Kalle das Deichhörnchen - Claus Beese - E-Book

Kalle das Deichhörnchen E-Book

Claus Beese

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Beschreibung

Am Strand der Elbe in Otterndorf lauert ein seltenes aber gefährliches Tier: das Deichhörnchen. Zeltlagerkinder, die alleine auf Entdeckungsreise am Deich gehen, frisst es mit Vorliebe. Ob das stimmt? Jonas, Emma und Lukas aus Hannover gehen der Sache auf den Grund und entdecken … Nein, hier wird noch nichts verraten. Lest selbst die Geschichte vom Deichhörnchen, das einst ein Seemann war und die Weltmeere bereiste, und nun in einem halbverfallenen Boot im Deichvorland von Otterndorf haust.

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Claus Beese

Kalle dasDeichhörnchen

ELVEA

Impressum

© 2022 Claus Beese

Herausgegeben von: © 2022 Elvea Verlag (www.elveaverlag.de)

Satz & Layout: Uwe Köhl

Coverdesign von: © 2022 Rainer Demattio

Verlagslabel: Elvea Verlag

ISBN E-Book: 978-3-347-65695-6

Druck und Distribution im Auftrag des Herausgebers:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Herausgeber verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Herausgebers, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Projektleitung

www.bookunit.de

Jonas, Emma und Lukas

Das Zeltlager auf dem Campingplatz an der Elbe machte zumindest zweien der Geschwister aus Hannover richtig Spaß. Nur Jonas, der älteste, war mürrisch und kickte ein angeschwemmtes Stück Holz über den Sand. Er hatte keine Lust, die ganzen Ferien über Aufpasser für seine kleineren Geschwister zu sein. Nur wenige Kilometer von Otterndorf mündete der Fluss in die Nordsee und man schmeckte schon das Salz des Meeres in der Luft, wenn der Wind von See her blies. Zuhause gab es den Maschsee, aber auf dem fuhren keine Ozeanriesen. Am liebsten hätten sie den ganzen Tag vom Strand des Flusses aus den vielen großen und kleinen Schiffen zugesehen, die die Elbe hinauf bis nach Hamburg fuhren. Andere kamen von dort den Fluss herunter und trugen ihre Fracht hinaus auf das weite Meer nach Übersee. Einige würden auch in Brunsbüttel durch die großen Seeschiffsschleusen in den Nord-Ostsee-Kanal fahren, den meistbefahrenen Kanal der Welt.

Er diente als Abkürzung, denn so mussten die Schiffe nicht den Umweg um Dänemark herum auf ihrem Weg zur Ostsee wählen.

»Oh, Mann!«, meckerte Lukas gerade mal wieder und sprach aus, was viele der hier anwesenden Kinder dachten. »Warum dürfen wir denn den kleinen Weg zum Strand und zurück nicht alleine gehen? Wir sind doch keine kleinen Babys mehr!«

Zustimmendes Gemurmel kam von allen Seiten, und der Leiter des Jugendzeltlagers sah den Platzwart an. Sollte der es den Kindern doch sagen, ihm als Einheimischen, würden sie eher glauben als einem, der wie die Kinder selbst, weit von der Küste entfernt wohnte.

Platzmeister Schröder machte eine beschwichtigende Geste, und die Kinder, die um ihn herumstanden, verstummten.

»Hört mal bitte alle zu!«, rief er. »Wir haben hier am Meer andere Tiere wie ihr im Binnenland. Ein Problem an unserem Deich, der den Campingplatz vom Strand trennt und das Hinterland vor Sturmfluten schützt, sind die wild lebenden Deichhörnchen. Sie sind sehr scheu und sehr bissig. Ihr dürft auf keinen Fall alleine über den Seedeich gehen, es ist viel zu gefährlich. Wenn ihr in eine Horde dieser bissigen Tiere geratet, ist es vorbei mit eurem Urlaub an der See.«

»He, Mann!«, rief ein Junge aus der Menge. »Wir haben zuhause drei Kampfhunde, und ich habe vor nichts Schiss!«

»Hm! Hast du auf dem Deich schon mal Hunde gesehen?«, fragte Hektor, der Gruppenleiter, und schaute Tim ernst an. Der Junge überlegte, aber so weit der Deich vom Campingplatz zu überschauen war, er hatte den ganzen Tag noch keinen Hund gesehen. Also schüttelte er den Kopf.

»Nee«, gab er zu.

»Siehst du! Das hat seinen Grund. Selbst die Hunde des Schäfers trauen sich nicht alleine dorthin. Und sie wissen, warum! So, und jetzt bilden wir zwei Mannschaften und spielen Strandfußball. Wer will, kann auch ans Wasser, aber geht ein paar Schritte zurück, wenn ein großes Seeschiff vorbeifährt.«

Emma drängte sich an ihren Bruder Jonas, und auch der kleinere Lukas wich nicht von dessen Seite. Mit scheuen Blicken versicherten sie sich, dass keines der gefürchteten Tiere in der Nähe war.

