2017 - Christian Seegert - E-Book

2017 E-Book

Christian Seegert

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Beschreibung

Dies ist - rein rechnerisch - Band 9. Der wuchs so schnell heran, nicht wegen eines ausufernden Privatlebens sondern wegen der Wahrnehmungen, die das Land prägen. Es ist also Kommentierung dessen, was hier tagein tagaus serviert wird. Das schlägt abwechselnd »dem Faß den Boden aus« oder treibt in den Katarakt von Schreikrampf. Das meinen die nicht im Ernst, geht es mir wiederkehrend durch den Kopf. Es geht um die Schulen, die »Bildungsrepublik«, ich sehe viel Enteignung, mir klingeln die Ohren von »mehr Europa«, von Gender und Ökologie. Natürlich hat das »organisierte Verbrechen« seinen Platz. - Meine Streifzüge gehen auch durchs Feuilleton, durch gelesene Bücher, bisweilen einfach durch Rezensionen, durch Bilder, durch Filme, durch meine Phantasien, durch einige Reisen, dieses Mal Südafrika, durch meine Workshops. Es ist ein Erlebnisbuch, welches Fortsetzung findet - und seit 1985 läuft, also viel Zeitgeschichte aufnimmt. Es ist anstrengend und schärft die Sinne, ob ablehnend oder zustimmend, ist nicht entscheidend. Es ist unterhaltsame Auseinandersetzung - mit jedem Tag, der mir vor die Füße gesetzt ist. Daran ändern wir ja nichts, zum Glück!

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Seitenzahl: 516

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Die Gliederung sollte den Bundesministerien folgen, das bliebe aber zu eng. Es wäre auch ein grundfalsches Signal. Und das Außenamt für die Fläche des planetaren Wahnsinns in die ressortmäßige Zuständigkeit zu packen, wäre heillose Überforderung.

Daher werden hier doch eine Reihe beliebter oder gemiedener Stichworte in Reihe gepackt und mit bisweilen zahlreichen Seitenzahlen illuminiert – für alle, die bei allem Jahresverlauf doch thematische Konzentration vorziehen.

Bildungsrepublik

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IT <information technologies>

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IS (Inland!) <Innere Sicherheit>

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Organisiertes Verbrechen

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Enteignung

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EU-Kommission & Consorten, also EZB und ihr Euro-Regime

→ f., → f., →, → f., →, → f., →, →, → f., → ff., →, →, →, →, →, →, → f., → f., →, →, →, →, →, →, → f., →, → f., → f.

Ökologie

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Sozial-Industrie

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PEP ©

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Nazismus

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Stalinat

→ f., →, →, →, → f., → f.

Vorwort

Dies ist Buch neun. Sieben fehlen noch, sind aber schon da! – Damit Sie wissen, wo es lang geht, hier die kleine Einführung. Wie das Jahr war, wissen Sie ja selbst, kaum jedoch warum es so war! Es war so etwa wie HELGE SCHNEIDER. – Du gehst hin, faßt Dir an den Kopf, bist froh, daß Du’s hinter dich bringst – aber irgendwie recht hat er doch.

Rein privat mögen Sie mit Ihrer abweichenden Meinung ja recht haben, auch ich bins zufrieden – obwohl das Jahr an die Substanz geht, bei genauerem Hinsehen. Ich habe keinen Reizdarm, aber mein Innenleben hat seine strapaziösen Neigungen. Das ist vorrangig Kopfsache, ich habs am Kopf. Das fällt im Normalbetrieb nicht auf und der Teilnahme am Publikumsverkehr steht daher nichts im Weg.

Aber das Klima ändert sich. – Das Fleisch ist man richtig schier, sagte Oma, wenn wenig Sehnen und Fettstreifen drin waren und Opa etwas sabberte. – Ich bin so ein schieres Stück aus dem deutschen Block und ringe nach Luft, versuche freizukommen, frei von den Gespenstern, die mir Profil gaben. Das Gröbste konnte ich korrigieren, aber es hängt doch nach. Und bestimmt die Wahrnehmung, also die Nummer ‚halb leer oder halb voll‘, Sie kennen das.

Ich finde ja, das Glas ist voll, und zwar sowas von! Und je genauer ich hinsehe, desto eindrücklicher erscheint es mir: die Welt ist ein Irrenhaus. Jaja, sagen andere auch, ihr Bewegungsmodus ist der Kreis, bisweilen spiralig, dann aber zurück auf Anfang. – Ich habe mich in ein Prinzip reingeschrieben, das ich nicht mehr loswerde: Tag für Tag. Das ist linear und erlaubt Rückblick wie Projektion. Dabei bin ich Sammler, aus deutscher Tugend. Das nervt, aber es muß. – Also kein großer Wurf, aber viele kleine.

Sammeln heißt lesen, schneiden, verdichten, wie beim Frisör. Nur auffegen tue ich nicht, deswegen haben wir Keller. Die Aufgabe lautet nun, wie im Geschäft: der Einkauf entscheidet über den Gewinn, also richtig sammeln! Nicht den Standard-Geschäftsbetrieb, wie er die Geräusche des Tages prägt, überall dicke Luft macht. Sondern das, was beim Schütteln herausfällt, was schließlich diese leichte Neigung verursacht, in die der ganze Zirkus gerät. Dabei entdecke ich: das letzte Jahrhundert ist nicht vorbei! Es spiegelt sich in der Aufregung, der Hektik, dem Fundamentalen, mit dem betrachtet und geurteilt wird. – Je größer der Abstand wird, desto klarer tritt heraus, was da inszeniert wurde, was wir gemacht, mitgemacht, aus uns gemacht haben.

Soviel zur Außenwelt, die ich sammle – dazu kommt, eben gespenstisch, meine Innenwelt, durch die ich wahrnehme. Wenn Sie verstehen, was ich meine – einer der schönsten Sätze aus jedem amerikanischen Spielfilm, finden Sie nicht? Der kommt auch oft vor, aber dann besteht auch aller Anlaß! – Das ist die Mischung, die hier folgt, aus Neigung, ein bißchen Horror, und diese Verdichtung von Menge im Wahnsinn, isso! Die Frauen, der JUNCKER, der Chorleiter oder so. Alles. – Wenn Sie manchmal gar nicht verstehen, seien Sie getrost, ich auch nicht, überspringen Sie einfach son Textstück, das ist auch ein Zustand, aber eben im Innenraum, der nächste Tag bringt einen aus der frischen Luft draußen. – Und der Zusammenhang bleibt ja, ist ja Tagebuch. Es gibt genug, das ist wie Kautabak, das dauert dann. Noch was, wenn mein Sprachschatz oder das Fassungsvermögen kollabiert, verfalle ich in Mundart, so in Richtung Offenbach.

Ist das intelligent? Weiß nicht, ich wende das Zeug mehrmals, wie meine liebe Frau dieses Vieh zu Weihnachten, dann geht’s ab. Kaufen Sie das, Sie werden genervt sein, aber auch Spaß haben. Ich sags, wie es ist! Kennen Sie Bodo Bach? Der sagt dauernd, wie es ist. Muß man mögen, sonst geht’s nicht. Kennen Sie Shakespeare? Gehen Sie hin, Berlin, hinter der Museumsinsel, da brauchen Sie keinen Frack, eher Küchenrolle. Weil Sie näher dran sind.

Ach ja, wenn Sie mehr wissen wollen über die Gespenster, also son bißchen Genese, dann kommen Sie um Buch eins nicht rum, ein Dreipfünder allerdings. Ich habe noch fünf zu Hause. Gemessen daran ist das hier Zugabe, wie beim Metzger.

Das Inhaltsverzeichnis lasse ich mir nicht nehmen, aber nicht wie in der Schule ‚Einleitung – Hauptteil – Schluß‘, sondern mehr nach Aufregern. Wenn Sie nur Interesse am Lieblingstier haben, Namensverzeichnis. Ob Sie nun grade dabei sind, entscheiden Sie das bitte selbst. Aber bald, die Zeit ist begrenzt, auch Ihre.

PS.:

Noch eins, auf 2017 folgt ja 2018, 2017 bereitet also vor und 2018 ist die Ausführung. Um 2018 zu verstehen, brauchen Sie 2017, je eher desto besser.

Hier geht’s los:

1.1 Der Wahnsinn geht weiter – vom Grenzturm aus verfolgen wir die Befeuerung des Himmels über Bremen und Marßel. Auf dem Kreisel vor dem Haus sodann Austausch von Glückwünschen zu etwas Champagner und wir jagen die restlichen Bestände in die Luft. Bei den Nachbarn ist es warm, Berliner Pfannkuchen mit zu viel Marmelade.

Frieden in Syrien? Ein Witz angesichts der Versammlung von sogenannten Erzfeinden, die sich politisch, religiös, ethnisch und sonstwie abgrenzen: Türkei – nichtarabisch, mehrheitlich sunnitisch, Erzfeind von Saudi-Arabien/sunnitisch, der nichtarabische Iran/Schiiten ist genauso Erzfeind. Assad kontrolliert zehn Prozent des Staatsgebiets und setzt auf Iran. Dann natürlich Erzfeind Israel, das es einzukreisen gilt von der pan-schiitischen Fremdenlegion bis hin zur libanesischen Hizbullah. – Das ist wie Europa vor hundert Jahren! Wir haben es bezahlt. – Iraner kaufen in Damaskus Grund und Boden auf. Staaten sind Militärorganisationen, sie bieten keinen Schutz. Den bieten nur Moscheen und Stämme. Fünf Ereignisse können die Situation eskalieren, notiert RAINER HERMANN. Truppen für kommende Schlachten sind die Millionen junger Männer ohne Aussicht, Gruß von GUNNAR HEINSOHN, der mehrere Dutzend von ihnen in Bereitschaft sieht.

