2 Mallorca-Thriller: Der Rote Strand – Eine blutige Ernte & Der Todesfluch von Punta Gat
Cala Ratjada
Mirko Kukuk
Impressum © 2025 Mirko Kukuk
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[email protected] Unterstützung bei Text/Bild: GeminiDie in diesem Buch dargestellten Figuren und Ereignisse sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Inhalt
Titelseite
Impressum
1. Der Rote Strand – Eine blutige Ernte
Kapitel 1: Die schockierende Entdeckung
Kapitel 2: Ein unerwarteter Notruf
Kapitel 3: Erste Spuren im Sand
Kapitel 4: Der verschwundene Rucksack
Kapitel 5: Ein Netz aus Schatten
Kapitel 6: Die dunkle Seite des Tourismus
Kapitel 7: Eine gefährliche Begegnung
Kapitel 8: Die Wahrheit kommt ans Licht
Kapitel 9: Die Falle schnappt zu
Kapitel 10: Flucht und Verfolgung
Kapitel 11: Die verborgene Klinik
Kapitel 12: Der finale Showdown
2. Der Todesfluch von Punta Gat
Kapitel 1: Die Schatten über Cala Ratjada
Kapitel 2: Das Geheimnis der Punta Gat
Kapitel 3: Die Ethnologin und der Mythos
Kapitel 4: Erste Spuren und dunkle Legenden
Kapitel 5: Der Fluch des Hexenzirkels
Kapitel 6: Rache aus der Vergangenheit
Kapitel 7: Die Ermittlungen der Polizei
Kapitel 8: Kampf gegen das Unsichtbare
Kapitel 9: Eskaliert der Schrecken
Kapitel 10: Die Konfrontation
Kapitel 11: Das Erbe von Punta Gat
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1. Der Rote Strand – Eine blutige Ernte
Kapitel 1: Die schockierende Entdeckung
Das strahlende Türkis des Mittelmeers tanzte mit dem azurblauen Himmel, unterbrochen nur von vereinzelten Schäfchenwolken, die gemächlich über Cala Agulla zogen. Lena Fischer zog einen tiefen Atemzug der salzigen Luft ein, die nach Sonnencreme und einem Hauch von Freiheit duftete. Ein perfekter Tag, ein perfekter Urlaub. Genau das, was sie brauchte, um den grauen Hamburger Herbst und die jüngsten, besonders verstörenden Fälle in der Gerichtsmedizin hinter sich zu lassen.
Sie lag auf ihrem Handtuch, die Augen hinter einer großen Sonnenbrille verborgen, und lauschte dem rhythmischen Rauschen der Wellen, das sanft an den feinen Sandstrand brandete. Kinderlachen mischte sich mit dem Gemurmel spanischer und deutscher Stimmen. Der Strand war gut gefüllt, aber nicht überlaufen, eine angenehme Mischung aus Familien, Paaren und Alleinreisenden. Lena genoss diese Anonymität, das Gefühl, einfach nur eine unter vielen zu sein, ohne die ständige Belastung ihres Berufs, der sie in Hamburg oft bis an ihre Grenzen trieb.
Als Forensikerin war Lena gewohnt, das Groteske und Tragische zu sezieren, das unsichtbar für die meisten Menschen unter der Oberfläche lauerte. Sie sah die Welt durch die Brille von Gewebe, Toxinen und Tatspuren. Hier, unter der mallorquinischen Sonne, wollte sie das alles vergessen. Für die nächsten zwei Wochen existierten für sie nur das Meer, die Sonne und das gelegentliche, erfrischende Bad.
Nach einer Weile, als die Hitze langsam drückend wurde, beschloss sie, sich abzukühlen. Sie stand auf, streckte sich und ging langsam zum Wasser. Der Sand war warm unter ihren Füßen, und als die ersten Wellen ihre Knöchel umspülten, war es eine willkommene Erfrischung. Sie watete tiefer, bis das Wasser ihre Hüften erreichte, und ließ sich dann in die kühlen Fluten gleiten.
Lena schwamm eine Weile parallel zum Strand, genoss das Gefühl der Schwerelosigkeit und ließ sich von den sanften Wellen tragen. Als sie sich auf den Rücken drehte und die Augen schloss, bemerkte sie einen ungewöhnlichen Geruch. Ein leichter, metallischer Hauch, der sich unter dem frischen Salzgeruch des Meeres versteckte. Sie runzelte die Stirn. Es erinnerte sie an… nun ja, sie wollte nicht daran denken. Es war Urlaub.
