2 Grömitz-Thriller: Die Seebrücke der Verlorenen & Der Sandmann von Grömitz - Mirko Kukuk - E-Book

2 Grömitz-Thriller: Die Seebrücke der Verlorenen & Der Sandmann von Grömitz E-Book

Mirko Kukuk

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Beschreibung

Die dunkle Seite der Ostsee: Tauchen Sie ein in die Thriller von Grömitz. Manchmal trügt die Idylle. In den packenden Psychothrillern von Grömitz erwarten Sie Geschichten, die tiefer gehen als die Oberfläche der malerischen Ostseeküste. Begleiten Sie Kommissar Mark Behrens und seine scharfsinnige Partnerin Lena Voss auf einer nervenzerreißenden Reise in die Abgründe der menschlichen Seele, wo alte Geheimnisse nicht schweigen und die Vergangenheit unerbittlich die Gegenwart heimsucht. 1. Die Seebrücke der Verlorenen Alles beginnt mit einer Reihe mysteriöser Suizide an Grömitz' Wahrzeichen: der Seebrücke. Doch was auf den ersten Blick wie eine tragische Welle der Verzweiflung aussieht, entpuppt sich schnell als das Werk eines raffinierten Täters, der die psychologische Anfälligkeit seiner Opfer gnadenlos ausnutzt. Mark Behrens, frisch aus Lübeck versetzt und gezeichnet von eigenen Dämonen, muss sich in diesem ersten, erschütternden Fall nicht nur dem Mörder stellen, sondern auch seinen inneren Konflikten. "Die Seebrücke der Verlorenen" ist ein atemloser Auftakt, der beweist, dass wahre Gefahr oft unsichtbar ist und direkt aus dem Inneren kommt. 2. Der Sandmann von Grömitz Dreizehn Monate nach den Ereignissen an der Seebrücke kehrt eine trügerische Ruhe ein. Doch der Frieden währt nicht lange. Eine Serie merkwürdiger Einbrüche erschüttert Grömitz: Keine Wertsachen verschwinden, sondern persönliche Erinnerungsstücke. Was noch beunruhigender ist, sind die verstörenden Botschaften im Sand, die der Täter, der sich bald als "Der Sandmann" einen Namen macht, an den Tatorten hinterlässt. Lena Voss, die Grömitz wie ihre Westentasche kennt, und der inzwischen zynischere, aber noch scharfsinnigere Mark Behrens erkennen schnell: Hier geht es nicht um materiellen Gewinn, sondern um Rache. Wenn Sie Ostsee-Krimi-Spannung lieben, die tiefgründig ist und weit über das Übliche hinausgeht, dann sind diese Psychothriller aus Grömitz ein absolutes Muss für Sie.

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2025

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2 Grömitz-Thriller: Die Seebrücke der Verlorenen & Der Sandmann von Grömitz
Spannung an der Ostsee
Mirko Kukuk
Impressum © 2025 Mirko Kukuk
© Copyright 2025 by Mirko KukukMirko KukukKleinfeld 10221149 HamburgUmschlaggestaltung: © Copyright by Mirko [email protected] Rechte vorbehaltenHerstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 BerlinKontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected] Unterstützung bei Text/Bild: GeminiDie in diesem Buch dargestellten Figuren und Ereignisse sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Inhalt
Titelseite
Impressum
1. Die Seebrücke der Verlorenen
Kapitel 1: Der Neue und die alte Last
Kapitel 2: Ein Muster im Unsichtbaren
Kapitel 3: Das gebrochene Schweigen der Zeugen
Kapitel 4: Die digitale Schleppe
Kapitel 5: Der Schatten am Horizont
Kapitel 6: Das Versteck des Jägers
Kapitel 7: Am Abgrund der Brücke
Kapitel 8: Die Konfrontation im Sturm
Kapitel 9: Die Schatten der Vergangenheit
Kapitel 10: Die Stille danach und ein erster Schritt
Kapitel 11: Die Schatten der Küste
