Als wir nach Apfelshampoo rochen - Axel Schade - E-Book

Als wir nach Apfelshampoo rochen E-Book

Axel Schade

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Beschreibung

Die siebziger Jahre. Die Zeit, in der wir nach Apfelshampoo rochen. Ein Jahrzehnt, in dem es Spaß machte, jung zu sein. Wer die 70er Jahre als Jugendlicher erlebte, bestätigt, dass diese Zeit zu seiner Glücklichsten gehört. Ein Jahrzehnt, schrill, überdreht, poppig, mit rockiger Musik, verrückter Mode, sexueller Revolution u.v.m. Prilblumen blühen, Flipper schwimmt im Afri-Cola-Rausch durchs Werbefernsehen und im Kino geht eine Hose in Flammen auf.

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Plopp, Schlumps oder Flutsch.

Kartoffelsalat und Perversiko.

Mit Schirm, Charme und Melone.

Ist das Zufall?

Hypothalamus, du doofe Nuss!

Frau mit Schwanz und Bettwurst.

Wie Sex in mein Leben kam.

Bademantel mit Salzstangen.

Was Eltern nicht für möglich halten!

Umgeben vom weiblichen Geschlecht!

Das Hormongewitter bricht aus.

Kinderkram.

Cowboys und Indianer.

Meine TV-Welt wird bunt!

Wie hieß der Delphin? Hans?

Brauner Bär hört Musik.

Das Millionenspiel.

Wiederhören macht Freude!

Der Untergang des Abendlandes?

Ich bin kein Fisch!

Ihm fehlt Lebertran!

Höhenangst und Plateauschuhe!

Trinkbare Farbe als Stimmungselixier!

„Siehst du, nun hast du ein schlechtes Gewissen!“

Im Kaufhaus übernachten? Super Idee!

1860 Pelikano!

Trimm dich!

Spargeltarzan.

Wer ist dafür, dass wir dagegen sind?

Lies es von den Lippen ab!

Die chlorreiche Jeans!

TV – Kinderprogramm, 1970 bis 1972.

Geliebte, ich vergeß dich nie!

Hurra, wir holen uns Hämatome!

Aliens, Harold und Maude.

Kaiser von Deutschland!

Aktion Fröhliche Küche!

Gute Nacht, Freunde.

Männerwirtschaft!

Mein Opfer für die Wissenschaft!

Selfie ´72!

Darf ich bitten, oder wollen wir vorher tanzen?

Komm, gib mir deine Hand, wir beamen!

Konfirmation in rot und weiß.

Ekel Alfred und die dusselige Kuh.

Geh doch nach drüben!

Unnützes Beiwerk oder Getue.

Im Sex Shop.

Betriebseigener Handlanger.

Abba und Ententanz.

Salmei, Dalmei, Adomei!

1974 werde ich mobil.

Tiger im Tank, Zucker im Kaffee!

Frank, der coole Daddy!

Fünfzig Kubik.

Die Geschichte von El Bimbo.

Schlüpferlose britische Buben.

TV – Kinderprogramm 1973 bis 1975.

„Gute Nacht, John-Boy!“

Auf der schiefen Bahn!

Hildegard, sagen sie jetzt nichts.

Abgesoffen!

Schlumpfhausen.

Der Strengste unter der Sonne!

Eisgekühlt durch die Unterhose.

Rada rada radadadada.

27. März 1977, 20.15 Uhr.

Tarzan ist wieder da!

Kriegt er Sterne?

Das Gölfchen und die fliegende Zitrone.

Hymnen ´77

Der Tuntenkäfig.

Da gibt´s kein Fromms und keine Pille.

Entzückend, Baby!

Das Lied von Manuel.

Der letzte Cowboy, Laubfrosch.

Der dritte Streich.

Olaf hat Husten!

Skandal in Rübennasenhausen.

Neulich in Bad Spencer.

Kino bis die Hose in Flammen steht!

TV - Kinderprogramm 1976 bis 1979.

Abspann, Katalog, Scheel und Popcorn.

Sendeschluss.

Als wir nach Apfelshampoo rochen

Von Axel Schade

Buchbeschreibung:

Als wir nach Apfelshampoo rochen, ist eine heitere Reise durch die 1970er Jahre. Axel Schade beschreibt diese Zeit aus der Sicht eines Jungen, der in einer Stadt in der Provinz aufwächst.

