Petrus' starke Truppe - Claus Beese - E-Book

Petrus' starke Truppe E-Book

Claus Beese

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Beschreibung

Kann man Hechte mit Gummi-Enten angeln? Was sind Boilies und schmecken sie Fischen oder nur Tochter Claudia gut? Welches Weihnachtsgeschenk ist für den fortgeschrittenen Angler geeignet? Kann man Würmer und Kartoffeln grillen? All diese Fragen beantwortet Claus Beese in seiner neuesten Sammlung amüsanter Geschichten. Diesmal dreht sich alles ums Angeln – oder doch nicht nur? Im Mittelpunkt stehen die Menschen, von Klein-Claudi bis hin zu Opa Diercks, der auf seine geniale Art sogar Geburtshilfe leistet. An Petrus' starker Truppe haben garantiert nicht nur Angler Spaß, sondern auch deren leidgeprüfte bessere Hälften und sogar Menschen, die Angeln bisher für entsetzlich langweilig hielten. Das Gegenteil ist der Fall! Mit spitzer Feder glossiert der Autor die als so entspannend vermutete Freizeitbeschäftigung. Nach dem Motto "Pleiten, Pech und Pannen" werden ganze Bäume abgeholzt, Kleinkinder ihres Spielzeugs beraubt, Läden verwüstet und Küchen ruiniert. Na, dann: Petri Heil!

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Seitenzahl: 201

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Claus Beese

Petrus' starke Truppe

Katastrophales vom Angelwasser

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Zum Buch

Vorwort

Die Geburtshilfe

Omas Meisterstück

Ein treuer Freund

Nur ein Osterei

Oma entkommt keiner

Elektrowürmer

Stippfischer

Alles kleine Fische

Dem Nachwuchs eine Chance

Podderaale

Ein wasserscheuer Nasenbär

Der Entenhecht

Mord kommt nicht in Frage

Boilies

Glücksfälle

Bei Thor und Odin!

Vom Umtausch ausgeschlossen

Nur ein Weihnachtsgeschenk

Die Leuchtpose

Rache ist süß

Weitere Bücher vom Autor

Impressum neobooks

Zum Buch

Texte Claus Beese

www.claus-beese.de

Illustrationen Lothar Liesmann

www.zeichner-liesmann.de

Dieses Buch ist als Printausgabe beim Mohland Verlag unter der

ISBN-Nummer 978-3-86675-100-2

Vorwort

Zeit ist etwas, das man nur schlecht greifen und noch schlechter begreifen kann. Die Stunde, die uns Anglern im Winter unendlich erscheint, ist die gleiche, die uns im Sommer meistens fehlt, wenn es am Wasser gerade interessant wird und die Fische anfangen zu beißen. Man kann sie nicht sehen, nicht riechen, fühlen oder schmecken. Und doch ist sie da. Wir sehen nur, was sie mit uns macht. Wir werden älter, dabei jedoch selten weiser. Personen, die uns irgendwann begegneten, verschwinden wieder aus unserem Leben. Neue Menschen erscheinen und nehmen an unserem Leben teil. Und das ist gut so.

Auch in diesem Buch werden Ihnen wieder Petrijünger begegnen, wie es sie zu jeder Zeit und überall gegeben hat und auch heute gibt. Nette, brummige, skurrile und witzige Typen werden sie durch die Geschichten begleiten. Auch meinem Nachwuchs und anderen Familienmitgliedern werden Sie hier gelegentlich begegnen. Allen gemein ist die Tatsache, dass alle Personen, von denen hier berichtet wird, lebten oder leben. Die Ereignisse, die ich unterhaltsam zu schildern bemüht war, entsprangen dabei nicht etwa meiner regen Phantasie, sie wurden von den „Helden“ dieses Buches tatsächlich fast genau so erlebt.

