Akkorde ohne Applaus: Das Leben eines ewigen Musikers - Matthias Hartwig - E-Book

Akkorde ohne Applaus: Das Leben eines ewigen Musikers E-Book

Matthias Hartwig

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Beschreibung

In Akkorde ohne Applaus gewährt Matthias Hartwig alias Jimmy de la Mar einen ehrlichen und fesselnden Einblick in das Leben eines Musikers jenseits des Rampenlichts. Hartwig erzählt von den Höhen und Tiefen, den unbeirrbaren Träumen und Herausforderungen, die ihn als Künstler geprägt haben. Dieses Buch ist eine Reise durch die Welt der Musik mit all ihren Enttäuschungen, aber auch den Momenten, die das Leben eines Musikers lebenswert machen. Eine inspirierende und bewegende Erzählung über Leidenschaft, Durchhaltevermögen und die Kraft der Musik.

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Seitenzahl: 411

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Jimmy de la Mar

Akkorde ohne Applaus: Das Leben eines ewigen Musikers

Eine Reise durch Höhen und Tiefen der Musikindustrie

First published by Matthias Hartwig 2024

Copyright © 2024 by Jimmy de la Mar

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First edition

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Contents

Vorwort

Kapitel 1: Meine musikalischen Gene

Kapitel 2: Vom musikalischen Virus infiziert

Kapitel 3: Mein Weg zur ersten Gitarre

Kapitel 4: Die erste Band

Kapitel 5 - Die Geburt unserer ersten richtigen Band

Kapitel 6: Der Aufstieg von Glenn Copulation

Kapitel 7: Der erste Produzent

Kapitel 8: Die Aufnahmen im Studio für “Nuklearparty”

Kapitel 9: Zerbrochene Illusionen

Kapitel 10: Die gescheiterte Verhandlung

Kapitel 11: Die falsche Entscheidung

Kapitel 12: Der richtige Produzent

Kapitel 13: Neue Besen kehren gut (der erste Fernsehauftritt)

Kapitel: Der große Auftritt – Glenn Copulation auf der Funkausstellung 1985

Kapitel: Die Bühne, die die Welt bedeutete

Kapitel 16: Der letzte Auftritt – Das Ende von Glenn Copulation

Kapitel 17: Wie ich Robbie Williams traf und die Mallorca Ballermann Party

Kapitel 18: Das große Wiedersehen

Kapitel 19: Der Weg zu unserem Tonstudio – Ein Raum für große Träume

Kapitel 20: Wie gewonnen, so zerronnen

Kapitel 21: Ohne Fleiß kein Preis

Kapitel 22: Die Messehallen der Träume

Kapitel 23: Die Künstler – Das Kapital eines Produzenten

Kapitel 24: Der digitale Umbruch – Wie die Revolution der Musikindustrie unsere Welt veränderte

Kapitel 25: Das nicht singende Playboy-Girl

Kapitel 26: Auch A&Rs können sich irren

Kapitel 27: Der Retter in der Not

Kapitel 28: Die große Produktion

Kapitel 29: Die Saisoneröffnung bei Hertha BSC

Kapitel 30: Der Auftritt vor 50.000 Zuschauern

Kapitel 31: Die Bacardi-Partys

Kapitel 32: Der Auftritt von Helden der Arbeit

Kapitel 33: Die Geburtstagsfeier beim Milliardär

Kapitel 34: Die Biene Maja – Von einem Hit, der keiner wurde

Kapitel 35: Die Regenmacher und der zerstörende Hurrikan

Kapitel 36: „Auf Messers Schneide: Zwischen Erfolg und Ruin“

Kapitel 37: Wo geht’s hier nach Hollywood?

Kapitel 38: Alte Liebe rostet nicht

Kapitel 39: Eines der schönsten Gefühle

Kapitel 40: Back to the Roots

Kapitel 41: Verträge, die keiner will – Die Realität der Labelangebote

Kapitel 42: Das Fazit meiner musikalischen Laufbahn

Kapitel 43: Der perfekte Songaufbau in modernen Genres: Von Pop bis Hard Rock

Kapitel 44: Die Macht der Musikgiganten: Labels, Streaming und der Kampf um Gerechtigkeit

Kapitel 45: Erfolgsstrategien für unabhängige Künstler im digitalen Zeitalter

Danksagung

Impressum

Vorwort

Mein Name ist Matthias Hartwig, doch in der Musikwelt kennt man mich als Jimmy de la Mar. Seit Jahrzehnten bin ich als Künstler, Songwriter, Texter und Produzent aktiv. Musik ist mein Herzschlag, mein Leben und mein größtes Abenteuer. Ich habe 27 Songs und zwei Alben veröffentlicht, und jetzt steht mein drittes Album in den Startlöchern. Doch dieses Buch ist keine Erfolgsstory im herkömmlichen Sinn.

“Akkorde ohne Applaus: Das Leben eines ewigen Musikers” erzählt die Geschichte eines Lebens abseits des großen Rampenlichts. Es ist die Geschichte von Leidenschaft und Durchhaltevermögen, in einer Branche, die oft gnadenlos ist. Die meisten Biografien berichten von glanzvollen Karrieren und großen Erfolgen. Doch was ist mit den Geschichten derjenigen, die nie den Mega-Durchbruch hatten, die sich trotzdem Tag für Tag der Musik widmen? Genau diese Geschichte will ich erzählen.

Dieses Buch ist mehr als nur eine persönliche Erzählung. Es ist auch ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen einer Musikindustrie, die sich mehr um Klickzahlen und Profit kümmert, als um echte Künstler. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Welt der Musik grundlegend verändert: Digitalisierung, Streaming und soziale Medien haben neue Chancen, aber auch neue Herausforderungen geschaffen. Und für viele Künstler bleibt der Traum von der Musik als Beruf ein hartes Stück Arbeit.

Musik bedeutet nicht automatisch Reichtum, Villen und Millionen von Fans. Die Realität ist oft eine andere – über 160 Millionen Musiker weltweit können nicht von ihrer Kunst leben. Dieses Buch richtet sich an all diejenigen, die davon träumen, Musik zu ihrer Karriere zu machen, und an die, die nie darüber nachgedacht haben, wer hinter den Songs steckt, die sie hören. Es ist für jeden, der sich für die Wahrheit hinter der Bühne interessiert – für die harten Kämpfe, Rückschläge und Momente der Selbstzweifel, die das Leben eines Musikers prägen.

Die Namen in diesem Buch wurden geändert, um die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen. Auch wenn sich nicht jedes Detail haargenau so zugetragen haben mag, ist es so, wie ich es erlebt habe.

Von den ersten musikalischen Gehversuchen bis hin zu meiner heutigen Arbeit als Produzent – dieses Buch zeigt alle Facetten eines Musikerlebens, das weit entfernt ist von Glamour, aber voller Leidenschaft und Hingabe. Es ist auch eine Abrechnung mit einer Industrie, die sich zwar verändert hat, aber dennoch dieselben Hürden für all jene bereithält, die von ihrer Musik leben wollen.

Ich lade dich ein, mit mir hinter die Kulissen zu blicken – in ein Leben, das von Musik geprägt ist, auch ohne den Applaus, den man oft damit verbindet.

Matthias Hartwig alias Jimmy de la Mar

Kapitel 1: Meine musikalischen Gene

Jeder Musiker fragt sich irgendwann, woher er seine musikalischen Fähigkeiten hat. Ist es ein Geschenk der Natur oder doch ein Erbe der Familie? Für mich war die Antwort schnell gefunden: Mein musikalisches Talent habe ich zweifellos von meiner Mutter geerbt.

