Der perfekte Angler - Claus Beese - E-Book

Der perfekte Angler E-Book

Claus Beese

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Beschreibung

Voller Humor schildert der Autor, was alles geschehen kann, wenn drei gute Freunde ans Angelwasser gehen, um ihrem Hobby zu frönen. Dass sie dabei die unglaublichsten Abenteuer zu bestehen haben, ist klar. Kein Bach und keine Pfütze sind vor ihnen sicher. Alles wird auf brauchbaren Fischbestand untersucht. Verständlich wird aber auch, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Der Weg zum perfekten Angler ist weit und steinig, gelegentlich auch schmerzhaft. Vor die großen Fische hat Petrus große Herausforderungen gestellt. Nichts wird dem Petrijünger geschenkt, alles muss verdient werden. Es sind die ganz typischen Situationen, in denen sich alle Freunde der Fischwaid selber wiederfinden. Das Augenzwinkern, mit denen die Geschichten erzählt werden, garantiert für Spaß und gute Laune. Mit diesem Buch erfüllt der Autor Claus Beese den vielfältig geäußerten Wunsch nach einer Neuauflage seines Klassikers "...und Petrus drückt ein Auge zu", doch hat er den Geschichten neue Abenteuer aus seiner Jugend hinzugefügt.

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Seitenzahl: 218

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Claus Beese

Der perfekte Angler

Neue Geschichten und überarbeitete Texte aus dem Klassiker "...und Petrus drückt ein Auge zu"

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Zum Buch

Vorwort

Petrus drückt ein Auge zu

Schmerzhafte Erfahrungen

Aalfieber

Lehmkuhlen-Schätze

Freundschaften

Seemannsbeine

Von Bullen und Hechten

Die Hochzeitsreise

Peinlichkeiten

Schweinemarathon

ERNA III

Noch mehr Peinlichkeiten

Der Raubfischer

Anglerleiden

Kärntner Köderfische

Ein netter kleiner Kerl

Das Angler-Puzzle

Kindergarten-Teiche

Der perfekte Angler

Anglerlatein

Drahtaale

Die Katastrophenangler

Die Schiffstaufe

Die Wette

Der Binsenhecht

Reihers erste Fangfahrt

Die zwei Heinrichs

Die Weihnachtsfee

Reine Nervensache

Weitere Bücher vom Autor

Impressum neobooks

Zum Buch

Texte Claus Beese

www.claus-beese.de

Illustrationen Lothar Liesmann

www.zeichner-liesmann.de

Dieses Buch ist als Printausgabe beim Mohland Verlag unter der

Vorwort

Der perfekte Angler hat Geräte für jede Art der Angelei in großer Auswahl vorrätig. Er stellt sich jeder Herausforderung. Jede Situation kann gemeistert werden. Jeder Fisch, egal wie groß er sein mag, kann gefangen werden. Bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. Jeder Tag muss perfekt sein, perfekt wie der Angler selbst. Oder?

Seien wir doch mal ehrlich. Sind es immer die großen Fische, die uns Angler ans Wasser locken? Müssen wir uns immer und überall und ständig beweisen, dass wir den Flossenträgern überlegen sind? Lassen wir die technischen Finessen und Möglichkeiten einmal weg, was bleibt uns dann? Probieren Sie mal, mit bloßer Hand einen Fisch zu fangen. Sie werden schon sehen, dass von Überlegenheit keine Spur mehr ist. Natürlich beigeistert uns der Adrenalin-Kick, wenn die Schnur straff gespannt ist, und der Fisch sich am Ende derselben müde tobt.

Aber sind es nicht auch die kleinen Erlebnisse, die manchmal zum großen Abenteuer werden, und uns in ihren Bann ziehen? Freundschaften, die daraus entstehen, dass man demselben Hobby frönt? Kameradschaften, in denen sich jeder auf den Freund verlassen kann? Kein Tag ist wie der andere. Wobei ein jeder zwar ein Angeltag sein kann, jedoch kein Fangtag sein muss. Selbst wenn man einmal als Schneider, ohne Fisch, nach Hause gehen muss, war der Tag nicht wunderbar? Inmitten der Natur, grüner Wiesen, bunter Blumen, umgeben von dutzenden Tierarten die Zeit zu verbringen, hat doch etwas Magisches.