Nein, meine Tochter! Du kannst jetzt nicht am Computer spielen. Jetzt sitze ich hier und schreibe. Was soll das heißen: »Willst du nicht lieber Angeln gehen?« Wann ich Angeln gehe bestimme noch immer ich. Da trottet sie traurig davon. Armes Mädchen! Es ist nicht leicht, einen Geschichtenerzähler zum Vater zu haben.

Hmmm! Andererseits, das Wetter ist prächtig, für November fast zu trocken. Aber bewölkt, leicht diesig und noch mit milden Temperaturen. Ob der Hecht, der mir im Sommer in den Gräben des Offenwardener Moores das Vorfach zerlegte, noch auf mich wartet? Oder vielleicht sollte ich doch lieber auf einen der großen Karpfen aus dem Mühlteich gehen?

Es ist anzunehmen, dass mit dem sich zum Ende neigenden Jahr das Wetter schlechter wird. Und wenn es erst mal regnet und stürmt, oder der Frost sich durch die wattierten Jacken beißt, dann ist auch nicht mehr die richtige Zeit zum....

Die Geburtshilfe

Unweit des Vegesacker Hafens, etwas weiter flussabwärts, zwischen den alten Helgen der großen Schiffswerft und dem hohen Vegesacker Weserufer mit den prächtigen Kaufmannsvillen, lag in einer kleinen Bucht des großen Stromes ein Platz, den wir Angler alle schätzten. Wenn man am Krankenhaus rechts abbog und mit dem Rad gaaanz vorsichtig über das Kopfsteinpflaster hinunter zur Weser rollte, erreichte man den tiefsten Punkt des Stadtteils und den fängigsten Platz am Fluss. Was die Fische an diesem so überaus interessant fanden, war nicht zu ergründen. Letztendlich war es uns auch egal, ob hier viel geangelt wurde, weil es viele Fische gab, oder ob es viele Schuppenträger hierher zog, weil die Angler immer großzügig mit Kleie und Paniermehl anfütterten. Wichtig war nur eines, nämlich dass sie bissen!

Opa Diercks war nicht mehr ganz so gut zu Fuß, aber wenn er seinen Spazierstock zusammen mit den Angelruten aufs Rad schnallte, war er noch ganz schön beweglich, und die Fische taten gut daran, sich ihre leckeren Futterhappen etwas genauer als sonst anzusehen. So strampelte er, vergnügt vor sich hin pfeifend, die Hauptstraße entlang und bog sodann in die Seitenstraße ein, deren Pflasterung etwa in der Mitte der Römerzeit entstanden sein musste.

Mit einem gequälten »Eijeijeijei!« lupfte Johann Diercks seinen Allerwertesten vom Sattel, um den härtesten Stößen zu entgehen. So ein Fahrradsattel war ja schließlich auch kein Plüschsessel. Johann hatte Glück. Heute war weit und breit kein anderer Sportsfreund zu sehen, und die ganze Bucht gehörte ihm allein. Vergnüglich schmunzelnd rieb er sich die Hände und machte sich daran, seinen heiß geliebten, vier Meter langen Bambusknüppel zusammenzustecken. Zwar gab es mittlerweile schon lange die hochmodernen Glasfaserruten, aber, so pflegte Opa Diercks immer zu sagen, »...für´n Brassen brauchste Gefühl und das haste nur im Bambus.«

Einige Prachtmaden zierten alsbald den Angelhaken, und schon flog die ganze Montage seewärts. Hart an der Stromkante, wo das Wasser ein wenig küselte, zog die als Pose eingehängte Stachelschweinborste träge mit der Strömung dahin. Jetzt war genau der richtige Augenblick für ein kleines Pfeifchen, befand Johann Diercks und setzte seine kleine Shagpfeife unter Dampf. Allerdings blieb ihm gleich der erste Zug fast im Halse stecken, als er zufällig aufblickte und den jungen Schnösel sah, der, wie von Furien gehetzt, die Straße herab gerannt kam und schnurstracks auf Opa Diercks zusteuerte. Bei diesem angekommen, packte er den Alten am Revers seiner Jacke und schüttelte ihn.