Ja, die Erde ist eine Scheibe, das Grau avanciert, die Aussichten werden auch nicht durch Gedenk- und Jahrestage heller – aber sie fördern immer noch Einsicht: so der 150. Jahrestag des ‚Kapital‘, Band eins. Wie nahe das Denken des scharfen Analytikers beim Weltgeist des Lehrers HEGEL siedelte, vermag ich Laie kaum mit wenigen Worten aufzumachen. Seis drum, der Weltgeist war, wurde der große Verführer. Ihn im Prinzip kapitalistischer Aneignung dingfest zu machen, gab den Treibern kommender Umwälzungen einen leichtfertigen Freifahrtschein. –

Aber der Weltgeist ist überall, er kostümiert sich nach Tagesbedarf. – Die Gewißheit des verbleibenden Aufenthalts gewinnt da an Zuversicht, wir planen Kultur- und Reiseeinsatz.

2.1. Marion hat Rügen gebucht, Elvis (Hund!) ist bei Edeltraut eingezogen, wir packen und es geht ab. Ohne besondere Vorkommnisse passieren wir die Rügen-Brücke und drücken uns zwischen den eng gesetzten Stahl-Leitplanken durch bis Goeren, vom ‚Rasenden Roland‘ begleitet, der geputzt parallel fährt. – Marions Doppelkopfdamen sorgen für einen Komplett-Abend im Hotel Hanseatic, vom Staff freundlich begleitet. Soviel Geld ging selten in die Kasse.

SHAKESPEARES Sonette sind bestürzend aktuell, was ja allenthalben von ihm gilt. SOPHIE BRANDS hat eine feine Übersetzung fabriziert, erlaube ich mir anzumerken, so:

Es ist kein Wucher unerlaubter Art,

wenn einer Glück erwirbt, für das er leistet.

3.1. Es ist beschlossen und geht über den Strand nach Sellin, bei beständigem Niesel und der Berghang rutscht. Dort ist auf der Seebrücke das alte Strandhaus aus den zwanziger Jahren dreiteilig wiedererrichtet, drinnen zur Linken in perfekter Restauration die einstige Jugendstileinrichtung, bis ins Detail des Spiegelaufsatzes, der Geländer und Deckenleuchten, museal. Darin Menschen! Wir laufen zur Spitze, wo der Interessierte eine riesige Tauchkugel besteigen kann, die ihn zum Meeresboden bringt.

Zurück ins schon fast mondäne Städtchen, übertroffen wohl von Kühlungsborn, aber auch von feinster ‚Möblierung‘. Nach einer Großtasse Kakao ziehen wir weiter zum Bahnhof. Der Zug kommt – ey, keuch, rauch, quietsch, voll der Zug! Drinnen alles alt, in der Wagenmitte der Ofen, davor ein Eimer Brikett, äschd! (eine Folge ‚Hausmeister Krause‘ wollte ich haben, 24 gabs, das fordert, nervt und prägt, kommst du nicht weg von) Also, der Zug, ächd keuch, qualm, ey stink, schnüffel ... der Lederriemen zum Hochziehen des Fensters, kenn‘ ich von 1950 auf der Strecke Bad Doberan – Heiligendamm. Voll de Verbindung. – Erschöpft im Hotel, im Zimmer ist es schön und voller Wonnen. – Nach dem Essen beim nahen Italiener versammeln wir uns alternativlos zum Kartenspiel.

Dem aufgeräumten Abend folgt die Lektüre von KARIN (KATHRINE) KRESSMANN TAYLOR: ‚Adressat unbekannt‘, 1938. So radikal, wie da eine Freundschaft binnen Monatsfrist zerbricht, habe ich selten eine Beschreibung des deutschen Aufbruchs in die Selbstvernichtung gelesen. Der kurze Briefwechsel zeigt die Geburt, den Ausbruch des feisten, vernachlässigten Deutschen aus einem hängenden Dasein, aus dem Ressentiment, welches endlich gegen den aufstehen darf, der zum Schuldigen erklärt wurde. Dieser Aufbruch, der dem braunen Terror den Raum freigibt und in der Hysterisierung des Alltags der Sehnsucht nach Größe näherkommen will. Ekel des Nachgeborenen. – Das Nachwort der ELKE HEIDENREICH ist bereits zuviel (natürlich des Guten), aber wohl unvermeidlich.

Die beiden Frauen aus der Doppelkopfrunde kommen mit ihren Rädern viel herum in der Republik und sind folglich von der Entwicklung hier im Osten beeindruckt. Sie finden, daß sie im Westen durch vergleichsweise ärmliche Gebiete reisen, zumal in NRW.

4.1. Aufbruch nach ‚Prora‘ unter Führung bei Eiseskälte. Die Volksgemeinschaft habe er aus der Frontgemeinschaft abgeleitet, bemerkte ADOLF HITLER bereits 1927. Der Riesen-Kraft-durch-Freude-Bau blieb dann im Rohzustand stehen, als es ins neuerliche Fronterlebnis ging, diesem Grundbaustein im Leben dieses Führers. Der Architekt der KdF-Front, CLEMENS KLOTZ, gelangte auf die „Gottbegnadetenliste“, jene Sonderregelung des Herrn über Leben und Tod, HEINRICH HIMMLER, welche die Gelisteten 1944 vor dem ziemlich sicheren Tod an der Front freistellte.

Heimwärts unterbrechen wir in Binz. – Im Aussichtsturm des Hotels, auf der Heiratsplattform, umgibt uns Hagel und graue Sicht auf das schäumende Meer.

5.1. Die hochwertige Prora-Broschüre verhaspelt sich in den Kategorien. Sie stellt sich nur mit dem marxistischen Wortgut gegen die ‚Volksgemeinschaft‘ und will sodann entlarven, dazu noch die Öko-Klage über gefällte Bäume, die längst nachgewachsen sind. – Dabei erfüllt dieser Begriff alle Anforderungen der Diktatur, insbesondere stützt er ihren Rassismus, er ist Brückenfunktion zum Völkischen, wie er das „Artfremde“ ausschließt, er schließt also ein und grenzt aus. Er bereitet die Rechtlosstellung und Verfolgung der Ausgeschlossenen vor. Die Eingeschlossenen (sic!) hingegen organisiert er hierarchisch im Führer-Gefolgschaftsmodus, in nationaler Arbeit, militärisch und hysterisch. Wer nicht teilnimmt am permanenten Machtrausch und Aufmarsch, gefährdet seine Existenz. Wer nicht arbeitet, soll nicht essen und wird eingesetzt, vernutzt. Die Volksgemeinschaft bildet so einen unnachgiebigen Pflichtenkreis mit Berechtigungsschein, den Kriegseinsatz zur Ressourcenbeschaffung mit all seinem Völker- und Rassenmord eingeschlossen. Alles zu seiner Zeit, denkt der Hitler, genannt ‚der Führer‘, 1933.

Der rassestrukturierte Zugriff auf das Volk schert sich nicht um Klassen. Und der klassenteilende Zugriff praktiziert Ein- und Ausgrenzung ebenso, in der DDR von der ‚Aktion Ungeziefer‘ über die Lager bis Hoheneck. Eingeschlossen den nationalistisch überwölbten Ansatz mit dem Vaterland als identitätstiftendem Anker. Im Mantel des aktuellen religiösen Zugriffs, also im islamistischen Kleid, geht es noch gröber zu.

Leicht zu erkennen, daß der demokratische Ansatz mit der Pluralität von Interessen und Positionen der anstrengendste ist, mit all seinen Ausbeulungen, Eruptionen und dem gerne lauthalsen Streit. Dabei unter der schier übermenschlichen Anforderung, jeden nach seiner Façon zu belassen, im Rahmen von Respekt und Akzeptanz vereinbarter Regeln.

Wir packen uns ein für einen Spaziergang durch eisigen Wind über die umliegenden Höhenzüge von Klein-Zicker. Alle Gaststätten sind verschlossen bis auf eine Tür zur Toilette. Schließlich nach einem schwergängigen Windbeutel -Anmutung einer Sättigungsbeilage- zurück ins Hotel. Ich folge dir in die Sauna, erschöpft. – Letzter Doppelkopfabend, wir laden auf unser Zimmer, die Gäste mit Gestühl, mein Kleingeld ist weg.

EVA BRAUNS Hund hieß Anastasia, liebevoll nannte sie ihn Stasi‘ – als ahnte sie, wie es weitergehen würde.

6.1. Um 10 Uhr ab Goeren, zurück aus der Kälte. – Zu Hause ‚schneidet‘ Jonas meinen Laptop zurecht, meine Verzweiflung weicht Milde. – Die wunderbaren Sonette schließen ab.

„Werde erwachsen Donald, Du bist Präsident“, twittert JO BIDEN, nachdem zehn Geheimdienste des Landes den Moskauer Eingriff ins Wahlverfahren bestätigen.

In Pjöngjang läßt Chefe die halbe Stadt antreten und erklärt, daß Nordkorea zur Atommacht aufgestiegen ist. Vom Einsatz ist einstweilen nicht die Rede.

Wahlaussichten der SPD bei 20%.

‚Nafri‘ ginge garnicht, meint SIMONE PETER, auf polizeiliche Abkürzungen Bezug nehmend und sieht Rassistisches am Werk.

An ‚Limo‘ wird sie sich auch stören, steht für linksmotivierte Straftäter.

„Am Sonntag -morgen- wird Dame SHIRLEY VERONICA BASSEY achtzig Jahre alt.“

19 Uhr: WOLFGANG BELTRACCHI portraitiert OTTO WAALKES, seine Ausstellung mit tausend Leuten, mir laufen die Tränen. Rundum glücklich ist er, nur die Zeit wird knapp, bemerkt er. Sie hat mich eingeholt, vom Krach in der Haft, der U-Haft erzählt er, ein Geschrei wie im Affenstall. So treffen große Ruhe und große Nervosität aufeinander. Alles sehr analog!

