichen morgendlichen Beischlaf, den wir vor wenigen Minuten beendet haben. Leider bin ich aber überhaupt nicht entspannt. Nicht im Geringsten. Das liegt nicht daran, dass der Herr neben mir ein zweitklassiger Liebhaber wäre. Ehrlich gesagt ist er der Beste, der mir bisher passiert ist. Doch die Entspannung, die sich nach dem großartigen Orgasmus gerade in meinem ganzen Körper auszubreiten begann, ist jetzt wie weggeblasen. Einfach ausgelöscht durch den schlichten Satz:
»Ich bin verheiratet.«
Mit einem Ruck setze ich mich im Bett auf, grabsche nach der mit blauem Satin bezogenen Decke und halte sie mir schützend vor die Brust. Albern, ich weiß, aber im Moment habe ich das dringende Bedürfnis nach Verhüllung.
»Du bist was?«, frage ich mit einem Zittern in der Stimme und hoffe immer noch, mich verhört zu haben. Aber das schlechte Gewissen in Gregors Augen spricht Bände. Er muss gar nichts sagen, ich weiß schon, dass ich ihn richtig verstanden habe.
»Ich bin verheiratet«, wiederholt er dennoch. Stumm sehe ich ihn an und rücke ein Stück von ihm ab. Er robbt hinter mir her und versucht, einen Arm um mich zu legen.
»Ich wollte es dir schon vorher sagen …«, beginnt er.
»Das wäre eine gute Idee gewesen«, sage ich schnippisch. »Und warum hast du nicht?« Hilflos sieht er mich mit seinen sanften braunen Augen an, fährt sich nervös mit der Hand durch die blonden Locken, die ihm wie immer kreuz und quer vom Kopf abstehen.
»Na ja, also, ich …«, druckst er herum und ich sehe ihn wütend an.
»Ja? Du …«, frage ich unwirsch.
»Ich dachte, dann würdest du sicher nichts mit mir anfangen.« Seine Dreistigkeit verschlägt mir für einen Moment die Sprache. Mit großen Augen starre ich ihn an und versuche zu verarbeiten, was er da gerade von sich gegeben hat. Meine Gedanken rasen. Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder raste ich aus oder ich bleibe ganz cool. Eigentlich wäre mir mehr nach ausrasten, aber in diesem Fall kann ich für nichts garantieren. Ich bin nämlich leider ein ziemlich temperamentvoller Mensch, um es mal positiv zu formulieren. Und um mich stehen einfach zu viele harte Gegenstände herum, die ich in meiner Wut nach Gregor werfen könnte. Vielleicht würde ich ihn mit dem Radiowecker, der neben mir auf dem Nachttisch steht, tatsächlich treffen. Ich glaube, auf Körperverletzung stehen schlimme Strafen. Das ist ein Grund, weshalb ich mich jetzt zusammenreiße und tief durchatme. Der zweite Grund liegt immer noch an meiner Seite und sieht mich mit einem Dackelblick an, der mir ins Herz schneidet. Ich könnte ihm nie wehtun. Denn ich liebe diesen Mann.
»Da hast du verdammt recht. Dann hätte ich nichts mit dir angefangen«, sage ich so ruhig wie möglich und wickele mich noch fester in die Decke. Mir ist plötzlich kalt. Mein heimlicher Traum von der gemeinsamen Zukunft mit Gregor bricht zusammen wie ein Kartenhaus. Na schön, wir kennen uns erst seit knapp einem Monat, dennoch war ich davon überzeugt, dass er der Mann meines Lebens ist. Und dabei bin ich für ihn anscheinend nichts als eine kleine Affäre.
»Kannst du mir sagen, wo deine Frau in den letzten vier Wochen war?«, bringe ich mühsam hervor. »Ich meine, hat sie dich nicht vermisst? Du warst doch fast ununterbrochen hier bei mir.«
»Sie war auf Geschäftsreise in den USA.« Ein weiterer Dolchstoß in mein geplagtes Herz. Natürlich ist sie erfolgreiche Geschäftsfrau, die das ganze Jahr über durch die Welt jettet und eine Menge Kohle verdient. Dass sie in ihrer Abwesenheit fröhlich von ihrem Mann betrogen wird, und zwar mit mir, kann mich nicht trösten. Sofort fühle ich mich hoffnungslos unterlegen.
»Und wann kommt sie wieder?«
»Äh.«
»Lass mich raten. Heute?« Ich muss gar nicht hinsehen. Ich weiß, dass er nickt. »Tja, dann …« Meine Augen beginnen, teuflisch zu brennen. Eine eiserne Faust legt sich um mein Herz und drückt langsam zu. »Dann war es das wohl«, quetsche ich endlich hervor. Diesmal ist es Gregor, der sich mit einem Ruck aufsetzt.
»Was?«, fragt er und sieht mich verständnislos an. Dann reißt er mich in seine Arme und legt den Kopf an meine Brust.
