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Es war die Hochphase des Kalten Krieges, doch an Krieg dachte wirklich niemand, zumindest nicht in der Bundesrepublik Deutschland jener Tage in der Mitte der 1960er Jahre. Dennoch wurde aufgerüstet, die Bundeswehr strebte eine Stärke von 498.000 Soldaten an, und in der Marine wurden neue Schiffe in Dienst gestellt, für die Mariner gebraucht wurden. In dieser Zeit ging der Autor Roland Blatt als Matrose "zum Bund" und erlebte danach in Glückstadt eine Grundausbildung, die weit mehr war, als nur eine Ausbildung für den Rest der 4 Jahre, für die er sich verpflichtet hatte. Mit dem Schwung und der Unbekümmertheit der Jugend wurde er in Glückstadt mit einem ganz anderen Leben konfrontiert, als er es bisher gewohnt war. Und dennoch hatte er, so scheint es jedenfalls, wenn man dieses Buch liest, fast nie die gute Laune verloren. Das Buch wirft einen Blick auf die deutsche Bundesmarine, die es in dieser Form längst nicht mehr gibt, und ganz nebenbei ist dieses Buch auch eine Hommage an Glückstadt und die Landschaft an der Unterelbe. Kartoniertes Buch, 184 Seiten
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Veröffentlichungsjahr: 2024
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Dieses Buch ist gewidmet allen Marinern, die einstmals in Glückstadt stationiert waren, im Besonderen jedoch meinen Kameraden der Marineoffizierscrew IV/1966 und darüber hinaus auch allen Freunden dieser liebenswerten Kleinstadt am rechten Ufer der Unterelbe.
Der Autor
Norderstapel, im Januar 2024
Einst ging ich zum Bund, Abteilung Marine.
In Glückstadt gab´s ranzige Wurst, dazu Margarine,
Gewehrdrill, Formaldienst und Dosenschwarzbrot,
erst abends im Feldbett war alles im Lot.
Ich ziehe das durch, ich hab mir´ s geschworen,
denn bei der Marine geht keiner verloren ...
Das Blauzeug Marine hing immer ganz tief
im Spind, man trug dort zum Stiefel meist NATO-Oliv.
Die Hosen zu groß und die Jacken zu weit,
die Stahlhelme drückten ... die Scheitel fast breit.
Das alles berichten ... die Kommentatoren,
doch bei der Marine geht keiner verloren ...
Am Montag ging es hinaus ... nach Nordoe
zum Landkampf, ein einsamer Balken war da unser Klo.
Nachts schlief man zu zweit ... im winzigen Zelt,
in voller Montur, fernab von der Welt.
Ich fror an Händen, an Füßen und Ohren,
doch bei der Marine geht keiner verloren ...
Als Mariner in Glückstadt
I: Das Kasernengelände
I: Glückstadt:
I: Das 3. Marineausbildungsbataillon
I: Einkleidung und Ausrüstung - Übersicht
I: Diverse Dienste
I: Die Kaserne Glückstadt, erbaut 1936
I: Die 6. Gruppe:
I: Landkampf in Nordoe
I: Der Zeugdienst:
I: Glückstädter Umgebung, Elbmarschen und Geest
I: Nordoe und der Marsch zurück
I: Das Gasthaus
I: Die Themen des Themenheftes:
I: Die Kampfbahn
I: Der Pneumothorax
I: Glückstadt – das Zentrum
I: Aus der Bierzeitung der Zeit-Offiziersanwärter:
Rückblick
Nachtrag
Epilog
Anfang 1966 kam das Schreiben von der Bundeswehr, mein Antrag auf Eintritt in die Zeitoffizierslaufbahn bei der Marine hatte Gehör gefunden. Beiliegend war die Einladung zur Offiziersbewerberprüfzentrale Köln nebst Zugfahrkarte 2. Klasse, hin und zurück.
Die Abiturprüfungen im Völklinger Realgymnasium hatten noch nicht begonnen, eigentlich hätte gründliche Vorbereitung Not getan, aber drei schulfreie Tage hatten für mich immer einen besonderen Reiz. So fuhr ich Ende Januar nach Köln, das Wetter war grottenschlecht, und die schmutzigen Reste von Schnee lagen noch umher. Die Kaserne in Köln, die Mudra-Kaserne, in der ich mich zu melden hatte, war ebenso grau und trist, doch pünktlich um 1300 Uhr dieses trüben Mittwochs war ich vor Ort und harrte in einer schwach möblierten Stube der Dinge, die nun auf mich zukommen sollten.
