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Inhalt: Werdegänge zu Größen in der Zeit des Nationalsozialismus. In diesem Band werden die Handlanger beschrieben, deren Nachname mit den Buchstaben L bis R beginnt. Unter den Handlangern befinden nur drei Namen, denen nichts oder nur wenig angelastet werden konnte, zwei von ihnen können als Gegner des Regimes bezeichnet werden. Überraschend viele Nazis haben den Krieg überlebt und ebenso mussten zahlreiche Handlanger ihre Haftstrafen nur bedingt absitzen, darunter einige prominente Personen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Zur Person:
Politiker und Funktionäre
L
M
N
O
P
R
Impressum
Zwanzig Jahre
Die Handlanger
L-R
Recherchiert, übernommen, überarbeitet und aktualisiert von
Roman Just.
Roman Just ist in der Welt der Literatur in verschiedenen Genres unterwegs. Mit den Thrillern der "Tatort-Boston-Reihe" hat er den Einstieg in die Literaturwelt begonnen, sie dann mit den "Gelsenkrimis" fortgesetzt. Neben den Thrillern und Krimis arbeitet er an einer mehrteiligen Dystopie und einer historischen Familiensaga, hinzu kommen Ausflüge in andere Genres.
Der Autor und bekennender Selfpublisher ist Jahrgang 1961, lebt in Gelsenkirchen, leidet mit dem vor Ort ansässigen Fußballclub seit 1971 zu allen Zeiten mit, spielt außerdem gerne mit Mitmenschen Schach und beschäftigt sich leider nur noch gelegentlich mit der Astronomie.
Der Selfpublisher betreibt auf seiner Homepage zu allen seinen veröffentlichten Titeln Leserunden, außerdem bietet er einen Leserkreis, an dem ebenfalls aktiv teilgenommen werden kann.
Mehr über den Autor und seine Titel gibt es hier:
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Sternzeichen: Jungfrau
Gewicht: Im Moment viel zu viel
Erlernter Beruf: Kellner
Derzeit tätig als: Autor/Selfpublisher
Charaktereigenschaften: Impulsiv/Hilfsbereit
Laster: Nie zufrieden mit einem Ergebnis
Vorteil: Meistens sehr geduldig
Er mag: Klare Aussagen
Er mag nicht: Gier und Neid
Er kann nicht: Den Mund halten
Er kann: Zuhören
Er verachtet: Tyrannen und selbstverliebte Subjekte
Er liebt: Das Leben
Er will: Ziele erreichen
Er will nicht: Unterordnen
Er steht für: Menschlichkeit
Er verurteilt: Hass, Mobbing, Eitelkeit
Er denkt: Auch Einfaches ist nicht einfach zu erledigen
Er meint: Die Achtung und der Respekt vor der Würde eines Menschen werden durch das Gendern nicht gestärkt.
Hans Heinrich Lammers
Chef der Reichskanzlei
H
ans Heinrich Lammers, geboren 27. Mai 1879 in Lublinitz, gestorben am 4. Januar 1962 in Düsseldorf, war ein deutscher Richter, Verwaltungsjurist und Ministerialbeamter. In der Zeit des Nationalsozialismus war er Chef der Reichskanzlei. Im Wilhelmstraßen-Prozess wurde er 1949 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Hans Heinrich Lammers, Sohn des Kreistierarztes Johannes Lammers und dessen Frau Anna Lammers, besuchte die evangelische Fürstenschule in Pless. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. In Breslau wurde er Mitglied der Verbindung Wratislavia Breslau im Miltenberger Ring, zu dessen Führer er in den 1930er Jahren avancierte. Er legte 1901 das Referendarexamen ab und leistete anschließend seinen Militärdienst in der Preußischen Armee als Einjährig-Freiwilliger beim 4. Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 51 in Breslau, wo er 1906 zum Leutnant der Reserve ernannt wurde. Danach arbeitete er als Universitätsassistent, wurde 1904 mit einem schuldrechtlichen Thema zum Dr. iur. promoviert und sammelte Erfahrung in einer Rechtsanwaltspraxis. Nach der großen Staatsprüfung, die er 1907 nur mit Schwierigkeiten bestand, entschied er sich für die Richterlaufbahn und trat in den preußischen Justizdienst ein. 1908 erhielt er die Anwaltszulassung beim Landgericht Berlin sowie beim Höheren Militärgericht des VI. Armeekorps in Breslau. Zunächst als Gerichtsassessor in Breslau und Berlin tätig, wurde er als Rechtsanwaltsvertreter und Hilfsrichter an das Landgericht Beuthen in Oberschlesien versetzt, wo er 1912 Landrichter wurde. Am 29. April 1913 heiratete er in Gleiwitz die Kaufmannstochter Elfriede Tepel, mit der er die Töchter Vera-Irene und Ilse-Brunhilde bekam.
Als Reserveoffizier wurde Heinrich Lammers mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingezogen und zunächst einem Ersatz-Bataillon seines Regiments in Gleiwitz zugeteilt. Mit dem Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 51 kam er bei der Armeeabteilung Woyrsch zum Einsatz und wurde im Dezember 1914 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet und zum Oberleutnant d. R. befördert. Später kämpfte er mit der Bugarmee in Galizien. Aufgrund einer schweren Verletzung, in deren Folge er 1917 sein linkes Auge verlor, wurde er zur Zivilverwaltung des Generalgouvernements Warschau abgestellt und dort im August 1916 zum Hauptmann d. R. befördert. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse war er zuletzt als Leiter der Finanzabteilung bei der deutschen Verwaltung im Regentschaftskönigreich Polen tätig und wurde nach Kriegsende in die 1918 in Berlin gebildete Abwicklungsbehörde des Verwaltungschefs Warschau übernommen, zu deren Leiter man ihn 1919 ernannte.
1920 wurde er in das Reichsministerium des Innern, Abteilung I, berufen und dort 1921 zum Oberregierungsrat und 1922 zum Ministerialrat und Leiter des Verfassungsreferates in der Staatsrechtsabteilung ernannt. Seinen ungewöhnlich schnellen Aufstieg in der Behörde hatte er Theodor Lewald zu verdanken. In der Staatsrechtsabteilung vertrat er das Reich in Prozessen gegen die Länder, zum Beispiel im Streit um die Fürstenentschädigung. Der nationalkonservative Beamte und überzeugte Monarchist gehörte dem rechten Flügel der DNVP an, war Mitglied des Berliner Nationalklubs von 1919 und ab 1923 des Stahlhelmbundes. Seine Ablehnung der Weimarer Republik missfiel sozialdemokratischen Abgeordneten. Der 1928 ins Amt gekommene Innenminister Carl Severing, SPD, rügte ihn, weil er in einem Zeitungsartikel von Lammers eine absichtliche Herabsetzung der Reichsverfassung sah. Bereits Severings Vorgänger, der deutschnationale Walter von Keudell, hatte Lammers bei Beförderungen übergangen, was als ein Motiv für seine Hinwendung zu den Nationalsozialisten angenommen wird.
Während ihm im Ministerium wegen seiner Oppositionshaltung Kompetenzen entzogen wurden, entfaltete Lammers eine beachtete fachpublizistische Tätigkeit und war wissenschaftlich anerkannt. Er veröffentlichte Erläuterungen zur Reichsverfassung und zur preußischen Landesverfassung und kommentierte das 1921 von ihm selbst als Referent im Ministerium entworfene Gesetz über den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich sowie die Entscheidungssammlungen des Reichsgerichts und des Staatsgerichtshofes. Ab 1928 hielt er verwaltungsrechtliche Vorlesungen an der Hochschule für Politik und an verschiedenen Akademien. Wegen seiner Teilnahme an den Aufmarschveranstaltungen zur Gründung der republikfeindlichen Harzburger Front am 11. Oktober 1931 wurde ihm ein Disziplinarverfahren angedroht. Zum 1. März 1932 trat er der NSDAP bei. Sein erstes politisches Auftreten für die NSDAP erfolgte am 24. September 1932, als er im Rahmen einer Veranstaltung für Beamte im preußischen Landtag vor dem Hauptredner Joseph Goebbels eine Ansprache hielt.