»Deshalb wollte ich es dir nicht sagen. Weil ich Angst hatte, dass du mit mir Schluss machst. Bitte, bleib bei mir«, flüstert er und ich schiele verwundert zu ihm herunter. Eine seiner Locken kitzelt mich an der Nase und ich versuche, sie möglichst unauffällig in eine andere Position zu pusten. »Bleib bei mir«, unterbricht Gregor mich in meinen Bemühungen. Ich gebe auf, befreie meinen linken Arm aus seiner Umklammerung, streiche die Haare zur Seite und reibe ausgiebig an meiner Nase herum, bis der Juckreiz verschwindet. Der Mann um meinen Hals hebt den Kopf und sieht mich an. Zum Steinerweichen. »Bleib bei mir«, sagt er zum dritten Mal und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Er legt den Kopf ein wenig zur Seite, sein Mund mit den weichen, geschwungenen Lippen kommt auf mich zu, berührt schließlich meinen. Seine Augen schließen sich, während er beginnt, mich leidenschaftlich zu küssen. Ich liebe diesen Anblick. Der dichte Wimpernkranz seiner geschlossenen Augen. Er sieht dann so friedlich aus, und so hingebungsvoll. Seine linke Hand fährt unter die Decke, die noch immer schützend meinen Körper umhüllt und schiebt sie zur Seite. Er schmiegt sich an mich, seine Beine umschlingen meine, ich dränge mich dichter an ihn. »Er ist verheiratet, hast du eben nicht zugehört«, schreit eine Stimme in mir empört auf, aber ich höre sie nur noch aus weiter Ferne. »Ist mir egal«, bringe ich sie zum Schweigen, »im Moment gibt es nur ihn und mich.«
 
Danach fühle ich mich furchtbar. Sicher, ich habe den ganzen letzten Monat über mit einem verheirateten Mann geschlafen, aber da wusste ich schließlich noch nichts davon. Diesmal schon. Und es fühlt sich schrecklich an. Obwohl es gut war. Wie immer. Vielleicht sogar noch besser, aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Schwer atmend lösen wir uns voneinander und sofort ist der Gedanke wieder da. Er ist verheiratet. Sein betont unauffälliger Blick auf den Radiowecker neben mir tut ein Übriges. Er denkt, ich hätte es nicht mitbekommen, aber schließlich bin ich eine Frau. Und ich habe die Veränderung, die durch seinen Körper gegangen ist, sehr wohl bemerkt. Er wirkt angespannt. Anscheinend ist es später, als er erwartet hat. Und ich kann die Gedanken in seinem Kopf förmlich rattern hören: Wie komme ich so schnell wie möglich aus diesem Bett heraus, ohne unhöflich zu wirken? Er legt seinen Kopf auf meine Brust und flüstert:
»Ich liebe dich.« Ja, sicher. Einige Augenblicke liegen wir still da, dann erbarme ich mich.
»Wenn du gehen musst, dann geh ruhig. Ist schon okay.« Überrascht hebt er den Kopf und sieht mich an. Und jetzt setzt er auch noch seinen Unschuldsblick auf. »Tu doch nicht so. Ich weiß, dass du unter Zeitdruck stehst. Wahrscheinlich kommt ihr Flieger gleich an und du hast versprochen, sie abzuholen. Richtig?« Gregor sieht jetzt aus, als hätte er eine Erscheinung.
»Woher weißt du das«, fragt er verblüfft. Männer! Nur weil sie eins und eins nicht zusammenzählen können, und eine Schwingung im Raum selbst dann nicht wahrnehmen, wenn die Fliegen schon tot von den Wänden fallen, denken sie, wir Frauen wären genauso unsensibel.
»Ich weiß es eben«, sage ich geheimnisvoll und lächele wissend. Soll er ruhig glauben, ich hätte irgendwelche seherischen Fähigkeiten. So was ist immer Respekt einflößend. Und so sieht er mich jetzt auch an: Ehrfürchtig. Für eine Sekunde habe ich Oberwasser. »Nun geh schon«, fordere ich ihn auf und er springt so schnell aus dem Bett, dass mein Triumphgefühl im Bruchteil von Sekunden in sich zusammenfällt. Ich klammere mich schon wieder an meiner Decke fest, während ich durch die geöffnete Schlafzimmertür beobachte, wie Gregor im Flur seine verstreuten Klamotten zusammenklaubt. Jetzt ärgere ich mich über mich selbst, dass ich es ihm so leicht gemacht habe. »Nun geh schon.« Ja, bin ich denn noch zu retten? Jetzt erscheint Gregor im Türrahmen und schlüpft hastig in seine hellblauen Boxershorts.
»Kleiner Tipp«, sage ich süffisant, »auch wenn du es noch so eilig hast, du solltest vorher vielleicht duschen. Ich glaube, sie wird dir schon verzeihen, wenn du eine Viertelstunde zu spät kommst. Wenn du pünktlich bist, aber nach Sex riechst, habe ich da so meine Zweifel.« Gregor zieht erschrocken die Luft ein.
»Oh mein Gott, du hast Recht.« Mit diesen Worten dreht er sich um und läuft meinen kleinen Flur hinunter. Ich höre die Badezimmertür klappen und kurz darauf die Dusche rauschen. Normalerweise duschen wir immer gemeinsam. Danach. Aber ich bin im Moment viel zu sehr damit beschäftigt, mich für das größte Schaf der Welt zu halten. Was ist denn heute bloß los mit mir? Mein Freund belügt mich vier geschlagene Wochen lang. Dann erzählt er mir die Wahrheit, und statt ihm sofort die Tür zu weisen, lasse ich mich erstmal gepflegt von ihm durchvögeln. Danach darf er sofort zu seiner Frau eilen und zu guter Letzt gebe ich ihm auch noch Tipps, damit sie ihn nicht erwischt.
Wenige Minuten später steht Gregor fix und fertig angezogen vor meinem Bett, während ich noch immer wie paralysiert vor mich hin glotze.
»Tja, dann, also … Ich ruf dich an.« Damit beugt er sich zu mir herunter und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Es ist ein bisschen wie bei Schneewittchen. Als sein Mund meinen berührt, erwache ich endlich aus meiner Starre. Gregor ist schon fast aus dem Zimmer raus, als ich ihn zurückrufe:
»Moment mal. Bleib stehen!« Überrascht über meinen Befehlston dreht er sich zu mir um.
»Was ist denn?« Mit einem Satz bin ich aus dem Bett. Jetzt ist es mir egal, dass ich splitterfasernackt vor ihm stehe. Wütend funkele ich ihn an.
»Was los ist? Du hast sie wohl nicht mehr alle! Glaubst du wirklich, du kannst jetzt einfach so gehen?«
»Na ja, ich …«, meint er achselzuckend, aber ich schneide ihm das Wort ab.