8.1. Im Digitalen ist die Kopie des Menschen beinahe fertig. Liegt die vor, brauchts das Original nicht länger, Wahlen eingeschlossen. Das ist folgerichtig. Die Aufregung über das Sowjet-Kadersystem mit seinem Paten IGOR SETSCHIN oder über SIMONE PETER, wie sie die polizeiliche Kontrolle der Domplatte an Sylvester anklagt, klingt da eher wie ein Spot aus dem Unterhaltungsprogramm. – Vor 17 Jahren schon verfolgte ich die Aussichten nach dem ‚Homo S@piens‘ des RAY KURZWEIL. Nun kommen wir ihnen näher, jedoch in einem anderen Format, als er es voraussah.

Abends zieht mich die Stimme des KLAUS MARIA BRANDAUER vom Schreibtisch weg. Es ist ein anderer TOBIAS MORETTI, der den ambivalenten LUIS TRENKER gibt, ebenso beeindruckend, nahe bei HANNA SCHYGULLA, die Darstellerin der LENI RIEFENSTAHL und schließlich die Figur des GOEBBELS, in Physiognomie wie Sprachduktus: mit Verachtung führt er seine Monologe mit LUIS, läßt ihn kommen und gehen – so spielte ROLF HOPPE den HERMANN GÖRING, zwei Figuren, die erst im nackten Terror erblühten.

9.1. Marion fährt wieder zur Schule.

Aus dem ‚morning briefing‘ des ‚Handelsblatts‘:

... deshalb hinterließ uns ROGER WILLEMSEN in einem jetzt postum veröffentlichten Manuskript folgende Lageeinschätzung: „Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.“

Das staatliche Fürsorgesystem staffiert mit fürstlicher Pension aus, bis ins Kommunale. Schon eine Periode als Bürgermeister genügt zur Amtsmüdigkeit, das restlaufzeitlange Ruhegeld wird erst ab 6000 Zusätzlichen gekürzt. Der Pleitegeier auf dem Dach dreht sich nach dem Wind.

Das Abwettern beginnt, in zehn Tagen hat der neue Präsident in Nordamerika das Sagen. – Die Terminvereinbarung mit der Steuerberaterin gerät zu einer furiosen Inspektion. Da kommt Unsicherheit nach hinten und nach vorne auf. Mein größeres rechtes Auge spricht mich an – neben dem Ressentiment ist Selbstgerechtigkeit die Krätze am Übergang zur Außenwelt. Sich diesem beständigen Abrieb und Verschleiß zu stellen, d. h. der Alterung, dem abnehmenden Widerstand, dem Eindringen fremder Materie, der Verunreinigung des geschützten Interieurs zuzusehen, ohne den Arzt aufzusuchen, ohne Hautcreme, bietet Aussicht auf Gewinn. Du hattest ein Leben, wenn Du es gesehen hast, erlebt hast, es an dir hochgekrochen ist, wenn deine Hygieneformeln versagt haben. – Dabei sprach die Steuerberaterin nur übers Geld.

Alles aus 2016 deutet darauf hin, daß 2017 seine Schlußfolgerungen sein werden. Das ist nicht neu.

STEPHEN HAWKINGS wird 75, Scham befällt mich, alles ist kleinlich. Kopf hoch, sagt er, selbst wenn Sie in ein Schwarzes Loch fallen, gibt es einen Ausweg. DAVID BOWIE, lebte er, wäre gestern 70 geworden, welche Sucht nach Leben.

Derweil schlägt ELISABETH SCHARFENBERG, der Fraktion der Grünen-Partei im Bundestag zugehörig, bezahlten Einsatz für Geschlechtsverkehr und/oder vergleichbare Handlungen mit/an Pflegebedürftigen und Schwerkranken vor. Ob die Geltendmachung solchen Bedürfnisses rezeptpflichtig sein soll oder ein einfacher „Antrag auf Sexualassistenz“ genügen soll, so BORIS PALMER, blieb offen. – So stürzt der gemeine Teilnehmer am Informationszirkus von einer Welt in die nächste, unverbunden, nur getaktet, wie Fließband, so schildert MATTHIAS HORX das Drama der Überforderten. – Mitten hinein ringt mir der Badener Galerist einen dritten Zeitraum zu fünf Metern meines malerischen Talentes, naja Umtriebs ab. Mein widerständiges Pöbeln brachte eine Absenkung auf 60 pro Meter.

Ein Reporter fragt, ob das Haus der Geschichte in Bonn das Mordfahrzeug vom Berliner Breitscheidplatz in den ‚zeitgeschichtlichen Bestand‘ aufzunehmen gedenke – einer von täglichen Orientierungsverlusten, die in der Musealisierung des Terrors Erkenntnis suchen.

Das Staat&Bank-Syndikat der ‚Group of Thirty‘, aus Spanien bekannt, findet Bargeld geschäftshindernd. Es nutzt die ‚USAid‘, einen Laden für sogenannte Entwicklungshilfe, um „Cashless Payment Partnership“ zu verkaufen, so als Kondition. Das hat in Indien wohl geklappt, Australien ist interessiert, der EZB-Chef ist Teil des Systems totaler Fiskalität – PHILIP PLICKERT hat ein wenig recherchiert und entdeckt das zwanglos changierende Komplott von Banken und Staat, das totale Geschäft zu totaler Kontrolle, herkulischer Kampf gegen ‚das Böse ist immer und überall‘.

10.1. Kleiner Aufbruch in die Sparkasse zum Coaching – und es wird ereignisreich, gegen die Schwergängigkeit zum Jahresende. Der Gang durchs Haus fordert, alle kennen mich, sprechen mich an – mit Namen und guten Wünschen, ich kenne sie ja auch, nur oft ohne Namen. Heimwärts beschaffe ich einen Karton mit Sekt & Gebäck für den nächsten Besuch.

Abends lädt die örtliche Wirtschaftsversammlung zum Jahresauftakt. Wir sind die letzten, jedoch wieder zu früh, die Bürgermeisterin spricht – noch. Erst als vor ihren Augen einer umkippt und im Rettungswagen davonstiebt, kürzt sie ab. Der Saal honoriert solche Aufmerksamkeit mit Applaus.

11.1. Nach dem Teilzeitgesetz produziert das Gesamtfürsorge-Ministerium der ANDREA NAHLES ein Vollzeitgesetz, da die vom Vollzeitmodus Geschundenen nun vom Teilzeitmodus gebeutelt sind. Die Freude über solche Kreativität ist nur bei der Chefin einzigartig. – Derweil erreicht die Steuereintreibung des erfolgreichsten Ministeriums Höchstwerte seit der Vereinigung. – Die Opposition beharrt auf der Verkehrswende, Greenpeace auf der Fleischwende. Die Planwirtschaftstruppen im Großformat. – Ich wende mich vorauseilend schon mal im Grab um.

Wenn doch das Wählen aufhörte, dann könnte nur noch Europa gewählt werden, selbst von den Widerständigen. WERNER MUSSLERS Agenda des JUNCKER’schen Regelbruchs kommt auf ein Dutzend fürs abgelaufene Jahr. Die Bedrängten freuts, der Rest hält die Schnauze, weil er die wohlfeile Gefälligkeit des Kommissionschefs nächste Woche brauchen könnte. Korruptive Allianzen sind das.

A propos, den MARTIN WINTERKORN hats erwischt – Ruhestand. Immerhin 3100 Rente, Vorteil: täglich. – Nach abklingender Aufregung bleibt Frau ANDREAE in Rage, weil der Steuerzahler über die Abschreibung Millionen trage. Daß über private Versteuerung mehr ans Amt geht als der Konzern abführt, entgeht der Grünen-Fraktionschefin. So bleibt das Geschrei allerseits.

Erholung bietet FREDDY LANGERS ‚Route 66‘-Report:

„... das Echo der zugeschlagenen Autotür ist noch nicht verhallt, da wird das Gaspedal schon bis zum Bodenblech durchgetreten. Brachial geht es los mit einer ostinaten Basskadenz, die vier Minuten lang auf einen bis zur Stumpfsinnigkeit durchgeschlagenen Takt wiederholt wird ... darüber Tom Pettys Sprechgesang ..., auf der 66 zwischen zwei Tankstellen, den Landmarken der Nation“.

Das ist so schön zu lesen und zu schauen, daß der Autor in Bensheim vorlesen wird, allerdings erst nächstes Jahr! Am 21. Mai 2018 in Bensheim.

Die ‚Literatur für mehr Europa‘ ist in der Offensive, die Rezensionen zeigen Sinkflug der Qualität an, dramatisch bei CLAUS OFFE, deftig bei JÜRGEN RÜTTGERS, bemüht immerhin bei FRANK-WALTER ST. Versteigt sich doch Erstgenannter zu der Schwindsucht, es seien die Ultraliberalen, Marktradikalen, kurz eine ‚neoliberale Verschwörung‘ gewesen, so der Rezensent, welche die Kunstwährung durchgesetzt habe und so am Zustand des Kontinents Schuld trüge. Das sind Projektionen einer Wissenschaft im Verschwörungsmodus. Im schroffen Widerspruch der Tatsachen waren es eben jene, welche vor diesem Währungskorsett warnten. Das alles wischte der Kanzler mit seiner Handbewegung beiseit‘, weils sein ‚politisches Projekt‘ hinderte. So bleibt ein klassischer Fall ideologischer Verblendung, die tatsachenresistent wird und die Welt ins Kuschelkissen heiliger Grundsätze stopft – wer war eigentlich Prokustes! I nou what I’m talkin about.

12.1. Einen Korb voller ‚Saus & Braus‘ in die Sparkasse geschleppt, so ein Impulskauf, Personal überrascht, danach von HD verabschiedet und zur Steuerberatung. Dort geht es unterhaltsam zu – ich bin entspannt, weil die Damen immer, ich wiederhole, immer recht haben – das Zahlenwerk wird beiläufig verhandelt – wieder lerne ich, warum der Steuerabzug meine fröhlichen Erwartungen übersteigt – dieser regelmäßige Punktsieg für Schäuble. Zurück aufs Land, wo der Hund sitzt und guckt, vor Freude das Hörnchen anschleppt, was nur heißt: Gassi, Meister! – Nachmittags Sortierung der Steuer-Kiloware fürs Amt oder in den Keller. Outlook ist kaputt, Jonas meint nein, allenfalls der, der davor sitzt. Ich habe die Anschauung für mich.