Am Tag von Potsdam ernannte der neue Reichskanzler Adolf Hitler Lammers zum Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei. Er folgte dabei einem Vorschlag Wilhelm Fricks, weil er sich in dieser Stellung einen hochqualifizierten Ministerialbeamten und keinen politischen Berater wünschte. An der Schnittstelle zwischen Hitler und den Reichsverwaltungsbehörden organisierte Lammers, in Abstimmung mit Martin Bormann, Otto Meissner und ab 1938 Wilhelm Keitel, die Regierungsgeschäfte. Da nach 1933 kaum noch Kabinettssitzungen stattfanden, übermittelte er auch den Reichsministerien Hitlers Wünsche und Befehle. Seine vergleichsweise kleine Behörde fungierte damit als wichtige Clearingstelle, so Moll, zwischen Hitler und den Obersten Reichsbehörden, den Länderregierungen und den höchsten Instanzen der NSDAP. Lammers war es, der Hitlers häufig spontane Absichten und Pläne in verwaltungskompatible Juristentexte übersetzte und damit ihre Ausführung und Umsetzung sicherte. Er verhalf unter anderem seinem halb-jüdischen früheren Förderer Theodor Lewald, der inzwischen Präsident des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 1936 geworden war, schnell und unkompliziert zu Audienzen bei Hitler und half, eine überaus großzügige Finanzierung der Spiele sicherzustellen. Lammers filterte die Informationen und Anliegen, die aus der Verwaltung an Hitler herangetragen wurden. Bei Hitlers bekannter Abneigung gegen Bürotätigkeit und Aktenstudium war es Lammers, der alle aus seiner Sicht regierungsrelevanten Dinge zusammenstellte und dann im mündlichen Vortrag mit Hitler besprach. Lammers übernahm auch im Rahmen der Hitler anstelle eines Gehaltes zufließenden Mittel, Verkauf der Briefmarken mit seinem Abbild, Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft und ähnliches, die Verwaltung der Hitler zur persönlichen Verfügung stehenden Anlagevermögen, die großenteils beim Bankhaus Delbrück lagen.
Am 26. November 1937 wurde er von Hitler zum Reichsminister ohne Portefeuille mit der Amtsbezeichnung Reichsminister und Chef der Reichskanzlei ernannt. In dieser Funktion war er für die von Hitler gewährten Dotationen zuständig. Am 29. September 1933 war Lammers in die SS eingetreten und hatte den Rang eines SS-Oberführers erhalten. Danach folgten die Beförderungen zum SS-Brigadeführer, 20. April 1935, SS-Gruppenführer am 30. Januar 1938 und SS-Obergruppenführer am 20. April 1940. Er gehörte 1933 zu den Gründungsmitgliedern der nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht und war ab Ende 1933 Führer des Reichsverbandes Deutscher Verwaltungsakademien. Seit 30. November 1939 war er geschäftsführendes Mitglied des unter Hermann Görings Vorsitz stehenden Ministerrats für die Reichsverteidigung. Lammers war in die Aktion T4 involviert. Diese Euthanasie-Tarnorganisation hatte ihren Sitz in Berlin in der Tiergartenstraße 4.
Ab 1937 stand Lammers das Palais Von-der-Heydt-Straße 18 als Wohnsitz zur Verfügung. Bereits seit 1934 durfte er mit Erlaubnis Hitlers das Jagdhaus des Reichspräsidenten am Werbellinsee nutzen, ehemaliges kaiserliches Jagdhaus, zu DDR-Zeiten abgerissen und als Jagdhaus Hubertusstock neu aufgebaut. Hitler schenkte ihm 1944 das Jagdhaus mit einer Dotation von 600.000 Reichsmark für seine geleisteten Dienste. Ebenfalls 1937 bezog er als zweiten Dienstsitz der Regierung die Dienststelle Berchtesgaden der Reichskanzlei in der Nähe von Hitlers Sommerresidenz Berghof in Obersalzberg, in dessen Sichtweite Hans Lammers heute neben seiner Frau und seiner jüngeren Tochter, die im Mai 1945 Suizid begingen, begraben liegt.
Lammers, Mitglied der schwarzen Studentenverbindung Wratislavia Breslau, war Führer des Miltenberger Rings, des MR. Am 21. September 1933 befahl er die Umwandlung der MR-Verbindungen in Corps, die Einführung der Bestimmungsmensur und den Beitritt zur Nationalsozialistischen Gemeinschaft corpsstudentischer Verbände. Diese zerfiel bereits im Februar 1934.
Im Januar 1935 übernahm er die Führung der Gemeinschaft studentischer Verbände, kurz GStV, die die Erhaltung und Stärkung des Korporationsstudententums zum Ziel hatte und sich gleichzeitig verpflichtete, durch stetige innere Erziehungsarbeit immer mehr in den nationalsozialistischen Staat hineinzuwachsen. Im März 1935 wurde die GStV von der NSDAP und vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund als Gesamtvertretung der studentischen Verbände anerkannt. Nachdem Hitler jedoch im Juli 1935 intern seine grundsätzliche Abneigung gegen die studentischen Verbindungen zum Ausdruck gebracht hatte und nachdem es zu Unstimmigkeiten mit mehreren Verbänden gekommen war, legte Lammers im September 1935 die Führung der GStV nieder. Diese löste sich wenige Tage später auf.
Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Lammers im April 1945 verhaftet, als er den Versuch unterstützte, Hitler durch Göring zu ersetzen. Vor der von Hitler daraufhin angeordneten Erschießung durch die SS wurde er von US-amerikanischen Truppen gefangen genommen. Bis zum August 1945 wurde er mit anderen NS-Größen und hohen Militärangehörigen im luxemburgischen Bad Mondorf im Camp Ashcan interniert.
Am 8. und 9. April 1946 trat Lammers als Zeuge der Verteidigung im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher auf. Im Wilhelmstraßen-Prozess gegen Mitarbeiter verschiedener Ministerien des Deutschen Reiches 1933 bis 1945 wurde er am 11. April 1949 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem der Mitwirkung an der Ermordung der europäischen Juden, vom IV. Alliierten Militärgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt. Am 31. Januar 1951 wurde diese Strafe vom amerikanischen Hohen Kommissar John Jay McCloy auf 10 Jahre abgemildert, am 16. Dezember 1951 wurde er begnadigt und aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.
Verstorben am 4. Januar 1962 in Düsseldorf, wurde der Leichnam von Hans Heinrich Lammers in die Grabstätte seiner Frau und seiner Tochter auf dem Alten Friedhof in Berchtesgaden überführt.
Hartmann Lauterbacher
Gauleiter von Hannover-Braunschweig, HJ-Obergruppenführer, SS-Gruppenführer
H
artmann Lauterbacher, geboren 24. Mai 1909 in Reutte, Österreich-Ungarn, gestorben am 12. April 1988 in Seeon-Seebruck, war Stabsführer und stellvertretender Reichsjugendführer der Hitler-Jugend, NSDAP-Gauleiter des Gaus Süd-Hannover-Braunschweig, Oberpräsident der Provinz Hannover sowie SS-Obergruppenführer. Er arbeitete ab 1950 für die Organisation Gehlen und später bis 1963 für den Bundesnachrichtendienst.
Lauterbacher stammte nach eigenen Angaben aus einer in Salzburg ansässigen deutschnationalen Familie. Sowohl sein Onkel als auch sein Vater hatten sich Georg von Schönerers Alldeutscher Vereinigung angeschlossen. Als Sohn eines k.u.k. Tierarztes besuchte Lauterbacher die Volksschule und das Reformgymnasium in Kufstein und erlernte anschließend den Beruf des Drogisten.
Lauterbacher stieß bereits als Gymnasiast zu den Nationalsozialisten. 1923, mit 14 Jahren, gründete er in Kufstein die erste Ortsgruppe der Deutschen Jugend in Österreich und veranstaltete eine Gedenkfeier für Albert Leo Schlageter. 1925 übernahm er die Führung der DJ und überführte sie 1927 in die Hitlerjugend. Nach eigenen Angaben begegnete er am 19. April 1925 als 16-Jähriger in Rosenheim erstmals Adolf Hitler. Nach einer anderen Quelle war er am 20. April 1925 zu Gast bei Hitlers Geburtstagsfeier. 1927 ging Lauterbacher zur Ausbildung an der dortigen Drogistenakademie nach Braunschweig. Dort trat er zum 13. Oktober der NSDAP bei und baute von 1929 an die HJ des Gaus Süd-Hannover-Braunschweig auf, seit 1930 hauptberuflich als HJ-Gauführer. Bis 1932 gründete er in den zehn niedersächsischen HJ-Bezirken 31 Gefolgschaften mit 93 Scharen. Die Zahl der HJ-Mitglieder im Gau wuchs zwischen März 1930 und dem Jahresende 1931 von 98 auf 2500, 1932 waren es schon 4000. Sein Organisationstalent ließ Lauterbacher schnell Karriere machen. 1932 wurde er HJ-Gebietsführer Westfalen-Niederrhein, 1933 Obergebietsführer West und 1934 HJ-Stabsführer und Stellvertreter von Reichsjugendführer Baldur von Schirach. 1935 war Joseph Goebbels sein Trauzeuge. Lauterbacher wurde Vater von drei Kindern.