„Träte eine Fee ins Zimmer und offerierte mir einen Wunsch, fiele mir nichts anderes ein, als die 1970er Jahre nochmals zu erleben.“

Axel Schade, Dezember 2017.

Über den Autor:

Axel Schade arbeitete als staatlich anerkannter Erzieher in der Kinder- und Jugendhilfe. Er sang in Bands, textete, komponierte, veröffentlichte CDs und war Mitbegründer eines musikalischen Mitmachtheaters für Kinder. Aufgrund einer Lungenerkrankung ist er Frührentner und verbringt seine Freizeit mit Schreiben. Er bezeichnet sich selbst als Hobbyautor.

Als wir nach Apfelshampoo rochen

Von Axel Schade

1. Auflage, 2017

© Alle Rechte vorbehalten.

Als wir nach Apfelshampoo rochen!

Menschen, die die 70er Jahre als Jugendliche erlebt haben, haben mir bestätigt, dass diese Zeit zur herrlichsten ihres Lebens zählt. Zu jenen Glücklichen gehört eine langjährige Freundin, mit der ich mich unterhielt.

„Du planst ein Buch über die 70er Jahre?“, fragte sie. „Was wird das? Eine Zeitreise? Also Science Fiction?“

„Damit hat es nichts zu tun“, schwöre ich und beschreibe die Idee, die meinem Projekt zugrunde liegt. „Was hältst du davon?“, frage ich.

„Toll! Ich würde es kaufen, wenn du es mir nicht schenken würdest. Nee, im Ernst, das ist super. Ich bin schon neugierig, es zu lesen.“

Wir unterhalten uns über meine Ideen, die ich in das Buch einfließen lassen möchte, und frage: „Was denkst du, warum diese Epoche für viele Menschen die glücklichste Zeit war?“

Sie muss nicht nachdenken. Spontan sprudelt es aus ihr heraus: „Es war der Zeitgeist! Ich hatte das Gefühl, wir sind alle gleich“, erklärt die Freundin.

„Wie meinst du das genau?“

„Denk an die Klamotten“, sagt sie. „Wie wir rumgelaufen sind. Röhrenjeans, Halstuch, Parka, eine Haarbürste in der Brusttasche. Wir sahen alle gleich aus. Neid kam nicht auf.“

„Stimmt. Du hast Recht. Ich bin genau so herumgelaufen, wie du es beschrieben hast. Military-Look nannte man das.“

„Genau. Love & Peace hieß das Motto und die Kleidung war unser Ausdruck des Protests. Erinnerst du dich daran?“, will sie wissen.

„Natürlich erinnere ich mich!“ Ich muss lachen und sage: „Wenn es etwas zu protestieren gab, war ich immer dabei und trug das Peace-Symbol jahrelang als chromglänzendes Schmuckstück an einem blauen Lederband um den Hals. Ich hatte es aus dem amerikanischen Laden in der Oberstadt. Das war mein Einkaufsparadies. Da gab es die billigsten Klamotten. Vieles war Second Hand.“

„Ja, da werden Erinnerungen wach“, seufzt sie etwas wehmütig, „der US-Shop! Den hatte ich vergessen. Jetzt, wo du es sagst, sehe ich ihn wieder vor mir.“

Für einen Moment schweigen wir und schwelgen jeder für sich in Erinnerungen.

„Weißt du“, grüble ich, „das mit den Klamotten, das sind ja nur Äußerlichkeiten. Sie gehören zweifellos dazu, aber sie sind nur ein Teil des Ganzen.“

„Ja, ich verstehe, die Mode ist bloß ein Baustein, das stimmt. Dazu kommt die Musik“, erinnert sie mich, „die darfst du nicht vergessen!“

Recht hat sie. Die Musik der 70er Jahre war facettenreich und von hoher Qualität. Viele neue Stile entstanden in dieser Zeit. Die Bandbreite reichte von Elektro-Pionieren wie KRAFTWERK über Punk, Glamrock, Hardrock und Progressive Rock bis Disco. Ich glaube nicht, dass ein anderes Jahrzehnt eine solche Vielfalt geboten hat.

„Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss des Fernsehens, das ebenfalls eine neue Ära eingeläutet hat“, erinnert sie mich.

„Gut, dass du dieses Thema ansprichst, da kann ich einiges beisteuern“, und ich denke laut weiter: „Es ist interessant, dass die Jugendlichen von damals zwar unterschiedliche persönliche Erfahrungen gemacht haben, aber dass sie sich gleich oder ähnlich gefühlt haben. Das ist zumindest mein Eindruck aus Gesprächen, die ich führte.“

„Darüber habe ich auch nachgedacht“, sinniert meine Freundin, „denn dieses Feeling gehörte für mich damals dazu!“

„Feeling!“, lache ich, „das Wort habe ich in diesem Zusammenhang lange nicht mehr gehört. In den 70er Jahren haben wir damit das große Ganze beschrieben. Ein kollektives, positives Gefühl.

Sie bestätigt: „Ich verstehe, was du meinst, und die Leute, die dabei waren, werden sich auch daran erinnern. Aber wie erklärst du es den anderen?“

„Verbundenheit ist ein passendes Wort“, schlage ich vor.

„Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagt sie und fügt hinzu: „Im gleichen Sinne kannst du auch Gemeinsamkeit, Wesensverwandtschaft oder Seelenverwandtschaft verwenden.“

Ich scherze lächelnd: „Junge Frau, du kennst viele Wörter, Respekt! Eigentlich ist es von allem etwas“.

Wir verabschieden uns, aber der Inhalt des Gesprächs beschäftigt mich weiter. Ich gehe die Worte im Kopf durch, wäge ab. Schließlich finde ich eine für mich akzeptable Lösung: „Das Wir-Gefühl“. Es machte kaum einen Unterschied, ob jemand seine Jugend in Ostfriesland, München, Darmstadt, Köln oder in Siegen verbrachte. „Das Wir-Gefühl“ der 70er Jahre verband uns.

Nachfolgende Generationen kennen diese Harmonie offensichtlich nicht mehr. Laut einer 2017 veröffentlichten Studie (Quelle: Ostfriesischer Kurier, April 2017) halten 81 Prozent der Befragten in Deutschland die Gesellschaft für gespalten. 73 Prozent gaben an, diese Spaltung heute stärker zu empfinden als noch vor zehn Jahren. Trotzdem sind 61 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Menschen weltweit mehr verbindet, als trennt.

Plopp, Schlumps oder Flutsch.

Um die 70er Jahre bewusst zu erleben, war es ratsam, rechtzeitig das Licht der Welt zu erblicken. Meine Erzeuger versuchten 12 Ehejahre lang, einen Nachkommen zu zeugen, was mir zeitlich entgegenkam, da es mein Erscheinen nach hinten verschob.

Anfang der 70er Jahre zählte ich 10 Jahre, mit 21 Jahren erlebte ich den Jahreswechsel 1979/80. Ein Jahrzehnt, das ich als Kind, Jugendlicher und Erwachsener erlebte.

Am 2. Juli 1959 wurde ich geboren. Ein heißer Sommertag war das, sagt Mutter. Sie muss es wissen, sie hat die Geburt unausweichlich miterlebt. Ich hätte längst da sein müssen, sagten die Fachleute, aber ich verkroch mich noch eine Weile in der Komfortzone. Auf die da draußen hatte ich vorerst keine Lust. Also streikte ich, was ich für mein Geburtsrecht hielt und blieb im Mutterleib.

Alle Kinderrechte missachtend, bedrohte mich kurz darauf ein maskierter Mann im Kittel mit einer Zange. Er packte mich mit dem Werkzeug, zog, es machte plopp, schlumps oder flutsch, und ich war auf der Welt.

Ich schaute mich um und erschrak. Um mich herum drehte sich der Saal im Kreis! „Mist, falsch abgebogen. Eigentlich wollte ich nach dem dritten Mond gleich links. Was soll´s. Wenn ich nun mal hier bin, kann ich auch ein paar Jahre bleiben und die Welt nachhaltig verändern“, philosophierte ich mit kindlicher Naivität und Unternehmungslust aber Flöte gepfiffen! Nix Modifizierung.