Noch am selben Tage ging es los: Eine erste körperliche Besichtigung im Adamskostüm und einige bürokratische Hürden waren zu überstehen, und die Unterkunft wurde geregelt, es gab Einweisungen und Verpflegung. Abends, als sich die Kaserne nach Dienstschluss geleert hatte, zog es mich zuerst einmal in die Kölner Innenstadt, um zusammen mit einem „Leidensgenossen“ ein Bier auf den Erfolg dieser Veranstaltung zu nehmen.
Am Donnerstagmorgen begann die Prüfung nun richtig: Von interessiertem, vielköpfigem Publikum genauestens observiert, demonstrierten wir in der Sporthalle all unsere Sportfähigkeiten: Bodenturnen, Circuittraining, Übungen der diversen Art wie Stangenklettern und Seilklettern, Basketball und Handball – eben das ganze Programm, womit mich mein Schulsportlehrer üblicherweise auch langweilte. Fußball, was mich interessiert hätte, war leider nicht dabei. Dennoch alles, um einen möglichst guten Eindruck zu vermitteln, mit Einsatz, Anstrengung und Schnelligkeit. Und genau deshalb hatte ich mir beim Seilklettern die letzten 15 Zentimeter bis zur Hallendecke geschenkt – ein ganz schwerer Fehler, der den scharf beobachtenden Offizieren und den zivilen Psychologen nicht verborgen blieb und der mich danach mehrfach in Erklärungsnot bringen sollte.
So gewarnt begann am frühen Nachmittag dieses Tages das schriftliche Programm: Kurze Tests, Grafiken, die zu entschlüsseln waren, kleine Aufsätze zu verschiedenen Themen und Mini-Nacherzählungen, die zu schreiben waren, sowie diverse kleine Rechenaufgaben und Physik-Verständnistests, die unter Zeitdruck zu absolvieren waren. Alles etwas anders als in der Schule, aber reichlich anstrengend und manchmal auch verwirrend. Was davon richtig oder falsch war, das war meinerseits kaum einzuschätzen und trübte die Laune des Abends.
Der folgende Freitag brachte Neues und Ungewohntes: Wir Kandidaten wurden von den Prüfern einzeln und in Gruppen befragt, und am Ende mussten sich die Kandidaten - offensichtlich psychologisch hoch wichtig - sogar gegenseitig befragen. Ein sogenanntes Roundtable-Gespräch schloss diesen Teil der Prüfung ab: Alle sieben
Marine-Kandidaten wurden um einen runden Tisch platziert, ein Thema wurde vorgegeben, dann wurden wir uns selbst überlassen. Mir war sofort klar, was hier verlangt war: Einsatz und Durchsetzungsvermögen in der freien Diskussion.
Deshalb übernahm ich – ungefragt, aber auch nicht behindert – schon bald den Vorsitz an diesem Tisch, ich machte den Moderator sowie den Diskussionsleiter und sah zu, dass sich mein eigener Diskussionsbeitrag kurz, entschlossen, aber zielführend und bestimmend zeigte. Eigentlich ist das sonst eher nicht so meine Art, aber in diesem Augenblick schien mir das ganz wesentlich zu sein.
Am Samstagmorgen konnten wir sieben Probanden von der Abteilung Marine es ruhiger angehen lassen. Einige Aufgaben waren zwar noch zu erfüllen, dann wurden alle zuvor an uns ausgegebenen Ausrüstungsgegenstände wieder eingesammelt, und gegen Mittag wurden wir nach einem Abschlussgespräch, in dem mir erneut meine geringe Auslassung beim Seilklettern vorgehalten wurde, entlassen - mit dem Hinweis, dass uns das Endergebnis schriftlich mitgeteilt werden würde. Mit gemischten Gefühlen verabschiedete ich mich von den anderen 6 Prüfungskameraden, die, so wie ich auch, zur Marine wollten, bestieg im Kölner Hauptbahnhof den Zug und begab mich bei jetzt besserem Wetter auf die Heimfahrt. Der erste Schritt war getan, oder?