Kapitel 12: Die dunkle Seele des „Erlösers“
Kapitel 13: Die Stille des Jägers
Kapitel 14: Die leere Tiefe
Kapitel 15: Die Nachbeben
Epilog
2. Der Sandmann von Grömitz
Kapitel 1: Botschaften im Sand
Kapitel 2: Der stille Beobachter
Kapitel 3: Das Muster der Erinnerung
Kapitel 4: Der Verrat des Sandes
Kapitel 5: Der schlaflose Jäger
Kapitel 6: Das zerbrochene Schlafmuster
Kapitel 7: Die Klänge des Horrors
Kapitel 8: Der Preis der Wachheit
Kapitel 9: Das Netz der Träume
Kapitel 10: Die Alptraum-Falle
Kapitel 11: Die Ruhe nach dem Sturm
Kapitel 12: Die Ruhe nach dem Sturm (Fortsetzung)
Nachwort:
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1. Die Seebrücke der Verlorenen
Prolog: Das Echo der Wellen
Die Böen peitschten über die Ostsee, rissen an Leonie Beckers Mantel und zerrten an ihren schulterlangen, dunklen Haaren. Es war weit nach Mitternacht, und die Grömitzer Seebrücke, normalerweise ein Ort des Lachens und des Lichts, war in dieser stürmischen Nacht eine dunkle, bedrohliche Silhouette. Die Gischt schlug unerbittlich gegen die Pfeiler, ihr Donnern war ein permanenter, dumpfer Schlag in Leonies Ohren, der das eigentliche Rauschen der Wellen übertönte. Sie stand am Geländer, ihre Finger krallten sich in das kalte, feuchte Metall, als ob sie jeden Moment davongeweht werden könnte.
Ihre Augen, sonst so lebendig und voller Ausdruck, waren jetzt leer, fast glasig. Der Blick verlor sich in der pechschwarzen Tiefe unter ihr, wo das Meer wie ein hungriges Ungeheuer tobte. Seit Wochen schon hallten die Flüstern in ihrem Kopf wider, sanfte, aber unerbittliche Stimmen, die ihr versprachen, all ihren Schmerz zu nehmen. Sie waren so real geworden, dass sie fast glaubte, sie kämen aus den Wellen selbst, die sie riefen, sie lockten.
Ein plötzlicher, besonders heftiger Windstoß riss ihr fast den Atem. Sie zitterte nicht vor Kälte, sondern vor der schieren Wucht der Emotionen, die sie innerlich zerrissen. Die Stimmen wurden lauter, drängender, versprachen Frieden, eine Erlösung, die Leonie nirgendwo sonst finden konnte. Sie schloss die Augen, ihre Lippen formten stumm Worte, die im Wind verloren gingen. Ein letzter, tiefer, kläglicher Atemzug entwich ihren Lungen. Dann löste sie ihre Hände vom Geländer.
Nur ein leises, unscheinbares Platschen war zu hören, sofort verschluckt vom Heulen des Sturms und dem tosenden Aufschlagen der Wellen. Die Brücke, majestätisch und unbeweglich, schien unbeeindruckt. Das Meer schluckte sein Geheimnis, ohne eine Spur zu hinterlassen, und das Echo der Wellen verstummte.
Steckbriefe der Kommissare:
Mark Behrens
Alter: 45
Hintergrund: Ein erfahrener Kriminalkommissar aus Lübeck, der nach einem traumatischen Fall, bei dem ein junges Opfer starb, nach Grömitz versetzt wurde. Er ist zynisch, oft wortkarg und kämpft mit inneren Dämonen, doch sein scharfer Verstand und sein unerbittlicher Gerechtigkeitssinn sind unbestreitbar. Er sieht in Grömitz zunächst nur ein Exil, wird aber durch den Fall gezwungen, sich der Gemeinschaft zu öffnen.
Lena Voss
Alter:29
Hintergrund:Eine junge, ehrgeizige Kommissarin, die in Grömitz aufgewachsen ist und die Region und ihre Bewohner wie ihre Westentasche kennt. Sie ist engagiert, empathisch und idealistisch, manchmal aber auch zu impulsiv. Ihre Ortskenntnis und ihr Netzwerk sind für die Ermittlungen von unschätzbarem Wert, doch die persönlichen Verstrickungen in ihrer Heimat stellen sie vor große Herausforderungen.