»Das war eine rhetorische Frage. Ich will darauf keine Antwort haben.«
»Ich weiß, was rhetorisch bedeutet«, sagt er grinsend und ich schnappe empört nach Luft.
»Sehr witzig! Deine blöden Scherze kannst du dir sonst wohin stecken. Ich will wissen, warum du mich angelogen hast. Warum du die Sache mit mir überhaupt angefangen hast. Warum sagst du, dass du mich liebst? Warum …?« Ich breche ab, weil mich irgendetwas am Reden hindert. Verwundert registriere ich, dass mir Tränen das Gesicht herunterlaufen und ich heftig schluchze. »Warum, warum«, stammele ich und Gregor sieht richtig erschrocken aus. Er nimmt mich in die Arme und drückt mich an sich, ich weine herzzerreißend an seiner Brust.
»Es wird alles gut, ich verspreche es dir«, murmelt er an meinem Ohr und seine sanfte Stimme beruhigt mich etwas.
»Ja?«, frage ich kläglich und er nickt.
»Ganz bestimmt.« Er schiebt mich auf Armeslänge von sich weg und mustert mich besorgt. »Geht’s wieder?« Ich schniefe, nicke aber tapfer. Mit dem Daumen seiner rechten Hand fährt er mir leicht über die Wange und wischt meine Tränen weg. Dann schließt er mich noch mal in die Arme und ich schmiege mich an ihn, vergrabe mein Gesicht an seinem Hals und atme seinen Geruch ein. Es geht mir ein bisschen besser. Es wird alles gut werden. »Wir werden über alles sprechen, versprochen«, flüstert er in mein Ohr. »Beim nächsten Mal. Ich muss jetzt wirklich gehen.« Er lässt mich los und sieht mich bedauernd an. »Es tut mir leid. Ich rufe dich an.« Er drückt mir erneut einen Kuss auf die Lippen, den ich nicht erwidere. »Ciao, ich liebe dich.« Damit verlässt er mit eiligen Schritten meine Wohnung. Wie betäubt stehe ich mitten in meinem Schlafzimmer. Nackt. Ein ganz leichter Windhauch streicht durch das geöffnete Fenster über meinen Körper, der Laminatfußboden scheint unter meinen Füßen zu schwanken. Sehr lange stehe ich so da. Und als mir endlich ein gequältes »Ich liebe dich auch« über die Lippen kommt, ist Gregor wahrscheinlich längst am Flughafen und schließt seine heimkehrende Frau in die Arme. Wie heißt sie überhaupt?
 
Sie heißt Anna. Liegt es an mir, oder ist das ein blöder Name? Das kann mir Loretta auch nicht sagen, dabei weiß sie doch sonst immer alles. Loretta ist Scheidungsanwältin, hätte aber auch eine echt gute Privatdetektivin abgegeben. Sie ist nämlich ein Ass in jeder Art von Recherche. Praktischerweise ist sie zudem seit Kindertagen meine beste Freundin. Zu ihr bin ich geflüchtet, nachdem Gregor meine Wohnung verlassen hat. Ich erwische sie gerade noch an ihrer Wohnungstür, als sie sich in ihrem schicken, grauen Nadelstreifenanzug, der sich um ihren langen, schlanken Körper schmiegt, die kurzen, schwarzen Haare akkurat frisiert und die dunklen Augen durch dezentes Make-up betont, auf den Weg in die Kanzlei machen will. Ein Blick in mein Gesicht reicht und schon zieht sie mich in ihre schicke Vier-Zimmer-Altbauwohnung hinein und sagt telefonisch die ersten zwei Termine des Morgens ab.
»Das ist doch nicht nötig«, protestiere ich schwach, bin aber dann doch dankbar, als sie meine Einwände mit einer Handbewegung vom Tisch fegt. Nachdem ich mich ausgeheult habe, drückt Loretta mir meinen mit grünem Tee gefüllten Lieblingsbecher in die Hand, den mit den rosa Rosen drauf, aber selbst der kann mich heute nicht aufheitern. Ich sitze neben Loretta in ihrem Arbeitszimmer und betrachte die langen Reihen von Gesetzesbüchern, die sich in den weißen Regalen an der Wand befinden, während meine Freundin in die Tasten haut und in Windeseile alles Wissenswerte über SIE herausfindet. Über Anna Landahl. Seinen Namen hat sie also auch angenommen. So eine Gemeinheit! Insgeheim hatte ich ja schon meine neue Unterschrift geübt. Luzie Landahl. Ich weiß, vielleicht etwas voreilig, wenn man den Typen erst seit vier Wochen kennt. Aber ich sage doch, er ist meine große Liebe. Der Mann meines Lebens. Dachte ich jedenfalls. Bevor ich wusste, dass es schon eine Frau Landahl gibt. Und zwar eine, die nicht seine Mutter ist.
»Sie wohnen in Halstenbek«, gibt Loretta mir einen Zwischenstand bekannt, aber das wusste ich ja bereits. Und dabei fällt mir auf, wie ausgesprochen dämlich und blind ich eigentlich den ganzen letzten Monat über gewesen sein muss. Es ist mir nicht einmal aufgefallen, dass er mich nie mit zu sich genommen hat. Nicht mal auf eine kleine Führung durch die Wohnung. Das hätte mich doch misstrauisch machen müssen, oder? Aber er hat sich ständig damit rausgeredet, dass Halstenbek ja doch ziemlich weit draußen liegt und dass bei ihm mal wieder nicht aufgeräumt ist. Und dann hat er angefangen rumzuschleimen, wie ungeheuer süß und gemütlich er meine Wohnung findet und dass er sich dort so wahnsinnig wohlfühlt. Ich bin wirklich naiv.