Wenn Sie jetzt glauben, dass Sie den Fisch Ihres Lebens fangen werden, nur weil Sie dieses Buch gelesen haben, so sage ich Ihnen ganz klar:

„Jaaa, kann passieren, muss aber nicht!“

Fänge, die wir berechnen können, verlieren ihren Reiz. Überlassen wir es doch einfach auch ein wenig dem Zufall, wie groß der Fisch ist, der unseren Köder schluckt. Ich werde Ihnen in diesem Buch etwas anderes zeigen. Nämlich alles das, was es um das Angeln herum auch noch gibt, und das unser Hobby wirklich reizvoll macht. Manche unter uns haben dafür kein Gespür, keine Augen. Ihnen gilt unser Mitgefühl und der Wunsch, dass sie bei der Lektüre dieser Geschichten vielleicht eine neue, andere Seite ihres Hobbys kennen lernen.

Nach Perfektion zu streben, ist erst einmal nichts Schlechtes. Doch worin besteht sie überhaupt? In dem Wunsch nach immer mehr Fischen, dem immer größeren, immer dickeren Fisch? Oder ist Perfektion, sich im Einklang mit der Natur zu befinden? Augen nicht nur für den Fang, sondern für alles Leben drum herum zu haben? Bedeutet Perfektion, uns mit dem zufrieden zu geben, was uns Mutter Natur schenkt, und darüber, dass sie es tut, glücklich zu sein? Bewahren wir ihr gegenüber doch ein klein wenig Bescheidenheit und Demut. Sie wird uns dafür reich belohnen.

Petri Heil und viel Vergnügen.

Petrus drückt ein Auge zu

Kurz nach meiner Geburt beugten sich zwei ältere Herren über meine Wiege, die man mir später als meine Großväter vorstellte. Mit bedenklicher Miene und prüfendem Blick wurde ich gemustert. Die beiden konnten es kaum glauben, dass sie nun, nach zwei Enkeltöchtern, endlich den ersehnten Enkelsohn vor sich hatten.

„Er hat meine Augen!“, stellte Arthur fest.

„Hoffentlich verwächst sich das noch“, konterte Heinrich. „Nichts wäre schlimmer, als wenn der Bengel auch nur das Geringste von dir hätte!“

Der Oberlokführer a. D., Arthur B., wurde puterrot im Gesicht.

„Willst du damit sagen, er käme nach dir?“, brüllte er.

„Das sieht doch ein Blinder, oller Suffkopp!“, bölkte der Postamtsgehilfe i. R., Heinrich K., zurück. „Und dass du es nur weißt, zum Angeln nehme ich ihn das erste mal mit!“

„Na, dann lernt er wenigstens gleich, wo die Fische nicht sind. Und mehr, als Perücken in die Schnur zu schießen, kannst du ihm eh nicht beibringen“, stellte Arthur bissig fest.

Wie der geneigte Leser wohl schon bemerkt haben wird, waren die beiden alten Herren sicher nicht das, was man unter guten Freunden versteht. Warum auch? Schließlich herrschte schon seit Urzeiten zwischen den Beiden eine mal mehr, mal weniger heftige Fehde. Es gab eigentlich keinen Grund, diesen Zustand nun plötzlich zu ändern. Dabei hatten sie doch in ihren Hobbys so vieles, das sie verband, und doch trennte es sie gleichermaßen. Schon zu Lebzeiten war ihnen Ruhm und Ehre zuteil geworden und hatten ihnen einen Ruf wie Donnerhall beschert. Waren sie doch die erfolgreichsten Kanarienzüchter in weitem Umkreis. Urkunden und Pokale zeugten von ihrem Können. Wenn einer von ihnen, meist jedoch beide, auf einer Ausstellung auftauchten, um ihre echten Harzer Roller zu präsentieren, packte manch einer sein Vögelchen wieder ein und ging resigniert nach Hause. Gewann Arthur den Pokal, war es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, und Heinrich, nebenbei auch begeisterter Jäger, lief dann oft tagelang mit Flinte und Hund durch die Wälder des Harzes, ehe sein Zorn verraucht war. War es umgekehrt, war mit Sicherheit die Jury bestochen, und Arthur kehrte niedergeschlagen heim und ertränkte seinen Kummer in edlem Gerstensaft.