13.1. Freitag. Ein knapper Kommentar reichte nicht, wieder bekommt HEIKE GÖBEL den Leitkommentar auf Seite eins für die aktuellen Gleichheitsmanifestationen aus den Berliner Ministertürmen. Das Weltbild der leitenden Damen dieses bürokratischen Unfugs sei eher von ORWELL’schem Format, eine zugrundeliegende Substanz nicht auszumachen. Solch ideologische Sternstunden häufen sich im Zeitalter ‚spätrömischer Dekadenz‘, zu schön dieses Wort des GUIDO WESTERWELLE. Und so treffend, gell. Und die Zeit drängt, denn -bei aller Harmonie- man möchte noch einiges zu Tal schicken in den verbleibenden zehn Monaten, also aus dem Staub in den besternten Himmel.

Dem Pfarrer machte ich Absage, was seine dritte Vertretung im Berg betrifft. So etwas kann keine Gewohnheit werden. Und ich bins ja nicht, der Stellvertreter, oder sein Prediger.

Dem Schnitter Zeit kannst du nicht widerstehen;

doch trotzt du ihm mit Nachwuchs, wenn du fällst.

So SHAKESPEARE, diesen Trost habe ich. Doch kommts noch ernster in den Sonetten.

Das Gendergetöse reißt grade im Angelsächsischen den Wissenschaftsbetrieb abendländischer Provenienz ein: auf Beschluß der Studentengewerkschaft an der ‚London School of African and Asian Studies‘ sollen „weiße Philosophen“ vom Lehrplan verschwinden, da sie auf dem Boden der „rassistischen Aufklärungsidee“ von der Zivilisierung des „Wilden“ stehen. – Die Universität Glasgow sorgt sich derweil um Theologiestudenten und warnt vor dem Bibelkurs: die Kreuzigung Jesu könnte sie erschüttern. Solch Material sei ‚potenziell beunruhigend‘, was ja nicht not tut. Und da den Kern der aktuellen Hochschulreform die Zufriedenheitsbewertungen der Studenten ausmachen, ist Unterwerfung unter das Regiment der „Schneeflocken-Generation“ geboten. – Da war Pippi Langstrumpf forscher.

14.1. Das ruft HEIKE SCHMOLL auf die Seite eins, wo sie über Warnhinweise an amerikanischen und britischen Universitäten vor den 2000-jährigen ‚Metamorphosen‘ des OVID informiert. Deren Lektüre könne leicht seelische Blessuren nach sich ziehen. – Am besten, eine Kommission schreibt das ganze Zeug der letzten 2000 Jahre auf den aktuellen Verträglichkeitsmodus um. Noch besser, gar nicht lesen, nur noch Internet in der Vorlesung, einer liest, alles lacht. Ist doch schöner.

Der zweihundertseitige Koalitionsvertrag zum Rot-Rot-Grün-Start in Berlin wäre auch eine Alternativ-Vorlesung wert: die Umerziehung der Stadtgesellschaft ist angesagt, die Desaster-Senatorin für die Schulen ist geblieben, verantwortlich für vorsätzlichen Murks am Kind‘, faßt REGINA MÖNCH vergangene Erfolge zusammen, weiter viel Text für die Kernthemen der Weltstadt: Tierversuche (nicht auf offener Straße bitte) und freilaufende Katzen, seitenweise zur Selbstorganisation der LSBITTIQ-Communities, der üblichen Verdächtigen also. – Insgesamt klingt das Lied vom wohlfeilen Antikapitalismus, hinter dem das Milieu seine Schlafplätze verteidigt – wie schon 1989, als die Leute über die Mauer kamen. Auch nach dreißig Jahren wird die Programmatik verantwortlicher Führung der Hauptstadt aus der Matratzen- und Eigentumswohnungsperspektive hergeleitet, aus den Wärmestuben der Empfindsamen. Dagegen verblaßt jegliche Parteienfinanzierung.

Bis vor die Tore von Minsk reiste HEINRICH HIMMLER, um mit dem Chef der Einsatzgruppe B ‚über die Weiterentwicklung von Tötungstechniken‘ zu sprechen, nach den Krankenmorden von Hadamar. Maliy Trostenez kenne ich von SCHALAMOW, der den GULag dokumentierte. Der Stau der Judentransporte gebot Beschleunigung, das Kommando 1005 verbrannte Tag und Nacht Leichen. Es gibt keine Überreste ‚außer den charakteristischen Senkungen der Aschegruben, in denen die Überreste Tausender Menschen liegen‘, berichtet FELIX ACKERMANN.

HERBERT MIES starb (88). Er war Teil meines früh wilden Lebens, lange nach der Volljährigkeit.

15.1. SONNTAG. Wir fahren zum Neujahrsempfang in die Haynstraße, Hamburg. Sigrid spricht mutig ohne Eckhard, der vor elf Monaten ging. Viel Trotz im Raum, ohne den es nicht hält. Nachmittags als Omi und Opi auf die andere Seite der Stadt zur Besichtigung des neuen Haus & Hof. So wars bei uns vor zwanzig Jahren, genau so. Viel Glück und viel Segen!

17.1. Da steht die einstige Frontstadt eigentlich immer, frotzelt Berlin-Chef REINHARD MÜLLER: am Abgrund. Die aktuelle Inszenierung mit Baustaatssekretär, klingt wie ZK, ANDREJ HOLM fordert einfach einen dritten Neuanfang dieser politischen Mischung.

Um 14 Uhr in den Zug nach Münster, wo sich vier mal siebzig zum Räsonnieren trifft. – Nach 72 Stunden und viel haarkleiner Recherche aus Schul- und Nachzeiten schließen wir ab im Ratskeller, toll, uns gibt’s noch! – In den Zug zurück nach Auflösung des kurzzeitigen Quartetts alternder Männer, wie auch sonst. Das soll ja milde stimmen. Alles schneeweiß hinter Münster.

Konsequente Ignoranz der Bildungsforschung habe die Einführung der Gemeinschaftsschule begleitet, es fehle „ein Bewußtsein für Leistungsorientierung in Gesellschaft, Schule und Elternhaus“. Drei Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg wird „Leistungsschwäche“ bescheinigt, das „Diagnosewissen“ der Lehrer sei wegen der schlechten Ausbildung „mangelhaft“. Diese Urteile zweier Bildungsforscher flankieren die desaströsen Ergebnisse der jüngsten Leistungsmessungen daselbst. – Das Vermögen, ja die Fähigkeit, sich jenseits des ideologischen Spiegelkabinetts an Tatsachen zu orientieren, ist dahin. Man ist einfach postfaktisch, gell. Die CDU-Fraktion, immerhin, beauftragte die Forscher, befragte sie jedoch nicht weiter. – Was hielte eigentlich so ein legislatur-periodisch gewolltes Bündnis von Koalitionären davon ab, sich zusammen zu setzen und den Tatsachen einmal blank ins Gesicht zu sehen, ohne Smartphone, ohne Strippe nach draußen, ohne Rückversicherung zu den Basistruppen, eben ohne Einleitung, nur Hauptteil mit einfacher Schlußfolgerung?

Das stiftungsfinanzierte „Correctiv“ will Falschmeldungen im Netz jagen – und richtig stellen, so wie die Ethikkommission mehr Güte in die Welt bringen will, lustwerkelt JÜRGEN KAUBE. Realität werde als nicht konsenspflichtig erlebt, auf NIKLAS LUHMANN verweisend. Was soll man nur mit ihr machen, der Wirklichkeit! – Im Workshop haben wir unsere Freude am ‚Anders ist anders‘. Die Identitären, dieser Kern steckt in vielen Komfortzonen, bisweilen feinst ausgebaut, mit Zugbrücke. Mag auch die Menschwerdung im Elternhaus und Weiterem diese für alles oder nichts Empfänglichen prägen.

45 (i.W. ...) Personen und Institutionen diskutierten und bewerteten ANIS AMRI. Mal galt das eine, dann das andere – das Gefährdungspotenzial wurde nach klassischer Art ermittelt: jedes für sich kein Anlaß! Und es fehlte einfach an Sprengstoff, Terminabsprache, Kalaschnikow im Arm und Avatarkostümierung. – Weitere Dokumente wie ein interner Polizeibericht werden zeigen, daß mit den bei Terror gebotenen „Fahndungssofortmaßnahmen“ erst nach mehr als drei Stunden losgelegt wurde, genug Zeit zum Umziehen und sich verpissen. – Die lachen sich tot über uns, meint Marion. – Oder milder, wie es der VV <Vorstandsvorsitzende> gerne formulierte: langsam und bürokratisch. Immerhin ist das sklerotische Netzwerk inzwischen halbwegs verbunden.

Verantwortung ist auf der Suche nach Andocken, ihr Dasein gleicht der ‚heißen Kartoffel‘.

Ex ist ex, sagt THERESA MAY, soweit würdige Nachfolgerin der ‚Iron Lady‘, die Männer beiderseits grade eher bescheiden.

Und die NPD bleibt im Spiel, ihr fehle die Wirkkraft, so das Hohe Gericht in 330-seitiger Begründung seines Urteils, fast KPD-Format von 1956. Projektive Interessen der Innenminister bestimmten den Anlauf, sie wollten Verbot, damit Ruhe ist, notiert die Zeitung. Ohne Wirkkraft bliebe es nun ein Gesinnungsverbot und – man muß sich eben streiten, empfiehlt das Gericht. – Eine Breitseite an die politische Klasse, die Gemütlichkeit unter der sonnigen Zentralgesinnung sucht. – Hingegen WOODY ALLENS dictum, Politiker rangierten „knapp unterhalb von Kinderschändern“, gilt für unser Land so gar nicht, unsere sind einfach von anderem Schlag.