Sie öffnete die Augen und blickte in Richtung des Ufers, das nur wenige Meter entfernt war. Und dann sah sie es.
Zuerst dachte sie, es sei nur eine rote Alge, die sich im Wasser gesammelt hatte. Ein breiter, tiefroter Fleck, der sich wellenartig mit den Bewegungen des Wassers ausbreitete. Doch als sie näher kam, wurde ihr kalt. Das Rot war zu leuchtend, zu unnatürlich. Es war kein Farbton, den sie jemals bei einer Pflanze gesehen hatte. Es war… Blut.
Ihr Puls begann zu rasen. Der Geruch, der jetzt stärker wurde, bestätigte ihren schlimmsten Verdacht. Es war der unverkennbare, leicht süßlich-metallische Geruch von Eisen und Hämoglobin, der Geruch, der ihr im Labor so vertraut war und den sie hier, am Strand von Cala Agulla, am wenigsten erwartet hätte.
Lena, der Instinkt der Forensikerin sofort erwacht, ignorierte die spielenden Kinder und die sonnenbadenden Touristen um sich herum. Sie schwamm entschlossen auf den roten Fleck zu. Je näher sie kam, desto klarer wurde das Ausmaß. Es war kein kleiner Fleck. Die Verfärbung zog sich über mehrere Meter am Ufer entlang und vermischte sich mit dem hellen Sand, der an einigen Stellen bereits eine morbide Rosafärbung angenommen hatte.
Einige Badegäste, die ebenfalls aufmerksam geworden waren, zogen sich langsam aus dem Wasser zurück. Ein Kind zeigte mit dem Finger und fragte seine Mutter etwas auf Deutsch, aber die Mutter zog es schnell weg und schüttelte den Kopf. Niemand schien zu verstehen, was es wirklich war, oder wollte es nicht wahrhaben.
Lena tauchte kurz unter, um einen besseren Blick zu bekommen. Als sie wieder auftauchte, sah sie es. Fasern. Kleine, dunkle Fasern, die im Wasser schwebten und sich in dem blutroten Schleier verfingen. Und dann etwas, das wie ein kleines, abgebrochenes Stück eines Knochens aussah, winzig klein, aber unverkennbar in seiner Struktur.
Ihr Magen zog sich zusammen. Das war kein Unfall. Das war kein Tier. Das war menschliches Blut. Und es war nicht nur eine kleine Schnittwunde. Die Menge an Blut und die Art der Partikel ließen nur einen Schluss zu: Hier hatte sich etwas Grauenhaftes ereignet.
Sie stieg langsam aus dem Wasser, ihre Beine fühlten sich bleiern an. Die anderen Strandbesucher machten einen Bogen um sie, ihre Blicke waren neugierig, aber auch irritiert. Lena spürte, wie die Urlaubsidylle mit einem Schlag zerbrach und die Realität ihres Berufs sie wieder einholte, brutal und unerwartet. Ihre Hände zitterten leicht, als sie nach ihrem Handy griff, das in ihrem Rucksack auf dem Handtuch lag.
Sie wusste, was sie tun musste. Als Fachfrau für Spurensicherung und forensische Analyse konnte sie diese Entdeckung nicht ignorieren, selbst wenn sie gerade im Urlaub war. Ihr Blick wanderte über den roten Fleck, der sich wie ein böses Omen über den sonst so friedlichen Strand legte. Die Gedanken rasten in ihrem Kopf: Wie lange war das schon da? Woher kam es? Und vor allem: Wem gehörte es?
Mit einem tiefen Seufzer, der die letzten Reste ihrer Urlaubsstimmung davontrug, wählte sie die Nummer der örtlichen Polizei. Sie musste handeln, schnell. Der Wind, die Wellen, die Sonne – all das konnte wichtige Beweise vernichten. Und sie hatte ein schreckliches Gefühl, dass dies nur der Anfang war. Ein kaltes Grauen kriechte in ihr hoch, das nichts mit der Meeresbrise zu tun hatte. Der rote Strand war nicht nur eine Farbe, er war ein Versprechen – ein Versprechen auf Blut und Gewalt.
Kapitel 2: Ein unerwarteter Notruf
Lena spürte, wie der warme Sand unter ihren nackten Füßen zur eisigen Realität wurde. Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Nummer der Guardia Civil auf ihrem Handy wählte. Jeder Impuls sagte ihr, sie solle weglaufen, sich wieder in die Anonymität des Urlaubs flüchten. Aber der Instinkt der Forensikerin, der jahrelang in ihr geschliffen wurde, war stärker. Sie konnte das, was sie gesehen hatte, nicht einfach ignorieren.