»Schnell, Mann!«, keuchte er. »Was haben wir für Wasser?«

Opa Diercks fiel beinahe die Pfeife aus dem Mund. »Äh…, wie?«, machte der alte Angler verdutzt, denn mehr fiel ihm dazu nicht ein.

»Mann!«, heulte der andere aufgeregt und hüpfte von einem Bein aufs andere. »Sie angeln doch hier, da müssen sie doch wissen, was jetzt für Wasser ist?!«

»Ablaufend«, sagte Johann Diercks vorsichtig.

»Gott sei Dank! Da haben wir ja noch etwas Zeit«, befand der Schnösel, drehte sich um und rannte die Straße wieder hinauf in Richtung Krankenhaus.

Opa Diercks war sprachlos. So etwas war ihm noch nicht untergekommen. Ein wenig hilflos kratzte er sich am Kopf und starrte dem Verrückten nach, der sich schnell entfernte. Opa Diercks graue Hirnzellen arbeiteten auf Hochtouren, konnten aber keine vernünftige Erklärung für diesen Vorgang finden. Er zuckte die Achseln und widmete sich wieder den wirklich wichtigen Dingen im Leben eines Anglers, nämlich den Brassen, die er heute zu fangen gedachte. Aha, gerade wurde die Pose ein kleines Stück angehoben und legte sich dann in typischer Brassenmanier flach aufs Wasser, - Anhieb! Jaaa, der war gut! Ab ging die Post, hin und her, kreuz und quer. Es dauerte eine Weile, bis er den Fisch ausgedrillt hatte und der ihm seine goldsilbern schimmernde Flanke zeigte. Der Fisch wurde gekeschert und versorgt, bevor drei neue Maden samt Haken wieder in den Fluss tauchten. Der Oldtimer schaffte es nicht, die Rute aus der Hand zu legen, denn schon wurde die Pose wieder in die Tiefe gezogen. Also, erneuter Anhieb! Ja, da kam Freude auf. Das war einer von der Sorte »Klodeckel«, und Opa Diercks hatte alle Mühe, den kapitalen Fisch zu bändigen. Der Alte hatte gerade den Fisch von der Angel gelöst und wollte schon seinen Haken neu bestücken, als der Verrückte von vorhin wieder die Straße herunter gerannt kam.

»Wasser?«, keuchte er schon von weitem.

»Ablaufend!«, rief Opa Diercks und der arme Irre winkte kurz, machte kehrt und rannte zurück. Drei Klodeckel – äh, Brassen später hechelte er schon wieder heran, Opa Diercks erkannte jetzt schon das Geräusch des Laufschrittes.

»Wasser?«

»Ablaufend, damminomol!«

Und wieder: Kehrt Marsch – und Spurt zurück.

»Tschä, es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde...«, philosophierte Johann Diercks und kescherte Klodeckel Nummer Fünf.

Es mochte wohl eine halbe Stunde vergangen sein, als jemand Opa Diercks zaghaft auf die Schulter tippte. Der Alte fuhr herum und erkannte den Verrückten.

»Damminomol, wat hebbt se mich verjacht! Mann, müssen sie sich denn so anschleichen wie ein Indianer?! Können sie nicht so laufen, wie ich das von ihnen gewöhnt bin?«

Johann Diercks hob an zu einer gesalzenen Predigt, hielt aber inne, als er vor sich dieses Bild des Jammers sah. Völlig niedergeschlagen, mit sprichwörtlich hängenden Ohren, so stand der junge Mann vor ihm.

»Sie haben mich rausgeschmissen«, murmelte er.

»Och!«, machte Opa Diercks tröstend und schluckte seinen Ärger hinunter. »So ein kräftiger junger Mann findet doch sicher überall Arbeit.«

»Nein! – Sie verstehen nicht, - aus dem Krankenhaus...!«

»Oh, sind sie Arzt?«

»Nein, ich bekomme ein Kind!«

»....!«

Opa Diercks beäugte überrascht den Leibesumfang seines Gegenübers.