19.1. WOLFGANG FLATZ macht eine Ausstellung im Wolfsburger Gewerkschaftshaus der IG Metall. Die heißt: „Der Adolf wars“ und präsentiert einen Käfer mit Hakenkreuz auf der Motorhaube. – Das geht aber nicht, meint die Ortsstelle und läßt das Teil wegschaffen. Es erkläre sich nicht von selbst, heißt es, der gemeine Betrachter mithin überfordert, sähe sich gewissermaßen vor einem Rätsel. – Weniges nur kann dem unvoreingenommenen Betrachter offensichtlicher erscheinen: der Führer ruft ein Autowerk ins Leben, darin werden Autos gebaut, die sein Zeichen tragen. Mit dem fährt der Kraftfahrer durchs Land, werbend und beständig durch das Zeichen an des Führers Wohltat erinnert. Da er die Straße vor sich beständig überblicken muß, hat er -leitfigürlich- das Hakenkreuz in dieser Positionierung unentwegt im Blickfeld, das ist also Absicht. Wer, bitteschön, soll hier noch was, bitteschön, erklären! – Der zum Verbraucher denaturierte Mensch im Rundum-Sorglospaket der schönen, neuen Welt, auf der gleichen Welle wie an den Unis bei den Angeln und Sachsen.

Zugegeben, ein Kreuz ist immer eine Zumutung, in Sonderheit in Kunstdingen. Und die Gefahr ist immer virulent, daß das Denken zum Nachdenken, jenes gar zum Nachfragen führt. Und da sitzt nun die Gewerkschaft des VW-Konzerns doch zu nah im Boot des Aufsichtsrats mit Kapital und Politik.

20.1. Besprechung der ‚Partitur eines zynischen Lästermauls in New York‘, also des ‚Solo für Schneidermann‘ von JOSHUA COHEN (37). Es muß in die Liste meiner Fragen, die immer länger wird.

Solange der Schuldner noch Puls hatte, wurde ihm Kredit verkauft. Das amerikanische Justizministerium veröffentlicht einen Bericht zur Geschäftspraxis der Deutschen Bank, womit die nicht alleine stand ... immerhin keine deals ‚post mortem‘. Und JOHN CYRAN zahlt doch, was JOSEF ACKERMANN bestellte, schmunzelt das Handelblatt.

Zum Tee ein neuer Katalog, guck mal Seegi, hier gibt’s Badeanzüge, da wird man dünner von. Ich Spacken nicke, gleichfalls erfreut.

Zur Amtsübergabe in Washington holt der stellvertretende Chefredakteur aus und bricht den Stab über den neuen Inhaber. Solche Kante möchte man öfter hören in nationalen Angelegenheiten – gegenüber jenem institutionell verwachsenen Establishment von zaudernder Bekümmertheit und friedfertiger Selbstgenügsamkeit, wogegen jener nicht zuletzt antrat. – Die EU-Kommission sieht sich nach TRUMPS einleitenden Worten gar als „letzte Bastion freiheitlich-demokratischer Werte“. Die Herrschaften müssen die Loseblattsammlung von Verfassungs-, Vertrags- und weiterem Rechtsbruch, dem Kassieren nationalen Parlamentsrechts und weiß der Teufel was noch grade verlegt haben. – Stimmen jenseits des Atlantiks hoffen auf ein selbstbewußteres Europa, mehr noch auf ein selbstbewußteres Deutschland. Das wird ein langer Weg, auf dem MR. TRUMP aus der Gruppe der Bullterrier ja vielleicht Futter liefert.

Zusammenhänge entstehen im Auge des Betrachters: THOMAS MAYER vergleicht die Bürokraten mit Mikado-Spielern: der Haufen Stäbchen soll sich um Gottes Willen nicht bewegen. Dieser Angst der Mikado-Spieler vor Bewegung entspreche die „Status-Quo-Panik“ der Eliten, zitiert er WERNER PLUMPE. DONALD TRUMP sei die Projektionsfigur dieser Panik. – Selbst KTG, KARL THEO v. GUTTENBERG, schreibt aus Amerika, es täte diesem Land gut, „aus der rührend gepflegten Kultur der Zurückhaltung endlich eine der Verantwortung“ erwachsen zu lassen.

Doch zurück zur sauberen Weste, die ihren wöchentlichen Auftritt hat. Im Rahmen nationaler Reinigung hat die Universität Greifswald ERNST MORITZ ARNDT aus dem Namen getilgt. Feind der Franzosen sei er gewesen, der in den Befreiungskriegen gegen NAPOLEON auftrat. Antisemit sei er gewesen, wie LUTHER. Und als Nationalist, der für sein Land eintrat, Vorläufer des Faschismus. Und schließlich die Namensgebung 1933 durch HERMANN GÖRING, damals preußischer Ministerpräsident. „Dieser Frevel (sei) endlich aus der Welt“, entgeistert sich die Links-Vertretung, erfahren in Enteignung. – Das Bedürfnis nach porentiefer Reinigung, nach ostentativer Trennung von Altem und Schlechtem, ja von Geschichte überhaupt gebiert mächtige Austriebe, ganz ohne Ansage aus dem Regierungsviertel. Die Sehnsucht nach dem Weltbild wie weißes Leinentuch, getrieben vom ‚Sturm der Geschichte‘, zeigt sich als Flucht vor den ungebändigten Geistern, die nun mal aus der Flasche sind. Dem Putzfimmel ist jedoch nur die Oberfläche zugänglich, Leute.

PS.: Wegen Formfehlers abgewiesen, geht der politische Zirkus weiter bis zum Jahresende. Dann wird der weise Senat nach ein paar Umfragen entscheiden, der Name bleibe weg, aber in besonderen Fällen könne er doch verwendet werden. ‚Feige und unschlüssig‘, urteilt Hannah Bethke, von‚ linksversifftem Wessi-Pack‘ ist die Rede. Das sind Hinterlassenschaften der Putzkolonnen.

48 (i.W. ...) Prozent auf die Sonderzahlung, zu der mich die Steuerberaterin überredete. Die Obszönität des Raubsystems.

21.1. BRAHIM ABDELKARIM, ein kleingewachsener Maghrebiner mit Undercut, steht im Saal 6 des Amtsgerichts Frankfurt 932 vor dem Richter wegen üblicher Vorfälle abgelehnter Asylbewerber, Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz heißt das Dauerdelikt seit vier Jahren. Er steht hier zum siebten Mal, mit bis zur Stunde sieben Alias, also wechselnder Namensgebung. – Der Richter hat keine weiteren Fragen. So produziert ein leerlaufendes ‚Asyl verfahren‘ beständig verfahrene Lebenslagen – schriller Gegensatz zum moralisierenden Überhang.

24.1. Beim Graben im Schnee stoßen die Rettungskräfte noch in achtzig Meter Tiefe auf leere Räume mit Atemluft. Die afrikanische Platte schiebt durch die Behausungen in den Abruzzen, dazu der Schneeabgang, der ein Hotel begrub.

Der neue Präsident in Nordamerika wird zur gleißenden Offenbarung von Mentalität. Niemand fragt, wir antworten uns selbst. Davon ist auch GABOR STEINGART nicht frei, zurück in Old Europe, die Kanzlerin ist gezeichnet. Wem folgen wir, wenn die USA als Vorhut ausfallen, wird ihr als Text unterlegt. Die Verhältnisse zwingen zum Verlassen des Campus der Wohlerzogenheit. Die EU als riesige Vermeidungsplattform war ein schöner Unterstand, der externe Führung voraussetzte. Das nährt Gefolgschaftsdenken. Vom „Vollwaisen Deutschland“ spricht der Kommentar – und droht mit dem nächsten Vormund.

25.1. Diese Mentalität findet sich im Bericht zum Tod des Jaber Albakr im Untersuchungsgefängnis wieder. Der Mann hatte sich in der Zelle aufgehängt. Die „Fülle der Fehlentscheidungen“ beruhe auf einer „Kultur (sic!) der Unzuständigkeit“. Die müsse sich in eine der Verantwortlichkeit wandeln. Das Land zeigt sich nach innen wie nach außen paralysiert unter moralischen Allwetterfahnen, welche die Sicht auf Dinge und Verhältnisse nehmen. Die Hydra des zurückgelassenen Jahrhunderts gebiert immer noch Auswüchse, Palliative alter Treiber. Wenige stehen dagegen auf. TRUMPS ‚America first’ regt nur auf, weil er Selbstverständliches getrieben undiplomatisch ausspricht. In diesem Sinne ist Kommissar Ötti’s „da sin mir allenfalls second!“ noch voller Zuversicht.

Dazu der Wechsel auf den Kandidaten MARTIN SCHULZ. Damit steht die kraftlose Mitte im Volleuropäermodus „zur Wahl“, die ausgelaugte Kanzlerin und der europa-ummantelte Kleinbürger, geprägt auf den windigen Brachen gut genährter Verantwortungslosigkeit und hohlen, weil heimatlosen Großsprechs. Erste Verlautbarung auf die Frage wofür? Ist das schon autistische ‚soziale Gerechtigkeit‘. Er sei ein Mann, der sich gern in den Zustand der Rührung versetzt, notiert MAJID SATTAR beim Gang durch das sozialdemokratische Internum. So wird alles andere wählbar.

Der Markenrechtsanwalt rät zur Vorsicht und ich schreibe einen Zweizeiler an UDO LINDENBERG wegen des Plattencovers im Buch 1985, S. 45. Antwort bleibt erwartungsgemäß aus. Wenn der dafür Geld will, nimmst du das raus, meint Marion. Wenn er Geld will, ist er am Arsch! Zahlen muß er.

In 250 Tausend Jahren sei die globale Landmasse wieder ein Block, alles schiebt nach Norden, meint Edeltraud beim Kaffee, London liege dann wohl am Nordpol. – Und kein Flüchtling kann mehr ertrinken, ergänze ich, denn das Mittelmeer sei ja dann auch weg.