»Das sind doch Kindermärchen!«, schimpfte Jonas und schüttelte die Hände seiner Geschwister ab. »Die wollen nur nicht, dass wir alleine zum Strand laufen.«

»Bist du sicher?«, fragte Lukas. Noch immer schaute er sich ängstlich um.

»Mach dir keinen Kopf, Kurzer«, grinste sein großer Bruder. »Alles Ammenmärchen. Oder hast du schon mal was von Deichhörnchen gehört?«

Lukas überlegte angestrengt. Eichhörnchen kannte er und die beiden Backenhörnchen aus den Donald-Duck-Heften. Auch von Streifenhörnchen und Flughörnchen hatte er schon gehört, aber wie ein Deichhörnchen wohl aussehen würde, das konnte er sich nicht vorstellen.

»Vielleicht haben die ein langes und ein kurzes Bein, damit sie besser am Deich entlanggehen können«, vermutete Emma.

»Dann könnten sie aber nur in eine Richtung laufen«, bemerkte Lukas, doch Emma meinte: »Dann laufen sie auf der einen Deichseite hin und auf der anderen zurück!«

Jonas schien davon nichts zu halten, denn er blies seine Wangen auf und meinte verächtlich: »Pah! Kinder!«

Er drehte sich um und lief zu den größeren Jungen, die sich bereits in Mannschaften aufgeteilt hatten. Am Strand standen zwei Holzgestelle, die als Tore dienen sollten. Hektor pfiff in seine Trillerpfeife, und es gab Anstoß.

»Willste mitspielen?«, fragte Lukas seine größere Schwester, und man sah ihm an, dass er selbst absolut keine Lust auf Fußball hatte. Emma schüttelte den Kopf.

»Ich gehe Muscheln sammeln, kommst du mit?«

Lukas nickte, und die beiden liefen über den warmen Sand bis ans Wasser. Leise plätscherten die Wellen des Flusses an den Strand und umspülten ihre nackten Füße.

»Brrrr!«, machte Lukas und schüttelte sich.

»Kalt?«, fragte Emma belustigt.

»Nee, nass!«

Es war toll. Im Sand lagen eine Menge Muscheln, am meisten gab es die im Sonnenlicht glitzernden Perlmuttmuscheln, die auch Miesmuscheln hießen.

Angeblich wurden sie so genannt, weil sie immer miese Laune hatten, denn die Menschen fischten sie in großen Mengen aus dem Meer, um sie zu essen.

Lukas und Emma bemerkten nicht den großen Containerfrachter, der sich fast lautlos genähert hatte und nur wenige Steinwürfe entfernt in der Fahrrinne den Otterndorfer Strand passierte. Es ist eine Eigenart der großen Seeschiffe, dass sie im Vorbeifahren zuerst das Wasser vom Ufer wegziehen, um es etwas später in doppelter Höhe wieder zurückzuschicken. Dabei entstehen sehr starke Strömungen und hohe Wellen, die alles mit sich reißen, was in ihrer Nähe ist.

Lukas sah, wie sich das Wasser zurückzog und sah die wunderschöne Muschel genau dort liegen, wo eben noch das Wasser war.

»Da ist eine ganz tolle …!«, rief er und stürmte zu seinem Fund. Als er sich bückte um ihn aufzuheben, hörte er das Rauschen, mit denen die Wellen zurückkamen, und im nächsten Moment warfen sie ihn um. Das Wasser der Elbe schlug über ihm zusammen, riss ihn von den Füßen und spülte den Jungen über den harten Sand. Zwei starke Hände packten zu, bevor der Sog ihn in den Fluss ziehen konnte, hoben ihn hoch und hielten ihn über Wasser.

Einer der Lagerhelfer hatte die Gefahr bemerkt und war zu dem Jungen gelaufen, als er die hohen Brecher kommen sah. Er griff auch nach Emma, die es ebenfalls von den Füßen gerissen hatte und ließ die beiden erst wieder los, als sie den trockenen Sand unter den Füßen spürten. Lukas spuckte angeekelt das salzige Wasser aus.

»Uäh! Das schmeckt ja gruselig. Da ist mir der Maschsee lieber!«

Hektor, der die Jugendgruppe auf dem Zeltplatz leitete, hatte alles beobachtet, war aber zu weit weg gewesen, um noch rechtzeitig eingreifen zu können. Er bedankte sich bei seinem Helfer für dessen Aufmerksamkeit und nahm die beiden Pechvögel unter seine Fittiche. Er war sehr besorgt und erst, als die beiden ihm versicherten, dass ihnen nichts passiert war, pfiff er das Fußballspiel ab. Er erklärte allen Kindern, was geschehen war, und sie beobachteten genau, wie auch das nächste Schiff mit seinem Sog das Wasser wegsaugte, um es wenig später mit rauschenden Wellen wieder zurück an das Ufer zu schicken.