Lauterbacher unternahm in dieser Zeit zahlreiche Auslandsreisen, so in die Niederlande, nach Belgien, Rumänien, Ungarn, Portugal und Spanien. In Italien traf er sich 1934 mit Funktionären der faschistischen Opera Nazionale Balilla ONB, des Vorbilds der HJ, und lernte auch die Akademie der ONB kennen. Nach ihrem Beispiel entstand kurz darauf in Braunschweig die Akademie für Jugendführung, in der der HJ-Führernachwuchs geschult wurde. 1937 war Lauterbacher Delegationsleiter, als die gesamte HJ-Führung zur Weltausstellung nach Paris reiste. Im selben Jahr besuchte er Großbritannien und besichtigte die Eliteschule in Eton und die Militärakademie in Aldershot. Höhepunkt der Reise war ein Treffen mit Robert Baden-Powell, dem Gründer der Pfadfinder-Bewegung. Nachdem er aus England zurückgekehrt war, war Lauterbacher an der Gründung des BDM-Werks "Glaube und Schönheit" für die 17- bis 21-jährigen Mädchen beteiligt. In den folgenden Jahren vereinigte Lauterbacher in seiner Person zahlreiche Ämter, Titel und Funktionen. 1936 wurde er Mitglied des Reichstages, bei der die Wähler nur eine Einheitsliste der NSDAP wählen konnten. 1937 folgte die Ernennung zum preußischen Ministerialrat. 1940 wurde er in die im Ehrenrang eines Brigadeführers übernommen, im April 1941 zum Gruppenführer befördert und stieg innerhalb der SS Ende Januar 1944 bis zum Obergruppenführer im Ehrenrang auf. Im Mai 1940 wurde Lauterbacher, wie damals für Parteiführer üblich, zu einem kurzen Militärdienst zur Leibstandarte SS Adolf Hitler einberufen, während dieser Zeit hatte er einen Autounfall mit Folge einer dauerhaften Knieverletzung.
Im August 1940 verließ Lauterbacher die HJ-Führung und wurde zunächst stellvertretender Gauleiter von Süd-Hannover-Braunschweig, bereits im Dezember 1940 folgte die Beförderung zum Gauleiter und zum Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Lauterbachers Vorgänger in der Gauleitung war Bernhard Rust, seit 1934 Reichserziehungsminister und damit in Hannover nur wenig präsent. Lauterbacher war 31 und damit der jüngste NS-Gauleiter. Im selben Jahr erhielt er den Titel Ehrenführer der Akademie für Jugendführung in Braunschweig.
Im Januar 1941 wurde Lauterbacher preußischer Staatsrat, im April 1941 Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover als Nachfolger von SA-Stabschef Viktor Lutze. 1942 folgte noch die Ernennung zum Gau-Reichsverteidigungskommissar. Lauterbacher war NSDAP-Gauleiter des Gaus Süd-Hannover-Braunschweig, Oberpräsident der Provinz Hannover sowie SS-Obergruppenführer. Im September 1941 ordnete der Gauleiter die Ghettoisierung der Juden in Hannover an. Rund 1200 Juden wurden aus ihren Wohnungen vertrieben und unter katastrophalen Lebensumständen in 15 sogenannten "Judenhäusern" untergebracht. Diese Aktion Lauterbacher war die Vorstufe zu der im Dezember 1941 beginnenden Deportation der hannoverschen Juden in die Vernichtungslager.
Während des Krieges tat sich Lauterbacher als fanatischer Nationalsozialist hervor. Noch am 4. April 1945, wenige Tage bevor US-amerikanische Truppen Hannover erreichten, verkündete er über Rundfunk und Zeitungen Durchhalteparolen. Unter der Überschrift "Lieber tot als Sklave" hieß es am 5. April in der Hannoverschen Zeitung auch: "Wer weiße Fahnen hisst und sich kampflos ergibt, ist des Todes." Er begab sich daraufhin nach Hahnenklee im Harz, wo er im Hotel Tannhäuser seinen Amtssitz einrichtete. Am Sonntag, 8. April 1945 erschien Lauterbacher noch einmal in der Gauhauptstadt Hannover, um die Bevölkerung über Drahtfunk zum Durchhalten aufzurufen. Er erklärte, dass die Befehlsgewalt weiter bei ihm und seinem Stellvertreter, Kreisleiter Heinz Deinert, liege. Daraufhin ließ er sein Auto mit 1,78 Millionen Reemtsma-Zigaretten beladen und setzte sich als Handelsvertreter getarnt wieder nach Hahnenklee im Harz ab. Von dort floh er weiter in Richtung Süden. Das Kriegsende soll er in Bad Gastein bei Salzburg erlebt haben. Am 12. Juni vermeldete der Neue Hannoversche Kurier, ein britisches Kommando habe ihn in Kärnten verhaftet. Nach dem Krieg war er bis 1948 interniert.
Die Justiz leitete insgesamt acht Verfahren gegen Lauterbacher ein, unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zur Rechenschaft wurde er jedoch nicht gezogen. Anfang Juli 1946 sprach ihn das Obere Britische Militärgericht in Hannover von der Anklage frei, Anfang April 1945 die Ermordung deutscher und alliierter Häftlinge des Gefängnisses von Hameln angeordnet zu haben. Im August 1947 begann im Internierungslager Dachau ein weiteres Verfahren gegen Lauterbacher. Dieses Mal ging es um einen Befehl aus dem September 1944, wonach Lauterbacher die Erschießung von zwölf amerikanischen Fliegern, die über Goslar abgeschossen worden waren, befohlen haben sollte. Im Oktober 1947 endete auch dieser Prozess mit einem Freispruch. Die deutsche Justiz, die durch die Staatsanwaltschaft Hannover bereits 1947 ein Verfahren eröffnet hatte, dem weitere Ermittlungsverfahren in München und Hannover folgten, begnügte sich damit, die Ermittlungen wegen Verjährung einzustellen. Das Verfahren von 1947 wurde nach gründlicher Prüfung erst zwölf Jahre später eingestellt. In den Nürnberger Prozessen trat der ehemalige stellvertretende Reichsjugendführer als Entlastungszeuge für seinen einstigen Chef Baldur von Schirach auf.
Lauterbacher, der seit Kriegsende im Lager Sandbostel bei Bremervörde interniert war, konnte am 25. Februar 1948 unter bis heute ungeklärten Umständen fliehen. Die Braunschweiger Zeitung berichtet von amerikanischen Geheimdienstunterlagen, nach denen angeblich die Antikommunistische Front hinter der Aktion stehen sollte, eine Organisation hoher Wehrmacht- und SS-Offiziere. Angeblich hatte Lauterbacher in dieser Zeit bereits Verbindungen zum US-Geheimdienst CIC. In Ungarn soll er mit Unterstützung der Amerikaner die NAESZ gegründet haben, eine internationale anti-bolschewistische Organisation. Später tauchte er in Rom unter dem Namen Bauer unter. Er verkehrte, offenbar im Auftrag von alliierten Geheimdiensten, in einem Kreis von Fluchthelfern, die belastete Personen entlang sogenannter Rattenlinien, etwa der sogenannten "Vatikan-Route", aus ehemaligen faschistischen Staaten nach Südamerika oder in den Nahen Osten brachten. Lauterbacher nutzte in diesen und den späteren Jahren seine zahlreichen Auslandskontakte, die er vor dem Krieg als HJ-Funktionär geknüpft hatte. Im April 1950 wurde er von den Italienern verhaftet und als lästiger Ausländer in das Lager Le Fraschette bei Rom gebracht, von wo Lauterbacher nach wenigen Monaten im Dezember 1950 fliehen konnte. Auch hier halfen ihm seine guten Kontakte zu ehemaligen nationalsozialistischen Aktivisten. Diesmal mit Hilfe von Südtiroler Nationalsozialisten gelang ihm die weitere Flucht nach Österreich und Deutschland.
Als die Falschmeldung von einer Flucht nach Argentinien von der Organisation Gehlen 1951 lanciert wurde, befand sich Lauterbacher bereits in deren Diensten. Die Organisation Gehlen führte ihn seit 1950 unter den Registrierungsnummer V-6300. Dass die Zusammenarbeit zwischen Lauterbacher und seinen Südtiroler Fluchthelfern sich bis in seine Zeit beim BND erstreckte, ist zumindest in einem Fall nachgewiesen. Der SS-Untersturmführer Otto Casagrande, einer der Fluchthelfer, wurde mit der Registriernummer V-6301 als erster Mitarbeiter Lauterbachers von 1951 bis 1953 geführt. Lauterbacher selbst blieb hingegen länger bei der Organisation Gehlen. Er wohnte dabei in verschiedenen Städten wie München und West-Berlin. Er war auch nach der Gründung des Bundesnachrichtendienstes, BND, bis 1963 Mitarbeiter des BNDs, unter anderem als Referatsleiter tätig. Eine seiner Aufgaben soll es gewesen sein, mit Hilfe ehemaliger HJ-Führer den Versuch zu unternehmen, die Freie Deutsche Jugend, FDJ, zu unterwandern. Um 1954 sollen ihm in Schleswig-Holstein offensichtlich neue Papiere besorgt worden sein.