26.1. Um 10 Uhr betrete ich das Bankhaus Plump, erkläre, wenig Zeit zu haben und lasse dem Trader kaum ein Wort der Erläuterung, was ist mit mir. Um elf Uhr sagt Leon ab und ich wandere zurück in die Stadt vor das prachtvolle Tor der grade neu aufgebauten und nach Hannover verkauften Landesbank. Die norddeutsche Backsteingotik umhüllt Berge von Verlusten, Begräbnis in feinstem Ornat und Spiegel des politischen Geschäfts dieser Hansestadt.

Die Glocken von St. Petri ziehen mich in den Dom, ich gestehe, daß ich es zeitlich darauf anlege, zu etwa vierzig Wartenden. Die Pastorin macht kurzen Text in der bestrahlten Halle mit sonnen-glitzernden Kapitellen. Beten Sie, fragt sie die Gekommenen. Aber sicher, beten ist Einkehr, Abrechnung aus Sicht des Schuldners. Sie fordert zum Vaterunser, ich wische die Tränen ab und verlasse den Ort, um halb eins die köstliche Schale bei Jackie Sue, um eins bei Reinhard. Die Sparkasse bleibt ein Fest von Ereignissen im obersten Quartil, was den Wettbewerb betrifft. Abends ist Versammlung, ich sollte dabei sein. – Auf der Heimfahrt gerate ich in das Kindervernichtungslager Torgau. Ich stelle ab.

Nach 45 Jahren wieder ‚Oberösterreich‘ von FRANZ XAVER KROETZ: du wirst ein Vater – ich werd‘ eine Mutter – wir werden Eltern – weil ich bin schwanger. – Es ist entsetzlich.

Manchmal verknüpfen sich kleine Ereignisse, Molekülketten gleich, zur großen Frage, Ende einer unscheinbaren Abfolge, die sich verkapselt, ein Eigenleben beginnt: ich stehe in der Küche vor dem Spülbecken, worin Salat im Kaltwasser liegt und – ich kenne es, mir fehlt aber der Begriff – Radieschen, antwortet Marion, passiert mir öfter – anderen auch, kommt die Antwort, du wirst starrsinnig – wenn das manifest wird, erschieße ich mich – das machst du nicht, dafür hast du zuviel Schiss. Es geht mir besser. Später im Traum laufe ich durch die Universität, Ältester, freundlich gestimmt, Unterhaltung mit jenen, die 45 Jahre nach mir sind. – Das Interview mit WOLFGANG JOOP vom Dezember kommt mir in den Sinn, dazu KARL LAGERFELD. Er sei achtzig geworden, hieß es bereits 2013. Es ist wie Trost.

Kuh mit Freigang, damit ist Schluß. Ganzjährig im Stall soll sie sein, ganzjährig, auf dem Laufband und am Melkroboter, dazu vielleicht 3Sat oder ein anderes rot-grünes Sofortprogramm – Hauptsache, darüber wird die Milch nicht sauer. Gefurzt wird dann auch nicht mehr im Freien, da ist die Kuh ja Weltmeister, dieser Klimaschänder.

Goldfinger erläutert die Euro-Mechanik, aus gegebenem Anlaß. 1. der Euro ist irreversibel, 2. wer sich davonmacht, muß zahlen, d. h. seinen Target-Saldo glatt stellen, das sind für Italien grade 360 Milliarden, 3. Goldis Anleihekaufprogramm treibt diese Salden auf unüberwindliche Höhen, bei der Bundesbank lagern aktuell verträumte 754 Milliarden im Target-Kübel.

Der Anleihen-Schund-Ankauf des Mr. Draghikowski, Kosename, im Politbüro üblich!, ist also ein Programm ohne Umkehrmöglichkeit, unwillige Teilnehmer werden einfach festgekauft. Der Euro wird so zum Erpressungssystems, sehr politisch, wie das ganze Projekt von Anbeginn. Der Buchtitel zum Thema ist gesetzt: ‚Verführung – Ruinierung – Erpressung‘, sehr schwach, zuviel Zeigefinger – vielleicht lieber ‚Atemlos – durch die Nacht‘.

Punkt 6 Uhr wieder in der Sparkasse, der VV redet über die Zukunft des Hauses unter der Digitalisierung: community banking, mit radikaler Konsequenz, was den Umbau betrifft, begeisternd. Das Unternehmen gleißt unter den TOP 5 Prozent der Teilnehmenden im Land. Später sofort eine rauchen mit Reinhard und hoch in die Ausstellung der neuen Filialen. Der Hauptsitz von 1825 wird geräumt und auf dem Campus neu gebaut. Dort sitzen die Treiber und Verfolger der neuen Welt, nicht Wall Street sondern Silicon Valley sei die Adresse, erläutert TimN. Es geht um gute Kontakte, wie in den neuen Filialen. – Ein Glückstag, zweimal am rechten Ort zur rechten Zeit.

Nach Griechenland befragt, schwurbelt Finanz-Chefe durch die Standards.

27.1. „Für Deutschland, das sich angewöhnt hat, im Namen Europas zu sprechen ...“, kommentiert NIKOLAS BUSSE. Das ist das Problem, irrigerweise mit Übernahme von Verantwortung umschrieben. Es ist des nationalen Dramas Akutinfektion.

Ein Agent der kommunistischen Staatssicherheit in Bulgarien übersetzt den Bericht eines ehedem Verfolgten vom Leben in der Stasi-Diktatur. Ein Kollege des Autors enthüllt das in einem Gedicht und entdeckt kurz drauf massive Textverfälschung in der Übersetzung, „die Hegemonie der Staatssicherheit (hat) sich nachträglich über den Text gestülpt“. Das ist perfide Fortsetzung der Verfolgung, fasst sich ILJA TROJANOW.

28.1. Das Prügeln in Rußlands Familien, nach dem „jahrhundertlang gebrauchten Regelwerk ‚domostroj‘ <Hausordnung aus dem 16. Jahrhundert>“ wird entkriminalisiert, berichtet FRIEDRICH SCHMIDT. Dabei ist diese Zelle der Gesellschaft bereits Hort von vierzig Prozent der schweren Verbrechen, von 2000 Selbstmorden von Kindern und Jugendlichen und 12.000 umgebrachten Frauen jährlich. Geprügelt werden 36.000, täglich. – Doch körperliche Strafe sei nicht schlecht, wenn sie „aus Liebe“ erfolge, sekundiert der Klerus. So suggeriert der Fachmann, doch sind an diesem Motiv Zweifel angebracht.

Die Familien-L.earn-Sitzung endet mit fünfhundert Gramm Nudeln, ich kann zehn Prozent ergattern.

Das Lachen der Deutschen und der Franzosen beobachtet SIMON STRAUSS. Herzhaftes Gelächter sei hierzulande ausgestorben, üblich geworden verdruckstes Kichern, „nicht von ehrlichem Witz, sondern von falscher Ironie losgeschickt“. – „Der alt-ernste, moralische Anstaltsaufseher“ stecke immer noch „tief drinnen in der deutschen Zuschauerseele“. – Wenn das kein Appell zur sofortigen Dehnung des Lachimpulses ist!

OSWALD WIENER veröffentlichte schon 1969 „die verbesserung von mitteleuropa“. – Warum notiere ich das! Er schrieb auch, sehe ich, über die Turing-Maschinen und über ‚Riten der Selbstauflösung‘. – Das tue ich mir nicht an.

Stattdessen: „Deutschland muß selbstbewußter werden“ -schon wieder!-, so WOLFGANG FINK, Deutschland-Chef von Goldman Sachs, ein Unternehmen, das schon mal die Feder führt, wenn DonaldT harten Tobak dekretiert. – Dabei sympathisch, dieses moneymaker-gangsta-Regime, finden Sie nicht? Nie war das Land peinlicher, denn als Spiegel der Ereignisse in Washington DC. Ich vertraue auf amerikanischen Realismus, der grade nach beiden Seiten Führung abgegeben hat. – Eine Seite weiter WARREN BUFFETT, der aktuell in Krefeld einkauft und sich „durch nichts und niemanden ernsthaft erschüttern“ läßt, berichtet DENNIS KREMER. Als ihn seine erste Frau verließ, soll er das erst nach einiger Zeit bemerkt haben. Hinter ihm liegen 75 Milliarden in der Welt herum, darunter Berge von Goldman Sachs, im freien Fall gekauft. Darüber raisonniert er jährlich in Omaha vor 40.000 Begeisterten. Gut sieht er aus, mit 86 – und aktuellem Aktienkurs seines Ladens von 250.000. „Handle so wenig wie möglich, weil dies nur unnütze Kosten verursacht“, soll zur Philosophie gehören. – Also, ich weiß nicht, ich hab wohl immer zuviel gemacht. Aber rumstehen liegt mir nicht.

30.1. Keine Notiz erhellt den nass-grauen Tag, dabei ist die Zeitung voll des Schönen über den Katarakt des Lebens. – Der künstlerische Begleiter meines obskuren Band 1 meldet sich nicht – in Griechenland „Anzeichen von Erholung“ bei 315 Milliarden im Schuldturm, sagt jemand in Brüssel oder Salt Lake City. Türkei auf Ramsch-Niveau gesetzt, sagt auch jemand. Und meiner? Nur nicht nachgeben.

Auf ‚Arte‘ „Herzklopfen“ von 1968, selten habe ich Liebe so gesehen, CATHERINE DENEUVE mit der schrecklichen Haartracht und MICHEL PICCOLI. Alles Sehnsucht nach dem, wie es war. Alle Räume versiegen, während der Liebhaber ihr den Champagner zwischen die Schenkel gießt.

Marion schreibt, sie nimmt den Gassi-Weg vom Bahnhof, um 23.18. Zufällig greife ich das handy, springe ins Auto, der Zug ist schon durch, renne auf den Bahnsteig und rufe sie laut, sie hört mich, sieht mich, kommt zurück. Wir fahren nach Hause, letzter Teil mit Catherine D., gefolgt vom Portrait der FRANCOIS SAGAN. Das reicht, das macht Frankreich aus für dreißig Jahre, was dann wurde, weiß ich nicht, nur eins, es ist vorbei – als es war, verstand ich nicht, heute verstehe ich. Es ist eingeschlossen wie in einer Linse.