Frau Landahl ist übrigens »Direktionsassistentin« bei Esso. Auch nichts anderes als eine Sekretärin. Hat sich was mit erfolgreicher Geschäftsfrau. Was eine Sekretärin macht, das wissen wir ja alle. Vorzugsweise Kaffee und Fotokopien. Ach ja, und meistens bumst sie mit dem Chef. Hoffentlich! Meine Güte, ich habe heute wirklich furchtbar schlechte Laune. Eine ganze Weile ätze ich noch so vor mich hin, bis es Loretta reicht und sie mich unterbricht:
»Ja, ja, und Rechtsanwälte sind alle skrupellose Arschlöcher. Jetzt komm mal wieder runter.« Beleidigt mache ich den Mund zu. »Außerdem gibt es doch einen feinen Unterschied zwischen Sekretärin und Direktionsassistentin«, klärt meine Freundin mich auf. »Sie hat nämlich drei Jahre lang an einer Fachhochschule studiert und spricht drei Sprachen fließend.« Mit großen Augen schaue ich sie an. Wirklich? Na ja, versuche ich mich zu beruhigen. Zumindest mein Englisch ist dank eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes perfekt. Vom Französischunterricht aus der Schule weiß ich nicht mehr so wahnsinnig viel, aber ich schätze, ein kleiner Intensivkurs an der Volkshochschule würde mir da sicher auf die Sprünge helfen. Zusammen mit meinen Deutschkenntnissen spreche ich also auch fast drei Sprachen. »Englisch, Spanisch und Italienisch«, fährt Loretta fort. Ach, Deutsch ist noch gar nicht dabei?
»Sag mal, willst du mich fertigmachen?«, herrsche ich Loretta an und sie zieht erschrocken den Kopf ein.
»Sorry, ich wollte doch nur … Du hast recht. Vergiss es.«
»Das kann ich jetzt nicht mehr. Das hättest du dir ruhig vorher überlegen können, bevor du mir sagst, dass sie ein Sprachgenie ist«, rege ich mich auf.
»Tschuldigung.«
»Ich glaub, ich habe genug erfahren. Du kannst das Ding jetzt ausmachen.« Sie schließt mit einem schuldbewussten Gesichtsausdruck ihren Laptop. Dabei wollte sie mir doch nur helfen. »Ich weiß, du wolltest mir nur helfen«, sage ich versöhnlich und lege ihr die Hand auf den Arm. »Aber vielleicht ist es doch keine so gute Idee, allzu viel über die Tussi zu erfahren. Stell dir mal vor, wir finden ein Foto von ihr und sie sieht aus wie Catherine Zeta Jones.«
»Die find ich ja nicht so toll.«
»Aber du weißt doch, was ich meine«, sage ich ungeduldig.
»Ja, ich weiß, was du meinst. Aber tu mir einen Gefallen und sieh es auch mal so: Selbst wenn sie aussehen sollte wie ein Model, dazu noch klug, reich und liebenswert ist, so ist sie doch nicht zu beneiden.« Was? Das sehe ich aber ganz anders.
»Warum denn nicht«, erkundige ich mich begriffsstutzig und Loretta haut mir mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Weil sie von ihrem Mann betrogen wird. Darum.«
Da hat sie schon recht, das ist nicht schön. Trotzdem, es will mir beim besten Willen nicht gelingen, Mitleid für diese Frau aufzubringen. Dazu tue ich mir selbst viel zu sehr leid. Es ist mittlerweile halb sechs und in einer Stunde fängt meine Schicht im »L’Auberge« an. Das ist ein nobles Restaurant in der Hamburger Innenstadt, nahe dem Thalia-Theater gelegen. Dort arbeite ich seit fast fünf Jahren als Kellnerin. Ich habe schon mit vierzehn Jahren in der Gastronomie gearbeitet und kann mir nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu tun. Klar, manche Leute rümpfen die Nase, wenn sie hören, dass ich einunddreißig Jahre alt und Kellnerin bin. Anna würde bestimmt pikiert dreinschauen, möchte ich wetten. Solche Leute denken immer, dass kellnern so eine Art Notlösung für Leute ist, die ihr Studium nicht geschafft haben und auch sonst nichts können. Aber ich wollte nie etwas anderes machen. Mein größter Traum ist es, ein eigenes, kleines Café mit wenigen, ausgesuchten Speisen auf der Karte zu eröffnen. Dafür spare ich seit Jahren eisern und tatsächlich habe ich mittlerweile eine hübsche Summe zusammen. Bis vor vier Wochen war ich jeden freien Nachmittag auf Location-Suche und habe mir sämtliche leer stehenden Ladenlokale angeschaut, die Hamburg zu bieten hat. Als ich Gregor kennengelernt habe, haben sich meine Prioritäten dann allerdings etwas verschoben.
Seufzend schließe ich die Tür zu meiner Wohnung auf, um mich für die Arbeit umzuziehen. Während ich meinen kurzen, schwarzen Rock und eine frisch gebügelte weiße Bluse anziehe, wandern meine Gedanken zu dem Tag vor vier Wochen, als Gregor und ich uns zum ersten Mal begegnet sind. Es war der dreiundzwanzigste August, einer der letzten wirklich heißen Sommertage. Fast dreißig Grad und kein einziges Wölkchen am Himmel. Ich hatte mich mit einem guten Buch in einen der hölzernen Liegestühle an der Alster gelegt. Er saß wenige Meter von mir entfernt an den Stamm eines Baumes gelehnt im Schatten und zeichnete etwas mit Kohle auf einen Block. Mich, wie sich eine halbe Stunde später herausstellen sollte, als er zu mir rüberkam und mir die Zeichnung schenkte. Die mir nicht nur unglaublich ähnelte, sondern auch noch schmeichelte. Gregor ist nämlich Maler, wie er mir gleich darauf erzählt hat, als ich begeistert sein Werk gelobt habe. Und normalerweise malt er mit Ölfarbe. Auf riesengroße Leinwände. Ein echter Künstler. So einen hatte ich bis dahin noch nie persönlich kennengelernt. Der Rest ist Geschichte.