Anfang Februar wurden die schriftlichen Abiturarbeiten geschrieben: in den Hauptfächern Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik, jeweils über 5 Stunden. Ende Februar lagen die Ergebnisse vor: Die Vornoten waren durchschnittlich gewesen, meine Prüfungsnoten waren es nun auch. Also: im Prinzip bestanden mit mittelmäßigem Ergebnis, und deshalb war eine zusätzliche mündliche Prüfung unausweichlich. Und für mich bedeutete das zu meiner Überraschung: Prüfung in Deutsch und Musik.
Im März 1966 kam das Schreiben aus Köln:
Personalstammamt der Bundeswehr
3.3.1966
Köln
Neumarkt 49
Sehr geehrter Herr Blatt!
Ihre Einstellung als Offiziersanwärter für den 4.4.1966 zum
3. Marineausbildungsbataillon Glückstadt/ Holstein ist vorgesehen. Der Einstellungsbescheid geht Ihnen demnächst zu. Ich bitte bis dahin um Geduld.
Hochachtungsvoll!
im Auftrag Tellbrügge
Bestanden! Einberufung nach Glückstadt/ Unterelbe zum 3. Marineausbildungsbataillon, 5. Kompanie. Wen von den 6 Mitstreitern in Köln würde ich wohl wiedersehen? Um es vorweg zu nehmen, es waren nur zwei: der verschmitzte Harald aus Kirn und der gestandene Seebär Gerd aus Bremen.
Damit war für mich alles klar, um einen Studienplatz brauchte ich mich nun nicht mehr zu kümmern, ich war für die unfassbar lange Zeit von vier Jahren versorgt und verplant. Nun galt es aber, das Abitur mit Anstand zu Ende zu bringen.
In den folgenden zwei Wochen ging der Unterricht weiter, obwohl im großen Ganzen „die Luft heraus“ war. Nur in Mathematik wurde es noch einmal spannend, als wir im Unterricht die Sphärische Trigonometrie – also Berechnung von gebogenen Dreiecken – zum Thema hatten. Immerhin fand ich es möglich, dass mir diese Kenntnisse bei der Marine noch einmal von Nutzen sein könnten.
Doch der Höhepunkt dieser letzten Tage war der Augenblick, als das Abitur, übrigens für alle in meiner Schulklasse, seine Fortsetzung nahm, diesmal aber in der direkten wörtlichen Auseinandersetzung mit zwei oder mehr Prüfern.
Dennoch verlief das „Mündliche“ ausgesprochen gut. Ich hatte mir einen Plan gemacht, die Prüfer ließen sich von mir führen, und die Themen hatte ich so gewählt, dass sie Interesse erregen mussten. Alles war gut, und genau so waren danach auch die Noten in beiden Fächern.
Damit war das Thema „Schule“ für mich abgeschlossen. Mein Notenschnitt war durchschnittlich, aber damals interessierte das niemanden und mich schon gar nicht. Einen „Numerus Clausus“ gab es noch nicht, und für mich standen ohnehin andere Dinge an. Denn für mich hieß es nun: Endlich in Freiheit - weg von „zu Hause“, hinaus „in die Welt“, auf und davon „zu neuen Ufern“! Und die hoffte ich, bei der Marine zu finden.
Ein weiteres amtliches Schreiben traf ein, diesmal direkt vom 3. Marineausbildungsbataillon. Da warf nun die Grundausbildung, der alle jungen Rekruten unterworfen waren, ihre Schatten voraus. Es war zu lesen:
Lieber junger Kamerad!
1. Bringen Sie außer der bürgerlichen Kleidung, die Sie zur Reise tragen, keinerlei weitere Bekleidung mit. Sie werden hier von Kopf bis Fuß eingekleidet.
2. Vergessen Sie nicht:
Einberufungsschreiben
Lohnsteuerkarte 1966
Abschriften Reifezeugnis, Geburtsurkunde, sofern noch nicht abgegeben.
Geben Sie Ihre Fahrkarte und Zuschlagskarte bei der Bahnhofssperre n i c h t ab. Abrechnungsbeleg!
3. Zur persönlichen Ausrüstung sollten gehören: Schwamm oder Waschlappen, Seifendose mit Seife, Kamm, Haarbürste, Nagelreiniger, Nagelschere und Rasierzeug, dazu einen Kugelschreiber, Briefpapier, zwei Vorhängeschlösser und 10 Kleiderbügel. Dann folgten die Punkte, die zwar von untergeordneter Bedeutung waren, aber mit dem folgenschweren Satz endeten: Des Weiteren: keine Alkoholika, erwünscht sind jedoch leicht transportable Musikinstrumente...