Hektor winkte Jonas heran.

»Jonas, kannst du vielleicht etwas mehr aufpassen, wenn wir am Strand sind? Du bist ja einer der älteren Jungs und kannst vielleicht ein wenig mit achtgeben, dass sowas nicht wieder passiert.«

Jonas blies die Backen auf und machte ein Mondgesicht. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass er hier Babysitter spielen sollte. Er fand es sowieso nicht wirklich prickelnd, dass ihn seine Eltern zusammen mit den beiden jüngeren Geschwistern in das Zeltlager an die Nordsee geschickt hatten. Jonas hatte sich seine Ferien anders vorgestellt. Doch anstelle von spannenden Abenteuern, die er erleben wollte, würde er Kindermädchen für die Kleinen spielen müssen. Dabei war Emma nur ein Jahr, und Lukas drei Jahre jünger als er. So schnaubte er nur einmal verächtlich und meinte: »Ihr Babys habt ja wohl von nichts eine Ahnung! Ach, sollen euch doch die Deichhörnchen fressen!«

Nur Schauermärchen

Nach dem Abendessen und dem unvermeidlichen Küchendienst, den man in der Seemannssprache ›Backschaft‹ nennt, fand sich die ganze Gruppe am Ufer des Badesees zusammen, der zum Campingplatz gehörte. Platzwart Schröder hatte einen Holzstoß aufgeschichtet, den er in Brand setzte. Wer wollte, konnte sich über dem Lagerfeuer Stockbrot backen oder ein Würstchen grillen, während Hektor auf seiner Gitarre ein paar Lieder spielte. Manche Kinder kannten die Texte und sangen mit, andere wurden ganz still, und ihre Gedanken eilten nach Haus zu ihren Eltern, die an diesem Jugendlager nicht teilnehmen durften.

»Hoffentlich machen sich Mama und Paps keine Sorgen«, murmelte Lukas. Jonas fing laut an zu lachen.

»Mensch, Kurzer. Die haben alle Hände voll damit zu tun, sich von dir zu erholen. Die kommen gar nicht dazu sich Sorgen zu machen.«

»Du sollst Lukas nicht immer ärgern«, schaltete sich Emma ein, und Lukas warf ihr einen dankbaren Blick zu. So ganz ohne seine Mutter, die sonst immer für ihn Partei ergriff und Jonas in seine Schranken wies, kam er sich ein wenig verloren vor.

Ein Junge in Jonas‘ Alter schlenderte heran und gesellte sich zu den Geschwistern. Jonas und er kannten sich vom Fußball, und beide waren scheinbar froh, einen gleichaltrigen Gesprächspartner zu haben.

»He! Was geht?«, fragte der Junge, und Jonas stellte ihn seinen Geschwistern vor.

»Das ist Tim, wir waren vorhin am Strand in einer Mannschaft.«

Lukas hob nur kurz die Hand, aber Emma betrachtete den Jungen genau.

»Hi«, machte sie dann und schüttelte ihm die Hand.

»Was haltet ihr davon, wenn wir nachher mal diesen sagenhaften Deichhörnchen auf den Pelz rücken?«, fragte Tim wie beiläufig. Emma und Lukas bekamen große Augen. Das konnte ja wohl nicht sein Ernst sein, wie stellte er sich das denn vor?

»Wir tun so, als würden wir schlafen gehen und wenn alles still ist, treffen uns an dem kleinen Weg am Deich.«

»Voll krass, Mann!«, freute sich Jonas, denn er witterte ein Abenteuer. Lukas und Emma hingegen schienen nur mäßig begeistert.

»Und wenn die was merken?«, meinte Emma leise und deutete auf den Lagerleiter. »Dann können wir uns ganz schön was anhören.«

»Und wenn die Deichhörnchen was merken, dann können wir uns noch viel mehr anhören«, flüsterte Lukas und rollte mit seinen Augen. Ihm war das nicht geheuer. Vielleicht, wenn er drei Hosen übereinander ziehen würde, kämen die Tiere mit ihren Zähnen nicht bis an seine Waden. Viel höher konnten sie ja wohl kaum beißen.

»Ihr seid solche Memmen, echte Mädchen!«, ätzte Jonas und wandte sich an Tim. »Wir machen das zusammen, die beiden Kleinen bleiben zuhause!«

»Entweder alle oder keiner!« Tim war knochenhart.

»Okay! Also, wenn es dunkel wird, hauen wir ab«, stimmte Jonas zu.

Nach und nach hatten die Kinder sich in ihre Zelte zurückgezogen. Der Tag der Anreise war sehr anstrengend gewesen. Bis man sich im Zelt eingerichtet und auf dem Platz alles erkundet hatte, war man richtig kaputt. Nur der Platzwart und der Lagerleiter mit seinen Helfern saßen noch um die glühenden Reste des Feuers und unterhielten sich leise.