Fing der eine einen großen Karpfen, musste der andere unbedingt einen noch größeren Hecht mit nach Hause bringen, um so seine Ehre wiederherzustellen. Kurzum, keiner gönnte dem anderen auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel. Bevor es nun an meiner Wiege zu Tätlichkeiten größeren Ausmaßes kommen konnte, erschien auf mein ängstliches Schreien hin meine Mutter, und trennte die beiden Streithähne. War es nun Zufall oder Vorsehung, dass keiner der beiden den Vorzug haben sollte, mich das Angeln zu lehren?

Jahre vergingen, von den beiden Großvätern weilte keiner mehr auf Erden. Und dann, eines Tages begab sich folgendes:

Arthur und Heinrich langweilten sich sehr auf ihren Wolken. Hier oben konnte man nicht jagen und nicht angeln, und Harzer Roller züchten schon überhaupt nicht. Wenn man sich beim Frohlocken wieder einmal einen Fingernagel an dieser verfl... Harfe ruinierte und einem bei so einer Gelegenheit schon mal ein deftiger Fluch entfuhr, fielen auf den Nachbarwolken die Engel reihenweise in Ohnmacht und von oben drohte ein erhobener Zeigefinger. Eine mächtige Stimme dröhnte: „Du sollst nicht fluchen!“

Ihre einzige Abwechslung bestand darin, ab und zu einen deftigen Skat mit Petrus zu spielen, denn Skat war ja kein Glücksspiel. Skat war Wissen und Können, und somit nicht verboten. So saßen sie wieder einmal zusammen und Heinrich meldete gerade einen Grand mit Vieren an, als Petrus belustigt sein Auge vom Fernrohr nahm, welches er rein gewohnheitsmäßig auf die Erde gerichtet hatte, und lachend sagte: „Nun seht euch doch mal diesen Knirps an.“

Arthur hastete an das Fernrohr, kniff ein Auge zusammen und peilte eine Weile durch das Glas.

„Ja, das ist doch...“, murmelte er fassungslos. „Zum Teufel! Das ist ja mein Enkel!“, brüllte er und ignorierte den drohenden Zeigefinger. Heinrich schubste ihn so heftig beiseite, dass Arthur fast von der Wolke gepurzelt wäre. Jetzt peilte er durch das Rohr und hatte schließlich auch gefunden, was Arthur derart aus der Fassung gebracht hatte.

„Heureka!“, rief er. „Mein Enkel mit ´ner Angelrute in der Hand! Endlich hat der Bengel es kapiert!“

Die beiden alten Streithähne fielen sich glücklich in die Arme. Sie waren sich einig, dass es nun kein Halten mehr gab. Sie mussten hinunter, wollten zusehen und „unserem Enkel beistehen“, wie sie Petrus sagten. Der drückte lächelnd ein Auge zu und gewährte den beiden Ausgang. Arm in Arm schwebten sie herab, kameradschaftlich untergehakt, um zuzusehen und beizustehen.

Aus dem kleinen, schreienden Bündel war ein aufgewecktes Bürschlein von zehn Jahren geworden. Dieses Kerlchen hatte oft in sich hineingelauscht, um den Ruf zu verstehen, den es so oft hörte, aber nicht deuten konnte. Niemand konnte dem Jungen helfen, und so hatte es eben ein wenig gedauert, bis er begriff, was da in ihm schlummerte. Er hatte die Lösung gefunden, war jetzt wach und sah die Welt mit anderen Augen. Er sah die Natur, den Himmel, die Erde, vor allem aber das Wasser – und die Fische darin.