Meine Mutter wuchs in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern auf, das nach dem Krieg in den Schatten der Geschichte lag. Eingebettet zwischen sanften Hügeln und dichten Wäldern schlängelten sich schmale Straßen durch eine Ansammlung alter, windschiefer Fachwerkhäuser. Morgens hing der Duft von frisch gebackenem Brot und feuchter Erde in der Luft, während die aufgehende Sonne die Felder in goldenes Licht tauchte. Abends, wenn die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bäumen verschwanden, kehrte eine friedliche Stille ein, nur unterbrochen vom fernen Krähen eines Hahns oder dem Knistern eines Holzfeuers.

In dieser idyllischen, aber entbehrungsreichen Umgebung verbrachte meine Mutter ihre Kindheit. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Vor- und Nachkriegszeit waren allgegenwärtig, doch die Musik war immer ein treuer Begleiter. Besonders in der Bäckerei und dem Lokal meiner Großeltern, einem Treffpunkt für die Dorfbewohner, spielte die Musik eine zentrale Rolle. Dort musizierte meine Mutter, oft widerwillig, für die Gäste, die nach Ablenkung und Freude suchten.

Ihre Kindheit war geprägt von den harten Umständen der Zeit, aber die Musik ihrer Familie gab dem Alltag etwas Magisches. In den Abenden im Familienlokal, wenn meine Mutter ihre Hände auf die Tasten legte und die ersten Töne erklangen, verstummten die Gespräche. Melancholische Volksweisen und schwungvolle Tanzmelodien füllten den Raum und ließen die Sorgen der Nachkriegszeit für einen Moment verblassen.

Mein Großvater, ein Mann von Prinzipien und Traditionen, stammte aus einer wohlhabenden Familie nahe Magdeburg. In seiner Familie war es selbstverständlich, dass jedes Kind ein Instrument beherrschen musste. Diese Regel galt auch für meine Mutter und ihre Schwester. Schon in jungen Jahren begann sie mit dem Klavierspiel, doch was für manche ein Ausdruck von Freude war, bedeutete für meine Mutter Pflicht. Ihre Finger glitten geschickt über die Tasten, doch in ihren Augen lag eine tiefe Melancholie. Für sie war das Musizieren eher eine Last als eine Leidenschaft.

Bald spielte sie gut genug, um die Gäste im Familienlokal zu unterhalten. Doch was für andere Kinder vielleicht eine Ehre gewesen wäre, war für meine Mutter eine Belastung. Besonders unangenehm war es ihr, für die Soldaten zu spielen, die oft als Gäste kamen. Diese vom Krieg gezeichneten Männer suchten in den Melodien Trost, doch für meine Mutter bedeutete das Spielen oft auch unerwünschte Nähe und unangenehme Berührungen. Mein Großvater, der sie hätte schützen können, war nicht immer vor Ort, und so musste sie allein zurechtkommen.

Neben dem Klavier spielte meine Mutter auch Akkordeon, ein Instrument, das ihr neue Möglichkeiten eröffnete. Gegen Ende des Krieges und in den ersten Jahren danach waren viele Musiker entweder an der Front oder hatten das Schlimmste nicht überlebt. Eines Tages trat ein Mann an meine Mutter heran und fragte, ob sie in einer Tanzkapelle spielen wolle. Er versprach ihr gutes Geld, und in einer Zeit der Not war das ein unwiderstehliches Angebot.

Zu diesem Zeitpunkt war mein Großvater bereits verstorben, und die Familie kämpfte mit finanziellen Schwierigkeiten. Die Entscheidung, die Familie durch die Musik zu unterstützen, fiel meiner Mutter daher nicht schwer. Sie begann, mit ihrer Kapelle in der Region aufzutreten. Die Proben fanden meist im Familienlokal statt, und an den Wochenenden spielte die Kapelle auf Dorffesten oder in umliegenden Gaststätten. Die Kapelle wurde schnell bekannt, und oft wurde sie für drei Stunden engagiert. Doch selten blieb es bei diesen drei Stunden. Die Gäste waren so begeistert, dass sie Geld sammelten, um die Kapelle länger spielen zu lassen. Es war nicht ungewöhnlich, dass aus drei Stunden sechs wurden. Für jede zusätzliche halbe Stunde gab es mehr Geld, und so konnte meine Mutter in den schweren Nachkriegsjahren ihre Familie über Wasser halten.

1952 zog meine Mutter mit meinem Vater nach Berlin. Die Stadt, noch immer von den Nachwehen des Krieges gezeichnet, bot zwar neue Möglichkeiten, doch das Kapitel Tanzkapelle war für sie beendet. In Berlin spielte sie nie wieder in einer solchen Formation. Familienmitglieder erzählten mir, dass sie nur noch gelegentlich bei Feiern oder Familienbesuchen das Akkordeon oder Klavier spielte – nicht aus Leidenschaft, sondern auf Drängen der Gäste.

In meinem Elternhaus stand ein schwarzes Schifferklavier, an das ich mich noch gut erinnere. Dieses Klavier war für mich mehr als nur ein Möbelstück. Es war ein Wesen voller Mysterien, das Töne hervorbrachte, die ich in meinem Inneren fühlte, aber noch nicht verstand. Wann immer ich an den Tasten spielte, war es, als spräche ich eine verborgene Sprache, eine Sprache, die ich mit meiner Mutter teilte, obwohl sie mich nie unterrichtete. Schon als kleines Kind zog es mich magisch an, und ich versuchte, den Tasten Töne zu entlocken – zur Freude der Nachbarn und, wie ich heute vermute, auch zur Freude meiner Mutter.

Doch trotz meines Interesses brachte sie mir das Klavierspiel nicht bei. Warum, werde ich wohl nie ganz verstehen. Vielleicht wollte sie verhindern, dass ich dieselbe Last auf meinen Schultern trug wie sie. Vielleicht wollte sie mir die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, ob und wann ich ein Instrument lernen wollte.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als das Klavier unser Haus verließ. Ob aus Geldnot oder weil die Nachbarn sich über den Lärm beschwert hatten, weiß ich bis heute nicht. Doch auch nachdem das Klavier fort war, blieb die Musik ein Teil unseres Lebens. Meine Mutter spielte weiterhin Akkordeon, wenn auch nur auf Drängen von Freunden oder meinem Vater. Ich glaube, die Musik war für sie immer eine Pflicht und keine Leidenschaft, und vielleicht war das der Grund, warum sie mich nie musikalisch förderte – aus Angst, mir dasselbe Schicksal aufzuzwingen.

Es dauerte viele Jahre, bis ich endlich ein Instrument erlernen durfte. Doch was in dieser Zeit alles passierte und welches Instrument es schließlich wurde, erfahrt ihr im nächsten Kapitel.

Kapitel 2: Vom musikalischen Virus infiziert

Jeder Musiker kennt diesen einen Moment, in dem die Liebe zur Musik entfacht wird – ein Augenblick, so prägend, dass er die Weichen für das gesamte Leben stellt. Auch bei mir begann diese Leidenschaft früh und unerwartet. Schon als kleines Kind war ich von Musik fasziniert. Ob im Wohnzimmer, im Kindergarten oder im Garten – sobald eine Melodie erklang, war ich nicht zu bremsen. Die Musik wurde mein ständiger Begleiter, mein Trost in schwierigen Momenten und meine größte Freude. Besonders in meinen frühen Jahren prägte sie meine Identität und öffnete mir Türen zu einer Welt voller Kreativität und Ausdruck.