Nach einigen Freizeichen meldete sich eine raue, männliche Stimme auf Spanisch. Lena, deren Spanischkenntnisse eher rudimentär waren, versuchte sich so klar wie möglich auf Englisch auszudrücken. „Hallo, mein Name ist Lena Fischer. Ich bin Deutsche und befinde mich am Strand von Cala Agulla. Ich habe hier etwas gefunden… etwas sehr Beunruhigendes.“
„Sí, señorita, ¿qué pasa?“ Die Stimme klang ungeduldig, routiniert. Lena konnte sich vorstellen, wie oft diese Person am Tag Anrufe von Touristen entgegennahm, die ihre Geldbörsen verloren oder zu viel Sangria getrunken hatten.
„Es ist Blut“, sagte Lena, ihre Stimme fester werdend. „Viel Blut. Im Wasser und am Strand. Und ich habe auch Fasern und… möglicherweise Knochenfragmente gesehen.“ Sie hörte ein leichtes Zögern am anderen Ende der Leitung. Das schien nicht der übliche Touristenkram zu sein. „Ich bin Forensikerin. Aus Hamburg. Ich kann Ihnen versichern, das ist menschliches Blut.“
Ein kurzes Schweigen. Dann eine leicht veränderte Tonlage. „Una momento, por favor, señorita. Ich verbinde Sie mit einem Kollegen.“
Die Musik in der Warteschleife klang nach einem schlechten Radiohit, aber Lena nahm sie kaum wahr. Ihr Blick wanderte immer wieder zu dem roten Fleck, der nun noch deutlicher zu sehen war, da die Sonne höher stand und das Wasser die Reste des Blutes freilegte. Einige Strandbesucher waren inzwischen aufgestanden und blickten neugierig oder besorgt in ihre Richtung.
Schließlich meldete sich eine neue Stimme, diesmal mit einem etwas besseren Englisch, aber immer noch mit deutlichem Akzent. „Hier ist Sergeant Miguel Romero. Sie haben etwas am Strand gefunden?“
„Ja, Sergeant. Am Strand von Cala Agulla. Es ist eine größere Menge Blut. Ich bin Dr. Lena Fischer, forensische Ermittlerin vom LKA Hamburg. Ich habe Erfahrung mit solchen Fällen und kann Ihnen sagen: Das ist ernst.“
Ein kurrenndes Geräusch, wie ein unterdrücktes Seufzen, drang durchs Telefon. „Frau Doktor, ich verstehe Ihren… Enthusiasmus. Aber wir haben hier oft Strömungen, die Dinge anspülen. Und rote Algen sind auch nicht ungewöhnlich.“
Lena schluckte ihre aufkeimende Frustration hinunter. Sie kannte das. Die Skepsis gegenüber „Urlauber-Detektiven“. „Sergeant, ich verstehe das. Aber ich bin seit Jahren in diesem Beruf. Ich erkenne Blut, wenn ich es sehe. Und diese Menge… das deutet nicht auf eine kleine Verletzung hin. Die Fasern, die ich gesehen habe, und die Konsistenz des Blutes – es ist frisch. Sehr frisch.“
Ein Moment der Stille. Dann hörte Lena ein leises Murmeln im Hintergrund, als ob Miguel mit jemandem sprach. Schließlich kam er zurück. „In Ordnung, Frau Doktor. Ich schicke eine Patrouille. Aber bitte, fassen Sie nichts an. Und versuchen Sie, die Leute dort fernzuhalten. Es ist wahrscheinlich nichts, aber wir werden es prüfen.“
„Natürlich“, sagte Lena. „Ich werde alles tun, um den Bereich so gut wie möglich zu sichern.“ Sie legte auf und blickte sich um. Die Situation war paradox. Touristen badeten noch immer in der Nähe, unbewusst des Grauens, das sich wenige Meter entfernt abspielte. Sie musste handeln.