Lauterbachers Familie lebte in Salem, Schleswig-Holstein. Er soll in München für die Firma Labora seines Bruders gearbeitet haben, einen Vertrieb von Industrie-Erzeugnissen im Ausland. Als intensivere Nachforschungen angestellt wurden, tauchte Lauterbacher erneut unter. 1960 berichtete Der Spiegel, Lauterbacher sei Inhaber von Labora und habe sich zum Experten für Nahost-Geschäfte entwickelt. Unter anderem verkaufe er an europäische Firmen Werbeflächen, die entlang des Suezkanals aufgestellt würden. Nach einer früheren Darstellung des Magazins arbeitete Lauterbacher in den 1950er Jahren als Kontaktmann für den Bundesnachrichtendienst. Im Auftrag von BND-Chef Reinhard Gehlen soll er im Nahen Osten ehemalige SS-Führer für den Dienst angeworben haben, die für arabische Geheimdienste arbeiteten. Bei der CIA gab es Bedenken gegen Lauterbacher. In einem Bericht der Amerikaner heißt es, Lauterbacher arbeite für einen östlichen Geheimdienst, sei homosexuell und damit erpressbar. 1965 beendete der BND die Zusammenarbeit. 1965 beriet Lauterbacher die Regierung in Ghana, später arbeitete er für verschiedene arabische und afrikanische Staaten. Bis Mitte der 1970er Jahre soll er dann für eine Werbeagentur in Dortmund gearbeitet haben. Zwischen 1977 und 1979 war der ehemalige Gauleiter offizieller Berater des Sultans von Oman, Qabus ibn Said, in Jugendfragen. Anschließend lebte er in Marokko und nahm 1981 einen Wohnsitz in Österreich.
1984 veröffentlichte Lauterbacher seine Lebensbeschreibung unter dem Titel Erlebt und mitgestaltet, ein typisches Beispiel für Rechtfertigungsliteratur der Nazi-Chargen der mittleren Ebene. Seine Biografie zeigt, dass es ihm nie gelungen ist, sich nach dem Krieg von seiner Rolle im Nationalsozialismus zu lösen. Er verteidigte die Verbrechen an den Juden. 1947 erklärte er: "Ich stehe auf dem Standpunkt, dass uns das Judentum den Krieg erklärt hat." Sein Leben nach 1945 war geprägt von Seilschaften und undurchsichtigen Geheimdienstverbindungen mit wechselnden Loyalitäten. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er sehr zurückgezogen in Deutschland, nur sein Totenschein belegt, dass er in Seebruck am Chiemsee verstorben ist.
Erst 2014 räumte der Bundesnachrichtendienst ein, Lauterbacher unter dem Decknamen "Leonhard" als hauptamtlichen Mitarbeiter beschäftigt zu haben. Auf Antrag wurde 2014 auch die Personalakte dem Spiegel zur Einsicht freigegeben.
Johann von Leers
NS-Publizist
J
ohann Jakob Werner Wilhelm Hans Friedrich Ernst Rudolf von Leers, auch Johann-Jakob von Leers, geboren 25. Januar 1902 in Vietlübbe, Mecklenburg, gestorben am 5. März 1965 in Kairo, Ägypten, mit zahlreichen Pseudonymen nach 1945, war ein deutscher NS-Publizist und Jurist. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde von Leers zum Universitätsprofessor für Geschichte ernannt. Häufig arbeitete er als Journalist. Er gehörte zeitlebens zu den umtriebigsten antisemitischen Propagandisten. 1955 ließ er sich in Ägypten nieder, konvertierte zum Islam und betrieb in Zusammenarbeit mit der ägyptischen Regierung weiterhin antisemitische Propaganda.
Johann von Leers entstammte der 1791 in den Reichsadelsstand erhobenen ursprünglichen Kaufmanns- und späteren Mecklenburger Gutsbesitzerfamilie Leers, auf den Gütern Schönfeld, Mühlen Eichsen und Vietlübbe im Amt Gadebusch. Er war der älteste Sohn von Kurt Alfred August Constantin Leopold Heino von Leers aus dem Haus Schönfeld und seiner Ehefrau Elisabeth Ida Auguste. Sein jüngster Bruder Kurt Mathias von Leers war katholischer Theologiestudent und starb 1945 an den Folgen monatelanger KZ-Haft.
Nach dem Besuch der Gymnasien Stralsund und Waren, Müritz, legte von Leers 1921 sein Abitur am Gymnasium Neustrelitz ab. Nachfolgend studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel, Berlin und Rostock und in den Nebenfächern Geschichte und Volkswirtschaft. 1924 beendete er sein Jurastudium in Rostock mit dem ersten Staatsexamen. Ein Jahr später promovierte von Leers mit der Arbeit Die Werkwohnung in der Gesetzgebung bei Tatarin-Tarnheyden. Er war von 1923 bis 1924 im Bund Wiking, danach im Jugendbund der Adler und Falken, einem ideologisch-propagandistischen Verein für Rassenbiologie und nordische Kultur samt germanischer Religion aktiv. Von 1926 bis 1928 arbeitete er im Auswärtigen Amt, als Kulturattaché für den Fernen Osten, wo er damit begann, sich intensiv mit der Judenfrage zu beschäftigen. Die Menschheit müsse vor der Versklavung durch die Juden gerettet werden. Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst kehrte Leers auf das stark verschuldete Familiengut Vietlübbe zurück, konnte aber dessen Konkurs und Verlust, für den er die Juden verantwortlich machte, nicht verhindern. Zum 1. August 1929 trat er in die NSDAP ein und wurde einer der engsten Mitarbeiter von Joseph Goebbels. Von jetzt an wurde er Versammlungsredner der Partei und Journalist des Angriff. Gleichzeitig wurde von Leers zum Hauptschriftleiter bzw. Mitherausgeber der NS-Zeitschrift Wille und Weg. 1932 veröffentlichte er die Biographie Adolf Hitler, die fortan von der Partei als maßgebend betrachtet wurde.
1930 bis 1931 war von Leers Mitglied der SA. 1932/33 wurde er zum Bundesschulungsleiter des NSDStB ernannt. Im April 1933 führte er eine deutsche Delegation an, die an einer Konferenz des International Student Service, ISS, an der Universität Leiden teilnahm. Der ISS war ein Zusammenschluss von Studenten und Dozenten, der die internationale Zusammenarbeit fördern sollte. Voraussetzung war völlige politische Neutralität der Teilnehmenden, es sollte zu einer unbefangenen Verständigung auf internationaler Ebene kommen. Kurz vor Schluss der Konferenz ließ der Rektor, der Historiker Johan Huizinga, Leers zu sich rufen. Der Senat der Universität hatte eine antisemitische Broschüre von Leers zu Gesicht bekommen und Huizinga beauftragt, ihn zur Rede zu stellen. Die antisemitische Schrift trug den Titel Forderung der Stunde: Juden raus! Darin verlangte der Autor, dass die religiöse Minderheit der Juden aus Deutschland vertrieben werden sollte. In der Broschüre wurde behauptet, Juden begingen rituelle Morde an Christenkindern, und das stelle eine Gefahr für die Christen in Deutschland und in aller Welt dar. Leers bekannte sich zu diesem Werk, redete sich aber heraus, die Broschüre sei eine ohne sein Wissen wiederaufgelegte Version eines schon vor längerer Zeit geschriebenen Werkes. Er verwies dann darauf, dass seine Auffassungen durch hohe Persönlichkeiten in Deutschland geteilt würden. Darauf bat ihn der Rektor, von der Gastfreundschaft der Universität keinen weiteren Gebrauch mehr zu machen und abzureisen. Huizinga beendete das Gespräch, ohne Leers zum Abschied noch die Hand zu reichen. Darauf reiste die deutsche Delegation vor Ende der Tagung ab. Die ab dem 30. Januar amtierende antisemitische deutsche Reichsregierung protestierte in den Niederlanden und Huizinga erhielt Vortragsverbot für das Reich. Die Historische Zeitschrift in Deutschland, bei der gerade ein Aufsatz über Burgund von Huizinga im Druck war, distanzierte sich von ihrem Autor. Huizingas Engagement gegen den deutschen Antisemitismus fand in Leiden und in den Niederlanden nicht nur Beifall. Einige Universitätskuratoren kritisierten ihn, aber es gab vorwiegend Zustimmung für Huizingas Handeln, das in der niederländischen Presse für ein schlechtes Image der Deutschen gesorgt hatte.
Am 14. Mai 1936 erfolgte von Leers Aufnahme in die SS als Untersturmführer, später befördert zum Obersturmführer, und seine Ernennung zum SS-Führer beim Stab des Rasse- und Siedlungshauptamtes. Seine Begeisterung für das Bauerntum und dessen vorgeblich arteigene Gesinnung führte ihn zur Zusammenarbeit mit Walther Darré und dessen "Reichsnährstand".