Es war ein schöner, warmer Sommertag, und ich war einfach losgeradelt mit meiner selbstgebauten Angelrute. Ein kräftiger Knüppel, ein Stück Angelsehne, ein Korken und ein Haken. Mehr brauchte ich nicht. Ich stand an dem kleinen Bach, neben der Brücke und betrachtete meine Angelstelle. Noch konnte ich in dem flachen Wasser den Grund sehen, aber ich wusste, dass draußen in der Weser schon die Flut auflief. Bald würde das Wasser in die Aue eindringen, und dann wäre es hier wohl tief genug. Ich hoffte sehr, dass mit dem Wasser auch die Fische kamen. Bis dahin konnte ich noch Würmer suchen. Ich nahm einen trockenen Ast und wühlte zwischen den Sträuchern die Erde um. Irgendwo fand ich eine rostige Konservendose, die mir als Wurmbüchse gute Dienste leistete. Niemand hatte mir gezeigt, wie man einen Haken beködert, doch stellte das für mich kein Problem dar. Gerade wollte ich die Angel auswerfen, als ein leichter Windhauch mich frösteln ließ. Ich schaute mich um, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Allerdings konnte ich niemanden sehen.

„Nicht dahin!“, wisperte es rechts von mir in einem alten Haselnussstrauch. „Dort rüber, dicht an die Uferkante werfen.“

„Quatsch“, murmelte ich. „So lang ist die Schnur doch gar nicht.“

„Siehst du, du Dämel!“, ertönte Heinrichs Stimme aus der alten, knorrigen Eiche. „Der Bengel ist klüger als du. Und jetzt halt den Rand und mach ihn mir nicht kopfscheu!“

„Und die Augen hat er doch von mir!“, behauptete Arthur, schwieg dann aber, als er sah, dass ich meine Rute bereits ausgelegt hatte. Langsam begann das Wasser, den Bach hinauf zu fließen. Die Flut kam, und mit der Strömung zog der Korken an meiner Angel den Bach hinauf.

„Er hat kein Blei dran!“, wisperte Heinrich.

„Schon gesehen!“, gab Arthur zurück. Ich stand auf, um meine Angel neu auszulegen, als ich mit dem Fuß gegen etwas Metallenes stieß. Direkt vor meinem Schuh lag eine mittelgroße Schraubenmutter. Im gleichen Augenblick wusste ich, was man mit ihr noch machen konnte, außer sie auf einen entsprechenden Bolzen zu drehen. Ich band sie ein Stück oberhalb des Hakens an die Schnur. Jetzt ging es besser. Der Köder blieb dort, wo ich ihn hinlegte. Es war nur wenig Zeit vergangen, als sich der Korken ruckend und zuckend in Bewegung setzte, sich gegen die Strömung stellte und durch den Bach wanderte.

„Los, schlag an!“, wisperte Arthur aufgeregt.

„Idiot!“, zischte Heinrich wütend, um mir dann zuzuflüstern: „Ganz ruhig, es ist ein Aal, lass ihn noch einen Moment fressen.“

„Wenn er noch länger wartet, ist er ab“, jammerte Arthur.

„Also, hör mal!“, wurde jetzt Heinrich energisch. „Die Sache mit der Schraubenmutter gibt dir noch lange nicht das Recht, meinem Enkel vorzuschreiben, wie er zu angeln hat!“

Mir wurde die Sache zu dumm, und ich zog meine Angel aus dem Wasser. Verdammt, ging das schwer! Genau das gleiche dachte wohl auch der Aal, der am anderen Ende der Angel am Wurm zog. Dann flog er auch schon in hohem Bogen durch die Luft und landete hinter mir im Gras. Ich stürzte mich auf ihn, wollte ihn fassen, aber der glitschige Kerl schien länger und länger zu werden, und wand sich zwischen meinen Fingern hindurch, als hätte ich Schmierseife dran. Ich hatte keinen Lappen und grapschte verzweifelt nach dem Fisch, der sich nun zielstrebig wieder dem Wasser entgegenschlängelte.

„Sand! Nimm Sand!“, brüllte Heinrich mit überschnappender Stimme. Und richtig, mit einer Handvoll Sand ging es. Jetzt stand ich da, den Aal in der Hand, halb betäubt vor Glück und der Aufregung und hatte kein Messer. Irgendwie musste ich den Fisch töten, das war mir klar.