»Damminomol, da wär ich jetzt nich auf gekommen«, murmelte er verdutzt.

»Sie haben gesagt, dass ich meine Frau nur aufregen würde. Und überhaupt käme das Baby erst bei Flut, wie alle anderen in diesem Krankenhaus auch. Als ich mit in den Kreißsaal wollte, da haben die Hebammen mich rausgeschmissen und gesagt, ich solle mich erst bei Hochwasser wieder blicken lassen.«

»Auhauahauaha!«, machte Johann Diercks und warf einen verstohlenen Blick zum Fluss. Die Fahrwassertonnen standen kerzengerade im Wasser, also Ebbe – Standwasser. Bald würde das Wasser anfangen, bergauf zu fließen, sechs Stunden lang, bis zur Flut! Sechs lange Stunden! Im Kopf des Alten überschlugen sich die Gedanken, und er schaute den werdenden Vater voller Mitleid an.

»Tja, mien Jung! Wat schall ick nu mit di moken? Ach, wissen sie was? Wenn sie schon mal da sind und eh nichts zu tun haben, könnten sie mir ein bisschen helfen. Was mein Mariechen ist, die will Brassen sauer einlegen, aber nu hab ich mir just vorhin die Hand verstaucht und kann nu nich weiterangeln. Vielleicht können sie mir ja ein wenig zur Hand gehen?«

»Ich verstehe nichts von Fischen, und schon gar nicht von der Fischerei«, warf der werdende Vater ein, aber Johann Diercks blieb unerbittlich. Schon stand der vor Aufregung bibbernde Mann an der Weser und hielt einen etwas betagten Bambusknüppel in der Hand. Keinen Schimmer vom Angeln, so hatte er doch den besten Lehrmeister erwischt, den der Ort aufzubieten hatte. Der Vater in Spe stellte sich recht ordentlich an und lernte schnell. Bald konnte er Brassen von Alanden unterscheiden. Rotaugen sahen ganz anders aus als die stachelbewehrten Barsche. Haken beködern, Fische vom Haken abnehmen und allerlei anderes lernte er mit Begeisterung. Und mit welchem Eifer er sich mühte, die großen Brassen müde zu kämpfen. In den nächsten Stunden gab es nur ein Thema: Angeln! Die Zeit verflog, und Petrus war auf der Seite des Alten. Er schickte Fische in solche Massen, dass es selbst Opa Diercks unheimlich wurde.

Schließlich nahm er seinem Schüler die Angel aus der Hand und deutete hinaus auf den Fluss, der im Abendlicht glitzerte und funkelte wie ein Diamant.

»Es wird Zeit«, sagte der Alte leise. »Hochwasser!«

Wortlos standen sie sich gegenüber und der Alte gab dem Jungen einen ermunternden Klaps auf die Schulter. Mit langen Schritten rannte der Junge die Straße hinauf zum Krankenhaus, während Opa Diercks seine Klamotten zusammenpackte und auf dem Rad verstaute. Sie hatten so viel gefangen, dass für den Alten kein Platz mehr auf dem Fahrrad war. Johann Diercks seufzte und machte sich auf den langen Heimweg, den überladenen Drahtesel neben sich herschiebend. Als er am Stift vorbeikam, flog die Türe auf und sein Angelschüler kam mit hoch gerissenen Armen herausgelaufen.

