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Unter politischen, ethischen, rechtlichen und technischen Gesichtspunkten werden viele Formen von Zensur in den Anwendungen der globalen Digitalisierung an vielen Beispielen betrachtet. Der Autor unterscheidet dabei zwischen aktiver und passiver Zensur. Früher war Zensur eine klare Aussage. Der Staat hat seinen Bürgern Informationen vorenthalten, Medien durften nicht alles verwenden, Bücher oder Zeitschriften wurden verboten oder durften nicht dargeboten werden. Es gab eine klare Grenze zwischen „erlaubt“ und verboten. Das hat sich mit der Digitalisierung dramatisch geändert. Es gibt zwar nach wie vor klassische Zensur in autoritären Staaten, wo das alte Gehabe oft erfolglos auch auf die neuen Medien anzuwenden versucht wird. Wesentlicher ist die indirekte und meistens unbemerkte Zensur oder Bevormundung, die dann auch noch als technischer Fortschritt gepriesen wird, um als Vorteil angenommen zu werden oder Gegnern ein schlechtes Gewissen zu machen, die sich davon nicht beglücken lassen wollen. Wir sollten aber nicht in Angst verfallen, sondern selbstbewusst dagegen handeln. Wir sollten auf keinen Fall zwanghaft durch Verhaltensänderungen vermeiden und verbergen, sondern andere Wege zum Ziel probieren, indem wir gewohnte Wege im Netz verlassen, soziale Medien wechseln, am besten Dienste ohne Finanzierung durch Werbung.
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Einleitung
Vorratsdatenspeicherung
Personenprofile
Transparenz und Freiheit
Verhalten
Bewegungsfreiheit
Verbote, Gebote, Rechte
Politik
Datenschutz
Algorithmen
Verbraucherschutz
Überwachung
IT und Netz
Medien
Sicherheit
Früher war Zensur eine klare Aussage. Der Staat hat seinen Bürgern Informationen vorenthalten, Medien durften nicht alles verwenden, Bücher oder Zeitschriften wurden verboten oder durften nicht dargeboten, sondern nur „unter dem Ladentisch“ verkauft werden, bei Filmen gibt es die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK).
Daneben gab es auch über die Erziehung durch Eltern und die Schule erlernte Verhaltensregeln, was man tut und was nicht. Man konnte sich an all diesen Dingen reiben, eine Öffnung diskutieren, aber alles blieb überschaubar, es gab eine klare Grenze zwischen „erlaubt“ und verboten, die sich nur langsam durch gesellschaftliches Verhalten änderte oder schwankte.
Das hat sich mit der Digitalisierung dramatisch geändert. Wesentlich ist insgesamt nicht mehr die nach wie vor vorhandene klassische Zensur in autoritären Staaten, wo das alte Gehabe auch auf die neuen Medien anzuwenden versucht wird, also Zugriffsverbote, -sperren oder Löschungen.
Zum Teil gibt es auch bei uns solche Versuche bei Pornoseiten oder anderen Netzinhalten, meistens in Form „freiwilliger“ Selbstkontrolle, teilweise aber auch durch Strafandrohung.
Wesentlicher ist die indirekte und meistens unbemerkte Zensur oder Bevormundung, die dann auch noch als technischer Fortschritt gepriesen wird, um als Vorteil angenommen zu werden oder Gegnern ein schlechtes Gewissen zu machen, die sich davon nicht beglücken lassen wollen.
Ich möchte im Folgenden an einigen Beispielen beschreiben, wie gravierend diese Zensur 4.0 in unser Leben eingreift, uns viele Freiheiten nimmt und wir nicht darüber aufgeklärt werden. Letzteres wäre ja wohl das mindeste, was ein freier Mensch erwarten kann.
Sicher sind mein Beispiele nicht vollständig, allein schon wegen der rasenden technischen Weiterentwicklung. Aber auf jeden Fall ist es schon beklemmend, was da mit uns geschieht.
Das Abhören oder Speichern persönlicher Daten verführt viele zu der unglaublichen Antwort „wenn ich das nicht will, kann ich ja die Anwendungen vermeiden“.
