Abenteuer hinter dem Gartenzaun - Petra Somberg-Romanski - E-Book

Abenteuer hinter dem Gartenzaun E-Book

Petra Somberg-Romanski

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Beschreibung

Wer kennt seine Heimat? Ich glaubte, sie zu kennen, bis die Pandemie in den Jahren 2020, 2021 und 2022 das Reisen komplizierte und meinen Radius auf meine Heimat einschränkte. Es war kein Verlust, denn ich habe gelernt, unser schönes Land mit ganz neuen Augen zu sehen. Viele Abenteuer liegen direkt hinter dem Gartenzaun. Sie müssen nur mit den Augen und dem Herzen entdeckt werden.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltverzeichnis

Die Mauer ist weg

Mein Großvater und Sachsen

Peenemünde Museum

Partielle Mondfinsternis über Rügen

Sonnenfinsternis, zum ersten, zum zweiten und zum dritten

Letze Biike vor der Pandemie

Lock Down Urlaub in Dänemark

Auf den Spuren Theodor Fontanes in Brandenburg

Im Zug

In einem anderen Zug

Die Mauer ist weg

Der 09. November 1989, ist ein Schicksalstag für Deutschland. Jeder von uns Zeitzeugen wird noch wissen, wo er an diesem Tag war und was er an diesem Tag getan hat. Ich habe im Fernsehen verfolgt, wie die Menschen sich am Abend vor der Grenze im Osten der Stadt Berlin versammelt haben und in großen Gruppen Richtung Brandenburger Tor und den wenigen Übergängen nach Westberlin marschierten. Diskussionen, voller Hoffnung, aber auch Zweifel, Neugier, Abenteuer auch Ängste und Ablehnung. Alles war in den Bildern zu finden.

Herbert und ich waren eher Betrachter der Situation. Herbert hatte gar keine Beziehung in die DDR und meine Kontakte, zu den mir persönlich unbekannten Verwandten meines Vaters, waren eher sporadisch und lagen schon länger zurück. Natürlich wurde in der Familie diskutiert, ebenso im Freundeskreis und bei der Arbeit. Wird die Grenze dauerhaft geöffnet und gibt es eine Wende? Was wird passieren? Etwas Gutes oder zahlen wir ordentlich drauf? Was wird es kosten? Wird es einen Aufstand oder wird es einen Krieg geben? Aber Skepsis wurde nicht geduldet. Meine Kollegin und Freundin Doris hielt mir, auf meine Einwände und Sorgen die ich zu diesem Zeitpunkt hegte vor, es könne ja wohl nicht sein, dass ich den Menschen „drüben“ nicht gönnen würde, auch einfach mal nach Holland zu fahren und Schnitzel oder Matjes zu essen! Woher das Geld käme? Das würde sich finden. Alles war in diesen Tagen möglich. So einfach erschien die Welt 1989. Dann gab Günter Schabowski dieses denkwürdige Interview mit dem Zitat “Öffnung? Sofort, unverzüglich!“ und die Schlagbäume gingen auf.

Kurz vor Weihnachten kam Uwe, unser Sohn mit der Überlegung, „was wird nach den Weihnachtstagen passieren, wenn alles ein- und verkauft ist, die Verwandten langsam wieder auf den Wecker fallen und die Politiker zum Nachdenken kommen? Die machen die Grenze wieder dicht und wir waren nicht mal drüben, nur so zu gucken“. Er hatte seit ein paar Monaten seinen Führerschein und war sicher auch neugierig, wie es sich „drüben“ wohl so fährt. Es wäre doch auch eine wunderbare Gelegenheit für ihn, mal eine längere Tour zu fahren. Herbert winkte sofort ab, keine Interesse. Das Reisen, wenn es nicht gerade in die Dolomiten zum Skifahren ging, machten ihm so gar keinen Spaß. Ich war nachdenklicher. Das könnte spannend werden, wir könnten über Gotha fahren, da hatte ich eine Tante und dann weiter nach Berlin. Der Gedanke nur einmal die Grenze von Ostberlin nach Westberlin und nicht umgekehrt zu überqueren hinterließ ein leicht prickelndes Gefühl von Freiheit und Abenteuer.

Wir beschlossen immer voraus gesetzt, dass die Wege noch frei sind, wir fahren am Ende Januar/Anfang Februar mit dem Auto, meinem geliebten Charlie, ein weißen R4 Sparmobil der Firma Renault, über die DDR Grenze nach Berlin.