Mein Vater, ein begeisterter Musikliebhaber, hatte eine beeindruckende Sammlung von Schallplatten, die unser Zuhause regelmäßig mit fröhlichen Klängen erfüllten. Die Sammlung bestand hauptsächlich aus Schlagern, Kölner Karnevalsliedern und alten deutschen Klassikern. Wenn er nach einem langen Arbeitstag ein paar Gläser Bier genoss, drehte er die Lautstärke hoch, und die Musik durchdrang jeden Raum, schuf eine Atmosphäre der Freude und Leichtigkeit. Diese Momente waren magisch für mich. Ich saß oft stundenlang neben dem Plattenspieler, lauschte den Melodien und lernte die Texte auswendig. Selbst Jahrzehnte später kann ich viele dieser Lieder Wort für Wort mitsingen – sehr zur Überraschung meiner Frau, die immer wieder staunt, wie präzise ich selbst die ältesten Schlagertexte wiedergeben kann. Es war eine unfreiwillige musikalische Schulung, die mir jedoch ein unschätzbares Talent verlieh: das Gefühl für Rhythmus, Melodie und die emotionale Kraft der Musik.

Aber nicht nur mein Vater prägte meinen musikalischen Werdegang. Meine zwölf Jahre ältere Schwester hatte einen moderneren Musikgeschmack und erweiterte mein Repertoire um zahlreiche Pop-Songs. Ihre Plattensammlung öffnete mir das Tor zu einer neuen Welt, und ich sog die verschiedenen Einflüsse auf wie ein Schwamm. So entwickelte ich früh eine breite musikalische Palette, die von klassischen Schlagern bis hin zu modernen Pop klängen reichte. Musik wurde für mich mehr als nur Unterhaltung – sie war eine Möglichkeit, mich auszudrücken, meine Gefühle zu zeigen und die Welt um mich herum zu verstehen.

In einer vielleicht etwas über motivierten Aktion entschied meine Mutter, meine Begeisterung für das Tanzen und die Musik durch Ballettunterricht zu fördern. Und so fand ich mich in einem kleinen Studio in der Karl-Marx-Straße in Neukölln wieder, umgeben von Mädchen, die – im Gegensatz zu mir – scheinbar mit Begeisterung das Ballett-ABC lernten. Die ersten Stunden waren eine Mischung aus Neugier und Unsicherheit. Zwar liebte ich das Tanzen, aber die klassische Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte, war einfach nicht mein Ding. Hätte man mir stattdessen den rhythmischen Takt eines Schlagers aufgelegt, wäre ich vielleicht geblieben. Doch das monotone Im-Kreis-Laufen und gelegentliche Hüpfen zu den sanften Klängen von Bach und Tschaikowsky passte so gar nicht zu meinem lebhaften Naturell. Nach wenigen Stunden gab ich den Ballettunterricht auf – eine Entscheidung, die ich nie bereut habe.

Mein erster großer Auftritt ließ nicht lange auf sich warten. Mit sechs Jahren bot sich mir eine Bühne, die meine Leidenschaft endgültig entfachte. Mein Vater, der als Konditormeister im Berliner Zoo arbeitete, nahm mich während der Ferien oft mit zur Arbeit. Der Zoo war für mich ein riesiger Abenteuerspielplatz, den ich wie meine Westentasche kannte. Zwischen Torten und Gebäck entdeckte ich eines Tages den Biergarten mit der großen Tribüne, auf der regelmäßig Orchester spielten und Künstler auftraten. An einem dieser Ferientage wurde ein Gesangswettbewerb für Kinder angekündigt, und ich – fasziniert von den vielen Spielsachen, die als Preise lockten – meldete mich spontan an. Als der Moderator mich schließlich auf die Bühne rief, durchströmte mich eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude. Vor einem Publikum von 300 bis 400 Menschen sollte ich mein Lied zum Besten geben – ein Moment, der sich für immer in mein Gedächtnis einbrannte.

Ich wählte das Lied “Holzkoks Kien”, ein humorvolles Berliner Gassenhauer-Lied, das ich aus dem Kindergarten kannte. Der Text, eine Mischung aus Berliner Dialekt und volkstümlicher Satire, nahm den Alltag aufs Korn. Schon bei den ersten Zeilen spürte ich, wie die Zuhörer aufhorchten:

„Der Lehrer in der Schule, der lernt den Kindern das,

Das läuft das sind die Beine, was riecht das ist die Nass.

Da meldet sich Klein Fritzchen, Herr Lehrer was ist das?

Bei mir da riechen de Beene und lofen tut die Nass.“

Das Publikum lachte, und die Nervosität wich der Freude, während ich im Rhythmus der Musik aufging. Der Refrain brachte die Zuschauer zum mit klatschen:

„Holzkoks Kien, wir kommen aus Berlin,

Ein jeder weiß Bescheid, Berliner sind gescheit.

Holzkoks Kien, wir kommen aus Berlin,

Ein jeder weiß Bescheid, Berliner sind gescheit.“

Mit jedem Vers gewann ich mehr Selbstbewusstsein, und als das Lied endete, brach das Publikum in tosenden Applaus aus. Ich wusste, ich hatte etwas Besonderes erreicht. Der Applaus war laut, und als der Moderator die Kinder nacheinander aufrief, um den Sieger zu bestimmen, war klar: Ich hatte gewonnen.

Mein Preis, eine glänzende Achterbahn, war nebensächlich. Viel wichtiger war das Gefühl, auf der Bühne gestanden und das Publikum begeistert zu haben. Als ich in die Menge blickte, sah ich meinen Vater, der stolz lächelnd und in seiner weißen Konditorkleidung von der Seite aus applaudierte. Dieser Anblick erfüllte mich mit tiefer Freude, denn ich wusste, dass ich ihn stolz gemacht hatte. Es war ein Moment, der mein Leben für immer veränderte und in mir den Wunsch entfachte, Musik zu meinem Lebensweg zu machen.

Nach diesem triumphalen Erlebnis im Zoo kehrte ich in den Schulalltag zurück, doch die Musik ließ mich nicht los. In der Schule lernte ich Frau Schneider kennen, eine resolute Lehrerin, die eine große Leidenschaft für das Akkordeon hatte. Im Musikunterricht verwandelte sich die sonst so ernste Frau in eine herzliche und beinahe freundliche Person, wenn sie uns Melodien vorspielte, die wir dann nach sangen. Für mich war der Musikunterricht das Highlight der Woche.

Kurz vor Ende des ersten Schuljahres sprach mich Frau Schneider nach dem Unterricht an: „Matthias,“ sagte sie lächelnd, „du singst immer so schön. Wie wäre es, wenn du bei der Einschulungsfeier der neuen Erstklässler zwei Lieder von Heintje singst? Ich werde dich auf dem Akkordeon begleiten.“ Ohne lange zu überlegen, stimmte ich zu.

Der Tag der Einschulungsfeier kam schneller als erwartet. Die Aula war voll mit aufgeregten Erstklässlern, ihren Eltern und Großeltern. Die Stimmung war festlich, doch je näher mein Auftritt rückte, desto nervöser wurde ich. Als Frau Schneider mich ankündigte und ich die ersten Töne von „Ich bau dir ein Schloss“ anstimmte, verschwand die Nervosität und machte Platz für die Freude an der Musik. Das Publikum war bewegt, und als ich „Heidschi Bum Beidschi“ sang, sah ich Tränen in den Augen einiger Mütter. Als der Applaus am Ende durch den Saal schallte, fühlte ich mich, als hätte ich etwas Großes erreicht.