Ich lese weiter in der schwärenden Wunde, diesen Dreck von MARTIN AMIS, vom Leben eines SS-Barden neben den Buna-Werken:

„Der Transport von 150 Frauen ist in gutem Zustand angekommen. Wir waren jedoch außerstande, schlüssige Ergebnisse zu erzielen, da sie alle bei den Experimenten gestorben sind. Wir möchten Sie daher freundlich ersuchen, uns eine weitere Gruppe Frauen gleicher Anzahl und zum gleichen Preis zu übersenden.“

Angesichts des permanenten Brüllens von Aufsehern, Wachen und sonstigem SS-Personal fragt sich Esther, Lagerinsassin, ob die Geschichte des Nationalsozialismus sich in irgendeiner anderen Sprache überhaupt hätte entfalten können. – Der Autor, Engländer, resümiert den literarischen Fundus und ich mußte noch einmal lesen, um zu verstehen. Es war eine Führung durch die Beziehungen zwischen SS-Männern, Kapos, Frauen als Geliebte, Mördern und nahen Opfern, die bei einer falschen Bewegung durch Genickschuß starben, erlöst wurden.

Wie kann sowas verschwinden aus Menschen, wieviele Generationen braucht es, oder sitzt es fest im Speicher des genetischen Profils, das Böse, das nur den Rahmen für seine Entfaltung, seine Freilassung sucht.

31.1. ‚Arte‘ liefert ein ERICH MIELKE-Portrait.

Das letzte LUTHER-Jahr fiel in den Weltkrieg, 1917 hieß es, so JÖRN LEONHARD, an den ‚Mann aus Erz‘ gewandt:

Du stehst am Amboß, Lutherheld,

umkeucht von Wutgebelfer.

Und wir, Alldeutschland, dir gesellt,

sind deine Schmiedehelfer.

Solch ein Zugriff war wohl angesagt.

1.2. ‚Erst in der Liebe des Tages gelangst du zur Höhe deiner Zeit‘.

Beim Ladendiebstahl rangiert Bremen vor Flensburg, das ist die vorletzte Stelle.

Ascolti! Ascolti! – Gehör, hohes Gericht, hört mich an! Raquel Erdtmann kommt aus dem Gerichtssaal, wo sich das Drama zwischen Signor Marmitta (65) und Senhor Jaime Hastings Perturbacao (52) in Kurzform wiederholt: ersterer, aus Agrigent kommend, seit 50 Jahren in Deutschland (West), und der andere, 1987 aus Mocambique zur Ausbildung in die DDR eingereist, gerieten in der Toilette eines Wettbüros am Bahnhof aneinander – mit einem Messer. Wie eine Oper wird das vor Gericht referiert. Dieser Mann, beschwert sich Messerträger Vito Marmitta, ist ‚un grande Schauspieler, dieses Weinen sind Coccodrillo!‘ – Balthasar, sprich mit ihm, er soll mich in Frieden lassen! ... Molti testimoni! – So geht das bis zum Urteil, zu dem Senhor Perturbacao schwarzen Blazer trägt, übersät mit Goldstickerei. Signor Marmitta verläßt unter Bewährungsauflage den Gerichtssaal, der solche Kostümierung selten sieht. Den Parteien ist es ersichtlich ernst gewesen. – Fröhlich gehe ich an die Kontenstaffel.

Abends ‚Königin der Nacht‘ – das reine Unglück – wenn der Einsatz des Körpers Liebe auslöst und der Nutzer zum Liebhaber wird und der Sache mit Geld nachhilft, weil er meint, daß es mit der Liebe nicht getan ist und der Ehemann aufwacht und zu spät erkennt – eben reines Unglück, wenn dem Körper der Frau das Geld des Mannes entspricht. Die Lebenszeit sei unsere Währung, sagt einer – eine andere soll es dann nicht geben, sage ich, nach siebzig Jahren. Diese Unmenge an Fixgeschäft, welches Disziplin verlangt, treibt in die Aufhebung – wird zur Trennung von Sehnsucht und Bedarf. Liebe ist unentgeltlich, sie verlangt mehr. – Und noch eins, Leute: es ist der Mann, der anschafft. Dagegen sträubt er sich.

3.2. Der Rauch des Trommelfeuers vom öffentlich-rechtschaffenen Balkon verzieht sich, im kurzzeitigen Sichtfenster erneut THILO SARRAZIN. – Und für die zwei Kernthemen, welche die knappen Siege der THERESA MAY und des DONALD TRUMP gefüttert haben, wird ANGELA MERKEL zur Projektionsfläche: Massenimmigration und Schutz der Nation/nalen Wirtschaft. Isso, Frau Roth! – Die Fiskalisierung der Währung, diese Spielereien mit der Kunstwährung durch die Billionenankäufe der EZB ist ohne Duldung der Frau und ihres Kassiers nicht möglich, ein Gericht würde sagen „denkunmöglich“. Die feinen Produkte aus deutschen Landen fänden auch so ihren Weg. – So kehrt das Elitenprojekt des Euro an seinen Ausgangspunkt zurück und Goldfinger & Consorten bekommen Ansage aus Übersee. Mal sehen, wie die Unterwürfigen reagieren, nach dem „Hitler wars“ wäre jetzt ein „Draghi wars“ dran.

Der neue Biedermann der SPD trifft ins Herz, und an AM vorbei.

Jetzt, wo der Band aus den Achtzigern in Druck geht, beeindrucken mich die Worte der MARIE LUISE KASCHNITZ über eben dieses Metier im ‚Tagebuch der Autoren‘. Von Zuchtform spricht sie 1965, der ich nicht gewachsen war. So bleibt Dilettantisches daran, daß das Material, bisweilen durchaus zusammenhängend verfeinert, insgesamt schon das Ergebnis sei. In der Schublade mag das genügen, für den Druck liegen Einwände nahe. Schön, daß Hartmut mir das Bändchen zuschickte, für 3 Euro hält es das Netz vor. – Und: es muß ja nicht so vernichtend kommen, wie ARNO SCHMIDT es formuliert. Dabei kann ich auch ihm folgen, aber er ist unerreichbar für mich.

Zwei Stunden vor drei neuen Formaten, dazu JIMI HENDRIX, ohne Rotwein. – Ich mache den Text auf – und der Curser ist unsichtbar! Jonas sagt, es liegt an mir, wie immer. – Die Post bringt die Visitenkarten meiner Angestellten, Vaddi soll sich wohl welche malen. Ich gehe Gassi, da brauch ich keine.

„Unter Zerstörern“ titelt der Bericht über die teils stürmischen Telefonate des DONALD TRUMP mit Regierungschefs um den Erdball. „Von heute an ist Iran offiziell vorgewarnt“, geht der achte Satz des Statements zum iranischen Mittelstreckenflug. – Ganz anders Deutschland, wo HANS-GÜNTER SCHÄRF seinen Titel bei den deutschen Meisterschaften im Hirschrufen verteidigen kann, in drei Disziplinen: alter, suchender Hirsch – Platzhirsch beim Kahlwildrudel – Rufduell auf dem Höhepunkt der Brunft. Das kommt dem Tagesgeschäft mit Sicherheit näher.

Der Westen verharre in Parametern des Kalten Krieges, resümiert GREGOR SCHÖLLGEN. Zurück bleibe ein Europa ohne Substanz und Selbstbewußtsein, setzt GEORG GAFRON nach. Schon wieder. Und Deutschland nicht einmal zuverlässig als Gefolgschaft, könnte ein Ansatz sein! – Kein Ereignis hat so decouvriert wie jene transatlantische Wahl.

‚Die Baugrube‘ des ANDREJ PLATONOW von 1930 beschreibt das Stalinat in Aktion, in der „Dehumanisierung der Sprache“, in der Herrschaft von „Klasse“, „Linie“. Es geht den Ausweitungen von VICTOR KLEMPERER und ARTHUR KÖSTLER voraus.

Ein ‚Euro-Symposium‘ trägt zusammen: ist es ein Berlin-Brüsseler „Hegemonie-Projekt“ oder eine Südstaatengetriebene Transferunion. Selbst der maßvolle Jurist sieht ein „Element der Täuschung“, mit dem die Bevölkerung für die Kunstwährung ja wohl geködert wurde. – Und vom gleichen Tag die Probe auf die These: die Staatssanierung des ‚Monte dei Paschi‘ von Siena gegen die druckfrische Richtlinie zur Abwicklung maroder Banken durch natürlich nationale, aber ebenso die EU-Frondeure. Drei Professoren appellieren an die Einhaltung von Regeln. Es wäre neu, würde darauf gehört.

Ebenso der Grexit, fast übersehen, aber nach dem 86-Milliarden-Sanierungszaster von 2015 steht er unverändert auf ‚stand by‘. Der Clan der Regierenden diskutiert wiederkehrend die Rückkehr zur Drachme. Die Kanzlerin macht jedoch ‚übergeordnete Gründe‘ geltend. Die heißen HELMUT KOHL und WOLFGANG SCHÄUBLE oder sonst noch jemand – Angst! Der IWF hat keine Lust, MR. TRUMP als dessen größter Geldgeber schon gar nicht. ‚The proof of wealth ist money‘, isn’t it! Im Juli werden sieben Milliarden fällig. – Wer hätte je gedacht, nach zweieinhalb Tausend Jahren einmal so über Griechenland zu reden. Chefe TSIPRAS wird auf den Berg von Siena verweisen. Dort geht’s doch auch, stellt euch nicht so an!

Tags drauf das 40. Manifest zum Euro-Desaster aus dem IfW: man, das heißt ja wohl das Vertrauen, sei „in den Grundfesten erschüttert“, dazu der IWF: keine Chance für Griechenland hinter dem Horizont, wo es bekanntlich dennoch weitergeht. – Mal sehen, was kommt! MARIE LE PEN gibt Feuer, GEERT WILDERS auch, die Zeit des Unbehagens hält an, meint auch THOMAS MAYER zum Turm zu Frankfurt.