Der Anfang war easy, über die Autobahn Bad Hersfeld in Richtung Erfurt /Gotha. Eisenach. Die Wartburg war unser erster Haltepunkt. Auf der Wartburg, auch zu DDR Zeiten schon ein lohnendes Ausflugsziel. Es wimmelte von Menschen aus Westdeutschland. Ein Lindwurm von Schaulustigen zog zur Burg hinauf, der Parkplatz rappelvoll. Ein leichtes Eroberungsgefühl beschlich mich, die Leute sparten nicht mit Kommentaren, „alles sowieso von Westdeutschland bezahlt“, da muss man sich natürlich nicht mehr zurück halten und kann selbst auch endlich im Osten frei seine Meinung sagen. Nach der Besichtigung der Burg. Pflichtgemäß wurde natürlich auch Luthers Arbeitszimmer mit dem bekannten Tintenfleck an der Wand bestaunt und die weiteren Räume durchschritten. Sängerkrieg auf der Wartburg, ach ja hatte man auch von gehört. Oder auch nicht. Die Führung endete im Burg Verkaufsraum. Alles was noch im Lager versteckt auf Kunden mit Westwährung gewartet hatte, lag jetzt vor der Kundschaft. Räuchermännchen und Weihnachtsschmuck aus dem Erzgebirge, wo lag das noch mal? Keine Ahnung, egal 60 Ostmark? 10 DM gekauft. Ich muss gestehen ich habe auch ein Räuchermännchen und die Kopie einer Kachel von Luthers Ofen gekauft. Die Ostmark mussten ja auch ausgegeben werden. Auf der Wartburg gab es ein Café, ein großer Raum mit Plastikbestuhlung, der an einen Wartesaal erinnerte. Es war rappelvoll, aber wir fanden einen Platz und bestellten Kaffee und Kuchen. Es handelte sich um einen giftgrünen Kuchen aus Wackelpudding auf einem dünnen Teig. Aber doch lecker. Um uns herum Gewusel und eine erhebliche Geräuschkulisse. Laute Stimmen:“ Frollein ich möchte zahlen“! Der dicke Herr vom Nebentisch rief laut über alle Tische hinweg nach der Bedienung. „Wieviel kostet das 12,82M? Machen sie 15,00DM das bisschen zahl ich doch in WEST“. Lachen an den Nebentischen. Poa! ist das billig hier, da kann man ja die ganze Republik kaufen! Wie sehr das der Wahrheit entsprach wussten wir zu diesem Zeitpunkt alle noch nicht.

Unsere Fahrt ging nach dem Kaffeetrinken weiter. Aber erst musste das Auto nachgetankt werden. Wir verließen die Autobahn und reihten und in eine lange Schlange vor einer Minol Tankstelle ein. Ich stieg kurz aus um mir einen Überblick zu verschaffen und zu prüfen wie lange es wohl dauern würde. Dann bekam ich einen heftigen Disput mit. Drei westdeutschen Fahrzeugen wurde die Zufahrt zur Tankstelle versperrt und sie wurden heftig verbal angegriffen. Sie sollen doch auf der Autobahn an den Intertankstellen tanken, da wird der Sprit in DM berechnet. Die Westdeutschen kämen einfach nur in den DDR um sich billig zu versorgen. Die Menschen waren aufgebracht und mir wurde es etwas mulmig, denn das war ja vollkommen richtig, wir benahmen uns wie Eroberer. Uwe und ich mit eingeschlossen. Die Menschen waren zu Recht aufgebracht. Aber ich wollte ja auch tanken und hatte ein Westdeutsches Kennzeichen. Aber ich hatte keine Probleme. Man schob mein Auto sogar mit weiter, eine übliche Methode in der ehemaligen DDR um in der Schlange nicht immer wieder neu starten zu müssen. Allerding auch mit, aber freundlichen, Kommentaren. „Im Westen sind wohl auch nicht alle reich, wenn du so eine rostige, alte Karre fahren musst? Du Arme, kommst du dich sattessen“? Wir, mein Charlie und ich haben es stumm ertragen. Nach dem Tanken ging es weiter nach Gotha, eine schöne Stadt in Thüringen, dort wohnte meine Tante Erda, eine Cousine meines Vaters. Die gesamte Familie väterlicher bzw. großväterlicher Seite lebte und lebt in Thüringen und Sachsen. Nur meinen Großvater hat es nach dem ersten Weltkrieg, der Liebe wegen, in das Ruhrgebiet verschlagen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Mein Tante Erda kannte ich nur aus einem regelmäßigen Briefverkehr in den 60ger und 70ger Jahren. Es ging der gesamten Familie nicht schlecht in der DDR, man hatte sich eingerichtet. Onkel und Tante waren im gehobenen Diensten der Volkspolizei. Der Onkel wurde auch mit dem Verdienstorden der Republik ausgezeichnet. Er war zur Wendezeit schon längst verstorben. Es war wohl besser so, denn ich vermute, er hätte so einen einschneidenden Umschwung nicht ohne weiteres verkraftet. Ich war wohl, eine Zeitlang, eine der wenigen Bundesbürgerinnen, die zu Weihnachten Päckchen AUS der Zone bekommen hat. Diese Päckchen enthielten Liegnitzer Bomben und Thüringer Baumkuchen und vieles mehr. Für mich allein gab es auch immer den einzigartigen Schokoladenersatz, Schlagersüßtafeln. Diese waren für mich außerordentlich gut verträglich, weil sie keinerlei Kakao oder Kakaobutter enthielten. Ich reagiere auf Kakao allergisch. Ich vermisse die Süßtafel sehr, das echte Original gibt es leider nicht mehr.

Als ich 1979 in den Justizdienst eintrat und Beamtin wurde, legte man mir nahe den Briefkontakt zu meiner Tante einzuschränken, am besten gleich gänzlich abzubrechen. Ich schrieb meiner Tante einen letzten Brief, sie konnte die Gründe nachvollziehen, verstand mich gut und wünschte mir alles Gute

Tante Erda war zu Hause und hieß uns herzlich willkommen. Sie bewohnte allein eine sehr schöne große Wohnung und wurde von der Stadt Gotha sehr gut betreut. Ihr Mann war im Polizeidienst gewesen und Träger des großen Verdienstordens der DDR. 1990 war er bereits seit fast 20 Jahre tot. Tante Erda freute sich aufrichtig über unseren Besuch, denn sie hatte kaum noch Kontakte. Seit dem Schicksalstag im November, war ihre bis dahin heile Welt zusammengebrochen. Sie wusste nicht wie es mit ihr weitergehen würde. Die Wohnung war ihr schon gekündigt und die Betreuung durch den Staat sollte beendet werden. Sie bot uns