Sie ging zurück zu ihrem Handtuch, holte ein kleines, hellblaues Strandtuch hervor und knotete es an zwei Strandstöcken fest, um einen provisorischen Absperrstreifen um den blutigen Bereich zu errichten. Es war lächerlich provisorisch, aber es war besser als nichts. Sie stellte sich daneben und versuchte, so autoritär wie möglich auszusehen, als sie auf Deutsch und Englisch sagte: „Bitte, bleiben Sie von diesem Bereich fern! Die Polizei ist informiert!“
Einige verstanden, andere schauten sie nur verwirrt an. Eine ältere deutsche Dame fragte besorgt: „Ist etwas passiert? Hat sich jemand verletzt?“
Lena nickte nur knapp. „Die Polizei wird das gleich klären.“ Sie versuchte, ruhig zu bleiben, aber ihr Adrenalinspiegel stieg stetig. Die Sonne brannte jetzt unerbittlich auf ihren Nacken.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis ein Kleinwagen der Guardia Civil am Ende des Strandes auftauchte. Zwei uniformierte Beamte stiegen aus, eine junge Frau und ein älterer Mann. Sie wirkten nicht gerade eilig. Lena winkte ihnen zu.
Der ältere Beamte, dessen Namensschild „Pérez“ anzeigte, kam auf sie zu. „Sie sind die Dame, die angerufen hat?“
„Ja. Dr. Fischer. Hier, sehen Sie.“ Lena zeigte auf den roten Fleck. „Wie ich am Telefon sagte…“
Pérez beugte sich skeptisch vor, seine Augenbrauen hochgezogen. Er schien nicht beeindruckt. „Nun ja, das sieht schon etwas… ungewöhnlich aus“, murmelte er. Er schaute sich hilflos um, als wüsste er nicht, was er mit dieser Art von „Touristenschwäche“ anfangen sollte.
„Ungewöhnlich? Das ist Blut! Ich habe hunderte solcher Spuren in meinem Berufsleben analysiert. Das hier ist definitiv menschlichen Ursprungs“, betonte Lena, ihre Stimme wurde schärfer. Die junge Kollegin von Pérez, die sich vorsichtig näherte, schien Lenas Ernsthaftigkeit eher wahrzunehmen.
Pérez zückte sein Funkgerät. „Wir brauchen einen Krankenwagen. Und vielleicht… einen Kriminaltechniker. Hier ist etwas, das…“, er zögerte, „…nach mehr aussieht als nur einer Verletzung.“
Lena spürte eine leichte Genugtuung, dass ihre Expertise endlich anerkannt wurde. Doch diese Genugtuung war von einem tiefen Gefühl des Unbehagens überschattet. Ein Mord am Urlaubsort. Das war etwas, das man in Krimis las, nicht etwas, das man selbst erlebte, während man eigentlich in der Sonne brutzeln wollte.
Während sie warteten, begann Lena, die Umgebung genauer zu mustern. Sie suchte nach weiteren Spuren, nach Hinweisen, die Pérez und seiner Kollegin vielleicht entgehen würden. Ihr Blick wanderte über den Sand, zu den Felsen am Ende des Strandes, dann zum Wasser. Der rote Schleier wurde langsam dünner, verdünnt durch die Wellen, aber immer noch deutlich sichtbar.
Sie kniete sich vorsichtig nieder, ohne den Bereich zu betreten, und bemerkte kleine Fußabdrücke im nassen Sand, die sich vom Wasser weg bewegten. Es waren nicht die Abdrücke von Badegästen. Sie waren tiefer, hastiger. Und sie waren nur in eine Richtung.
„Sehen Sie das?“, fragte Lena, als Pérez sich wieder näherte, nachdem er telefoniert hatte. „Diese Abdrücke. Sie führen vom Wasser weg. Und es scheint nur eine Person gewesen zu sein.“
Pérez blickte auf die Abdrücke, dann wieder zu Lena, als ob er sie zum ersten Mal wirklich sehen würde. „Sie haben einen guten Blick, Doktor.“
„Das ist mein Job“, erwiderte Lena trocken. „Und mein Job sagt mir, dass hier jemand ins Wasser gegangen ist und dann sehr schnell wieder rausgekommen ist. Und das Blut… es kam nicht aus dem Nichts.“
Die Minuten dehnten sich. Die Polizei war offensichtlich überfordert. Es war klar, dass solche Fälle auf Mallorca nicht an der Tagesordnung waren, zumindest nicht in einem Touristenort wie Cala Ratjada. Lena spürte, wie die Verantwortung, die sie eigentlich zu Hause gelassen hatte, sie hier wieder einholte.
Schließlich traf ein Krankenwagen ein, gefolgt von einem weiteren Polizeiwagen. Diesmal stiegen mehrere Beamte aus, darunter ein älterer Mann in Zivilkleidung, der eine gewisse Autorität ausstrahlte. Es musste Sergeant Miguel Romero sein.