Kapitel 1: Der Neue und die alte Last
Die Norddeutsche Tiefebene breitete sich unter ihm aus, grau und unaufgeregt. Felder, Windräder, kleine, verschlafene Ortschaften. Mark Behrens hasste Landschaften. Er mochte Linien, Begrenzungen, die klaren Konturen einer Stadt, auch wenn die seine, Lübeck, ihn jetzt ausgespuckt hatte wie einen faulen Zahn. Grömitz. Allein der Name klang nach Zuckerwatte, Strandkörben und Rentner-Bingo. Sein neues Reich. Sein persönliches Fegefeuer.
Der Passat, den er vom Präsidium mitbekommen hatte, roch nach Zigarettenrauch und abgestandenem Kaffee – eine willkommene Vertrautheit im Angesicht dieser unfreiwilligen Verbannung. Er fuhr von der Autobahn ab, folgte den Schildern Richtung Ostsee. Überall Grün, sattes, wucherndes Grün. Er hätte lieber Beton gehabt, den stickigen Geruch von Abgasen, das ferne Heulen der Sirenen, das das Leben in der Stadt so ehrlich machte, so ungeschminkt in seiner Härte. Hier roch es nach Salz und Tang, eine Frische, die ihn frösteln ließ.
Das Polizeirevier von Grömitz war ein unscheinbarer Bau, Backstein, zwei Stockwerke, direkt hinterm Deich. Klein. Zu klein. Mark parkte, stellte den Motor ab und saß einen Moment im Schweigen des Autos. Das Klingeln seines Handys durchbrach die Stille. Lübeck. Seine Ex-Frau. Er ließ es klingeln, bis die Mailbox abhob. Er war nicht bereit. Er würde es nie sein. Nicht, solange das Gesicht des kleinen Jungen, das er nicht hatte retten können, ihn in seinen Träumen verfolgte.
Er stieg aus, straffte die Schultern. Fünfundvierzig. Fühlte sich an wie fünfundneunzig. Die Haare an den Schläfen waren grauer geworden in den letzten Monaten, die Augen tiefer in ihren Höhlen versunken, umrahmt von feinen Linien der Müdigkeit. Seine Anzugjacke, knitterig vom langen Sitzen, spannte über den breiten Schultern. Er war immer ein Mann von stattlicher Statur gewesen, aber jetzt wirkte er weniger imposant als vielmehr unnachgiebig, wie ein Fels, der dem Meer trotzt.
Drinnen roch es nach Reinigungsmittel und einer undefinierbaren Mischung aus Papier und alten Kaffeeresten. Ein kleiner Empfangsbereich, dahinter ein Flur mit ein paar Büros. Eine junge Frau kam ihm entgegen, schlank, sportlich, mit einem straffen Pferdeschwanz und wachen, blauen Augen. Sie trug eine Jeans und ein schlichtes, dunkles Oberteil, darüber eine offene Uniformjacke. Ihre Ausstrahlung war direkt und unkompliziert. Lena Voss. Seine neue Kollegin.
"Kommissar Behrens?" Ihre Stimme war klar und freundlich, aber ihre Augen musterten ihn mit einer Mischung aus Neugier und professioneller Distanz. Sie kannte seinen Ruf. Der Kommissar, der einen Kindesentführungsfall nicht hatte lösen können, bei dem das Opfer am Ende tot aufgefunden wurde. Der Kommissar, der deshalb weggeschickt worden war.
"Voss", sagte Mark knapp, ohne ein Lächeln. Er mochte keine kleinen Reden. Keine Vorzimmergeplänkel.
"Willkommen in Grömitz", erwiderte sie, und ein Hauch von Ironie lag in ihrer Stimme. Sie wusste, dass das für ihn keine frohe Botschaft war. "Ich bin Kommissarin Voss. Ich habe Sie erwartet."
Sie führte ihn in ein winziges Büro, das offensichtlich für ihn hergerichtet worden war. Ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein kleiner Aktenschrank. Ein Fenster mit Blick auf einen Parkplatz und dahinter, in der Ferne, das leicht schimmernde Grau der Ostsee. Er drehte sich weg vom Fenster.