Doch nicht alle teilten diese Begeisterung. Meine Klassenkameraden machten sich über mich lustig, nannten mich „Heintje“ und zogen mich mit meinen Liedern auf. Es folgten Hänseleien und Auseinandersetzungen, die mich schließlich dazu brachten, beim nächsten Schulauftritt nicht mehr zu singen. Als Frau Schneider im folgenden Jahr fragte, ob ich wieder auftreten wollte, lehnte ich ab.

Trotz allem blieb die Musik in meinem Herzen. Zu Hause sang ich weiter und träumte davon, eines Tages wieder auf der Bühne zu stehen. Dieser Traum würde mich noch lange begleiten, doch das ist eine Geschichte für das nächste Kapitel

Kapitel 3: Mein Weg zur ersten Gitarre

Der Weg zu meinem ersten Musikinstrument war alles andere als geradlinig. Es war eine Reise voller Enttäuschungen, kleinen Triumphen und einer unaufhaltsamen Leidenschaft, die mich schon als Kind nicht losließ. Wie bei der Liebe musste ich das eine Instrument finden, das wirklich zu mir passte – das eine, das mich wirklich berührte.

In der Grundschule sollte ich Blockflöte lernen. Wie die meisten Kinder bekam ich von meiner Mutter eine Blockflöte geschenkt, und ich war fest entschlossen, darauf Lieder wie „Hänschen klein“ zu spielen. Doch es wollte einfach nicht funktionieren. Obwohl ich eine musikalische Ader hatte, blieb die Blockflöte für mich ein Fremdkörper. Ich versuchte es immer wieder, aber ohne Erfolg. Der Musikunterricht endete mit einer mittelmäßigen Note, und ich begann, an meiner Musikalität zu zweifeln. Vielleicht lag mir das Spielen von Instrumenten einfach nicht? Doch tief in mir wusste ich, dass das nicht stimmte.

Schon als kleiner Junge hatten Gitarren eine magische Anziehungskraft auf mich. Wann immer ich in einer Fernsehsendung wie „Disco“ internationale Stars sah, klebte mein Blick an den Gitarristen. Diese Musiker mit ihren coolen Posen und den elektrischen Gitarren in den Händen waren für mich wie Helden. Es war nicht überraschend, dass ich bald den Wunsch verspürte, eine eigene Gitarre zu besitzen – auch wenn sie zunächst nur in meiner Fantasie existierte. Also bastelte ich mir eine Gitarre aus Pappe und einer Holzplatte, die die Form einer Fender Stratocaster hatte. Ich malte sie schwarz-rot an, befestigte ein Paketband als Gurt und stand dann vor dem Spiegel, stellte mir vor, ich sei einer der Gitarristen von Sweet, und ließ die imaginären Töne durch mein Zimmer schwingen. In diesen Momenten fühlte ich mich lebendig, als ob die Musik durch meine Adern floss.

Eines Tages, als ich etwa zwölf Jahre alt war, gingen wir wieder in unsere Lieblingspizzeria „La Luna“. Diese kleine Pizzeria, nur ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernt, war ein besonderer Ort für mich. Die dicken, braunen Holzpaneele an den Wänden, die Stuckverzierungen und die warmen Gerüche von frisch gebackener Pizza – das alles fühlte sich vertraut und sicher an. Doch es war nicht das Essen, das meine Aufmerksamkeit fesselte, sondern die blaue, stark ramponierte Western-Gitarre, die an der Wand hing. Sie hatte nur noch zwei Saiten, war zerkratzt und voller Dellen, aber für mich war sie ein Juwel. Jedes Mal, wenn wir dort aßen, bewunderte ich sie aus der Ferne.

Eines Abends fasste ich mir ein Herz. Mein Herz pochte, als ich den Chef der Pizzeria ansprach: „Könnte ich die Gitarre haben, die da an der Wand hängt?“ Ich erwartete ein klares Nein, doch zu meiner Überraschung lächelte er. „Was willst du mit diesem kaputten Ding?“ fragte er mit einem amüsierten Lächeln. Ich erklärte ihm, dass ich sie reparieren und darauf spielen wollte. Er lachte leise, bevor er sagte: „Wenn du sie wirklich haben willst, nimm sie mit. Wir renovieren bald, und sie hätte sowieso keinen Platz mehr hier.“

Als ich mit der Gitarre nach Hause ging, fühlte ich mich, als hätte ich den Schatz meines Lebens gefunden. Diese alte, kaputte Gitarre bedeutete mir mehr, als es Worte ausdrücken können. Zu Hause setzte ich mich sofort auf mein Bett und versuchte, auf den beiden verbliebenen Saiten Töne zu erzeugen. Es klang furchtbar, wie das Knarren einer alten Tür, doch das war mir egal. Diese Gitarre war mein erstes Instrument, und in meinen Händen wurde sie lebendig. Tatsächlich schaffte ich es sogar, auf einer der Saiten „Smoke on the Water“ zu spielen. Die wenigen Töne, die ich herausquetschen konnte, gaben mir ein Gefühl von Erfolg und Stolz.

Norbert, der Lebensgefährte meiner Mutter, bekam mein wachsendes Interesse an der Gitarre mit. Norbert war ein gutmütiger Mann, jünger als meine Mutter, und kümmerte sich immer liebevoll um mich. Wir verbrachten viel Zeit miteinander – er spielte Fußball mit mir, baute Lego und war immer für ein Abenteuer zu haben. Eines Tages klopfte er an meine Tür und sagte: „Matthias, zieh deine Schuhe an. Wir fahren ins Kaufhaus.“ Ich war neugierig und fragte, was wir dort machen würden, aber er grinste nur geheimnisvoll und sagte: „Lass dich überraschen.“

Im Kaufhaus gingen wir direkt in die Musikabteilung. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als ich die Gitarren an den Wänden hängen sah – glänzende, perfekt gestimmte Instrumente, die darauf warteten, gespielt zu werden. Norbert sprach mit einer Verkäuferin und fragte sie, welche Gitarre sie für einen Anfänger empfehlen würde. Sie zeigte uns eine Konzertgitarre mit einem schmaleren Griffbrett, das für meine kleinen Hände ideal war. „Diese Gitarre wird dir das Greifen der Akkorde erleichtern,“ erklärte sie, und Norbert entschied sich sofort für den Kauf. Er fragte auch nach einem Buch oder einer Schallplatte, die einem das Gitarre spielen beibringen könnten. Die Verkäuferin verschwand kurz und kam mit einer Schallplatte zurück, die alles Nötige erklären sollte.

Zuhause konnte ich es kaum erwarten, die Schallplatte aufzulegen. Ich setzte die Nadel auf die Platte und lauschte den Anweisungen, die aus den Lautsprechern kamen. Die Stimme erklärte die Grundlagen des Gitarrenspielens, aber je länger ich zuhörte, desto klarer wurde mir, dass mir diese trockenen Erklärungen nicht halfen. Die Gitarre landete bald in der Ecke, und ich verlor das Interesse – zumindest für eine Weile. Doch Norbert gab nicht auf. Er sah, wie viel mir die Musik bedeutete, und schlug vor, dass ich Gitarrenunterricht nehmen sollte.