Miguel ging direkt auf Lena zu, sein Blick forschend. „Frau Doktor Fischer? Ich bin Sergeant Romero. Danke, dass Sie angerufen haben. Und dass Sie hier geblieben sind.“
„Gerne, Sergeant“, sagte Lena, ihr Blick fest. „Aber ich habe Ihnen am Telefon gesagt, dass das hier ernst ist. Das ist kein einfacher Unfall.“
Miguel nickte langsam, seine Augenbrauen waren hochgezogen. Er blickte zum roten Fleck, und Lena konnte sehen, wie seine anfängliche Skepsis einer wachsenden Besorgnis wich. Er verstand. Endlich. Und in diesem Moment, inmitten des Touristenrummels und des aufkommenden Grauens, wusste Lena, dass ihr Urlaub vorbei war. Ihr Fachwissen wurde hier gebraucht, und sie würde es liefern, auch wenn der Anblick des roten Strandes ihr immer wieder Schauer über den Rücken jagte.
Kapitel 3: Erste Spuren im Sand
Der Geruch von Desinfektionsmittel mischte sich mit dem salzigen Duft des Meeres, als der Gerichtsmediziner Dr. Ramos am Tatort eintraf. Ein kleiner, untersetzter Mann mit einer Brille, die ständig auf seine Nasenspitze zu rutschen schien, grüßte Lena mit einem knappen Nicken. Er war sichtlich überfordert. Auf Mallorca waren solche Szenen selten, und der Anblick des blutgetränkten Strandes schien ihn zu verunsichern. Lena spürte sofort, dass sie die treibende Kraft in dieser Untersuchung sein musste, auch wenn sie nur eine Urlauberin war.
Sergeant Miguel Romero, der Lena am Telefon so skeptisch begegnet war, hatte seine Haltung geändert. Er stand neben ihr, sein Blick konzentriert, als die Kriminaltechniker in ihren weißen Schutzanzügen den Bereich absperrten. Die Touristen waren mittlerweile von der Guardia Civil weggewiesen worden, und eine gespenstische Stille legte sich über den Abschnitt von Cala Agulla, der noch vor Kurzem voller Leben gewesen war.
„Dr. Fischer, Herr Dr. Ramos, bitte folgen Sie mir“, sagte Miguel und führte sie vorsichtig näher an den blutigen Bereich heran. „Was können wir hier erkennen?“
Lena trat vor, ihre Augen scannten den Boden, das Wasser, die kleinsten Details. „Die Blutflecken sind hier am dichtesten“, begann sie, ihre Stimme klang sachlich und professionell. „Das deutet darauf hin, dass die primäre Verletzung oder der Ort, an dem das Blut ins Wasser gelangt ist, sich genau hier befunden hat.“ Sie zeigte auf eine Stelle, an der der Sand dunkelrot durchtränkt war. „Die Strömung hat es dann in diese Richtung verteilt.“
Dr. Ramos nickte schweigend und kritzelte etwas auf einen Notizblock. Er schien Lenas Führung bereitwillig zu akzeptieren. Lena bemerkte die feinen Linien der Gezeiten, die Spuren im Sand, die das Wasser hinterlassen hatte, und versuchte, die Zeitpunkte zu rekonstruieren. „Es muss sich in den letzten zwölf, vielleicht maximal 18 Stunden ereignet haben. Die Frische des Blutes und die Art der Ausbreitung lassen darauf schließen.“
Sie kniete vorsichtig nieder, um die Fasern genauer zu betrachten, die sie bereits beim ersten Blick entdeckt hatte. Sie waren dunkel, fast schwarz, und wirkten synthetisch. Lena zog ein Paar Einweghandschuhe aus ihrer kleinen Tasche, die sie immer bei sich trug – eine berufliche Marotte, die sich nun als Segen erwies. Vorsichtig nahm sie eine der Fasern auf und hielt sie gegen das Licht. „Diese Fasern… sie sehen aus wie von einer Art Sportkleidung oder einem Neoprenanzug. Nicht unbedingt von einem Badegast in Badehose.“
Miguel runzelte die Stirn. „Ein Taucher? Oder jemand, der nachts geschwommen ist?“
„Möglich“, erwiderte Lena. „Aber die Menge an Blut… das war keine kleine Verletzung. Es war massiv. Und die Knochenfragmente…“ Sie zeigte auf die winzigen, porösen Stückchen, die im Sand lagen. „Die sind definitiv menschlich. Und es sind keine Knochen, die bei einem Sturz brechen würden. Das hier sieht nach stumpfer Gewalteinwirkung aus, vielleicht sogar nach einer Art Zerstückelung.“