"Wir haben einen aktuellen Fall", begann Lena, ohne Umschweife auf das Thema zu kommen. Das gefiel Mark. Direktheit. "Gerade erst reingekommen. Eine Frau ist heute Morgen von der Seebrücke gesprungen."
Mark drehte sich abrupt um. "Gesprungen?"
Lena nickte. "Die Leiche wurde von einem Fischer gegen 6 Uhr entdeckt. Sie wurde geborgen. Forensik ist noch vor Ort, aber es sieht aus wie ein klassischer Suizid." Sie legte einen dünnen Stapel Akten auf seinen Schreibtisch. "Frau Leonie Becker, 47 Jahre alt. Alleinstehend, keine Vorstrafen. War wohl in letzter Zeit psychisch labil, laut Aussage der Nachbarn."
Mark nahm die Akte, blätterte sie durch. "Psychisch labil", murmelte er. Das Standard-Etikett für alles, was man nicht verstand, nicht verstehen wollte. "Klassischer Suizid, sagen Sie."
Lena verschränkte die Arme vor der Brust. "Ja. Tragisch, aber nicht ungewöhnlich. Gerade nach so stürmischen Nächten." Sie zögerte kurz. "Es ist auch nicht der erste Fall dieser Art hier. In den letzten sechs Monaten hatten wir zwei weitere. Beide von der Seebrücke. Beide Frauen, mittleren Alters. Alle drei ohne Abschiedsbrief."
Ein kalter Schauer lief Mark über den Rücken. Die Worte "nicht der erste Fall" hallten in seinem Kopf. Ein Muster. Das Wort, das seine Nervenenden zucken ließ. Das Wort, das ihm in Lübeck gefehlt hatte, bis es zu spät war.
"Zwei weitere?", fragte er, seine Stimme war schärfer, als er beabsichtigt hatte.
Lena zuckte leicht zusammen, ihre Augen verengten sich minimal. "Ja. Vor vier Monaten Maria Keller, 52. Und vor zwei Monaten Silke Wagner, 38. Beide ebenfalls als Suizid eingestuft. Die Untersuchungen wurden abgeschlossen." Sie fügte hinzu, fast entschuldigend: "Grömitz ist eine kleine Stadt. Die Seebrücke ist ein Wahrzeichen. Tragische Dinge passieren."
Mark ignorierte ihre Erklärung. Er legte die Akte von Leonie Becker beiseite und sah Lena direkt an. Seine Augen waren durchdringend, abweisend, aber auch von einer intensiven Konzentration. "Ich will die Akten von Keller und Wagner. Alle. Jede einzelne Notiz, jeden Zeugenbericht, jeden Forensikbericht."
Lena zögerte. "Kommissar Behrens, die Fälle sind abgeschlossen. Wir haben hier wenig Personal, und…"
"Ich habe gehört, Sie sind ehrgeizig", unterbrach Mark sie, ohne seine Stimme zu heben. Der Tonfall war ruhig, aber die darunterliegende Autorität war unmissverständlich. "Und Sie kennen Grömitz. Wenn hier etwas nicht stimmt, dann finden wir es gemeinsam heraus. Oder Sie lassen mich das alleine machen." Er ließ ihr keine Wahl.
Lenas Blick traf seinen. Sie sah die Verbitterung, ja, aber auch eine unerbittliche Entschlossenheit, die sie aus ihren eigenen Büchern über Kriminalistik kannte. Sie nickte langsam. "Gut. Ich besorge die Akten. Sie sind in unserem Archiv. Dauert einen Moment."
Als Lena den Raum verließ, legte Mark seine Aktentasche auf den Schreibtisch und öffnete sie. Er zog einen Notizblock und einen Stift hervor. Das alte Ritual. Die Jagd nach dem Unsichtbaren, nach dem, was zwischen den Zeilen stand. Er hatte Grömitz nicht gewählt, aber es hatte ihn gefunden. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte er hier etwas wiedergutmachen. Wenn diese Fälle ein Muster zeigten, dann war das hier keine kleine Stadt mehr, die ihre Tragödien still für sich behielt. Dann war es ein Jagdgebiet. Und er war der Jäger.