Leers war befreundet mit den Rassisten Ernst Bergmann, Anhänger einer "Odinsreligion", und dem Rassebiologen Hans F. K. Günther. Er gehörte 1933/34 zeitweise zum Führerrat der von Jakob Wilhelm Hauer gegründeten Deutschen Glaubensbewegung, in der Rassismus und Religion verbunden wurden. Jede Rasse besitze ein eigenes religiöses Artbild. Das Christentum war für Leers eine Mischung von Minderwertigkeit und jüdischer Philosophie. Für seine antichristlichen Aktivitäten erhielt Leers Schutz von Rudolf Heß und Wilhelm Frick, traf aber auf die Gegnerschaft seines früheren Förderers Goebbels, der zu dieser Zeit keinen Machtkampf mit den Kirchen wünschte. In der Folge befand sich Leers im gleichen ideologischen Lager wie Alfred Rosenberg und der Bauernminister Walther Darré. Im Projekt "Koranstellen, die sich auf den Führer beziehen sollen", als dem vorhergesagten Messias, 1943 angesiedelt im RSHA, Forschungsstelle Orient, kam es zu weiteren dokumentierten Kontakten zwischen Leers und Heinrich Himmler. Leers war Vorstandsmitglied einer "Gesellschaft für Germanische Ur- und Frühgeschichte" und gab daher die Nordische Welt heraus. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die Lehre des Herman Wirth zu propagieren. Leers und Wirth kannten sich seit 1933 aus der Hauer-Bewegung. Leers hatte Wirth 1934 mit Himmler bekannt gemacht. Mit Himmler hatte er als Kader beim Ahnenerbe viel zu tun.
Leers durfte an der Berliner Verwaltungsakademie zunächst im Jahr 1933 die Abteilung für Außenpolitik und Auslandskunde leiten, dann die Erwachsenenbildung nationalsozialistisch ausrichten. Seit 1933 war er Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik. 1936 erhielt er an der Universität Jena einen Lehrauftrag, genannt "Deutsche Rechts-, Wirtschafts- und politische Geschichte auf rassischer Grundlage", wurde 1938 außerplanmäßiger Professor und bekam im März 1940 einen Lehrstuhl für Deutsche Geschichte, insbesondere deutsche Bauerngeschichte, ohne dass er Geschichte studiert, geschweige denn sich habilitiert hätte. Jena galt als NS-Hochburg. Im vom Meer weit entfernten Jena wurde 1942 ein Seminar für Seegeschichte und Seegeltung neu errichtet, dessen Leiter er wurde. Zu seinen Assistentinnen in Jena gehörten Ingeborg Meinhof und Renate Riemeck, später die Pflegemutter der Rote-Armee-Fraktion-Terroristin Ulrike Meinhof, die 1943 durch ihn promoviert wurden. Seit 1943 war Leers aufgrund von Plagiatsvorwürfen auch innerhalb der NSDAP umstritten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gehörte Leers im Oktober 1933 zu den 88 Unterzeichnern des Gelöbnisses treuester Gefolgschaft zu Adolf Hitler. Von 1933 bis 1945 war von Leers Autor zahlreicher NS-Propagandaschriften, darunter Juden sehen dich an aus dem Jahr 1935, eine 95-seitige, bösartige Anspielung auf den Titel Tiere sehen dich an.
Die in mittelgroßer Auflage produzierten Werke versuchten das Weltjudentum zum Erbfeind und den Nazi-Mann zum Eros zu stilisieren. In Die Verbrechernatur der Juden schreibt er: "Judentum ist biologische Erbkriminalität, religiöser Synkretismus mit einem starken Anteil von Dämonenglauben. Wer gegen das Judentum kämpft, der tut das Werk des Herrn und kämpft einen Gotteskampf." Vom Anfang seiner Publizistik an bezeichnete Leers die Juden als Weltherrscher im Sinne der Protokolle der Weisen von Zion und beschuldigte sie des Ritualmords.
Über Albert Einstein schrieb er 1933 in Juden sehen dich an: "Erfand eine stark bestrittene Relativitätstheorie. Wurde von der Judenpresse und dem ahnungslosen deutschen Volke hoch gefeiert, dankte dies durch verlogene Greulhetze gegen Adolf Hitler im Ausland."
Hitlers Angriff auf die Sowjetunion hielt von Leers persönlich für einen Fehler: er unterstützte im Sinne der junkerschen Tradition eine Annäherung Deutschlands und Russlands, auch des bolschewististischen Russlands. Mitte der 1930er Jahre wurde er wegen seines Engagements gegen die antibolschewistische Propaganda aus seinem Amt an der Deutschen Hochschule für Politik entlassen. Auch nach dem Krieg unterstützte er noch eine Art Verständigung mit der Sowjetunion. Leers war einer der Hauptautoren der vom Nationalsozialistischen Lehrerbund, NSLB, von 1933 bis 1944 Monat für Monat in Millionenauflage herausgegebenen Schülerzeitschrift Hilf mit! und zeitweise auch als deren Schriftleiter für die politische Redaktion zuständig. Mit seinen eigenen über 100 Artikeln übertraf er die Zahl der Beiträge aller anderen Autoren und beherrschte den Bereich Geschichte in Hilf mit! Er indoktrinierte die Schüler mit antisemitischer Propaganda und Hitlers Führungsqualitäten verherrlichenden Erzählungen. Außerdem war Leers zeitweise Hauptschriftleiter der seit 1934 erscheinenden und an alle Lehrer kostenlos abgegebenen Zeitschrift Volksaufklärung und Schule, VS, des "Informationsdienstes für die ganze Lehrerschaft". VS wurde auch vom nationalsozialistischen Lehrerbund herausgegeben. Damit verantwortete Leers auch die nationalsozialistische Indoktrination der Lehrer.
1945/46 war von Leers in der amerikanischen Besatzungszone interniert, konnte jedoch fliehen und lebte die nächsten Jahre unter falschem Namen in der britischen Besatzungszone in der Nähe von Bonn. 1950 floh er weiter über Hamburg nach Buenos Aires, wohin die sogenannte Rattenlinie führte, wo er dann im deutschen Dürer-Verlag gemeinsam mit Dieter Vollmer als Verlagslektor wirkte. Hier war er für das Buchprogramm und die Herausgabe der Zeitschrift Der Weg für die Nationalsozialisten in Argentinien mitverantwortlich, in der er bis 1955 weiter den Hass gegen die Judentyrannei predigte. Nach dem Sturz Perons, und damit dem Verlust der ideologischen Unterstützung eines dritten Wegs zwischen Kapitalismus und Kommunismus durch die Regierung, fand dies ein Ende. In Deutschland publizierte Leers unverdrossen in mehreren rechtsextremen Zeitungen unter verschiedenen Pseudonymen. 1955 ließ von Leers sich in al-Maʿādī bei Kairo in Ägypten nieder. Er wurde vom Mufti Mohammed Amin al-Husseini in Kairo persönlich begrüßt und konvertierte 1957 vom Christentum zum Islam, wonach er sich Omar Amin von Leers nannte. Der Islam war für ihn von jetzt an bis zum Tod der einzige Retter der Menschheit, das Christentum kennzeichnete er als auf dem Wege der Fäulnis, und das Schicksal seiner Kirchen ist die moralische Zersetzung, so dass sie Eidgenossen des internationalen Zionismus und Mittel israelischer Propaganda werden.
An den US-amerikanischen Faschisten Harold Keith Thompson schrieb Leers 1958: "Ganz klar gibt es immer mehr deutsche Patrioten, die mitmachen bei der Großen Arabischen Revolution gegen den abscheulichen Imperialismus. Das ist prima! Zum Teufel mit dem Christentum, denn in seinem Namen wurde Deutschland an unsere Unterdrücker ausgeliefert. Unser Platz, als eine unterdrückte Nation unter dem grässlichen, vom Westen kolonisierten Bonner Regime, muss an der Seite des arabischen nationalistischen Aufstands gegen den Westen sein. Lass Adenauer toben, dass anständige deutsche Patrioten nicht von jenen freiheitsliebenden arabischen Ländern an ihn oder an seine britischen und amerikanischen Bosse ausgeliefert werden. Mag das britische Schwein uns Interventionisten nennen. In kurzer Zeit wird die britische Intervention im Nahen Osten Geschichte sein, so, wie sie im Irak schon Geschichte ist, wo die ungläubigen Knechte des britischen Imperialismus alle getötet wurden. Allah sei Dank! Die Rückendeckung, welche die USA den jüdischen Tyrannen in Deutschland geben, wird den Aufstand der deutschen Nation bewirken. Wirklich, es gibt nur eine Hoffnung für unser Land: Befreiung vom westlichen Imperialismus durch Mitmachen bei der Gruppe der Antiimperialisten unter arabischer Führung!"