An der Berliner Volkshochschule, nur wenige Schritte von unserer Pizzeria entfernt, wurden Gitarrenstunden angeboten. Norbert begleitete mich dorthin, und nach einem Gespräch mit dem Berater meldeten wir mich für eine halbe Stunde Unterricht pro Woche an. Zwei Wochen später war es dann so weit – meine erste Gitarrenstunde.

Mein Lehrer, Roland, war ein entspannter Typ, ein bisschen wie ein moderner Hippie. Mit seinem lässigen Auftreten und seiner lockeren Art war er das genaue Gegenteil von dem strengen Bild, das ich von Musiklehrern hatte. Er fragte mich, ob ich schon Gitarre spielen könne, und als ich verneinte, begannen wir mit den Basics. Doch schnell stellte sich heraus, dass ich keine Freude am Notenlesen hatte. Es war wie eine fremde Sprache, die ich einfach nicht lernen wollte. Nach jeder Stunde gab er mir Hausaufgaben, Notenblätter mit klassischen Stücken, die ich üben sollte. Aber die Begeisterung, die ich am Anfang verspürt hatte, schwand, und ich konnte die Stücke nie so spielen, wie Roland es sich vorgestellt hatte.

Eines Tages fragte er mich direkt: „Woran liegt es, dass du nicht übst?“ Ich erklärte ihm ehrlich, dass mir das Spielen nach Noten keinen Spaß machte und die klassischen Stücke einfach langweilig waren. Er lächelte verständnisvoll und fragte: „Kennst du die Beatles?“ Natürlich kannte ich die Beatles! „Wie wäre es, wenn wir Beatles-Songs spielen?“ schlug er vor. Das war genau das, was ich brauchte. Von diesem Moment an änderte sich alles. Wir spielten regelmäßig die Songs der Beatles, und plötzlich machte das Üben wieder Spaß. Ich kaufte mir sogar ein Beatles-Gitarrenbuch, und jede Woche lernten wir einen neuen Song daraus.

Durch die Beatles und ihre Musik lernte ich wirklich, Gitarre zu spielen. Meine Finger wurden geschickter, und ich konnte immer schwierigere Akkorde greifen. Nach eineinhalb Jahren Gitarrenunterricht war ich überzeugt, dass ich alleine weitermachen konnte. Norbert unterstützte mich weiterhin und schenkte mir meine erste E-Gitarre – eine weiße Stratocaster von einer No-Name-Firma. Für mich war sie perfekt. Auf dieser Gitarre übte ich, bis meine Finger fast bluteten, aber es war mir egal. Ich wollte besser werden, und das wurde ich auch.

Ohne Norbert hätte ich vielleicht niemals ein Instrument gelernt, und damit wäre mir eine der größten Leidenschaften meines Lebens verwehrt geblieben. Später kaufte er sogar meiner Mutter ein weißes Keyboard, damit sie wieder Klavier spielen konnte. Doch leider brachte sie mir das Klavierspielen nicht bei. Also setzte ich mich selbst ans Keyboard und brachte mir das Spielen bei, auch wenn es nicht die richtige Technik war. Trotzdem reichte es aus, dass ich bis heute alle meine Songs auf dem Klavier komponieren und einspielen kann. Von beiden Instrumenten, die ich spiele, ist die Gitarre meine große Liebe – und das verdanke ich dem Gitarrenunterricht, den ich durch Norberts Unterstützung erhalten habe.

Viele Jahre später entschied ich mich, Klavierunterricht zu nehmen, doch das Ergebnis war ernüchternd. Der Lehrer begann ebenfalls mit Noten und klassischen Stücken, die sich in meinen Ohren schrecklich anhörten. Es fühlte sich an, als hätte ich all mein Können verloren. Aber sobald ich wieder auf meine eigene Art spielte, klang es so, wie es klingen sollte. Und das ist das Wichtigste – dass die Musik, die ich spiele, für mich authentisch ist, dass sie meine Sprache spricht.

Im nächsten Kapitel erzähle ich, wie es zu meiner ersten Schulband kam.

Kapitel 4: Die erste Band

Es sind oft die kleinen, unerwarteten Begegnungen, die unser Leben auf eine neue Bahn lenken. Der Himmel war klar an jenem sonnigen Nachmittag auf dem Schulhof, und die warmen Strahlen der Spätsommersonne tauchten die Szenerie in goldenes Licht. Ich lehnte an der Backsteinmauer, den Kopf voll von Gedanken an alles Mögliche, als Glenn plötzlich neben mir auftauchte.

Glenn, ein schmächtiger Typ mit glattem, kurzem dunkelblondem Haar und einem Lächeln, das ihn in jedem Raum auffallen ließ, schien immer eine Aura von Energie und Unruhe auszustrahlen. Er war bekannt dafür, ständig neue Projekte zu starten, und heute war keine Ausnahme.

„Hey, du spielst doch Gitarre, oder?“ fragte er beiläufig, als wäre es die normalste Frage der Welt. Ich nickte zögernd. „Ja, klar. Warum?“

„Unser Gitarrist ist ausgestiegen“, sagte er und zog seine Hände in die Taschen seiner ausgewaschenen Lederjacke. „Vielleicht hast du Lust, in unserer Schulband mitzuspielen? Wir brauchen jemanden für die Abschlussfeier.“

In mir begann es sofort zu kribbeln. „Echt jetzt?“ Meine Stimme klang vor Aufregung fast zu hoch. „Ich würde es lieben, in einer Band zu spielen!“

Drei Tage später stand ich zum ersten Mal im Musikraum der Schule, einem großen, moderner Raum, der nach Metall und abgestandenem Staub roch. Die Schultische waren zur Seite geschoben worden, um Platz für die Band zu schaffen. Es war unser kleines Paradies: ein abgenutztes Schlagzeug, Verstärker, eine E-Gitarre und eine Bass-Gitarre, die lässig an der Wand lehnten. Alles war bereit für die Probe.

Die Jungs spielten mir drei ihrer eigenen Songs vor, und als kleines Warm-up begannen sie mit einem Stück, das ich nicht kannte: „Egypten Reggae“. Ihr Sound war rau, ungeschliffen, fast punkig, aber mit einem Funken Energie, der mich sofort packte. Es war vielleicht nicht mein Stil – ich war mehr der melodische Gitarrentyp –, aber das spielte keine Rolle. Hier ging es um den Moment, um das Gefühl, Teil von etwas zu sein.

„Okay, dein Einsatz“, sagte Glenn und nickte mir zu. Der Beat setzte ein, das Schlagzeug vibrierte durch den Raum, und ich griff zur Gitarre. Es war, als würde die Welt um mich herum verschwinden. Der Raum schien kleiner zu werden, und ich konnte die Spannung spüren, die uns alle verband. Es war nicht perfekt, aber es fühlte sich richtig an.

Von diesem Tag an wurde der Musikraum unser Treffpunkt. Jeden Mittwoch um 16 Uhr trafen wir uns, arbeiteten an unseren Songs, feilten an Riffs und probierten neue Ideen aus. Es war eine chaotische, aber kreative Zeit. Glenn war immer der treibende Motor – er brachte uns immer wieder zusammen, motivierte uns, selbst wenn wir uns in den endlosen Wiederholungen und Fehlversuchen verloren.