Ich finde es unerträglich, wenn auch gerade die Bundeskanzlerin so etwas äußert und zum Abhören ihres Handys meinte „wichtige Informationen übermittle ich anders“. Das finde ich ungeheuerlich. Ich will nicht gezwungen sein, mein Verhalten zu ändern, ganz abgesehen davon, dass auch daraus wieder bewertende Schlüsse über eine Person gezogen werden können. Das wäre so, als würde man von mir erwarten, dass ich meine Briefe in einer gesicherten Stahlkassette verschicke, wenn ich das Briefgeheimnis bewahren will. Das darf von niemandem erwartet werden müssen.
Stattdessen müssen die behördlichen und gesellschaftlichen Abläufe und Beziehungen so gestaltet werden, dass eine Verletzung von Regeln auffällt und geahndet wird.
Wir sollten uns nicht nur gegen alle Versuche einer Zensur 4.0 wehren, sondern endlich auch jede bisherige Form von Zensur aus unserer Welt verbannen. Jeder muss selbst verantworten, was er tut, wenn es keinem anderen schadet. Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen darf nicht durch Verbote und Zugriffssperren erfolgen, sondern muss eine Begleitung ins Leben sein, in dem alle Erwachsenen in der Lage sind, sich ohne Bevormundung so zu verhalten, dass es anderen nicht schadet.
Niemand hat ihnen umgekehrt aber auch vorzuschreiben, wie sie sich verhalten sollen, wenn es nur sie selbst oder eine einvernehmliche Gruppe, wie die Familie, betrifft, solange alle Persönlichkeitsrechte auch für Minderjährige beachtet werden.
Im Grunde übt jeder von uns schon immer Zensur aus, denn jeder hat sein eigenen Bild von den anderen, von den Meldungen und den Zusammenhängen von Ereignissen. Diese persönliche Sicht beeinflusst, wie wir etwas weiter erzählen oder bewerten. Dabei geht es gar nicht um bewusste, dann vielleicht vermeidbare Beeinflussung anderer, sondern auch um unbewusste Wahrnehmungen oder Bewertungen.
Schöne Beispiele sind Zeugenbefragungen, die oft nur zu deutlich zeigen, dass es "die Wahrheit" nicht gibt, sondern nur ein Puzzle schlecht zueinander passender Teile. Dessen sollte man sich immer bewusst sein, um sich einen klaren Blick zu bewahren.
Die Menschen und ihr Verhalten waren schon immer so, aber mit den modernen digitalen Anwendungen, Verfahren und Möglichkeiten ergibt sich eine ganz neue Qualität. Es werden in immer kürzerer Zeit immer mehr Menschen von Aussagen und Behauptungen erreicht.
Die globale Vernetzung bringt auch eine unvergleichbare Quantität von Daten und Inhalten.
Auch alle Medien üben durch die dort arbeitenden Menschen im Sinne unbewusster, subjektiver Bewertung und Auswahl schon immer Zensur aus. Aber heutzutage gewinnt die bewusste Ausgrenzung oder Betonung von Meldungen immer mehr Umfang und Gewicht.
Medien, die der freien Wirtschaft unterliegen, sich also abhängig machen über ihre Finanzierung, üben auch gezielte, bewusste Zensur aus, sowohl in dem, was sie veröffentlichen in Form von Vorurteilen, Verschwörungen, Falschmeldungen und halben Wahrheiten, als auch in dem, was sie nicht veröffentlichen.
Hier haben total intransparent die Redaktionen und Eigentümer die Entscheidung. Hier kann bestenfalls durch Boykott Einfluss genommen werden.
Es gibt leider TV-Sender, die man eher im US-amerikanischen Hinterland als bei uns angesiedelt sehen möchte.
Ihr Einfluss beim Dummhalten der Bevölkerung oder der Verwässerung unserer Werte ist leider sehr groß.
Aber auch die angeblich "öffentlichen" Medien sind mit ihren Aufsichtsgremien nicht wirklich transparent und unabhängig, werden über diese Gremien zensiert. Wirklich unerträglich werden allerdings die neuen Formen der Zensur in den sozialen Medien und bei den Geheimdiensten.