»Ein Junge!«, brüllte er. »Hurra, ein Junge!«

Omas Meisterstück

»Oma kommt mit! Juchhu, Oma kommt mit!«, jubelte der kleine blonde Wirbelwind, als wir ihm erzählten, dass wir in den Ferien meine Mutter mit nach Dänemark nehmen wollten. Warum auch nicht? Das Häuschen war groß genug für vier, und Oma und Enkelin spielten gerne miteinander. Es waren herrliche Tage, denn meine bessere Hälfte und ich liebten es, abends einen langen Strandspaziergang zu machen. Wenn Oma mitkam und unseren Krümel nach dem Zubettgehen hütete, konnten wir die lauen und hellen Sommerabende an der Dänischen Ostseeküste genießen.

Auch war es für mein geliebtes Eheweib eine Erleichterung, denn Mutter nahm uns oft genug das lästige Kochen ab. Wenn ich müde und kaputt vom Angeln kam und das Ruderboot auf den Strand zog, stand Mutter bereits wartend da und begutachtete den Fang. Ich brauchte nichts mehr zu tun, denn das Schlachten und Ausnehmen der Fische besorgte sie. Na klar, schließlich hatte ich ja auch schon die ganze Arbeit mit dem Fang gehabt. Mütter sind genial, wenn es sie nicht gäbe, man müsste sie erfinden!

»Kann ich nicht mal mit raus? Ich möchte auch gern mal wieder Angeln!«

Mir fiel das Brötchen aus der Hand, als Mutter eines Morgens mit diesem Ansinnen herausplatzte.

»Gerne mal wieder?«, echote ich erstaunt.

»Klar! Früher, mit Opa Heinrich, meinem Vater, bin ich oft unterwegs am Wasser gewesen. Da hab ich auch Karpfen und Forellen geangelt!«

»Ich glaube nicht, dass es dir in dem engen Ruderboot gefallen würde«, gab ich nachdenklich zurück. »Aber hier in der Nähe soll irgendwo ein Forellenteich sein, - ich kann mich ja mal erkundigen!«

Mutters Augen bekamen einen ganz eigenartigen Glanz, und plötzlich hatte sie es ziemlich eilig, aus dem Haus zu kommen. Wir hörten sie eine Weile in dem kleinen Schuppen rumoren, und als sie wieder erschien, hatte sie einen Spaten und einen kleinen Eimer in der Hand.

»Was hast du denn vor?«, erkundigte sich mein Eheweib.

»Würmer suchen!«, kam es energisch zurück. »Für Forellen brauchst du Würmer!«

»Au ja, Oma! Claudi kommt mit und hilft dir!«, schrie der kleine Wirbelwind und brauste auch schon hinter der Oma her. Unser Grundstück bestand aus sehr sandigem Boden, und wo sie hier Würmer suchen wollten, war mir ein Rätsel! Doch die beiden schlugen sich in das dichte Unterholz zum Nachbargrundstück hin und fingen dort im schattigen Gestrüpp an zu buddeln.

»Na, Sohnemann«, grinste meine bessere Hälfte. »Dann geh dich mal schlau machen, von wegen Forellen und so!«

Der Kaufmann am Ort war ein netter Mensch, und als ich ihm verklart hatte, was ich suchte, gab es keine anderen Kunden mehr. Er sprach kaum deutsch, dafür sprach ich kein dänisch. Mit Händen und Füßen, einem Stück Papier und einem Bleistift verständigten wir uns, und ich bekam eine wunderschöne Skizze, die mir den Weg zu dem Forellenzirkus weisen sollte.

Ich hielt nicht viel von derlei Vergnügungen, und Zuhause würde man mich niemals an einem solchen Gewässer finden. Auf der einen Seite eines Sees Fische einzusetzen, um sie am anderen Ufer wieder herausangeln zu lassen, entsprach nicht meinem sportsmännischen Geist. Allerdings, hier lag der Fall ein wenig anders. Mutter freute sich wie ein Stint auf den Angeltrip mit ihrem Sohnemann, und ich wollte es ihr einigermaßen bequem gestalten. Schließlich sollte das Ganze nicht gerade in einem Überlebenstraining ausarten.