Das Schreiben endete mit Punkt 13:
Ihre neue Anschrift im privaten Schriftverkehr lautet innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und mit Personen in Ländern außerhalb des kommunistischen Machtbereichs:
Matrose (oder Herrn)
Roland Blatt
2208 Glückstadt
Am Neuendeich 49
Im privaten Schriftverkehr mit Personen in Ländern des kommunistischen Machtbereichs darf kein Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Bundeswehr gegeben werden. Lassen Sie die Briefe weiterhin an Ihre Heimatanschrift senden und bitten Sie Ihre Eltern, Ihnen diese Briefe nachzuschicken. Dieses Schreiben ist zum Dienstantritt mitzubringen.
Junge, Fregattenkapitän und Bataillonskommandeur des 3. Marineausbildungsbataillons Glückstadt.
Auf der Zugfahrt in den Norden hatte ich bei meinen Großeltern in Hameln Station gemacht. So war der letzte Teil der Reise nicht mehr sehr lang, bereits am späten Vormittag des 4.4.1966 traf ich per Bahn in Glückstadt ein und machte mich auf den Weg zur Kaserne, ganz am nördlichen Ende dieses kleinen Städtchens an der Elbe gelegen.
Die regennasse Straße, die ich entlang ging, hieß nicht ohne Grund „Am Neuendeich“, denn diese führte genau am Fuß des zur Linken befindlichen, von einem maroden Weidezaun gekrönten Deichs entlang, der - kahl, hoch und für mich äußerst befremdlich - jegliche Sicht auf die Elbe versperrte. Die lückenhafte Bebauung zur Rechten dagegen ermöglichte gelegentlich den Blick in die weiten Flächen der Elbmarsch, die sich noch in winterlicher Tristesse zeigten.
Die Straße Am Neuendeich - rechts das Offiziersheim, im Hintergrund links die Blocks der Kaserne.
Die Adresse, der ich zustrebte, hieß: Am Neuendeich 49. Und die Kaserne war auch nicht zu übersehen. Das Tor dieses massiven und fast etwas bedrohlich wirkenden, in dunkelrotem Klinker erbauten und von einem Posten unter Gewehr bewachten Frontgebäudes, dazu von gleich drei Giebeln gekrönt, zog mich fast unwillkürlich an. Das war das Tor in eine andere Welt, eine Welt für die nächsten 4 Jahre. Noch konnte ich umkehren, doch ohne Zögern trat ich ein.
Der Posten nahm keine Notiz von mir, aber der Wachhabende prüfte meine bereitgehaltenen Unterlagen und wies mir dann den Weg, unüberhörbar und lautstark. Der Block SACHSEN lag gleich links. Auch hier trat ich ein und wurde - nach einigen Stufen aufwärts - gleich von dem UvD, dem zuständigen „Unteroffizier vom Dienst“, dessen Dienstraum nicht zu übersehen war, in Empfang genommen und „eingenordet“.
Für mich hieß das: Eine Treppe hoch, dann links den Flur hinunter, vorletzte Tür rechts: „Dort halten Sie sich auf, bis ein neuer Befehl kommt. Verstanden?!“ „Ja“, sagte ich etwas zivil, und wurde gleich eines besseren belehrt: „Das heißt: Jawoll, Herr Obermaat!“ Nun denn, dann halt: „Jawoll, Herr Obermaat“.
In der bezeichneten Stube traf ich zwei weitere Zivilisten meines Alters an, die bald ebenso unsicher wie ich an den weißlich belegten Resopaltischen saßen, die die Mitte des Raumes einnahmen. Ein Gespräch kam anfangs nur zögernd zustande, ein Grund mehr, die Aufmerksamkeit der Unterkunft zuzuwenden: Gegenüber der Tür, die ich eben durchschritten hatte, befanden sich die zwei Fenster des Raumes, davor eine kleine Anrichte, auf dem ein uraltes Radio schon bald für etwas Ablenkung von dieser beklemmenden Situation bot. Die Wände rechts und links waren in Gänze besetzt von insgesamt 12 schmalen, hohen Schränken, die jedem der zukünftigen Bewohner dieses kalt und unpersönlich wirkenden Raumes sicher bald zur Verfügung gestellt werden sollten. Das Mobiliar wurde vervollständigt durch 12 Stühle, die einigermaßen geordnet diese beiden bereits erwähnten soliden Tische umstanden.