„Wirf ihn fest auf den Boden“, schlug Arthur vor. „Das betäubt ihn!“

Ich hatte eine noch bessere Idee. Ich hatte dort drüben einen Stein gesehen, mit einer sehr scharfen Kante dran. Damit durchtrennte ich dem Aal das Genick eben hinter dem Kopf. Dann stand ich da und betrachtete voller Stolz meinen ersten Fisch.

„Ein Pfund!“, murmelte Heinrich.

„Eineinhalb!“, murmelte Arthur.

„Dreihundert Gramm!“, murmelte später meine Mutter und nahm den Aal von der Waage.

Als ich den zweiten und dritten Aal fing, war ich längst nicht mehr so aufgeregt. Ich hatte ja jetzt schon Routine. Geschickter als mancher erfahrene Angler sein Messer, handhabte ich den scharfen Stein.

„Deine Augen mag er wohl haben“, wisperte Heinrich voller Bewunderung. „Aber das Können und die Geschicklichkeit hat er von mir!“

Fröhlich miteinander fachsimpelnd schwebten die beiden wieder nach oben, wo sie dem gebannt lauschenden Petrus Bericht erstatteten. In ihrer Begeisterung wurden aus den drei Aalen zehn, und keiner unter einem Pfund. Von oben drohte der erhobene Zeigefinger und eine mächtige Stimme rief: „Du sollst nicht lügen!“

Petrus lächelte und sagte: „Ach, lass sie nur, es sind Angler.“ Der Zeigefinger verschwand und die mächtige Stimme murmelte: „Ach so!“

Schmerzhafte Erfahrungen

In der Schule hatte ich kein Wort von meinen ersten Aalen erzählt. Viele meiner Mitschüler standen auf dem Standpunkt, Angeln sei doof. Ich ahnte, welches Ungemach mich überkommen würde, wenn ich von meinem neuen Hobby berichten würde. Lange Zeit verheimlichte ich meine Passion, erfand Ausreden, wenn andere sich mit mir zum Spielen verabreden wollten. Lieber ging ich allein meiner Wege, die mich stets zu den Aalen führten. Umso erstaunter war ich, als ich eines Tages bemerkte, dass sich meine besten Klassenkameraden miteinander verabredeten. Sie taten geheimnisvoll und bemühten sich, niemanden, nicht einmal mich, in die Sache einzuweihen. Ich hatte schon einige Zeit befürchtet, die beiden hätten Geheimnisse vor mir. Es schien, als wollten sie mich nicht bei ihren Vorhaben mitmachen lassen, doch konnte ich keinen Grund dafür erkennen. Waren meine besten Freunde dabei, sich von mir abzuwenden? Was hatte ich getan, dass sie mich augenscheinlich plötzlich nicht mehr mochten? Wie froh war ich, als sich herausstellte, dass sie einfach nur zum Angeln wollten und dieselben Ängste hatten, wie ich. Wer wollte schon als doofer Langweiler gelten?

Ich hatte inzwischen „aufgerüstet“. Meine Angelruten bestanden nicht mehr aus kurzen Knüppeln, sondern schon aus zusammensteckbaren Bambusteilen. Mit meinem sehr knappen Taschengeld gehörte ich bereits zu den Stammkunden im hiesigen Angelgeschäft, wo ich meine Haken lose kaufte, anstatt bereits fertig gebunden. Der Inhaber des Geschäfts, Onkel Schorse, zeigte mir die Knoten, mit denen man sie bombenfest an der Vorfachschnur befestigen konnte. Das sparte ungemein Geld. Ich lernte viel von dem alten, immer freundlich lächelnden Mann.

Es war aufregend. Meine Mitschüler lehrten mich, dass man manchmal verbotene Wege gehen musste, um seinen Horizont zu erweitern. Bislang gab es in meinem Anglerleben eine Reihe von Tabus, zu denen das Angeln in der großen, gefährlichen Weser gehörte. Auch ein altes Ziegeleigelände in der Nähe, auf dem sich eine ganze Reihe verwilderter, halb zugewucherter Teiche befanden, durfte ich nicht betreten. So war mir bislang immer der Gang zur Aue geblieben. Als wir uns am Nachmittag wie verabredet trafen, berieten wir, wohin wir wollten.