Mit etlichen »mange taks« bemühte ich mich, dem netten Kaufmann meine Dankbarkeit nahe zu bringen, und auch den zwanzig Kunden, die geduldig um uns herumstanden und sich oft genug einmischten, weil sie einen noch kürzeren Weg wussten, war ich sehr verbunden.

Himmel, ich hatte keine Ahnung, wie ich jemals den verdammten Teich finden sollte. Die Wegskizze sah eher aus wie ein Schnittmusterbogen für ein Abendkleid von Karl Lagerfeld, gezeichnet von Pablo Picasso. Aber, egal! Die grobe Richtung hatte ich wohl mitbekommen, und der Rest war eben Glückssache.

Knirschend rollte der Wagen auf dem Kies des Parkplatzes aus. Ich hatte ihn gefunden! Trotz der Skizze! Da lag er, der Forellensee. Auf einem weitläufigen Gelände, unweit des Norsmindefjords, hatte man zwei riesige Kuhlen ausgeschoben, die sich nun, nach etlichen Jahren, harmonisch in die Landschaft einfügten. Die Ufer waren sehr reizvoll gestaltet, es war für jeden etwas dabei. Einfach zu begehende Angelstellen mit Sitzgelegenheiten, die man aus rohen Holzstämmen zusammengenagelt hatte, gab es ebenso wie schwierig zu erklimmende Nischen im Steilhang des Ufers. Schilfbestandene Flachwasserzonen und steil abfallende Gumpen versprachen ein abwechslungsreiches Fischen. Seufzend zahlte ich die zweihundert Kronen Gebühr, die in einen Schlitz einer Blechkiste zu stecken waren, denn weit und breit gab es keinen Aufseher oder eine andere menschliche Seele.

Mutter griff sich die Angelruten und stiefelte los.

»Da lang!«, kommandierte sie, und ich folgte ihr einfach. Was hätte ich sonst auch tun sollen? In die andere Richtung laufen? Man soll immer folgen, wenn die Eltern etwas sagen. Also, hinterher! Mutter suchte fachkundig einen Angelplatz in einer lauschigen Bucht aus, und ich staunte nicht schlecht. Auch ich hätte diesen Platz gewählt, denn man konnte nach links in einer Flachwasserzone fischen, oder in dem angrenzenden, steil in die Tiefe abfallenden großen Seestück.

Sie überließ es mir, die Ruten zusammenzustecken und das Geschirr zu montieren. Ich wählte mittelschwere Laufposen, denn ich hatte leider nur kurze Vollglasruten dabei. Die langen Teleskopruten, die hier zweifelsfrei besser geeignet gewesen wären, lagen Zuhause. Ich war halt mehr auf die leichte Meeresangelei eingerichtet gewesen. Also musste ich dafür sorgen, dass wir den Köder mit ein bisschen Gewicht versehen konnten, um akzeptable Wurfweiten zu erzielen. Ich zeigte Mutter, wie ausgeworfen wurde, denn die hypermodernen Stationärrollen mit allem Komfort und Komnach hatte es zu ihrer Zeit noch nicht gegeben.

»Zeig mal her!«, forderte sie ungeduldig und nahm mir einfach die Rute aus der Hand. Sie machte zwei Probewürfe und war mit dem Ergebnis zufrieden. Mir klappte der Unterkiefer herunter, als sie geschickt Haken und Pose knapp vor einem Busch placierte, der etwa zwanzig Meter entfernt stand. Beim zweiten Wurf traf sie fast punktgenau eine nur meterbreite Lücke zwischen zwei im Wasser stehenden Büschen.

»Aha, so geht das«, murmelte sie und kurbelte das Geschirr wieder heran. Fachkundig montierte sie sehr reizvoll ein kleines Bündel Rotwürmer an den Haken und warf die Rute erneut aus. Zufrieden mit sich und der Welt legte sie die Rute in den Ständer und setzte sich auf den rohen Holzbalken. Ich war vor Staunen noch nicht dazu gekommen, meine eigene Rute fertigzumachen und holte das jetzt nach. Ich fummelte gerade das Vorfach in den Wirbel, als ich Mutters leises Räuspern vernahm.