Schnell schiebe ich den Gedanken an Gregor beiseite und eile ins Badezimmer. Wo mich das nasse rote Handtuch, das da zerknüllt auf den Fliesen liegt, sofort wieder an ihn erinnert. Seufzend hebe ich es auf. Dann beginne ich, meinen aalglatten, blonden Haaren mit Hilfe des Lockenstabes zumindest einen leichten Schwung zu verpassen. Dabei erscheint vor meinem inneren Auge wieder das Bild, das ich mir von Anna gemacht habe, obwohl ich keine Ahnung habe, ob es auch nur im Entferntesten der Wirklichkeit entspricht: Dicke, dunkelbraune Locken umrahmen ein Gesicht mit hohen Wangenknochen und funkelnden schwarzen Augen. Eine Sanduhrfigur mit üppigen Brüsten und geschwungenen Hüften. Das Lächeln enthüllt herrliche weiße Zähne, aufgereiht wie Perlen. Das Gegenteil von mir eben: Blond, grünäugig, mit gerade mal einer knappen Handvoll Brust. Wenn die Hände nicht allzu groß sind. Ich schneide meinem Spiegelbild eine Grimasse und fahre mit der Zungenspitze über meine Vorderzähne. Zum tausendsten Mal verfluche ich mich dafür, dass ich die Zahnspange als Kind nicht regelmäßig getragen habe. Die deutliche Lücke zwischen den vorderen Schneidezähnen hatte ich nämlich schon damals. Der Rest meines Gebisses war auch ziemlich krumm und schief. Ich war unglaublich stolz, als ich mit neun Jahren endlich die ersehnte Klammer bekam und lief ständig mit der klappernden, pinkfarbenen Dose um den Hals herum. Bis ich aufs Gymnasium kam. Da waren Zahnspangen total uncool. Megaout. Und ich trug meine nur noch nachts. Eigentlich kann ich von Glück sagen, dass mein Gebiss dennoch relativ ansehnlich geworden ist. Aber die Lücke vorne ist geblieben. Irgendwann habe ich mich damit angefreundet. Und mir von Gregor sagen lassen, dass er sie supersexy findet. Kann ich eigentlich auch mal zwei Minuten lang nicht an den Mistkerl denken?
 
Ich ringe mir so etwas wie ein Lächeln ab, als ich eine halbe Stunde später das Restaurant betrete und meinen Chef Norbert begrüße.
»Oh, Luzie, Gott sei Dank, dass du da bist«, wispert er mir zu, als ich zu ihm hinter den Tresen trete. Seine sonst so fröhlichen braunen Augen haben einen gehetzten Ausdruck und auf seiner »hohen Stirn«, wie er seine Halbglatze nennt, glänzen feine Schweißperlen im Licht der Kronleuchter über uns.
»Was ist denn los«, frage ich alarmiert und greife nach der bereitliegenden Schürze.
»Alle haben mich im Stich gelassen. Ich bin verzweifelt«, jammert Norbert, während er in Windeseile vier bauchige Weingläser mit unserem erstklassigen Merlot füllt. »Julia und Katja haben die Grippe. Alle beide, kannst du dir das vorstellen? Daniel ist im Urlaub und Claudia erreiche ich auch nicht. Du bist meine letzte Rettung.«
»Aber wer ist denn …«, beginne ich und nicke in Richtung der schlanken, blonden Frau am Ecktisch ganz links, von der ich nur den Rücken sehen kann, die aber ganz eindeutig eine Bestellung aufzunehmen scheint. Mir bleibt das Wort im Halse stecken, als sie sich umdreht. »Oh nein«, ächze ich und Norbert fällt in mein Stöhnen ein:
»Ich weiß!« Er dreht die Augen gen Himmel, als seine Frau Tanja auf uns zu kommt.
»Hallo Luzie«, begrüßt sie mich strahlend und ich umarme sie. Tanja ist nämlich eine sehr süße Person, mit Ende Zwanzig gut fünfzehn Jahre jünger als Norbert und herzensgut. Nur als Kellnerin ist sie leider eine totale Niete.
»Also, für Tisch sieben zwei Merlot und eine Flasche Perrier. Dann einmal das Rindercarpaccio und die Steinpilzsuppe und als Hauptgang … hmm.«
»Ja?« fragt Norbert angespannt.
»Ähm, was hab ich denn hier geschrieben? Kannst du das lesen«, fragt Tanja mich ratlos und ich werfe einen Blick auf den Notizblock.
»Weiß nicht? Rumpsteak?«, tippe ich ins Blaue hinein.
»Nein, ich glaube nicht.«
»Tanja, du hast es doch gerade erst aufgeschrieben. Daran musst du dich doch erinnern«, sagt Norbert mit sanfter Stimme, aber in seinen Augen flackert es bedenklich.
»Ich weiß es wirklich nicht mehr«, meint Tanja kopfschüttelnd und macht sich auf den Weg, um den Hauptgang erneut aufzunehmen.
»Das ist übrigens nicht Tisch sieben, sondern Tisch acht«, flüstere ich ihr zu, als sie an mir vorbeigeht.
»Ach so, genau. Dankeschön!« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als Norbert ihr verständnislos hinterhersieht.
»Weißt du, Luzie, ich liebe sie wirklich, aber in meinem ganzen Leben habe ich noch keine unbegabtere Kellnerin gesehen.«
»Ich weiß«, nicke ich und lasse meinen Blick über die noch spärlich belegten Tisch gleiten. »Wie viele Reservierungen haben wir für heute Abend?«
»Na, was denkst du denn? Es ist Freitag.«
»Voll ausgebucht?« Norbert nickt und ich lächele ihm aufmunternd zu. »Keine Sorge! Das schaffen wir.«
»Du hattest recht. Zweimal Rumpsteak«, trällert Tanja und tritt an den Kassencomputer, um die Bestellung einzugeben, die dann automatisch auf dem Monitor unten in der Küche erscheint.