Gegen 1400 Uhr waren wir schon zu viert, und ganz langsam kam der kleine Hunger auf. Einer dieser Herren, mit denen ich die nächsten 3 Monate wohl zu verbringen hatte, machte sich auf zum UvD, um diesbezüglich anund nachzufragen. Danach zog er los zur Kantine, unterstützt von einem der Stubengenossen. Als beide zurück waren, hatten sie je 2 große Henkelmänner dabei mit Brot, Margarine, Käse, Wurst und dazu eine große Kanne Kaffee, Teller, Tassen und Besteck: Damit konnte die erste Mahlzeit auf Staatskosten der „Bundesrepublik Deutschland“, oder des „Bundes“, wie man den Staat unter Staatsbediensteten bezeichnete, beginnen.
Das, was da an Essbarem geboten wurde, war nicht schlecht. Besonders schmeckte mir die hauchdünn geschnittene, knüppelharte, aber scharf gewürzte Salami, deren leicht ranziger „Haut Goȗt“ mich in keiner Weise abschrecken konnte. Auf diese Weise bald gut gesättigt, konnten wir dem, was uns nun erwartete, deutlich ruhiger ins Auge blicken.
Block SACHSEN, in dem auch die Schreibstube und das Dienstzimmer des Kompanie-Chefs untergebracht war.
Das Bild zeigt die Hauptstraße der Kaserne Glückstadt vom Frontgebäude aus gesehen. Vorn links der Block SACHSEN, dahinter der Block THÜRINGEN, rechts die Blöcke BRANDENBURG und Bock SCHLESIEN, links, hinter THÜRINGEN und von den Bäumen verdeckt steht das Kantinengebäude mit dem großen Speisesaal, der zu den Mahlzeiten stets brechend voll war, abends nach Dienst aber auch als Gaststätte vom Kantinenpächter genutzt wurde, inklusive einer Musikbox mit Märschen und den Hits der Zeit.
Dem Kantinengebäude gegenüber befand sich der kleine Park mit dem Fahnenmast und der Glocke. :I
Bis zum Abend war die 6. Gruppe vorläufig komplett. Wir besetzten die Schlafstube auf der dem Flur gegenüber liegenden Seite und bezogen, so gut es ging, die Betten. Immerhin: Ich hatte mir schon nachmittags eines der beiden in Fensternähe und mittig im Raum stehenden Einzelbetten reserviert, das mir vorteilhafter zu sein schien als die Doppelstockbetten an den Wänden. Doch ob meine Wahl tatsächlich ein Gewinn war, das sollte sich noch erweisen.
Danach räumten die 12 Mann der Stube die Spinde ein, wie die Schränke ab sofort genannt wurden, und zwar jeder tat dies nach eigenem Gutdünken und individueller Vorstellung, nicht ahnend, dass diese Spindgestaltung schon bald Makulatur sein würde.
Denn schon am nächsten Tag wurden wir zwölf Stubenbewohner und zukünftige Matrosen von dem uns zugewiesenen Gruppenunteroffizier, mit Namen Kohl und vom Dienstgrad her Obermaat, sehr nachdrücklich belehrt über die vorschriftsmäßige Spindordnung, die ab sofort peinlichst einzuhalten sei.
Wichtig dabei war, den Spind selbst, vor allem aber auch das dort eingebaute Wertfach mit den auftragsgemäß von zu Hause mitgebrachten Schlössern zu sichern. Und noch viel wichtiger war es, um Punkt 2200 Uhr das Feldbett aufzusuchen. Denn das war gemeint, wenn der UvD nach einem Vorspiel mit der Bootsmannsmaatenpfeife den Befehl verkündete: „Ruhe im Schiff! Licht aus!“
Danach lag ich sehr schnell mit den anderen 11 in der „Koje“ und versuchte befehlsgemäß in den Schlaf zu kommen, denn die Nacht sollte nicht sehr lang werden. Das Wecken war für 0545 Uhr angekündigt worden.
Das 12.000 Einwohner zählende, am rechten Ufer der Unterelbe liegende Städtchen war 1617 vom dänischen König Christian IV., der damals gleichzeitig Herzog und deutscher Landesfürst in weiten Teilen der beiden damaligen Herzogtümer Schleswig und Holstein war, als Festungsstadt gegründet worden - einerseits zum Schutz des Landes, andererseits aber auch in der gelinden Hoffnung, damit der mächtigen Hansestadt Hamburg Konkurrenz machen zu können. „Dat schall glücken, dat mutt glücken, und dann schall se ok Glückstadt heten!“, soll der König, der zwar kaum Dänisch, dafür aber umso mehr Plattdeutsch sprach, bei der Grundsteinlegung gesagt haben. So kam die Stadt zu ihrem Namen, und seitdem ist auch die römische Göttin des Glücks namens Fortuna, bar jeder Kleidung und nur punktuell von einem schmalen Kapitänswimpel bedeckt, im Wappen vertreten.