»Junge, vielleicht solltest du erst mal den Kescher klarmachen!«

»Hm!«, brummte ich zurück und fummelte weiter.

»Junge, vielleicht solltest du mir den Kescher mal herbringen?!«

Oh, oh! Irgendwie kamen mir die Sprüche bekannt vor. Voller böser Vorahnungen drehte ich mich um und sah meine Mutter in einem sportlichen Drill mit einer großen Lachsforelle. Meine Güte, konnte meine alte Dame denn nicht wenigstens warten, bis ich auch fertig war?

Ich griff nach dem Netz und klemmte mir den Finger beim Aufklappen der Bügel. Ich fluchte schändlich, als ich die Blutquäse an meinem Finger wachsen sah und beeilte mich dann, ans Ufer zu kommen und den mächtigen Fisch, den sie inzwischen herangedrillt hatte, zu keschern.

»Petri heil«, wünschte ich und nutzte die Gelegenheit, meine eigene Rute auszuwerfen, während Mutter den Fisch waidgerecht versorgte. Ich warf den Köder zielsicher vor einen großen Busch mit überhängenden Zweigen, der etwa zwanzig Meter weit im See auf einer sehr schmalen Kiesbank stand. Kaum hatte sich die Pose aufgerichtet, als sie auch schon mit einer Vehemenz unter Wasser gerissen wurde, die mich einigermaßen überraschte. Bevor ich reagieren konnte, fegten Pose, Fisch und Haken in den Strauch. Die Schnur wickelte sich um einige Zweige, die sich unter der Flucht des starken Fisches weit unter die überhängenden Äste bogen, und sich dort natürlich auch sofort verfingen. Der ganze Busch war in Aufruhr, so sehr fuhrwerkte die große Forelle dort drin herum. Dann war sie weg. Das Gestrüpp kam zur Ruhe, und ich versuchte zu retten was zu retten war. Ich würde nie erfahren, ob der Fisch das Vorfach gesprengt oder sich vom Haken losgerissen hatte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als meine tolle Laufpose, die sich irgendwo innerhalb des Strauches befand, abzureißen. Mit peitschenartigem Knall brach die Schnur und ich kurbelte wütend das lose Ende heran. Immerhin war die Sehne irgendwo im Busch zerrissen, so dass ich nicht allzu viel von ihr einbüßte.

Mutter beobachtete mich mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck.

»Hm!«, machte sie nur und warf ihre Rute wieder aus.

Ich fädelte eine neue Pose auf die Schnur, tarierte sie mit Blei aus und montierte Wirbel und Haken. Mutter fing inzwischen Forelle Nummer zwei und lehnte zu meinem Verdruss auch noch jede Kescherhilfe ab. Das Netz lag in ihrer Reichweite, und ich hatte noch nie jemanden so gekonnt mit Rute, Fisch und Kescher gleichzeitig hantieren sehen.

»Mach du man deine Rute klar, ich komm schon zurecht«, sagte sie mit der Ruhe eines eiskalten Profis. Ich piekste ein paar Rotwürmer auf den Haken und ging zum Ufersaum hinab. Schwungvoll holte ich aus und..., verdammt war das glatt! Der eine Fuß glitschte mir weg, und der andere wollte auch nicht mehr da bleiben, wo ich ihn hingestellt hatte. Das Ufer fiel ziemlich steil ab, zwar nicht sehr tief, aber das Wasser lief mir doch in die Stiefelschäfte.

Ich rettete mich irgendwie wieder aufs Trockene, zog die nassen Dinger aus und goss den halben See in den Teich zurück. Mutter machte mich in ihrer fürsorglichen Art darauf aufmerksam, wie schädlich es war, in nassen Socken herumzulaufen. So zog ich auch die pitschnassen Strümpfe aus und hängte sie zum Trocknen in einen Baum. Als Familienvater muss man mit seiner Gesundheit sorgsam umgehen, denn wem nützte es, wenn ich an Lungenentzündung einging?