In drei Monaten hatten wir es geschafft: sechs eigene Songs, jeder von ihnen mit einer eigenen Geschichte. Und dann, als der Sommer sich näherte, kam das, worauf wir alle gewartet hatten: die Abschlussfeier. Es war unsere Chance, unseren ersten großen Auftritt zu haben. Aber mit der Gelegenheit kam auch die Nervosität. Glenn, wie immer voll Feuer, war bereit, die Bühne zu stürmen. Ich hingegen? Meine Hände zitterten, und der Gedanke, vor all den Schülern und Lehrern zu spielen, ließ mein Herz rasen.

„Was, wenn wir uns blamieren?“ fragte ich Glenn, als wir im Backstagebereich standen. Die Aula war bis auf den letzten Platz gefüllt, und das Murmeln des Publikums drang durch den schweren Bühnenvorhang.

„Blamieren?“ Glenn lachte. „Wir werden sie umhauen! Warte nur ab.“ Und dann war der Moment da. Der Vorhang öffnete sich, das grelle Scheinwerferlicht blendete uns für einen Moment, und plötzlich waren wir im Rampenlicht. Hunderte Augenpaare richteten sich auf uns, und mein Herz schlug bis zum Hals. Der Direktor stellte uns mit einer theatralischen Geste vor: „Und jetzt: eine unglaublich talentierte Band – hier für euch: Rapunzel Quadrupel!“

Unser erster Song war „Egypten Reggae“, und ich hatte die Ehre, mit der Eröffnungsmelodie zu beginnen. Der Druck war enorm. Jede Note musste sitzen. Als ich den dritten Ton anschlug, verrutschte mein Finger, und die Melodie klang schief. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Der Fehler schwebte im Raum wie eine unangenehme Pause. Aber dann biss ich die Zähne zusammen und spielte weiter. Vielleicht hatte es niemand bemerkt, vielleicht auch doch – es war egal. Der Rhythmus zog mich mit, und bevor ich es realisierte, waren wir in unseren eigenen Songs gefangen.

Die Aula begann zu vibrieren. Die Energie des Publikums übertrug sich auf uns, und als wir den letzten Akkord spielten, war der Jubel ohrenbetäubend. Sie wollten mehr. Zwei Zugaben später, und ich wusste: Das war der Moment, für den ich leben wollte. Dieses Gefühl, die Musik durch den eigenen Körper strömen zu lassen, und das Publikum, das jeden Ton aufsaugte – das war mein Weg.

Glenn klopfte mir auf die Schulter, als wir die Bühne verließen. „Siehst du?“ grinste er.

„Ich habe es dir doch gesagt.“

Es ist dieser eine Moment, der dich packt und nie wieder loslässt. Jeder Musiker kennt ihn – den Augenblick, der alles verändert. Im nächsten Kapitel erzähle ich euch, wie wir Glenn Copulation gründeten und welche Abenteuer uns auf diesem Weg erwarteten.

Kapitel 5 - Die Geburt unserer ersten richtigen Band

Nach unserem grandiosen Auftritt beim Schulkonzert, der noch Wochen später das Gesprächsthema in den Fluren war, kam die Realität mit einer unerwarteten Wucht. Es dauerte nicht lange, bis Glenn und ich eine Vorladung ins Büro des Schuldirektors erhielten. Der Klang dieser formalen Einladung ließ meinen Magen zusammenziehen. Als wir das Schulgebäude betraten, das in seiner minimalistischen Bauweise die Strenge vergangener Jahrzehnte ausstrahlte, konnte ich die Anspannung spüren.

Die Sekretärin, eine resolute Frau in einem schmal geschnittenen grauen Kostüm, sah uns streng an, als ob sie bereits wüsste, dass wir Ärger erwarten konnten. „Setzt euch kurz,“ sagte sie in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Sie verschwand hinter der schweren Holztür, die zum Büro des Direktors führte. Glenn und ich tauschten einen schnellen Blick, sprachen aber kein Wort. Die Minuten zogen sich wie Kaugummi in die Länge, bis die Tür erneut aufging und die Sekretärin uns aufforderte, einzutreten.

Herr Jesche, der Schuldirektor, saß hinter einem imposanten Schreibtisch aus dunklem Holz, der den Raum dominierte. Die hohen Fenster warfen lange Schatten auf den Boden, und der Geruch von alten Büchern vermischte sich mit dem Duft von leicht abgestandenem Papier. Jesche, ein Mann mittleren Alters, dessen scharf geschnittenes Gesicht durch die Brille noch strenger wirkte, musterte uns von seinem Platz aus. Das Licht, das auf seine Gesichtszüge fiel, unterstrich seine kühle, analytische Ausstrahlung.

„Nun, Herrschaften,“ begann er mit einer Ruhe, die gefährlich wirkte, „ich muss Ihnen mitteilen, dass weitere Auftritte in unserer Aula ab sofort untersagt sind.“ Die Worte hingen schwer im Raum. Glenn und ich tauschten einen Blick, voller Fragen. Was war passiert?

„Gibt es etwas, das wir tun könnten, um das zu ändern?“ fragte Glenn, und seine Stimme durchbrach die Stille wie ein Blitz. Herr Jesche legte seine Brille ab und musterte uns nun mit einem durchdringenden Blick. „Wo ist die Gibson-Gitarre geblieben?“ Seine Stimme hatte plötzlich eine Schärfe, die die Luft zum Vibrieren brachte.

Die Gibson-Gitarre, ein Instrument von unschätzbarem Wert, das fast schon legendär unter den Schülern war, gehörte der Schule und war ein unverzichtbarer Bestandteil des Musikraums. Wir hatten sie nach unserer letzten Probe ordnungsgemäß zurückgestellt, davon waren wir überzeugt. Doch nun war sie verschwunden, und der Verdacht fiel direkt auf uns. „Wir haben sie nach der Probe in den Raum zurückgestellt und die Tür abgeschlossen,“ erklärte ich so ruhig wie möglich, obwohl mein Herz schneller schlug.

„Seitdem waren wir nicht mehr dort.“ Jesche hörte uns aufmerksam zu, seine Augen verengten sich ein wenig. „Die Gitarre ist weg, und ich muss annehmen, dass Sie beide etwas damit zu tun haben.“ Die Schärfe in seiner Stimme schnitt durch die Luft. Wir beteuerten unsere Unschuld, wiesen darauf hin, dass auch andere Schüler Zugang zum Musikraum gehabt hatten. Doch der Direktor ließ uns wissen, dass der Diebstahl zur Anzeige gebracht werde und wir bis auf Weiteres vom Musikraum und den Instrumenten ausgeschlossen seien. Für uns war das ein schwerer Schlag, vor allem, da die Sommerferien vor der Tür standen und unsere Band damit quasi aufgelöst war.

„Rapunzel Quadrupel“ war Geschichte.

Obwohl ich erst seit kurzer Zeit Teil der Band gewesen war, traf mich das Ende weniger hart als Glenn, der schon länger dabei war. Doch die Leidenschaft für die Musik brannte in mir weiter. „Glenn, lass uns eine neue Band gründen,“ schlug ich vor, als wir nach dem Gespräch den Flur entlanggingen. „Kennst du nicht noch ein paar Leute, die mitmachen würden?“ Glenn hielt inne, dachte einen Moment nach und nickte dann. „Aber was machen wir ohne Proberaum?“ fragte er skeptisch. Ich grinste. „Mach dir darum keine Sorgen, ich habe da vielleicht eine Idee.“

Helmut, der ältere Lebensgefährte meiner Schwester, war ein faszinierender Typ. Er führte mehrere kleine Unternehmen, darunter eine Teppichreinigung und ein Abfuhrunternehmen, und hatte einen abgelegenen Abstellplatz für seine LKWs, der hinter einem Fußballplatz in einer abgelegenen Ecke der Stadt lag. Dieser Ort faszinierte mich seit meiner Kindheit – es war ein Ort, der Geschichten von harter Arbeit und einem Leben erzählte, das von stetiger Bewegung geprägt war.