»Dann mal los«, sage ich, atme noch einmal tief durch und schnappe mir mein Tablett. Während ich in Richtung Eingang gehe, um die soeben eintretenden neuen Gäste zu begrüßen, höre ich Norbert fragen:
»Wollen sie es medium oder durch?« »Ähm …«
 
Als ich mich um zwei Uhr morgens von Norbert und Tanja verabschiede, bin ich fix und fertig, aber glücklich. Mein Chef küsst mich schmatzend auf beide Wangen.
»Du bist ein Goldstück«, schwärmt er, legt dann schnell seinen Arm um seine Frau und drückt sie an sich. »Und du bist ein ganzer Goldschatz«, beteuert er, »und für deine Verhältnisse warst du heute gar nicht so schlecht.« Tanja strahlt ihn verliebt an und ich verspüre einen Stich, denn plötzlich muß ich wieder an Gregor denken, den ich bei all dem Stress heute Abend tatsächlich kurzzeitig vergessen hatte.
»Gute Nacht, ihr beiden«, sage ich müde. Mit meinem uralten Fiat-Panda gurke ich nach Hause. Meine Fußsohlen brennen wie Feuer, ich schleppe mich die vier Stockwerke zu meiner Wohnung hinauf und kicke fluchend meine Schuhe in die Ecke. Dann schäle ich mich aus meinen Klamotten, lasse fünfe gerade sein und gehe ins Bett, ohne mich abzuschminken.
 
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlage, ist draußen schon heller Tag. Durch das Schlafzimmerfenster schaue ich in den perfekten, blauen Septemberhimmel, an dem nicht eine einzige Wolke zu finden ist. Die Sonne scheint warm auf meine Bettdecke. Ich räkele mich ausgiebig und befinde eine ganze Sekunde lang, dass es ein herrlicher Tag ist. Bis mir die Wahrheit wieder einfällt. Vor meinem inneren Auge erscheint das Bild von Gregor mit einer gesichtslosen Unbekannten, in meinem Ohr hallen seine Worte wider: Ich bin verheiratet, verheiratet, verheiratet. Plötzlich ist der Tag alles andere als herrlich. Ob er heute Nacht mit ihr geschlafen hat? Natürlich. Alles andere zu glauben wäre naiv. Sie war wochenlang unterwegs, sie werden sich völlig ausgehungert aufeinander gestürzt haben. Obwohl er streng genommen nach vier sexuell äußerst aktiven Wochen mit mir nicht ausgehungert sein dürfte. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir die Decke über den Kopf. Ich will nicht darüber nachdenken. Lieber noch ein bisschen schlafen. Natürlich funktioniert das nicht. Nachdem ich mich mehrere Minuten mit Gedanken an Anna und Gregor in diversen Stellungen gequält habe, stehe ich lieber auf und mache mir einen Kaffee.
Eigentlich weiß ich doch gar nicht genau, was überhaupt los ist, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Wir sind ja noch gar nicht dazu gekommen, uns mal in Ruhe und vernünftig über alles zu unterhalten. Er hat mich schließlich kennengelernt, als sie auf Geschäftsreise war. Und wir haben uns unsterblich ineinander verliebt. Das kann ich mir nicht eingebildet haben, ich bin ganz sicher nicht nur eine Affäre für ihn gewesen. Ich weiß, er liebt mich. Das hat er doch gesagt. Wahrscheinlich will er sich von ihr trennen. Und kein Mensch kann verlangen, dass er das am Telefon tut. Von Hamburg nach Amerika. Das wäre doch unmenschlich. Nein, er ist ein anständiger Kerl. Natürlich will er das persönlich machen. Von Angesicht zu Angesicht. Schließlich gibt es da ja eine Menge zu klären, wenn man verheiratet ist und zusammenwohnt und alles. Wer weiß, vielleicht hat er es ihr schon gesagt? Möglicherweise sogar schon gestern Abend. Das könnte doch sein. Plötzlich fühle ich mich unglaublich erleichtert. Er liebt mich. Das ist alles, was zählt. Er wird mit ihr Schluss machen. Und dann wird er mich anrufen, so wie er es versprochen hat.
 
Das Wochenende verbringe ich, abgesehen von meinen Schichten im »L’Auberge«, auf der breiten Fensterbank meiner Küche, meine geblümte Kaffeetasse in der Hand, das Telefon vor mir. Ich fixiere es, beschwöre es, aber es will und will nicht klingeln. Am Sonntagabend halte ich es nicht mehr aus. Ich überwinde meinen Stolz und wähle todesmutig seine Handynummer. Nach zweimaligem Klingeln antwortet er:
»Ja, hallo?«
»Hallo, ich bin’s«, sage ich krächzend.
»Hallo?«, kommt es fragend zurück. Ich räuspere mich und wiederhole mit klarerer Stimme:
»Ich bin es.«
»Hallo? Wer ist denn da? Hallo?«
»Hier ist Luzie, Gregor«, rufe ich in den Hörer, »kannst du mich nicht hören? Warum hast du mich nicht …«
»Hallo? Hmm.« Es klickt in der Leitung und die Verbindung ist unterbrochen.
»Verdammt«, fluche ich und wähle erneut.
»Hier ist die Mailbox von Gregor Landahl. Sie können nach dem Signal eine Nachricht hinterlassen.« Überrascht lege ich auf. Ach so, wahrscheinlich versucht er gerade, mich zurückzurufen. Hat sich wahrscheinlich schon gedacht, dass ich es bin. Ich warte ein paar Minuten, aber nichts passiert. Dann rufe ich noch mal an.