Barfuß ging ich zum Teich zurück, wo Mutter mich mit den Worten empfing:

»Du solltest mal nach deiner Rute schauen, denn ich kann den Schwimmer nirgends entdecken!«

Sapperlot! Sie hatte recht! Wo war das dämliche Ding? Ich nahm die Rute auf und zog die Schnur stramm. Die Pose blieb verschwunden, die Sehne war straff, aber ich spürte keinen Zug. Vielleicht ein dicker Aal? Das Aas da unten rührte sich keinen Millimeter, und ich hielt es für klüger, einen satten Anhieb zu setzen, bevor der schleimige Bursche da unten sich vollends in sein Versteck geflüchtet hatte.

Die Rute war krumm wie ein Flitzebogen, die Schnur sang in höchsten Tönen, aber unten auf dem Teichgrund rührte sich nichts. Ich hielt die Schnur ganz stramm und klopfte mit der flachen Hand auf die Rute. So hatte ich schon machen guten Aal zur Aufgabe gezwungen, und auch dieser würde nicht lange widerstehen können. Mutter beobachtete mein Tun mit einer gewissen Skepsis. Sie hütete sich, mir in dieser Situation gute Ratschläge geben zu wollen.

»Hmmmm«, dehnte sie lediglich. Verflucht, was wollte sie mir damit sagen? War ich Hellseher? Konnte ich Gedanken lesen? Was sollte dieses »Hmmmm«?

Himmel, er gab nach! Fast unmerklich hob sich die Rutenspitze und ich verstärkte den Zug noch mehr. Gleich, gleich würden ihn seine Kräfte verlassen und dann hatte er verloren. Ha! Er kam! Er kam! Die stramm gespannte Angelrute federte hoch, und etwas langes Dunkles schoss aus dem Wasser genau auf mich zu! Der armdicke Ast, den ich aus dem Schlamm gerissen hatte, traf mich voll an der Stirn, und mit einem leisen Seufzer kippte ich nach hinten.

Mutter war jetzt im Zwiespalt. Sollte sie ihrem eigen Fleisch und Blut zu Hilfe eilen, oder erst die Forelle aus dem Teich ziehen, die wild an ihrer Angel tobte? Sie kannte den harten Schädel ihres Filius, und entschied sich für die Forelle.

Ein übler Geruch nervte mich und riss mich aus der gnädigen Ohnmacht. Der Schädel schmerzte, mir war flau im Magen, mein Blutdruck existierte praktisch nicht mehr, aber..., mein Gott! Dieser Geruch! Was konnte nur so erbärmlich stinken? Ich öffnete die Augen und sah... nichts!

»Mutter, ich bin blind! Ich sehe nichts mehr! Oh, Himmel, wie furchtbar! Mit Blindheit geschlagen. Wie soll ich nun für Weib und Kind sorgen?«

»Halt den Mund«, ordnete Mutter an und nahm die nassen Socken von meiner Stirn, mit denen sie meine Beule gekühlt hatte. Im selben Moment verschwand der bestialische Gestank und vor meinen Augen wurde es wieder hell! Geschockt blieb ich liegen. Es war gerade noch mal gut gegangen. Ich war noch mal davongekommen.

»Wollen wir nun weiter angeln, oder möchtest du da liegen bleiben?«, forschte meine alte Dame, und beköderte ihre Rute neu. Stöhnend erhob ich mich, sammelte mein Gerät zusammen und nestelte den Haken aus dem morschen Holz. Würmer dran und runter ans Wasser. Ich würde es den Biestern jetzt zeigen. Keine Gnade mehr! Ich war furchtbar in meinem Zorn. Ich fasste eine Erfolg versprechende Stelle ins Auge und holte aus...!