Ich habe versucht, meine Ausführungen einigen Oberbegriffen zuzuordnen.
Das ließ sich aber nicht wirklich strikt durchführen, denn jedes Gebiet der Betrachtung hängt mit vielen anderen Gebieten zusammen.
Dadurch kommen etliche Gedanken mehrfach vor, das lässt sich einfach nicht vermeiden.
Die versuchte Struktur soll auf jeden Fall den Einstieg über Teilthemen erleichtern.
Bei der Beschäftigung mit dem Thema ist mir aufgefallen, dass es durchaus Überschneidungen zwischen Zensur und Diskriminierung gibt bei Inhalt und Betroffenheit.
Beide Themen können sich gegenseitig bedingen oder aufeinander auswirken.
Ich habe mir deshalb an einigen Stellen Ausführungen zu Diskriminierungen erlaubt, die Betrachtung aber jeweils nicht umfassend aufgegriffen.
Ich finde den Aufruf der Kanzlerin Merkel auf der Messe Bitcom, dass die Wirtschaft sich mehr mit BigData beschäftigen soll, vollkommen daneben. Politisch wichtig wäre, auf die Gefahren und mögliche gesetzliche Regelungen hinzuweisen. Der Aufruf hebt zu stark auf den wirtschaftlichen Nutzen ab. Hier sollte der Staat eher schützend als drängend aktiv vorpreschen.
Ich verstehe Zensur im Rahmen dieser Darstellung als das Vorenthalten nicht nur von Informationen (im klassischen Sinn), sondern auch die Einschränkung meiner Möglichkeiten, meine personenbezogenen Daten zu kontrollieren oder auf sie zuzugreifen, oder auch die Nötigung zur Verhaltensänderung oder freiwilligen Selbstkontrolle, um unauffällig durchs Leben zu kommen.
Das alles zusammen zerstört die persönliche Freiheit und damit die Demokratie.
Wenn soziale Medien zur Löschung aufgefordert werden oder das sogar versprechen, dann ist das eigentlich Zensur, die aber allein deshalb nicht stattfindet, weil gar nicht durchführbar.
Eine aktive, direkte Zensur im bisherigen Sinn müssen wir passiv erdulden, es wird uns etwas vorenthalten Eine passive, indirekte Zensur ist unsere aktive Verhaltensanpassung an erwünschte Kriterien.
Fast täglich geht irgendeine Meldung über Automatisierung, Digitalisierung, Überwachungsmethoden durch die Medien. Wir sollten auf Grund all dieser Meldungen aber nicht in Angst verfallen, sondern selbstbewusst dagegen handeln.
Wir sollten auf keinen Fall zwanghaft durch Verhaltensänderungen vermeiden und verbergen, sondern andere Wege zum Ziel probieren, protestieren gegen Applikationen, Algorithmen und ihre Anwendung gegen unseren Willen. Dazu können und sollen wir gewohnte Wege im Netz verlassen, soziale Medien wechseln, andere und europäische Suchmaschinen verwenden, am besten Dienste ohne Finanzierung durch Werbung.
Bildungsmaßnahmen und die Politik der Regierungen sind gefordert, uns auch auf diesen Gebieten unsere Menschenwürde und unserer freie Entscheidung zu erhalten.
Das Recht der Bürger an ihren persönlichen Daten wird durch totale Überwachung und Rasterfahndung unterdrückt. Es gibt große Mengen von Daten zu jeder Person, die diese weder prüfen noch korrigieren darf.
Damit ist eine Manipulation durch unüberprüfbare Behauptungen leichter möglich!
Denn wenn der Bürger sich gezwungen sieht, bestimmte Zugriffe auf das Internet zu vermeiden, um keine falschen Schlüsse über ihn zu ermöglichen, dann kann er sich nicht umfassend informieren und dann auch Falschaussagen nicht als solche identifizieren. Mit der Zunahme eines solchen Verhaltens steigt auch die Unmündigkeit der Bürger.