»Hier ist die Mailbox von Gregor Landahl. Sie können nach dem Signal eine Nachricht hinterlassen.«
»Hallo, ich bin es, Luzie«, sage ich zögernd nach dem Piepton, »tja, das war ich eben am Telefon, du hast mich wohl nicht gehört. Na ja, jetzt ist dein Handy aus. Bitte ruf mich zurück, ja? Ich liebe dich«, füge ich nach einer kurzen Pause noch hinzu und lege dann auf.
 
Aber er ruft mich nicht zurück, den ganzen Abend nicht.
»Der hat dich ganz genau gehört«, meint Loretta, als ich ihr mein Leid klage. »Vermutlich saß seine Frau bloß gerade neben ihm.«
»Meinst du wirklich?«, frage ich fassungslos.
»Na, was denkst du denn, was passiert ist?«
»Dass er mich nicht gehört hat, weil er in einem Funkloch steckte. Und dann ist vermutlich … sein Akku leer gewesen.«
»Na schön, das ist auch möglich«, räumt meine Freundin ein, »aber ich glaube es eigentlich nicht.« Natürlich nicht, wie könnte sie auch? Loretta hat schon vor einer halben Ewigkeit aufgehört, an das Gute in den Männern zu glauben. Seit Marc aus ihrer Staatsrechtsvorlesung ihr zu Beginn des Jurastudiums das Herz gebrochen hat. Seitdem hangelt sie sich von einer Affäre zur nächsten, was ich, nebenbei gesagt, wirklich schade finde. Aber egal, wie sehr ich mir auch den Mund fusselig rede, ihr Herz bleibt seit jener Zeit unter Verschluss. Und die Scheidungsschlachten, mit denen sie tagtäglich zu tun hat, sind natürlich der perfekte Nährboden, ihre schlechte Meinung über Männer immer wieder aufzufrischen.
 
Ich höre die ganze Nacht nichts von Gregor. Am nächsten Morgen weckt mich das schrille Klingeln der Türglocke aus meinen Träumen, aber die waren sowieso alles andere als schön. Müde schlurfe ich zur Gegensprechanlage und werfe einen Blick auf die Wanduhr im Flur. Es ist kurz nach neun. Wer wagt es, mich zu dieser nachtschlafenden Zeit aus den Federn zu holen?
»Hallo«, frage ich unwirsch in den Hörer hinein, »wer ist da?«
»Ich bin es«, ertönt Gregors Stimme und mein Herz setzt einen Schlag aus. Mir wird plötzlich so schwindelig, dass ich mich gegen die grün gestrichene Wand lehnen muss. Bin wahrscheinlich einfach zu schnell aus dem Bett gesprungen. »Hallo, hörst du mich nicht«, kommt es aus dem Hörer. Am liebsten würde ich sagen: Nein, genauso wie du gestern Abend. Aber natürlich tue ich es nicht. Ich drücke wortlos die weiße Taste mit dem Schlüsselsymbol, hänge den Hörer zurück auf die Gabel und renne hektisch ins Badezimmer, um mein Spiegelbild zu überprüfen. Der Anblick erfreut mich überhaupt nicht. Ich befeuchte meinen Zeigefinger, wische die schwarzen Wimperntuschespuren unter meinen verquollenen Augen notdürftig weg und spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Dann kneife ich mir mit Zeige-und Mittelfinger in die Wangen, um ein wenig Farbe auf meinen leichenblassen Teint zu zaubern und fasse die strähnigen Haare mit einer Klemmspange am Hinterkopf zusammen. Da klopft es auch schon an der Tür. Ich blicke an mir herunter. Ausgeleiertes Snoopy-Shirt und rosa Boxershorts. Zu spät, jetzt kann ich nicht mehr in einen verführerischen Seiden-Pyjama schlüpfen. Was soll’s? Ich atme tief durch und öffne die Tür. Da steht er: Verstrubbelte blonde Locken, grüne Jacke, helle Jeans. In der Hand eine langstielige rote Rose, die er mir mit einem unsicheren Lächeln entgegenstreckt. Ich versuche, ihn feindselig anzusehen. Falls Lorettas Theorie stimmen sollte. Und selbst wenn nicht. Was fällt ihm ein, am Freitagabend so eine Bombe platzen zu lassen und sich dann das gesamte Wochenende nicht mehr zu melden? Eine Frechheit ist das! Aber meine Gefühle für ihn hauen mich um. Statt ihn böse anzufunkeln, füllen sich meine verdammten Augen mit Tränen. Ich greife nach der Rose und atme ihren Duft ein.
»Danke«, flüstere ich. Mit einem einzigen langen Schritt ist er bei mir, umschließt mich mit seinen Armen und bedeckt mein Gesicht mit Küssen.
»Du hast mir so gefehlt. Ich liebe dich«, flüstert er. Er gibt der Wohnungstür mit dem Fuß einen Schubs, sodass sie krachend ins Schloss fällt, dann sinken wir gemeinsam auf den Laminatfußboden.
Wo es auf die Dauer dann doch etwas unbequem wurde, weshalb wir uns schließlich zu meinem Bett vorgearbeitet haben. Jetzt liegen wir nebeneinander, ich auf dem Rücken, Gregor auf der Seite, den Kopf auf meine Brust gelegt. An den Händen wie immer einige Reste von Ölfarbe, streichelt er zärtlich meinen Bauch.
»Gregor?«
»Ja, Engel?«
»Können wir jetzt vielleicht endlich mal reden?« Er richtet sich halb auf, stützt sich auf die Ellenbogen und sieht mich aufmerksam an.
»Natürlich. Worüber denn?« Ich haue ihm auf den Arm.
»Aua«, ruft er empört und reibt sich mit vorwurfsvollem Blick über die gerötete Stelle.