Er blickte wieder zum Fenster, diesmal ohne sich abzuwenden. Die See, grau und unruhig, schien ihn anzublicken. Das leise Heulen des Windes, das er am Morgen noch gehört hatte, als er über die Autobahn kam, schien eine ferne Erinnerung an das Flüstern des Prologs zu sein. Er schüttelte den Kopf. Einbildung. Oder nicht? Er würde es herausfinden. Er musste es herausfinden. Das war seine einzige Chance auf so etwas wie Frieden.
Kapitel 2: Ein Muster im Unsichtbaren
Das Grömitzer Polizeirevier war am späten Nachmittag seltsam ruhig. Die wenigen Beamten, die noch Dienst hatten, erledigten ihre Routineaufgaben mit einer Gelassenheit, die Mark Behrens fast physisch wehtat. Er war die ständige Hektik eines Großstadtpräsidiums gewohnt, den flirrenden Unterstrom von Notrufen, das Kommen und Gehen von Zeugen und Verdächtigen. Hier schien die Zeit langsamer zu fließen, als würde die salzige Luft jede Bewegung verlangsamen.
Lena Voss kam mit drei prall gefüllten Aktenordnern zurück. Sie stellte sie mit einem leichten Seufzer auf Marks Schreibtisch, dessen Oberfläche nun unter der Last fast verschwand. "Hier sind sie. Die Fälle Keller und Wagner. Und die von Frau Becker, die hatten Sie ja schon." Sie deutete auf den einzelnen, dünnen Ordner, den Mark beiseitegelegt hatte. "Wie gesagt, alles sauber. Abgeschlossen."
Mark nickte nur, ohne aufzusehen. Er ignorierte die leise Resignation in ihrer Stimme. Er griff nach dem obersten Ordner, „Maria Keller“. Eine Klarsichthülle mit einem Passfoto. Eine Frau mit freundlichen Augen, ein müdes Lächeln. Ein Mensch, der nicht mehr war. Er legte das Foto beiseite und begann zu lesen.
Seine Methode war ungewöhnlich, ja fast pedantisch. Er ignorierte zunächst die Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Rohdaten: Die detaillierten Vermisstenanzeigen, die Zeitpunkte des letzten Kontakts, die Aussagen der Nachbarn, die Ergebnisse der Obduktion, die Polizeiberichte über den Auffindeort. Er suchte nicht nach dem Offensichtlichen, sondern nach den Abweichungen, den Ungereimtheiten, den kleinen Stolpersteinen, die ein scheinbar glattes Narrativ ins Wanken bringen konnten.
Lena hatte sich auf den Besucherstuhl gegenüber gesetzt. Sie nippte an einem Becher abgestandenen Kaffees und beobachtete ihn. Marks Konzentration war absolut. Er las nicht einfach, er analysierte jedes Wort. Er machte sich Notizen auf seinem Block, aber keine Zusammenfassungen. Nur einzelne Worte, Daten, kleine Kreise um seltsame Formulierungen.
Nach etwa einer Stunde legte Mark den Keller-Ordner beiseite und griff nach dem Fall Wagner. Silke Wagner, 38, ebenfalls alleinstehend, Marketingberaterin, die vor zwei Monaten von der Brücke gesprungen war. Wieder das gleiche Vorgehen. Die Zeit verging. Draußen wurde es dunkel, die gelben Straßenlaternen des Reviers warfen lange Schatten auf den Parkplatz.
Lena spürte, wie ihre anfängliche Skepsis einer wachsenden Neugier wich. Was suchte er? Die örtliche Polizei, inklusive ihr selbst, hatte diese Fälle immer als tragische Einzelschicksale abgetan. Suizid in einer Küstenstadt war leider keine Seltenheit. Doch Marks intensive, fast manische Art, die Akten zu sezieren, ließ sie über ihre eigene Bequemlichkeit nachdenken.
Endlich, nach fast drei Stunden konzentrierter Arbeit, hob Mark den Kopf. Seine Augen waren gerötet, aber wach. Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und rieb sich die Schläfen.
„Lena“, sagte er, seine Stimme war rau, belegt von der Anspannung. „Erzählen Sie mir etwas über die Seebrücke.“
Lena war überrascht von der abrupten Frage. „Die Seebrücke? Nun, sie ist unser Wahrzeichen. Ein beliebtes Ausflugsziel. Fast 400 Meter lang, führt zur Tauchgondel.“ Sie zuckte die Achseln. „Touristenattraktion.“
„Ist sie nachts beleuchtet?“, fragte Mark.