Unter Staatspräsident Gamal Abdel Nasser war von Leers im ägyptischen Auslandspropagandadienst tätig. Während dieser Zeit versuchte seine Frau Gesine von Leers, in Deutschland jahrelang erfolglos, eine politische Amnestie für ihren Gatten zu erwirken. Durch al-Husseini, den er in dessen Exil in Berlin 1941 kennengelernt hatte, gelangte er immer mehr zu der Ansicht, den Kampf gegen die Juden als einen religiösen aufzufassen. "Als Religion hat der Islam tatsächlich einen ewigen Dienst geleistet: Er verhinderte die drohende Eroberung Arabiens durch die Juden und besiegte die schrecklichen Lehren Jehovas durch eine reine Religion", schrieb er. Mit reiner Religion meint er den Islam als das nationale "Artbild" der Araber, im Gegensatz zu universalen Religionen, die für ihn vom Judentum verseucht sind.
Während seiner Zeit in Ägypten lernte er auch Ahmed Huber, einen vom Protestantismus zum Islam konvertierten Bankmanager und Journalisten aus der Schweiz, kennen. Er verhalf Hans Eisele, einem KZ-Arzt, 1958 zur Flucht vor einem drohenden Prozess. Ludwig Zind empfahl er erfolgreich den Weg nach Kairo, um sich vor einem möglichen Zugriff der deutschen Justiz zu schützen. Unter dem Pseudonym Felix Wietholdt veröffentlichte er 1959 in der Zeitschrift Der Quell einen antisemitischen Artikel, der zum Verbot des von Mathilde Ludendorff gegründeten Bund für Gotterkenntnis führte. Der Bundesnachrichtendienst gab 2013 bekannt, dass von Leers in zwei Perioden in Ägypten sein Mitarbeiter war: 1957 bis 1959 unter dem Namen Nazi-Emi und ab 1961 als Hannes. In den Archivalien, soweit bekanntgemacht, wird von Leers Rolle im BND als unergiebig bezeichnet.
Von Leers wurde nach seinem Tode auf Kosten des ägyptischen Staates nach Deutschland überführt und am 19. Juni 1965 in Schutterwald nach islamischem Ritus beerdigt.
Rudolf Lehmann
Leiter der OKW-Rechtsabteilung, Generaloberstabsrichter
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udolf Lehmann, geboren 11. Dezember 1890 in Posen, gestorben am 26. Juli 1955 in Bonn, war ein deutscher Jurist. Als Leiter der Rechtsabteilung beim OKW und Generaloberstabsrichter war er der höchste Militärrichter in der Zeit des Nationalsozialismus und an der Ausarbeitung verbrecherischer Befehle des OKW beteiligt. Beim Nürnberger Generalsprozess wurde er 1948 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Lehmann, Sohn eines Professors der Rechtswissenschaften, wuchs in Breslau und Hanau auf und studierte zwischen 1909 und 1912 Rechtswissenschaften in München, Freiburg im Breisgau, Leipzig und Marburg. Während seines Studiums wurde er Mitglied beim Verein Deutscher Studenten Marburg. Er begann die Referendarzeit in Hessen und meldete sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Kriegsfreiwilliger. Er wurde als Frontoffizier mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.
Nach dem Zweiten Staatsexamen und der Promotion arbeitete er zunächst in der hessischen Justiz sowie zeitweilig im Reichspostministerium und ab 1922 als Landgerichtsrat in Berlin. 1925 wechselte er ins Reichsjustizministerium, wo er bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten zum Ministerialrat aufstieg. Er war seit 1933 in der Kleinen und Großen Strafprozesskommission an der Ausarbeitung der neuen Strafverfahrensordnung beteiligt. 1937 wurde er als Senatspräsident ans Reichskriegsgericht versetzt. Von 1938 bis 1945 leitete er als Ministerialdirektor die Wehrmachtrechtsabteilung des OKW und war in dieser Funktion an der Ausarbeitung verbrecherischer Befehle beteiligt.
1938 war er am Ehrengerichtsverfahren gegen den Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner von Fritsch, als Beisitzer beteiligt. Die Kriegssonderstrafrechtsverordnung, KSSVO, und die Kriegsstrafverfahrensordnung, KStVO, von 1938 wurden unter seiner verantwortlichen Leitung erarbeitet. Vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion wirkte er an der Ausarbeitung der "Richtlinien auf Sondergebieten zur Weisung Nr. 21" und des "Kriegsgerichtsbarkeitserlasses" mit. Er befürwortete die Ausschaltung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit über sowjetische Landeseinwohner und trug so entscheidend zur Brutalisierung und verschärften Ideologisierung der Kriegführung der Wehrmacht bei.
Zusammen mit den SS-Juristen Wilhelm Stuckart, Gerhard Klopfer, Werner Best und Reinhard Höhn gab er die Zeitschrift "Reich - Volksordnung - Lebensraum. Zeitschrift für völkische Verfassung und Verwaltung" heraus. Dieses verwaltungswissenschaftliche und geopolitische SS-Organ erschien zwischen 1941 und 1943 in sechs Bänden richtete sich an einen elitären, juristisch vorgebildeten Leserkreis insbesondere innerhalb der SS.
Am 23. und 24. April 1941 nahm er an der Tagung der höchsten Richter teil, in der sie durch den Reichsjustizminister Franz Schlegelberger über die Vernichtung lebensunwerten Lebens in der Aktion T4 unterrichtet wurden. Im selben Jahr war Lehmann an der Ausarbeitung des Nacht-und-Nebel-Erlasses beteiligt, der im Dezember 1941 in Kraft trat und das beabsichtigte spurlose Verschwindenlassen von Widerstandskämpfern und des Widerstands verdächtigter Zivilisten aus den besetzten Gebieten zum Inhalt hatte. 1944 wurde Lehmann wegen seiner Verdienste zum Generaloberstabsrichter ernannt.
Lehmann wurde am 24. Oktober 1947 im Kriegsgefangenenlager Hersbruck bei Nürnberg verhaftet und im sogenannten Generalsprozess 1948 angeklagt. Die Urteilspunkte: Begehen von Kriegsverbrechen und Begehen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seine Verteidigungsstrategie setzte auf Apologetik und Legendenbildung. So wollte er sich bemüht haben, die Auswirkungen der verbrecherischen Befehle zu mildern. Am 27. Oktober 1948 erfolgte das Urteil: 7 Jahre Haft, von denen allerdings drei Jahre durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten. Lehmann wurde vor allem wegen seines verantwortlichen Mitwirkens als Generaloberstabsrichter und ranghöchster Militärjurist des Dritten Reiches an den mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbarenden deutschen kriegsrechtlichen Bestimmungen der Wehrmacht für den Russlandfeldzug verurteilt. Er wirkte geringfügig an der Formulierung des Kriegsgerichtsbarkeitserlasses mit, der Übergriffe deutscher Soldaten gegen die Zivilbevölkerung in der Sowjetunion straffrei stellte und des Kommissarbefehls der die Tötung sowjetischer Kommissare befahl. Er war wichtiger Mitarbeiter bei der Ausarbeitung des Nacht-und-Nebel-Erlass und an der Formulierung des Terror- und Sabotageerlass beteiligt.
Die Verteidigung berief sich wie auch in anderen Fällen auf entsprechende Anordnungen Adolf Hitlers. Am 16. August 1950 wurde Lehmann wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech entlassen. Anschließend lebte er in Bad Godesberg, wo er als Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Bergbau tätig war. An seinem Grab sprach sein ehemaliger Untergebener und Oberstrichter Werner Hülle, der in der Bundesrepublik zum Richter am Bundesgerichtshof aufgerückt war.
Adolf Lenk
Leiter des NS-Jugendbundes
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ustav Adolf Lenk, geboren 15. Oktober 1903 in München, gestorben 1987, war ein deutscher rechtsextremer politischer Aktivist. Lenk war der Gründer des Jugendbundes der NSDAP, des Vorgängers der Hitlerjugend.
Lenk war der zweite von vier Söhnen des Polierers Paul Lenk und seine Ehefrau Anna, geborene Rippstein. Außer ihm gehörten noch der ältere Bruder Paul und die jüngeren Brüder Karl und Walter zu der Familie. Lenk selbst bezeichnete sein Elternhaus 1923 in einer polizeilichen Vernehmung als schon immer vaterländisch gesinnt.
Als Kind besuchte Lenk acht Jahre lang die Volksschule an der Liebherrstraße in München. Anschließend absolvierte er zweieinhalb Jahre lang eine Schreinerlehre, zunächst bei dem Schreinermeister Deragisch, dann bei dem Schreinermeister Dettmar. 1920 begann er in der Klavierpoliererei seines Vaters in der Jahsntraße 20 in München zu arbeiten. Hier arbeitete er bis April 1923.
Nachdem Lenk 1920 in München mehrere Reden Adolf Hitlers gehört hatte, stellte er ein Gesuch um Beitritt zur NSDAP, das jedoch abgelehnt wurde, da er jünger als achtzehn Jahre alt war. Da zu dieser Zeit noch keine Jugendorganisation der Partei existierte, schlug Lenk vor, eine solche zu gründen. Die damalige Parteiführung unter Anton Drexler folgte diesem Vorschlag, jedoch kam Lenk mit seinem Projekt nicht voran.