»Über deine Frau zum Beispiel.«
»Es tut mir leid, dass ich es dir nicht schon vorher gesagt habe. Ehrlich.« Er sieht mir tief in die Augen. Na gut, Entschuldigung angenommen. Und weiter? »Weißt du, zwischen Anna und mir läuft es schon seit fast einem Jahr nicht mehr so gut. Vielleicht hätte ich mich längst von ihr trennen sollen. Aber ich habe immer gezögert. Und irgendwie hatte ich ja auch nie einen wirklich wichtigen Grund.«
»Und jetzt hast du einen?«, frage ich atemlos und er lächelt mich an.
»Natürlich«, sagt er und gibt mir einen Kuss auf den Mund, »ich liebe dich. Das weißt du doch. Ich werde mich von ihr trennen.« Mein Herz macht bei diesen Worten vor Freude einen Hüpfer und ich schlinge die Arme um ihn. Ich wusste es, ich wusste es! Er liebt mich. Wir befinden uns schon mitten in einer wilden Knutscherei, als mir plötzlich etwas einfällt:
»Und wieso hast du es nicht schon getan? Du hattest doch das ganze Wochenende Zeit dafür.«
»Sie war total kaputt von dem Langstreckenflug. Und der Jetlag. Der ist in diese Richtung viel schlimmer als umgekehrt.« Stimmt, das hab ich auch schon mal gehört. »Na ja, sie hat jedenfalls fast die ganze Zeit nur geschlafen. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Na gut«, brumme ich, aber so richtig überzeugt bin ich nicht. Gibt es überhaupt den richtigen Zeitpunkt für eine Trennung? »Hast du mit ihr geschlafen«, frage ich so gleichgültig wie möglich, aber wahrscheinlich sprühen meine Augen vor lauter Eifersucht grüne Funken. Gregor lacht jedenfalls ziemlich belustigt auf:
»Huh, guck mich nicht so an, da bekomme ich ja Angst.«
»Hast du?«
»Natürlich nicht. Wir haben seit einer Ewigkeit keinen Sex mehr. Außerdem haben wir getrennte Schlafzimmer.«
»Echt?«
»Ja.« Na dann.
 
Zwei Stunden später verabschiedet sich Gregor im Flur von mir, weil er zurück zu seiner Leinwand muss. Ich muss zugeben, dass ich es sehr sexy und aufregend finde, mit einem echten Maler zusammen zu sein. Ich würde ihm zu gerne mal bei der Arbeit zusehen. Das ist bestimmt ein toller Anblick, wie er mit den Farben herumpanscht, sich in Erwartung der Muse die lockigen Haare rauft und dann schließlich voller Inspiration zum Pinsel greift. Bei dem Gedanken schmelze ich dahin wie Butter in der Sonne, aber auf dieses Vergnügen werde ich wohl noch ein wenig warten müssen. Gregor arbeitet nämlich bei sich zu Hause. Besser gesagt, bei sich und seiner Frau. Sie bewohnen dort in Halstenbek keine popelige Wohnung, sondern ein Häuschen mit Wintergarten, in dem das Licht zum Malen einfach ideal ist. Dort hat er sich sein Atelier eingerichtet. Nicht schlecht, was? Wenn ich da an meine winzige Zwei-Zimmer-Kabuzze denke. Na ja, wenn ich erst mein Café eröffnet habe und der Laden richtig läuft, kann ich vielleicht auch in was Größeres umziehen. Vielleicht sogar mit Gregor zusammen?
»Ich melde mich, sobald ich es getan habe. Vertrau mir«, flüstert er mir beim Abschied ins Ohr und seine Bartstoppeln kratzen dabei leicht über meine Wange. Ich rieche den vertrauten Geruch seines Aftershaves. »Egoiste« von Chanel.
»Das tue ich«, flüstere ich zurück.
 
»Talk is cheap«, lautet Lorettas einziger Kommentar, als ich am frühen Abend mit einer Tasse Tee in ihrem Wohnzimmer auf der riesengroßen, orangefarbenen Couch lümmele und von meinem Gespräch mit Gregor erzähle.
»Was meinst du damit?«
»Nur, dass ich ihm erst glaube, wenn er sich wirklich von seiner Frau getrennt hat«, meint sie schulterzuckend und schenkt uns nach.
»Na, du machst mir ja Mut«, sage ich verstimmt.
»Entschuldige, Süße, es ist nur so … Ich habe einfach schon zuviel Mist gesehen.« Das weiß ich ja nun mittlerweile. Aber ist es meine Schuld, dass Loretta sich seit Jahren nur noch mit der Schattenseite der Liebe beschäftigt? »Ich möchte einfach nicht, dass du enttäuscht wirst.« Sie nimmt meine Hand in ihre und schaut mir in die Augen: »Glaub mir, wenn Gregor wirklich der Mann ist, den du liebst und haben willst, dann wünsche ich mir nichts mehr, als dass er sich trennt und zu dir kommt.«
»Danke«, sage ich und lächele zaghaft. Das wünsche ich mir auch so sehr.
»Meine Berufspraxis zeigt mir nur leider, dass so etwas selten passiert, verstehst du? Deshalb mache ich mir Sorgen. Männer gehen fremd. Aber sie trennen sich nicht.« Doch irgendetwas in meinem Kopf weigert sich, diese Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen.
»Aber er hat es mir versprochen«, sage ich heftig und springe so schnell vom Sofa auf, dass das Geschirr auf dem kleinen, gläsernen Couchtisch empört klappert. »Er liebt mich. Du kannst ihn doch nicht mit all deinen Mandanten in einen Topf werfen.«
»Das tue ich doch gar nicht«, versucht Loretta mich zu beruhigen. »Ich meine doch nur, dass rein statistisch gesehen …«
»Die blöde Statistik interessiert mich nicht die Bohne«, fauche ich, grabsche nach meiner Handtasche und stürme in Richtung Flur davon. In der Wohnzimmertür drehe ich mich noch mal um: »Vielen Dank für deine Unterstützung«, sage ich bitter, »du bist eine wahre Freundin.« Ihre Antwort geht in dem Knallen der Haustüre unter.