„Aue!“, sagte ich.

„Ziegelei!“, erwiderten beide. Ich war überstimmt. Was sollte ich machen? Ich musste mich der Mehrheit beugen. Ob die Eltern das verstehen würden? Ich ahnte, dass ich es noch herausfinden würde.

Die Räder wurden im Gebüsch versteckt, und wir kletterten den steilen Hang hinab, der beinahe ohne Ufersaum am See endete. Das Gelände war glitschig wie Schmierseife, und bald hatte ich große Klumpen des schweren Bodens nicht nur an den Stiefeln hängen. Wir fanden Halt an einer schmalen Landzunge, die zwei Teiche von einander trennte. Meterhohes Schilf verschluckte uns und wir kämpften uns auf einem kaum erkennbaren Trampelpfad weiter vorwärts.

„Hier ist es gut“, meinte Thomas, ließ seine Klamotten fallen und begann einen Wurm auf den Haken zu spießen.

„Jo!“, meinte Norbert, warf sein Gepäck von sich und tat es Thomas gleich.

„Wenn ihr meint“, stimmte ich zu und alsbald schwammen auch meine beiden Posen auf der glatten Wasserfläche des Sees. Ich bekam den ersten Biss, die Pose wurde vehement unter die Oberfläche gerissen. Ich schlug hastig an. Ein Fisch, ich hatte wahrhaftig einen richtigen Fisch gefangen. Nicht sehr groß, aber immerhin. Ein gelbgrün gestreifter Barsch, der seine Flossen weit abspreizte. Ich griff nach ihm, um ihn vom Haken zu lösen.

„Vorsicht, die haben Stacheln!“, rief Thomas. Leider ein wenig zu spät, denn diese Erfahrung hatte ich eine Sekunde vorher selber gemacht. Tief drangen die spitzen Strahlen der Rückenflosse in meine Haut. Nahezu augenblicklich spürte ich ein Brennen und Jucken, die Hand schwoll an den Einstichstellen rasch an. Die beiden Jungen lachten laut, es gab doch nichts Schöneres als Schadenfreude.

„Kühlen! Du musst die Hand ins Wasser halten“, riet Norbert. Ich folgte seinem Rat, der bereits nach kurzer Zeit den Schmerz verschwinden ließ. Ich konnte weiter angeln. Noch nie zuvor hatte ich solche Fische gefangen, es schien hier überhaupt keine anderen zu geben.

„Doch, Karpfen, Aale, Weißfische, alles da!“, lachte Thomas. „Aber hauptsächlich Barsche!“

Hätte ich doch ein paar Aale gefangen. Als ich mit dem Eimer Fische nach Hause kam, warf meine Mutter nur einen kurzen Blick hinein.

„Barsche!“, erkannte sie sofort. Mit Argusaugen hatte sie auch die Lehmklumpen an meinen Stiefeln und der Kleidung entdeckt. „Die hast du noch nie gefangen, und mit so viel Dreck bist Du ach noch nicht nach Hause gekommen. Also warst du nicht an der Aue. Wo hast du sie her?“

Petrus! Mütter, die sich mit Fischen auskannten, konnte es schlimmeres geben? Kleinlaut beichtete ich, und ertrug die Strafe wie ein Mann. Manchmal ist es schmerzhaft, erwachsen zu werden. Nie, niemals wieder würde ich an diese Teiche gehen. Ich versprach es hoch und heilig. Ja, es war mir klar geworden, wie gefährlich es dort war, beteuerte ich. Was verspricht man nicht alles, um den Eltern die Sorgen zu nehmen und um „gut Wetter“ zu bitten? Tatsächlich erschien mir eine Mutter, die nicht wollte, dass ich dorthin ging, viel gefährlicher, als der Teich selbst.

„He, Leute! Heute angeln?“, begrüßte Norbert uns am nächsten Morgen auf dem Schulhof. Thomas und ich wechselten einen kurzen Blick.

„Ziegelei?“, fragte Thomas.

„Jau!“, antworteten Norbert und ich wie aus einem Mund.