Im Januar 1921 trat Lenk der NSDAP und im Juni 1921 auch der Sturmabteilung, SA, dem Straßenkampfverband der Partei, bei. Als Hitler, mittlerweile Parteivorsitzender, in einer Rede im Dezember 1921 beiläufig eine eventuelle Jugendorganisation erwähnte, kam Lenk, nunmehr Parteimitglied, auf seine Idee zurück. Im März 1922 wurde auf Hitlers Initiative ein Gründungsaufruf im Parteiblatt Völkischer Beobachter veröffentlicht. Zur Gründungsversammlung des Jugendbundes am 13. Mai 1922 im Bürgerbräukeller in München trat Lenk als Jugendführer zusammen mit Adolf Hitler als Redner auf. Organisatorisch wurde der Jugendbund dem Führer der SA, Hans Ulrich Klintzsch, unterstellt. Anfangs auf München beschränkt, wurden noch 1922 weitere Ortsgruppen in Bayern und Mitteldeutschland gegründet und eine eigene Zeitung herausgegeben. Mitte Juni 1923 trat Lenk als Angestellter im Verlag des Völkischen Beobachters ein, bei dem er bis zum 1. Dezember 1923 beschäftigt blieb. Nach dem erfolglosen Hitler-Ludendorff-Putsch im November 1923, an dem Lenk beteiligt war, wurde der Jugendbund verboten, aber von Lenk unter verschiedenen Namen weitergeführt.
Am 6. Mai 1925 trat Lenk als Jugendführer zurück, nachdem Hitler zunehmend auf die Großdeutsche Jugendbewegung unter Kurt Gruber setzte. Offiziell übertrug Hitler mit einer Anordnung vom 6. Mai 1925 die Jugendarbeit der Partei an Edmund Heines von der "Schilljugend". Nach der Gründung der Hitlerjugend im Jahr 1926 verfügte die Partei schließlich wieder über eine Jugendorganisation, die Lenks Organisation später nicht mehr als Vorläufer anerkannte.
Zum 1. März 1932 trat Lenk erneut der Partei bei und wurde in der SA aktiv. 1941 wurde Lenk, der mittlerweile in der SA-Reichsleitung in Berlin arbeitete, aus der Partei ausgestoßen, da er unberechtigterweise den Blutorden getragen hatte. Ein erneuter Aufnahmeantrag blieb erfolglos.
Fritz Lenz
Abteilungsleiter für Rassenhygiene und Erblichkeitsforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie
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ritz Gottlieb Karl Lenz, geboren 9. März 1887 in Pflugrade, Kreis Naugard, Pommern, gestorben am 6. Juli 1976 in Göttingen, war ein deutscher Mediziner und Hygieniker, Anthropologe, Humangenetiker und Eugeniker. In der Zeit der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschen Reich war er einer der führenden Rassenhygieniker.
Fritz Lenz entstammte einer Familie mit einer langen landwirtschaftlichen Tradition in Pommern. Im Alter von sieben Jahren zog er zu Verwandten nach Stettin. Am dortigen Schiller-Realgymnasium legte er 1905 das Abitur ab. Lenz nahm ein Medizinstudium an der Universität Berlin auf, nach einem Semester wechselte er an die Universität Freiburg. Über sein Studienfach hinaus beschäftigte er sich mit Fragen der Anthropologie und Philosophie. In Freiburg wurde Lenz ein Schüler Eugen Fischers. Zusammen mit seinem Lehrer trat er 1909 als cand. med. und als Schriftführer der Ortsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Rassenhygiene bei. Dort lernte er Alfred Ploetz kennen und wurde sein Schüler. In Freiburg legte er 1912 das medizinische Staatsexamen ab. Im gleichen Jahr wurde er bei Ludwig Aschoff mit der Arbeit Über die krankhaften Erbanlagen des Mannes und die Bestimmung des Geschlechts beim Menschen promoviert. Über die rassenhygienische Gesellschaft lernte Lenz neben Alfred Ploetz auch Max von Gruber, den Direktor des Hygienischen Instituts in München, kennen. Ploetz und Gruber überzeugten Lenz, nach München umzusiedeln. Von Gruber bot ihm 1913 eine Gastassistentenstelle an seinem Institut an, und von Ploetz übernahm er 1913, bis 1933, die Herausgabe der Zeitschrift Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie, ARGB. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Lenz als Hygieniker im Gefangenenlager Puchheim und wohnte in Eichenau. Im Jahre 1919 wurde Lenz im Fach Hygiene bei Max von Gruber an der Universität München habilitiert mit der Arbeit Erfahrungen über Erblichkeit und Entartung an Schmetterlingen. Die Schmetterlinge dafür fand er in der Umgebung von Eichenau.
In einem Chemiekurs in München lernte er seine erste Frau Emmy Weitz kennen, die Schwester des Internisten und Rassenhygienikers Wilhelm Weitz. Nach der Heirat 1915 zog die Familie 1919 nach Herrsching am Ammersee. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor. Sein erster Sohn Hanfried wurde Professor für Mathematik an der Freien Universität in Berlin. Der zweite, Widukind, war ebenfalls Humangenetiker, er formulierte als erster öffentlich den Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff Thalidomid im Medikament Contergan und den Missbildungen nach Einnahme des Mittels durch Schwangere und wurde durch sein Engagement bei der Aufklärung des Contergan-Skandals bekannt. Friedrich wurde Professor für Angewandte Physik an der Universität Tübingen. 1928 starb seine Frau Emmy an einer Blutvergiftung. 1929 heiratete Fritz Lenz seine zweite Frau Kara, geborene von Borries. Aus dieser Ehe stammen zwei weitere Kinder: Reimar und Uta.
1921 veröffentlichte er zusammen mit Eugen Fischer und Erwin Baur das einflussreiche, von Hitler in der Festungshaft in Landsberg in Mein Kampf eingearbeitete Standardwerk "Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene". Lenz, Baur und Fischer lagen mit dieser Schrift durchaus im Trend einer bereits bestehenden eugenischen Bewegung, die Resonanz in allen politischen Lagern der Weimarer Republik von der Linken bis zur extremen Rechten fand. Das Menetekel des durch Kriegsverlust und Geburtenrückgang drohenden Aussterben des deutschen Volkes sowie das Schreckgespenst drohender Entartung durch die Zunahme sogenannter Keimgifte wie Alkohol, durch Tuberkulose und Syphilis als Folgen zunehmender Verelendung durch Krieg und Wirtschaftskrisen wurde allgemein anerkannt. 1923 wurde Fritz Lenz als Extraordinarius und Institutsleiter auf den ersten Lehrstuhl für Rassenhygiene in Deutschland an der Universität München berufen. 1931 forderte er, das untüchtigste Drittel der Bevölkerung zu sterilisieren.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gehörte er zu den Unterzeichnern eines Aufrufs im Völkischen Beobachter vom 3. Mai 1933: "Elf Münchner Hochschullehrer stellen sich hinter Adolf Hitler". Im selben Jahr übernahm Lenz an der Universität Berlin den von Alfred Grotjahn begründeten Lehrstuhl für Sozialhygiene. Im Oktober 1933 wurde er Direktor der Abteilung Eugenik am Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie als Nachfolger von Hermann Muckermann, der sein Amt aus politischen Gründen verlor, und gleichzeitig Ordinarius für Rassenhygiene und Leiter des Instituts für Rassenhygiene an der Universität Berlin. 1942 wurde ein Schüler seines Schwagers Wilhelm Weitz, Otmar von Verschuer, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts. Ab dieser Zeit war die Abteilung von Lenz weitgehend unabhängig im Institutsverband. Horst Geyer wurde 1935 einziger Assistent von Lenz. Im Jahr 1934 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.
Ab Mai 1933 war Lenz Mitglied im "Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik beim Reichsinnenminister". Der Sachverständigenbeirat war 1933 an der Formulierung des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" beteiligt, das Zwangssterilisationen vorsah. Ab 1935 wurde im Sachverständigenbeirat die Sterilisation der sogenannten "Rheinlandbastarde" diskutiert und organisiert, eine Maßnahme, die auch nach damaliger Rechtslage illegal war Zum 1. Mai 1937 trat Lenz der NSDAP bei, am 20. Februar 1940 dem Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund. 1939 wurde er Mitglied der American Eugenics Society. Im Oktober 1940 war Lenz an den Beratungen zu einem Euthanasiegesetz beteiligt. Das Gesetz war eine Initiative von Ärzten, die zeitgleich an den Krankenmorden in der Zeit des Nationalsozialismus, nach 1945 als Aktion T4 bekannt, beteiligt waren. Diesen Ärzten reichte die bisherige Ermächtigung durch Hitler nicht aus. Hitler lehnte es jedoch aus außenpolitischen Gründen ab, vor Kriegsende ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Lenz war zudem der Autor zweier Denkschriften, über die sich Himmler im Frühjahr 1941 zwar positiv äußerte, aber erklärte, sie ließen sich im Krieg nicht realisieren.