Wer traut sich trotz starker Informationslust, Naziseiten oder Bombenbaupläne im Internet zu suchen oder anzuschauen, denn diese Stichworte machen denjenigen sofort als Täter verdächtig und bringen ihn in die Bobachtung und Verfolgung im Sinne eines Generalverdachts.
Sicher ist es auch nachteilig, Seiten von Aktionsgruppen oder Wikipedia oder eine Suchmaschine aufzurufen, um sich über Stuttgart21 oder über den Tatbestand der Pädophilie, Geldwäsche, Terror oder was auch immer zu informieren.
Ein weiteres Beispiel für die Einschränkung freier Informationen ist das Themen Drogen, was aber wichtig für mündige Bürger bei der Frage der gesetzlichen Behandlung wäre.
Oder man denke an Infos über IS oder Dschihad oder Salafisten oder Waffenhandel.
Der Versuch, sich zu informieren sollte niemanden verdächtig machen! Wehret den Anfängen.
Viele Bürger unterlassen es, sich umfassend zu informieren, aus Angst, durch falsche Schlüsse in einen Verdacht oder eine Rasterfahndung zu geraten. Und das ist das wirklich gefährliche an der Totalüberwachung.
Es sollte nicht nur ein Inforecht, sondern eine Infopflicht für Wahlberechtigte geben, damit sie sich eine unabhängige Meinung bilden können. Der jetzige Zustand ist eine indirekte ("freiwillige") massive Zensur. Das können wir nicht wollen, das kann unsere Demokratie nicht vertragen, deshalb sollte es unsere Regierung, mindestens unser Parlament nicht wollen.
Eine Möglichkeit dagegen zu protestieren wäre eine umfassende Provokation, also in den sozialen Netzen Tage zu verabreden (Tag gegen den Bombenbau, Tag gegen Nazimitläufer...) an dem Millionen Internetnutzer entsprechende Seiten aufrufen. Das wäre nicht mehr auswertbar, damit gelangen nicht mehr Einzelne in Generalverdacht, sondern der Verdacht prallt am Rauschen der Millionen ab. Wenn "alle" etwas tun, können nicht Einzelne unter Verdacht stehen.
Doch ein solcher Protest der Anwender wäre vielleicht mal ganz lustig, um auf das Problem hinzuweisen, aber es ist nicht wirklich lustig, zu solchen Methoden der Verhaltensänderung greifen zu müssen. Hier wird der Bürger in den Informations-Untergrund gedrängt.
Ein Problem besteht ja auch dann, wenn man in der Vergangenheit Seiten aufgerufen hat, die erst in Zukunft unter Verdacht geraten, denn das kann man ja nicht ungeschehen machen, nicht rückwirkend vermeiden. Immer wieder gibt es auch das Problem, durch Schreibfehler oder Umleitung versehentlich auf verdächtige Seiten zu geraten.
Daraus folgt, es darf keine pauschale Erfassung und Auswertung geben, sondern nur gerichtlich verfügt in wenigen Einzelfällen.
Und wir sind bereits auf dem besten Weg, unserer Freiheit und Demokratie zu schaden. Also sollte es keine Erfassung und Auswertung durch Sicherheitsdienste ohne begründeten, gerichtlich beglaubigten Einzelverdacht geben. Wenn wir uns nicht wehren, sind unsere Freiheit und unsere Demokratie bald am Ende.
Die mindeste Randbedingung bei einer Vorratsdatenspeicherung müsste die Führung zweier unabhängiger Datenbanken mit doppelter Verschlüsselung sein. Die eine Datenbank enthält die Daten bezogen auf einen Schüssel, die zweite Datenbank ordnet die Schlüssel den überwachten Objekten zu.
Nur auf richterlichen Beschluss dürften dann im Einzelfall Daten und Objektidentität zusammengeführt werden. Das ist technisch möglich. Die Auswertung müsste dann in einem dritten System erfolgen.
Ich habe bewusst den Begriff Objekt statt Person gewählt, denn in den meisten Fällen werden die Vorratsdaten fälschlicherweise auf Personen bezogen, die dann fälschlicherweise belastet werden.