Während der Ferien arbeitete ich oft für Helmut. Manchmal half ich in der Teppichreinigung, manchmal sammelte ich mit den LKW-Fahrern Bauschutt ein. Es war harte Arbeit, aber sie gab mir das Geld, das ich brauchte, um meine musikalischen Träume zu verwirklichen. Und dann kam mir die Idee, diesen Raum in einen Proberaum zu verwandeln.

Der Gedanke, einen dieser Orte in einen Proberaum zu verwandeln, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Die Teppichreinigung schien mir zunächst ideal: Im Dachgeschoss lagerten alte Teppiche und ausgediente Reinigungsmaschinen, die nur darauf warteten, Platz für etwas Neues zu machen. Doch der beißende Geruch von Reinigungsmitteln, der sich durch die gesamte Etage zog, war ein ernsthaftes Problem.

Dann gab es noch den Abstellplatz für die LKWs. Als ich an diesem Ort vorbeikam, spürte ich immer ein Kribbeln im Nacken – hier, dachte ich mir, könnte etwas Besonderes entstehen. Der Platz war durch große Holztore abgeschirmt, die man öffnen musste, um auf das Gelände zu gelangen. Links vom Eingang stand ein L-förmiges Gebäude, das aussah, als hätte es den Zweiten Weltkrieg überstanden. Der erste Raum, etwa 25 Quadratmeter groß, war voller Werkzeuge und Ersatzteile für die LKWs. Doch der zweite Raum war leer, verlassen, ein Raum voller Möglichkeiten. Dieser Raum, dunkel und staubig, strahlte eine seltsame Ruhe aus, als ob er nur darauf wartete, mit Musik gefüllt zu werden.

Ich sprach mit Helmut über unsere Idee, und zu meiner Überraschung stimmte er sofort zu. „Den Raum über der Teppichreinigung könnt ihr vergessen,“ sagte er, „aber den zweiten Raum auf dem Abstellplatz, den könnt ihr haben.“ Die Freude war riesig. Ich rief sofort Ben an, um ihm die gute Nachricht zu überbringen. Am nächsten Tag trafen wir uns vor dem Tor des Abstellplatzes. Mit dem Schlüssel, den Helmut mir gegeben hatte, öffnete ich das knarrende Tor, und wir betraten das Gelände. Die Luft war kühl und trug den Geruch von Öl und Metall, der uns sofort in eine andere Welt versetzte.

Als wir die Tür zum Proberaum öffneten, standen wir in einem länglichen Raum, der in L-Form geschnitten war und etwa 30 Quadratmeter maß. Die Wände waren aus rauem Putz, und das einzige Fenster war so schmutzig, dass kaum Licht hindurchdrang. Der Raum war düster, und es roch modrig, aber das alles war uns egal. In unseren Köpfen begannen sofort die Pläne zu schwirren, wie wir diesen Ort in unser neues musikalisches Zuhause verwandeln könnten.

In den folgenden Tagen begannen wir mit den Renovierungsarbeiten. Helmut stellte uns einige alte Teppiche zur Verfügung, die schon lange auf dem Dachboden der Teppichreinigung verstaubten. Wir rollten sie im gesamten Raum aus, um den kalten Betonboden zu bedecken. In der Ecke des L bauten wir eine kleine Tribüne, auf der später das Schlagzeug stehen sollte. Für den hinteren Teil des Raumes besorgten wir schwarzen Stoff, den wir rundherum befestigten, um den Schall zu dämpfen. Wir strichen die Wände weiß und installierten bunte Lampen, um den Raum heller und einladender zu machen.

Jede Veränderung brachte uns näher an unser Ziel, und der Raum begann, ein Stück von uns selbst widerzuspiegeln.

Während dieser Zeit arbeitete ich weiterhin bei Helmut, um Geld für unser Equipment zu verdienen. Auch Glenn sprang gelegentlich ein, und so konnten wir gemeinsam eine Gesangsanlage anschaffen. Ich hatte sie in einer kleinen Kulturzeitung namens ZIP entdeckt, und für 300 DM war sie unser. Das Gerät war perfekt: Es hatte vier Mikrofoneingänge, Regler für Höhen, Mitten und Bässe sowie integrierte Hall- und Reverb-Effekte. Der eingebaute Verstärker war leistungsstark genug, um den Raum zu füllen. Nur noch Lautsprecher fehlten uns, aber auch die fanden wir bald in einer anderen Ausgabe der ZIP. Langsam, aber sicher, nahm unsere Band Gestalt an.

Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug, als Glenn und ich immer mehr Zeit in unserem neuen Proberaum verbrachten. Die Renovierung schritt voran, und der Raum begann, Form anzunehmen. Das L-förmige Layout stellte sich als ideal heraus. Wir hatten eine Ecke für das Schlagzeug eingerichtet, umgeben von alten Teppichen, die wir als improvisierten Schallschutz nutzten. In der anderen Ecke platzierten wir die Verstärker und das Mischpult, das wir von einem älteren Musiker, den Glenn kannte, günstig erworben hatten. Die Klangqualität war noch nicht perfekt, aber wir wussten, dass wir bald loslegen konnten.

Glenn, der immer mit einer gewissen Ruhe an die Dinge heranging, stand eines Nachmittags in der Mitte des Raums und betrachtete die Wände. „Wir brauchen noch was für die Akustik,“ sagte er und rieb sich das Kinn. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er bereits einen Plan hatte. „Schau mal,“ fügte er hinzu, „mein Onkel arbeitet bei einem alten Kino, das vor Kurzem geschlossen wurde. Vielleicht kriegen wir ein paar dieser dicken Vorhänge.“ Er grinste verschmitzt. „Das wird den Sound richtig aufpeppen.“

Die Idee, alte Kino-Vorhänge an den Wänden anzubringen, war so simpel wie genial. Zwei Wochen später hingen sie bereits und verwandelten den kahlen, rauen Raum in einen fast professionellen Proberaum. Es fühlte sich nun mehr nach einem Zuhause an, einem Ort, an dem Musik entstehen konnte.

Es war ein Freitagabend, als Glenn eine Idee hatte, die unsere nächsten Monate bestimmen sollte. „Ich habe mit Sigi gesprochen,“ sagte er beiläufig, als wir unsere Instrumente stimmten. „Er hat Lust, in die Band einzusteigen. Er spielt Bass.“

Sigi war ein ruhiger, introvertierter Typ, der immer ein wenig abseits der Gruppe stand. Seine musikalischen Fähigkeiten waren unbestritten, und ich wusste, dass er ein echter Gewinn für unsere Band sein würde. Er war jemand, der seine Basslines präzise und mit einer Hingabe spielte, die beeindruckend war. Außerdem brachte er neue Einflüsse mit – durch seine Liebe zu den Beatles war sein musikalisches Repertoire weit gefächert.

Sigi betrat unseren Proberaum zum ersten Mal an einem Samstagvormittag. Er trug, wie immer, seine braune Cordhose und das unverkennbare blaue Hemd, das schon fast sein Markenzeichen war. Er wirkte ein wenig nervös, was mich überraschte, da er in der Schule immer als der merkwürdige Typ galt. „Der Raum sieht cool aus,“ sagte er, als er sein Bass-Equipment aufbaute und sich umsah. „Ich hatte nicht erwartet, dass das so professionell ist.“ Glenn grinste nur.