Nach Informationen von Sohn Reimar versuchte Fritz ihn von den Aufmärschen der Pimpfe des Deutschen Jungvolks freistellen zu lassen. Als Reimar wegen seiner guten Schulleistungen in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt eintreten sollte, besorgten die Eltern Atteste, mit denen dies verhindert wurde. Reimar durfte im nahegelegenen Haus seines Freundes Justus Alenfeld verkehren, einem Kind aus einer privilegierten Mischehe, und Mutter Kara lud den Freund ebenfalls ein. Mit Frau Alenfeld besuchte sie auch die Paulus-Gemeinde in Berlin-Zehlendorf, wo der antinazistische Pfarrer Dilschneider predigte.
In den letzten Kriegsjahren zog Lenz sich zunehmend zurück, wurde aber 1944 wissenschaftlicher Beirat des Generalkommissars für das Sanitäts- und Gesundheitswesen Karl Brandt. Im Winter 1944 ließ sich Lenz wegen depressiver Verstimmung beurlauben. Zur Erholung setzte er sich aus Berlin nach Westfalen zu Verwandten seiner Frau ab, eine Rückkehr nach Berlin hatte er offenbar nicht mehr geplant. Von dort aus nahm er noch im Winter 1944/45 Kontakt zur Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster auf und hielt dort im März 1945 eine Vorlesung. Weil sich die Hoffnungen auf Übernahme in die Medizinische Fakultät in Münster und einen Lehrstuhl nicht zu erfüllen schienen, bemühte er sich schließlich um eine Professur an der Universität Göttingen. In seinem Entnazifizierungsbescheid von 1949 wurde er als entlastet eingestuft. Lenz wurde hinsichtlich seines Verhaltens im Nationalsozialismus zugutegehalten, dass er sich nicht offen politisch geäußert hätte. Er sagte auf Nachfragen, dass ihm das Schicksal der ermordeten Juden sehr leid tue. Die Möglichkeit einer Höherselektierung der menschlichen Rassen hielt er dessen ungeachtet auch nach 1945 für wissenschaftlich erwiesen. So schrieb er 1951 an Hans Nachtsheim: "Ich habe Sympathie auch für die Schimpansen und Gorillas, und es tut mir sehr leid, dass sie dem Aussterben entgegensehen wie so viele andere Tierarten und auch sogenannte Naturvölker. Mir ist auch das Schicksal, das Millionen von Juden betroffen hat, sehr schmerzlich, aber das alles darf uns doch nicht bestimmen, biologische Fragen anders als rein sachlich zu betrachten."
Ab 1946 war Lenz außerordentlicher, ab 1952 ordentlicher Professor für "Menschliche Erblehre" in Göttingen. Schwerpunkte seines wissenschaftlichen Interesses waren hier die Methodik erbbiologischer Vaterschaftsgutachten sowie die Physiologie und Genetik der Farbwahrnehmung. 1955 erfolgte die Pensionierung, 1961 die nachträgliche Emeritierung. Lenz lebte bis zu seinem Tode zurückgezogen in Göttingen. Er starb im Alter von 89 Jahren an Herzversagen.
Lenz definierte Rasse als den Inbegriff der Erbanlage. Gruppen von Menschen, deren Erbanlagen untereinander ähnlich waren, nannte er eine Rasse. Äußerlichen Unterschieden wie Haar- oder Augenfarbe maß er dabei geringere Bedeutung bei als unsichtbaren Merkmalen, von ihm seelische Rassenunterschiede genannt. Lenz ging nicht nur von einer Ungleichheit, sondern auch von einer Ungleichwertigkeit der Rassen aus, die für ihn weder beweisbar noch widerlegbar war. Die menschlichen Rassen teilte er in vier Gruppen ein: Auf unterster Stufe standen für ihn dabei Steinzeitkulturen wie die Wedda in Sri Lanka oder die Aborigines in Australien. Auf einer höheren Entwicklungsstufe sah er Neger, die er für weniger intelligent als Weiße hielt. Auf einer dritten Stufe standen für ihn sogenannte mongolide Rassen, zu denen er auch mediterrane, orientalische und vorderasiatische Rassen zählte. Dieser Gruppe ordnete Lenz auch die überwiegende Zahl der Juden zu. An höchster Stelle sah er die nordische Rasse, die für ihn der alleinige Schöpfer der abendländischen Kultur war. Die Entwicklung der Kultur im antiken Griechenland war für Lenz die Folge der Einwanderung von Angehörigen der nordischen Rasse. Die Deutschen zählte er überwiegend zur nordischen Rasse.
Intelligenz hielt Lenz für erblich. Er ging davon aus, dass soziale Unterschiede die Folge unterschiedlicher Erbanlagen seien und nicht durch soziale Ungerechtigkeiten erklärbar waren. Dementsprechend sah er Vertreter der nordischen Rasse gehäuft in der Oberschicht auftreten, während in der Unterschicht vorwiegend primitive Rassenelemente vertreten seien. Seiner Meinung existierte ein Typus des Verbrechers, der Merkmale wie vorspringende, massige Kiefer und fliehende Stirn aufwies und an den Neandertaler erinnern würde. Für Lenz war die Gefahr einer schnellen Entartung der nordischen Rasse durch die sogenannte Gegenauslese gegeben: Durch die höhere Kinderzahl unterer sozialer Schichten sah er das von ihm als hochwertig definierte Erbgut in Gefahr. Generell hielt er die natürliche, mitleidlose Auslese für durch die modernen Umweltbedingungen gestört, beispielsweise durch die Fortschritte in der Medizin. Gesundheit definierte Lenz bezogen auf die Rasse, nicht allein auf das Individuum. So betrachtet war Kinderlosigkeit eine Krankheit, weil sie den Fortbestand der Rasse gefährdete. Gesund waren für ihn Menschen, die an die Anforderungen ihrer Umwelt gut angepasst waren.
Bei der praktischen Umsetzung seiner rassenhygienischen Vorstellungen standen für Lenz die positiven rassenhygienischen Maßnahmen im Vordergrund, die die Fortpflanzung der Hochwertigen begünstigen sollten. Auslese funktioniere nach seiner Meinung dann am besten, wenn es eine hohe Kinderzahl und eine rasche Abfolge von Generationen gebe. Bezüglich der Durchführung rassenhygienischer Reformen sprach sich Lenz für die Verwendung des Wortes Rassenhygiene statt Eugenik aus. Zentrale Bedeutung hatten für ihn Ehe und Familie; dabei unterschieden sich für Lenz Mann und Frau stärker als die verschiedenen Rassen. Die Bestimmung der Frau sah er in der Rolle als Ehefrau und Mutter, dementsprechend lehnte er die Frauenemanzipation ab und bekämpfte Frauenstimmrecht, Frauenstudium, Frauensport und die Berufstätigkeit der Frau. Uneheliche Kinder wollte Lenz rechtlich nicht gleichgestellt wissen, uneheliche Geburten waren für ihn ein Anzeichen für die Minderwertigkeit insbesondere der Mütter. Lenz setzte sich für eine Erziehungsreform ein, er wollte dabei Hochbegabte fördern und strebte eine rassenhygienische Grundausbildung nicht nur für Mediziner an. Familien mit Kindern sollten steuerlich begünstigt werden, er wollte dabei keine allgemeinen Zuschüsse für Kinder, sondern nur für die aus rassenhygienischer Sicht erwünschten aus den oberen Gesellschaftsschichten. Eine besondere Förderung sollte das Bauerntum erhalten, das Lenz als Quelle unserer Volkes- und Rassenkraft ansah und das durch deutsche Siedlungen im Osten, insbesondere im Baltikum, gefördert werden sollte. Weniger Bedeutung maß Lenz negativen rassenhygienischen Maßnahmen bei, die die Minderwertigen an der Fortpflanzung hindern sollten. Lenz befürwortete die Sterilisation der Minderwertigen, deren Anteil an der Bevölkerung in unterschiedlichen Publikationen auf 10% oder ein Drittel schätzte. Zwangssterilisationen lehnte er ab, da seiner Ansicht nach die öffentliche Meinung hierfür noch nicht reif oder einsichtig genug sei. Der Tötung lebensunwerten Lebens, wie sie in der nationalsozialistischen Euthanasie praktiziert wurde, maß Lenz keine große Bedeutung bei, da dieser Personenkreis nicht zur Fortpflanzung komme. Zudem hielt er die Achtung vor dem individuellen Leben für eine wesentliche Grundlage der sozialen Ordnung. Lenz befürwortete allerdings die Euthanasie von schwer erbkranken Kindern rezessiver Erbanlageträger, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, weitere, gesunde Kinder aufzuziehen.