Auf lange Sicht gesehen, brachte die Namenswahl aber doch nicht den erhofften Erfolg. Immerhin bewährte sich die nach den neuesten Erkenntnissen der damaligen Zeit erbaute Festungsstadt bereits schon wenige Jahre später im 30-jährigen Krieg, als sie der Belagerung durch die kaiserlich-katholischen Truppen Wallensteins erfolgreich widerstehen konnte. Doch schon nach dem Frieden von Kiel, im Jahre 1814, und im Zusammenhang mit der dänischen Niederlage an der Seite Napoleons, wurde die Festung geschleift. Tatsächlich aber blieb Glückstadt über mehr als 400 Jahre von kriegerischen Ereignissen verschont, und auch das kann man als Glück bezeichnen.
Festung Glückstadt/ Unterelbe, im 17. Jahrhundert
Abgesehen von der planmäßigen Anlage der Stadt, von deren zentralem Marktplatz fast alle Straßen sternförmig abgehen, erinnert nicht mehr viel an diese Vergangenheit. Zumindest bei oberflächlicher Betrachtung.
Mit der Konkurrenz zu Hamburg wurde es jedenfalls nichts, denn schon bald versandete das nah an der Stadt vorbeiführende Hauptfahrwasser, denn die Elbe hatte sich erdreistet, nun überwiegend westlich der Flussinsel Rhinplate entlang zu fließen. Damit war die Stadt von der Großschifffahrt abgeschnitten.
Zwar hatte Glückstadt noch zeitweilig die Funktion einer Residenz- und Verwaltungsstadt inne, was jetzt noch an einigen verbliebenen, gut erhaltenen Adelshäusern zu erkennen ist, aber auch das brachte keinen nachhaltigen Aufschwung. So blieb Glückstadt eine beschauliche und ruhige Kleinstadt am Unterlauf der Elbe, an welcher der Pulsschlag der Zeit vorbei ging. Und das änderte sich auch nicht, als im Jahr 1936 am Neuendeich die Kaserne erbaut worden war, die alsbald von der Kriegsmarine in Beschlag genommen wurde. Zwanzig Jahre später, und vorübergehend anderweitig genutzt, gelangte die Kaserne in die Hand der neugegründeten Bundeswehr, die sie umgehend der Marine zuwies.
Im Jahr 1966 war, neben der Papierfabrik Temming, die außerhalb und ganz überwiegend jenseits des Flüsschens „Rhin“ lag, die Bundeswehr in Form der Bundesmarine der größte Arbeitgeber der Stadt. :I
Zur damaligen Zeit, in der Mitte der 1960-er Jahre, als die Bundesmarine noch massiv im Aufbau war, gab es 4 Marineausbildungsbataillone in einem eigens dafür eingerichteten Ausbildungsregiment, dessen Stab ebenso im Frontgebäude der Kaserne untergebracht war, wie der des hier liegenden 3. Bataillons. Dieses Gebäude, in dem mittig das große und gut bewachte Haupttor eingelassen ist, war somit das Hauptgebäude der Kasernenanlage an der Glückstädter Ausfallstraße nach Norden, der Straße „Am Neuendeich“.
Die vier diesem Regiment zugeordneten Bataillone waren das:
1. Marineausbildungsbataillon in Eckernförde, das 2. Marineausbildungsbataillon in Glücksburg-Meierwik, das 3. Marineausbildungsbataillon in Glückstadt und das 4. Marineausbildungsbataillon in Brake/Unterweser.
Die vordringlichste Aufgabe dieser Einheiten war es, den gerade frisch eingezogenen Marinern die militärische Grundausbildung zu vermitteln.
Das 3. Marineausbildungsbataillon bestand zu der Zeit aus 5 Kompanien. Die 5. Kompanie, zu der ich und alle Offiziersanwärter eingezogen worden waren, hatte somit den Standort in der Kaserne zu Glückstadt / Unterelbe, Am Neuendeich 49. :I