ERIC SCHMIDT, der Mann von ‚Alphabet‘, präsidiert dem ‚Defense Innovation Advisory Board‘ des Verteidigungsministeriums. Die Algorithmen überflügeln die Protesthaltung des Silicon Valley, ja sie stehen „Trumps manichäischem Weltbild (in ihrer) binären, deterministischen Logik“ nahe, schlimmstenfalls sehr nahe, so ADRIAN LOBE.

4.2. Eine der Mrallahmiye-Familien aus dem Libanon, die mit bis zu 1200 Mitgliedern „im Bereich des gesamten Strafgesetzbuchs unterwegs“ sei, so der Polizeipräsident Essens, also einer dieser Clans hat sich mit einem der Roma zusammengetan, Arbeitsgebiet Marxloh-NRW, letzterer qualifiziert in der Beschaffung, ersterer im Absatz. – In Substanz und Preis verfallene Immobilien werden käuflich erworben und an angeworbene Bulgaren und Rumänen vermietet. Die beantragen Stütze, ihre Konten stehen den Vermietern zur Verfügung. Ein echtes Projekt der Europäischen Union für die Freiheit von Mensch & Material.

5.2. SONNTAG. Standardabläufe unterhalten den Tag, unterbrochen vom Einfall der Söhne samt Freundinnen. Großes Hallo, während ein Meter Rouladen, längst auf das Versandfertigste präpariert, unter marinierten Kommentierungen über den Tisch gehen. – Ich liebe dich.

6.2. MICHEL HOUELLEBECQS ‚Unterwerfung‘ findet sich im politischen Zustand Frankreichs, jedoch in der konservativen Variante.

HUBERT SPIEGEL zeichnet, die ‚Sieben gegen Theben‘ plus ‚Antigone‘ im Bockenheimer Depot besprechend, mein Vorhaben nach, das vor dreißig Jahren in der Absicht, der guten, stecken blieb. Je größer der Abstand, desto klarer, was nicht gelang. Ich hatte weder die Figur des Theiresias durchdrungen noch seine Rolle im antiken plot im Blick, war von den Ereignissen überwältigt und klammerte, meistens. Welche Anstrengung für die Regie.

Es bleibt der Mensch auf der Bühne die nachhaltigste Erschütterung. INGO KERKHOF inszeniert in Heidelberg die Oper ‚Morgen und Abend‘ von GEORG FRIEDRICH HAAS. KERSTIN HOLM hat Rußland verlassen, das Ressort gewechselt und übersetzt Anfang und Ende: „das berückende Sfumato aus mikrotonalem Feinstaub klingt wie eine Hommage an das, woraus wir gemacht wurden und wozu wir wieder werden.“ – Ein Menschenalter weiter, das Bühnenhausgerippe dreht sich, steht der Übergang vor der Tür: ihm werde nicht mehr warm, seit seine Frau gestorben sei – auch das noch Teil des Aufenthaltes im „Wartesaal des Werdens“. – Ich war dem Anfang nicht, bin dem Leben nicht gewachsen, vor solchem Übergang läuft es heiß mir durch den Leib. Wie soll ich dem Ende gegenüber treten, da ich von Erde wieder werden muß – ich möchte Erster sein – auch das noch, kommt schon – war doch ne schöne Zeit, reelle fünfzehn Stunden täglich unterwegs. Und erst die folgenden dreißig, das ganze Leben in tausend Kisten und Kästen. Das sind einfach die kleinen Spätschäden, sowas steckt drin. Seit ich las, daß du an deinen Genen sogar drehen kannst, am besten zu zweit, geht’s noch besser. Der Geschmack der Erde gehört einfach dazu. – Kaum ist Marion aus der Schule zurück, herrscht wieder Ordnung. Ordnung ist manchmal wie Erlösung.

Abends den GÜNTER GRASS ‚Vonne Endlichkeit‘, seinen letzten, wie der Titel anzeigt, zu Ende gebracht. Er formuliert so reif, so lückenlos – es ist schön zu folgen, dabei überraschenden Ereignissen wie dem Schicksal der Holzsärge, den sich Beide nach reiflicher Überlegung hatten anfertigen lassen, aus Birke den einen, den anderen aus Kiefer, nicht unedel. Sogar die Passigkeit der Erdmöbel hatten sie überprüft. Dann hatte das Paar die Diebe im Haus und es verschwanden die Särge einschließlich zwei Dutzend Dahlienknollen, welche die Frau in ihrem Sarg gelagert hatte. Beide waren bestürzt – als die Särge wieder gebracht wurden, was über dem Staunen so recht tröstete. – Das Buch liegt, wenig geschätzt, seit dem 70. am Bett, da war der Autor seit wenigen Monaten tot. Jetzt hat es mich gefreut zu lesen.

7.2. HNO-Arzt ERWIN GIESING verabreichte dem Führer am 16. September 1944 eine „Nasenpinselung mit 10%-iger Kokainlösung“. Darauf befahl jener „seinen entsetzten Generälen“, mit 30 von der näher rückenden Ostfront abgezogenen Divisionen gegen die Front der Westalliierten anzugehen, mit den im Ostfeldzug verrohten Soldaten gegen die verweichlichten Engländer und Amerikaner also. SS-Obersturmbannführer OTTO SKORZENY wurde für Spezialeinsätze eigens mit 10.000 Einheiten der ‚Droge Neun‘ ausgestattet, einer „Mixtur aus 5 Milligramm des Opiods Eukal, 5 mg Kokain und 3 mg Methamphetamin.“ – So sollte hinter den feindlichen Linien Verwirrung gestiftet werden, so NORMAN OHLER zur Arbeit von ANTONY BEEVOR. Unter immensen Verlusten scheiterte die Operation in drei Monaten. Den Verschlissenen standen Opiate nicht zur Verfügung, dem Führer für die verbleibenden vier Monate schon, Zeit für letzte verheerende Beschlüsse.

INGE KELLER, „der letzte Halt ist Haltung“, starb (93).

Der von den Mohammedanern verehrte Führer AH ließ aus den Muslims Albaniens, einem der „waffenfreudigsten Völker ... mit den schießfreudigsten Menschen“, die SS-Division „Skanderberg“ aufstellen, die in der Hoffnung auf ein Groß-Albanien 40 Tausend Serben vertrieb – Exzesse, die in den 90er Jahren in voller Breite wiederkehrten.

Abends dreieinhalb Stunden vor dem Arte-Kanal, der drei Generationen der korsischen Mafia zu einem Jahrhundert des Amalgams mit dem französischen Staat verwebt. Daraus dieses Stottern, bitte anschnallen: die Durchsetzung des französischen Staates mit mafiosen Verbindungen steht dem italienischen Kernland in dieser Sache wohl nicht nach. Das Zentrum ist Korsika, wo aktuell die vierte Generation an der Arbeit ist:

die Entwurzelungen des 1. Weltkriegs wirken katalytisch für kriminelle Biografien – er greift zum Messer, um die Leichen für die Särge passend zu machen – er tauscht seine Wählerstimme gegen die Vergünstigungen seines Gönners ein – ein System des Klientelismus wächst heran – Korsen kontrollieren den Kolonialhandel, dazu gehört Opium, ein starkes Bündnis aus Gewalt und Gewitztheit – eine Armee von Handlangern – städtische Arbeitsplätze gegen Schutz im Wahlkampf, auch Tote stimmen ab – alle lokalen Organisationen werden von Gangstern unterwandert – die Korsen ziehen über Marseille zur Vendetta in Paris – haltet eure Leute im Zaum, damit sich die Bürger amüsieren können – Morphin-Base wird im Labor zu Opium – der monegassische Gauner Alexandre Starisky hat die gesamte Oberschicht korrumpiert – am 6.2.1934 Sturm auf die Nationalversammlung, Carbonne und Spirito inhaftiert, für Sabiani und seine Gangster gibt es Freispruch – ab nach Marseille zu grandiosem Empfang – mehrere korsische Clans stellen die Ordnungsdienste in den Wahlkämpfen – Niederlage des Sabiani-Clans unter der Volksfrontregierung – der Guerini-Clan ist jetzt im Geschäft – Kampf um Aufteilung der Geschäfte auf der Insel, zusammenhalten auf dem Festland – eine diffus-flexible und flache Hierarchie – die Handlanger im Rathaus sind allen zu Diensten – Cosa Nostra/ NY gleichzeitig – JACQUES DORIOT im Kampf gegen Sabianis Ordnungsdienst – von Marseille in den spanischen Bürgerkrieg, das Geld fließt in Strömen – die Stadtverwaltung ist überbesetzt und unterqualifiziert – Unterstützung Mussolinis – LAVAL/ Vichy läßt die Gangster frei – Schwerkrimineller Lafont hilft HELMUT KNOCHEN bei der Rekrutierung von Kriminellen für die französische Gestapo – Korsen auf Raubzügen auf jüdische Vermögen, „deutsche Polizei“ – V-Männer der Nazis, arbeiten gegen Essen, Frauen, Armagnac – der Erpresser kommt vom Finanzamt – ROLAND NOSSECK, SS-Hauptsturmführer in Paris, Leondri besticht den Nazi – nach Besetzung der französischen Zone ist Sabiani am Ende – Jagd auf Juden und Widerstandskämpfer, Spitzel und Auftragsmörder werden pro Kopf bezahlt, Verhaftungsprämie – Gerino geht in den Widerstand, in ein Doppelspiel, Abenteuer und Schießereien – SS-Obergruppenführer CARL OBERG, der Schlächter von Paris, organisiert die Deportation – 100 Gebäude gesprengt – Juli 1943 die Befreiung Siziliens ist die Stunde der Cosa Nostra, PACO DE LUCIANO Verwaltung der Insel – Korsika befreit sich, auf den Tod des ersten Paten Carbon folgen die Guerini-Brüder – Etienne steigt in seinen mit Goldbarren beladenen Wagen nach Sigmaringen – Spirito → USA → French Connection – am 28.8.1944 ist Marseille frei, die Korsen übernehmen, sichere Basis für die zweite Ära ...