„Ja, natürlich. Gut ausgeleuchtet. Da ist immer Bewegung, auch spät abends noch Spaziergänger. Und die Fischer sind oft draußen.“
„Okay.“ Mark nickte langsam. „Haben Sie bemerkt, dass alle drei Frauen am späten Abend oder in den frühen Morgenstunden von der Brücke gesprungen sind? Zwischen Mitternacht und sechs Uhr.“
Lena überlegte. „Ja, das ist richtig. Das passt zu Suiziden. Oft wählen Menschen die Nacht, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.“
„Und haben Sie die Witterungsbedingungen bei den Sprüngen verglichen?“
Lena runzelte die Stirn. „Nicht im Detail. Ich meine, es waren immer Nächte, wo die See unruhig war. Sturm, oder zumindest starker Wind.“
„Ganz genau“, sagte Mark und schob ihr seinen Notizblock zu. „Leonie Becker: Nacht vom 17. auf den 18. Juli. Sturmwarnung Stärke 8. Wind aus Nordwest. Maria Keller: Nacht vom 12. auf den 13. März. Starker Nordostwind, Schneeregen. Silke Wagner: Nacht vom 5. auf den 6. Mai. Sturmböen aus West.“
Lena blickte auf die Notizen. Es war ein Muster. Ein kleines, aber auffälliges Detail. „Was soll das bedeuten? Dass sie sich alle für stürmische Nächte entschieden haben?“
Mark lehnte sich zurück, seine Augen bohrten sich in ihre. „Oder dass jemand für sie die Nacht ausgesucht hat. Eine Nacht, in der Geräusche verschluckt werden. Eine Nacht, in der ein Sprung im tosenden Wind unbemerkt bleibt.“
Lena wurde es kalt. Die Vorstellung war beunruhigend. „Das ist ein weit hergeholter Gedanke, Herr Behrens. Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, suchen oft dunkle, ungestörte Orte auf.“
„Unbestritten. Aber die Zufälle häufen sich. Und es gibt noch mehr.“ Mark schob die Akten näher zu sich. „Kein Abschiedsbrief. Keine Nachricht auf dem Handy, keine E-Mail, kein Post-it am Kühlschrank. Nichts. Nicht eine Zeile.“
„Das ist bei Suiziden leider nicht ungewöhnlich“, entgegnete Lena. „Manche wollen es einfach hinter sich bringen.“
„Vielleicht“, sagte Mark, seine Stimme war leise, aber voller Nachdruck. „Aber es ist ein weiteres Mosaiksteinchen. Und jetzt kommt das Seltsamste.“ Er nahm die Obduktionsberichte der drei Frauen. „Alle drei hatten vor ihrem Tod geringe Mengen an Schlafmitteln im Körper. Nicht genug, um sie außer Gefecht zu setzen, aber genug, um sie zu benebeln, ihre Hemmschwelle zu senken, ihre Wahrnehmung zu trüben.“
Lena starrte ihn an. Das hatte sie in ihren oberflächlichen Überprüfungen übersehen. Oder die Gerichtsmediziner hatten es als unwichtig abgetan, als mögliche Selbstmedikation. „Schlafmittel? Aber wofür?“
„Stellen Sie sich vor“, begann Mark, seine Stimme senkte sich fast zu einem Flüstern, „Sie sind depressiv, verzweifelt, vielleicht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Jemand kontaktiert Sie online, bietet Ihnen Hilfe an, verspricht Linderung. Er schlägt Ihnen vor, an einem bestimmten Abend ein leichtes Beruhigungsmittel zu nehmen, um zur Ruhe zu kommen, um sich auf eine ‚spirituelle Erfahrung‘ einzulassen, eine ‚Reise zu sich selbst‘.“
Lena schluckte. „Sie meinen, er hat sie dazu gebracht, die Pillen zu nehmen? Und sie dann zur Brücke gelockt?“
„Exakt. Das ist es, was mich am meisten beunruhigt.“ Mark klopfte leicht auf die Akte von Leonie Becker. „Leonie Becker war in einem Online-Forum für psychische Unterstützung aktiv. Das haben die Kollegen schnell festgestellt, aber es wurde als harmlos abgetan. Ich habe es mir genauer angesehen. Sie schrieb dort, dass sie einen ‚Retter‘ gefunden habe, der ihr ‚neue Wege‘ aufzeige. Sie schwärmte von seiner Empathie und seinem Verständnis.“