Als ich von der Schule heimkam, gab es Fisch. Meine Mutter hatte die Barsche an diesem Tag in der Pfanne gebraten. Sie waren extrem lecker. Satt schoben wir unsere Teller zurück.

„So was könnten wir eigentlich öfter mal machen“, meinte meine Erziehungsberechtigte leichtsinnigerweise. An mir sollte es nicht liegen. Ihr Wunsch war mir Befehl. Die Freunde warteten schon an der Straßenecke auf mich.

Aalfieber

Alle meine Erfahrungen zeigten mir eines ganz deutlich: Petrus war mit mir. Das stand für mich fest. Während meiner Exkursionen an die Aue zeigte er mir viele gute Plätze und sorgte stets für reichlich Aale. Ging ich mit Thomas und Norbert an den Ziegeleiteich, gab es tags darauf gebratene Barsche. Selbst meine Mutter regte sich nicht mehr auf, nachdem ich ihr meinen Fahrtenschwimmerausweis unter die Nase gehalten hatte. Der Bengel kann schwimmen, dann darf er auch ans Wasser. Dass Petrus weiterhin schützend seine Hand über mich hielt, war mir nicht bewusst, aber es geschah trotzdem.

Es war einer jener Tage, an denen der Unterricht kein Ende nehmen wollte. Unverständlich, wie sich bei dem herrlichen Sommerwetter, das draußen herrschte, ein Mensch vor die Klasse stellen mochte, um uns die Grundbegriffe der Geometrie einzupauken. Ein Sadist namens Pythagoras hatte sich die vor Urzeiten einfallen lassen, um Generationen von Schülern zu quälen.

„Die Fläche des Quadrates über der Hypotenuse ist gleich...!“

Heute würde in der Aue der Aal gut laufen. Meine Gedanken schweiften weit ab, und ich rief mir den Gezeitenkalender ins Gedächtnis. Genau, gegen halb fünf war Hochwasser, wenn ich mich nach der Schule beeilte, könnte ich gegen zwei am Wasser sein.

„...der beiden Katheten-Quadrate!“

Auwei, das hatte ich ganz vergessen. Heute Nachmittag war noch Sportunterricht. Um drei sollten wir auf dem Sportplatz am Stadion sein. Aber, es war doch Aalwetter, ausgerechnet heute – verdammte Penne!

„A-Quadrat plus B-Quadrat...!“

Der warme Sommerwind säuselte draußen in den Blättern der alten Kastanien und sang mir das Lied vom Bach, auf dessen träge dahin ziehender Oberfläche meine Posen schwammen, und von Aalen, so dick wie mein Arm, die nur darauf warteten, meine Tauwürmer vorgesetzt zu bekommen.

„Beese, wiederholen!“

Oh, verdammt, jetzt hatte er mich. Wo waren wir?

„Äh, ja, Bismarck?!“

Die Klasse tobte. Johlendes Gelächter brach über mich herein.

„Beese, Beese, was ist nur los mit dir? Du bist ja völlig abwesend. Fühlst du dich nicht wohl? Du hast ja einen ganz roten Kopf. Hast du Fieber?“

Ja, ich hatte Fieber, - Aalfieber! Allerdings konnte ich das dem Menschenschinder da vorn wohl kaum begreiflich machen. Aber Fieber war schon mal gut.

„Ja, äh, ich weiß nicht so recht, ich friere ein wenig, aber dann ist mir auch wieder so warm. Ich glaube, ich kriege eine Grippe.“

„Grippe? Um Gottes Willen! Beese, du packst sofort deine Sachen und gehst nach Hause, bevor du mir noch die ganze Klasse ansteckst. Leg dich ins Bett und kurier dich aus, verstanden?“

„Ja, aber der Sportunterricht heute Nachmittag...?“

„Mit einer Grippe treibt man keinen Sport. Ich werde dich bei deinem Sportlehrer entschuldigen.“

Schau an, manchmal waren die Kinderquäler doch auch recht umgänglich. Mit zerknirschter Miene packte ich meine Bücher und Hefte zusammen, um mich dann, leidend wie ich war, aus dem Klassenraum zu schleppen.