Ich hingegen war zu dieser Zeit mit Karo zusammen. Karo war ein Jahr jünger als ich, hatte lange, blonde, gewellte Haare, war etwa 1,70 Meter groß und bestach durch ihre schlanke Figur und ihre Ausstrahlung. Sie machte gerade eine Ausbildung zur Arzthelferin und war voller Lebensfreude und Energie. Wir hatten uns in der Diskothek Big Apple kennengelernt, einem Ort, an dem die Nächte länger waren als der Tag und die Musik nie aufhörte. Als ich Karo fragte, ob sie nicht Lust hätte, in unserer Band mitzusingen, zögerte sie zunächst, aber dann stimmte sie begeistert zu. Ben machte das Gleiche mit seiner damaligen Freundin Beate, die das absolute Gegenteil von Karo war. Beate hatte dunkles, glattes Haar, das sie in einem langen Seitenscheitel trug, und ihre Augen funkelten vor Selbstbewusstsein. Sie war genauso groß wie Karo, aber in ihrer Art viel bestimmender. Auch Beate sagte nach kurzem Überlegen zu.

Unsere erste richtige Band war endlich geboren. Glenn spielte Schlagzeug, Sigi war der Bassist, ich übernahm die Gitarre, und Karo und Beate sorgten für den Gesang. Zu Beginn probten wir zweimal in der Woche. Wir coverten einige Songs von Bens früherer Band, versuchten aber auch, unsere eigenen Stücke zu schreiben. Meistens fingen wir einfach an zu spielen und improvisierten. Glenn gab den Rhythmus vor, Sigi setzte ein, und ich versuchte, die passenden Akkorde zu finden. Die Mädchen experimentierten mit Melodien und Texten, und so entstanden nach und nach die ersten Songs.

Es dauerte nicht lange, bis Glenn und ich aneinandergerieten. Das Problem war, dass wir beide starke Persönlichkeiten waren, die ihre eigene Vorstellung davon hatten, in welche Richtung sich die Band entwickeln sollte. Glenn war tief im New Wave und Underground verwurzelt, während ich mehr zu Disco, Pop, Funk und Soul tendierte. Sigi wiederum war ein eingefleischter Beatles-Fan, und seine Liebe zu den Klassikern war unerschütterlich. Dieses musikalische Spannungsfeld machte unsere Musik zwar einzigartig, führte aber auch zu häufigen Auseinandersetzungen. Jeder von uns wollte die Band nach seinem eigenen Geschmack formen, und diese ständigen Diskussionen hinterließen ihre Spuren.

Doch genau in dieser chaotischen Mischung lag auch der Reiz unserer Musik. Wir passten in kein festgelegtes Genre, und gerade das machte uns interessant. In meinen Augen waren wir unserer Zeit voraus. Hätten wir ein paar Jahre später angefangen, zur Zeit der Neuen Deutschen Welle, hätten wir vielleicht sogar Erfolg gehabt. Doch als wir anfingen, war diese Bewegung bereits im Abklingen, und eine neue Strömung eroberte die Musikwelt: New Wave. Diese Musikrichtung gefiel Ben, Karo und Beate, und sie prägte zunehmend unseren Sound.

Natürlich brauchten wir auch einen Bandnamen. Zunächst nannten wir uns „Pebbles & the Bambams“, ein Name, der eher zufällig entstand und uns trotzdem gefiel. Doch als weitere Musiker hinzukamen und unser Sound sich weiterentwickelte, beschlossen wir, uns in „Glenn Power Gang“ umzubenennen – ein Name, der mehr Kraft und Selbstbewusstsein ausstrahlte.

Wer noch alles zur Band stieß und wie sich unsere Musik weiterentwickelte, erfahrt ihr im nächsten Kapitel. Doch eines ist sicher: Die ersten Schritte auf unserem musikalischen Weg waren aufregend, voller Hindernisse, aber auch voller kleiner Triumphe, die uns weiter antrieben. Wir waren bereit, uns mit unserer Musik in die Welt hinauszuwagen, und das Feuer, das in uns brannte, würde uns noch weit tragen.

Kapitel 6: Der Aufstieg von Glenn Copulation

Im August 1983 machten wir unsere ersten Schritte ins Studio, doch die Aufnahmen blieben weitgehend unbeachtet. Wenn ich ehrlich bin, überrascht mich das im Nachhinein kaum – die Qualität ließ damals viel zu wünschen übrig. Trotzdem war diese Erfahrung entscheidend für unsere Entwicklung. Jeder Fehler, den wir machten, lehrte uns etwas Neues, und trotz der Rückschläge wuchs unser Ehrgeiz weiter.

Der Herbst brachte eine entscheidende Wendung. Karos jüngerer Bruder Tim, von uns liebevoll „Butz“ genannt, trat der Band bei. Er war zwei Jahre jünger als Karo, mit einem Gesicht, das noch die Unschuld der Jugend zeigte, aber seine blonden Haare und der lässige Seitenscheitel gaben ihm eine gewisse Reife, die besonders bei den Mädchen gut ankam. Er hatte diese jugendliche Ausstrahlung, die das Herz höherschlagen ließ und ihn zu einem Magneten für die weiblichen Fans machte – etwas, das unserer Band definitiv zugutekam. Jede erfolgreiche Band braucht doch schließlich ihren Herzensbrecher, oder?

Tim beeindruckte mich von Anfang an mit seiner Fähigkeit, das Keyboard spielend leicht zu beherrschen. Es war, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Wir verstanden uns auf Anhieb, doch Tim und Glenn entwickelten eine Freundschaft, die über die Musik hinausging. Ihre Verbindung war fast schon brüderlich, und ich bin überzeugt, dass diese Freundschaft bis heute Bestand hat.

In dieser Phase entstand unser erster echter Hit: „Tour de Paris“ und der verträumte Track „Im Augenblick: Naiv“. Diese Songs sollten uns lange begleiten und gehörten zu den Stücken, die wir bei fast jedem Auftritt spielten. Gleichzeitig entwickelte Glenn eine Leidenschaft für den Lead-Gesang und das Keyboard, was unsere musikalische Ausrichtung weiter formte.

Im Sommer 1984 produzierten wir unsere beiden populärsten Kassetten: „4891“ und „La Balance“ – unter unserem neuen und offiziellen Bandnamen „Glenn Copulation“. Diese beiden Werke zeigten, dass wir uns gefunden hatten, auch wenn der kommerzielle Erfolg bescheiden blieb. Aber es war uns egal. Der Weg war das Ziel, und wir genossen jede Sekunde davon.

Der Sommer brachte auch neue Gesichter in die Band. Didi, den wir „Lunte“ nannten, und seine Freundin Doris, die wir „Dogi“ tauften, kamen hinzu. Lunte war ein Drummer, wie er im Buche steht. Groß, muskulös, und mit seiner markanten schwarzen Lederkappe auf dem Kopf war er die geborene Rampensau. Wenn er hinter dem Schlagzeug saß, war er der unangefochtene Herrscher über den Rhythmus. Es war fast so, als würde er in Trance verfallen, während er mit unglaublicher Kraft und Präzision die Trommeln bearbeitete. Sein Vergleich mit „Bambam“ aus den Feuersteins war mehr als treffend – stark und ungestüm, doch mit einem Herzen aus Gold.