Lena schnappte nach Luft. „Das ist… das ist ungeheuerlich. Eine gezielte Manipulation?“
„Mehr als das“, sagte Mark. „Das ist die Handschrift eines Täters, der psychologisch versiert ist. Der seine Opfer isoliert, ihnen die letzte Hoffnung nimmt und sie dann in den Abgrund treibt. Und er benutzt die Seebrücke als seine Bühne, die stürmischen Nächte als seine Tarnung.“
Lena stand auf und ging zum Fenster. Draußen war es jetzt stockfinster, nur die Lichter des Parkplatzes spendeten ein fahles Gelb. Sie blickte in die Richtung, wo sie die Seebrücke wusste. Die Vorstellung, dass dort draußen jemand stand, der verzweifelte Menschen systematisch in den Tod trieb, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Die idyllische Fassade von Grömitz begann zu bröckeln.
„Was ist mit den Angehörigen?“, fragte Lena. „Haben die etwas bemerkt? Etwas Verdächtiges?“
„Die meisten haben es auf die Depressionen geschoben. Sie haben die Veränderung bemerkt, aber nicht die Dimension erkannt“, sagte Mark. „Aber der Fischer, der von dem ‚Flüstern‘ sprach… haben Sie den damals ernst genommen?“
Lena schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt nicht. Er ist ein alter Sonderling, trinkt auch mal gerne einen über den Durst. Wir dachten, das wäre nur Gerede.“
„Manchmal“, sagte Mark leise, fast zu sich selbst, „sehen die Verrückten die Wahrheit deutlicher als die Normalen.“ Er stand auf, ging zum Kaffeeautomaten in der Ecke und holte sich eine Tasse schwarzen Kaffee. Er brauchte den bitteren Geschmack jetzt.
„Wir müssen diesen Elias Sommer finden“, sagte Lena, ihre Stimme war fest. Ihre anfängliche Skepsis war verschwunden, ersetzt durch eine kalte Wut. „Diesen ‚Berater‘. Ich kannte Maria Keller flüchtig, sie war eine Kundin in dem Café, wo ich früher gejobbt habe. Eine wirklich nette Frau.“
Mark nickte. „Genau das werden wir tun. Aber wir müssen vorsichtig sein. Jemand, der so raffiniert vorgeht, lässt sich nicht so leicht fassen. Er ist ein Meister der Tarnung, ein Psychopath, der sich hinter dem Deckmantel der Fürsorge versteckt.“ Er nahm einen Schluck Kaffee, seine Augen wanderten über die Unterlagen auf dem Tisch. „Dieser Fall wird uns alles abverlangen, Lena. Und er wird uns Dinge über Grömitz zeigen, die Sie wahrscheinlich nicht sehen wollen.“
Lena blickte ihn an. Sie wusste, er sprach auch von sich selbst, von den Dämonen, die er aus Lübeck mitgebracht hatte. Aber in seinen Augen sah sie jetzt nicht nur Verbitterung, sondern auch eine neue Art von Fokus. Und sie wusste, dass dieser Fokus sie zu einem Ort führen würde, der weit jenseits der Urlaubsprospekte lag. Die Jagd hatte begonnen.
Kapitel 3: Das gebrochene Schweigen der Zeugen
Der Morgen brach grau und verhangen über Grömitz an. Ein feiner Nieselregen hing in der Luft, legte sich wie ein Schleier über die Dächer und Straßen, als wollten die Wolken die Wahrheit verbergen. Im kleinen Büro des Polizeireviers, das jetzt den Geruch von kaltem Kaffee und Marks unaufhörlichem Nikotinverlangen trug, breitete sich eine gespannte Stille aus. Die Akten der drei Frauen lagen wie stumme Ankläger auf dem Schreibtisch.