Mutter staunte nicht schlecht, als ich fröhlich pfeifend nach Hause kam.

„Hitzefrei!“, erklärte ich und machte mich daran, meine Angelsachen zu packen. Wenig später stand ich an der Aue, im kühlen Schatten der hohen Bäume, die über mir wie ein grünes Dach ihre Äste und Zweige ausbreiteten. Ein wenig nah an der Brücke, über welche die Straße zum Stadion führte, aber ich würde schon aufpassen, dass mich niemand sah. Ich hatte den Vorteil, dass ich wusste, wann meine Klassenkameraden und der Leuteschinder hier vorbeikommen würden, während von denen mich hier niemand vermutete. Also, Angeln raus und warten. Ich hatte richtig vermutet, es war Aalwetter. Obwohl es hier schattig und kühl war, kam ich langsam ins Schwitzen, denn es folgte Biss auf Biss. Nach dem achten Aal musste ich aufhören, da es höchste Zeit war, mich hier dünne zu machen. Ich zog die Ruten ein und legte mein Gerät ins dichte Gebüsch. Niemand würde es von der Brücke aus sehen. Ich selber hockte mich auf einen schmalen Sims direkt unter der Brücke. Dort wartete ich auf die johlende Meute, die alsbald auf ihren Rädern, unmittelbar über meinem Kopf, über die Bohlen der hölzernen Brückenkonstruktion polterte.

„Viel Spaß beim Turnen!“, grinste ich niederträchtig, wartete jedoch vorsichtshalber ein weiteres Viertelstündchen. Ich wollte keinem Nachzügler in die Arme laufen, wenn ich aus meinem Versteck krabbelte. Schnell waren dann die Ruten wieder klar. Die Schwimmer pendelten in der leichten Strömung hin und her. Dann war Standwasser, der Moment der tiefsten Ebbe. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis das Wasser begann, bergauf zu fließen. Es brachte aus der Weser neue Aale mit, deren Wanderung allerdings an meiner Rute zu Ende sein sollte. Heh! Was war da los? Eine wilde Horde Radfahrer hetzte den Weg vom Stadion herunter. Ich schaffte es gerade noch, unter der Brücke zu verschwinden. Laut johlend polterten die Klassenkameraden über die Brücke. Im Nu waren sie verschwunden.

„Nanu!“, machte ich einigermaßen ratlos und krabbelte wieder aus meinem Versteck. Ich hockte mich an meine Ruten und grübelte, kam aber zu keinem vernünftigen Schluss. Das Ganze war sehr rätselhaft, und ich erging mich in den wildesten Spekulationen. Eine mir sehr wohl bekannte Stimme holte mich in die Realität zurück.

„Beese?! Wieso du hier? Ich war der Meinung, du seiest krank!“

Am Brückengeländer lehnte lässig mein Sportlehrer und grinste mich an. Oh, mein Gott! Lass die Erde sich auftun und mich darin verschwinden! Himmel, hilf! Und sei es nur ein ganz kleines Mauseloch. Ich wollte in meiner Not auch nicht wählerisch sein. Aber mein Beten half nichts. Im Gegenteil, der Pauker stellte ein Rad ans Geländer. Behände sprang den kleinen Abhang herunter. Dann stand er neben mir.

„Dein Klassenlehrer sagte mir etwas von Fieber, heh?“

„Ach, das war wohl nur ein kleiner Anfall von Unwohlsein. Mir geht es durch die frische Luft auch schon viel besser.“

Der Lehrer grinste.

„Aalfieber, wie?“, erkundigte er sich und betrachtete den Inhalt meines Eimers. „Donnerwetter, Beese, auf hundert Meter hast du ja nicht viel drauf, aber angeln kannst du. Mann, ich hätte nicht gedacht, dass in dem Graben solche Burschen sind. Im Übrigen hast du Glück gehabt. Für heute Nachmittag ist überraschend eine Lehrerkonferenz einberufen worden, deshalb fällt Sport aus. Ich war nur hier, um den Jungs das zu sagen. Oha, da hast du gerade einen Biss. Darf ich mal?“