Auf irgendeine Weise bekamen die maskierten Kittelträger Wind von meinem ausgeklügelten Plan zur nachhaltigen Weltverbesserung und um meine politische Einstellung zu korrigieren, sperrten sie mich kurzerhand für mehrere Wochen in ein Gipsbett! So sollte ich Haltung lernen. „Das könnt ihr euch abschminken!“, protestierte ich aus Leibeskräften schreiend. Mit dem unmissverständlichen Ausruf „Das ist keine artgerechte Haltung!“, machte ich krakeelend auf meine missliche Lage aufmerksam und demonstrierte dagegen, was die Lunge hergab.

Entweder gab man sich der Illusion hin, mich nicht zu hören, oder man verstand meine Sprache nicht, denn ich wurde konsequent ignoriert. In was für ein Zwangssystem war ich geraten? Woher wussten sie von meinen Bemühungen, die Welt zu verbessern? Wurde ich abgehört?

Wahrscheinlich hatte die Wasserstoffblondine, mit der ich ein Zimmer teilen musste, etwas damit zu tun. Sie spionierte mir den Tag und Nacht hinterher. Ständig schaute sie in mein Zwangslager, plapperte etwas von „Hutzigutzi“, „Ich bin die Mutti“ und „Ach, ist der süß“ und hielt mir eines ihrer sekundären Geschlechtsorgane ins Gesicht. „Nicht mit mir, Mata Hari!“, rufe ich ihr zu, „ich trete in den Hungerstreik!“

Leider habe ich die Folgen meines Boykotts nicht bedacht. Zwangsernährung! Gnadenlos schob mir Blondi ihren Nippel des Verderbens in den Mund. Bis zur Unterlippe gefüllt, zwang sie mich dann mit gezielten Schlägen auf den Rücken, meine Kinderstube völlig zu ignorieren. Sie klopfte auf mich ein, bis ich rülpste.

Zwei Jahre später kleidete mich Mata Hari in volkstümliche Tarnanzüge und ließ mich im Vorgarten Marschieren üben. Siehe Foto.

Mittlerweile bin ich alt mit Glatze. Der größte Teil meines Lebens liegt hinter mir. Wenn ich zurückblicke, war es nicht schlecht. Ich habe viel erlebt, durfte wunderbare Reisen machen, habe viel Spaß gehabt und viel gelacht. Eine 34-jährige glückliche Ehe und die Geburt eines wunderbaren Sohnes runden mein Leben ab.

Wenn ich in den Rückspiegel schaue, sehe ich die 70er Jahre noch einmal vor mir. Es war das Jahrzehnt, in dem ich am meisten gelacht habe. Lachen ist ein kostbares Geschenk. Ich schreibe dieses Buch, um mich daran zu erinnern und um die Leserinnen und Leser zu amüsieren. Denn wer lacht, lebt gesünder, heißt es, und Lachen ist die beste Medizin, sagt der Volksmund.

Kinder lachen durchschnittlich 400 Mal am Tag, haben Wissenschaftler herausgefunden. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, denn ich habe als staatlich anerkannter Erzieher gearbeitet.

Kinderlachen ist ehrlich und ansteckend. Kinder lachen gerne und viel und dann kommen sie in die Schule! Da vergeht den meisten das Lachen oder es wird ihnen genommen. Das ist mein Eindruck nach mehreren Jahren Arbeit mit Kindern. Vielleicht schreibe ich auch ein Buch über diese Erfahrungen, mal sehen.

400 Mal am Tag lachen Kinder, erinnern wir uns. Erwachsene nur 15 Mal. Wenn’s hochkommt! Das fand die Lachforschung (Gelotologie) heraus. Sie stellte fest, dass Menschen in den 1950er Jahren 18 Minuten am Tag gelacht haben. Heute sind es statistisch nur 6 Minuten! Was ist los mit uns?

Humor ist eine der komplexesten Leistungen unseres Gehirns. Um etwas lustig zu finden, werden sprachliche Areale aktiviert. Vorwissen wird aus dem Gedächtnis abgerufen. Außerdem wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Humor schlägt eine Brücke zwischen Verstand und Gefühl. Wie eingangs gehört, ist Lachen gesund. Ohne fiese Nebenwirkungen und ohne Rezept kann jeder, dem es nicht gut geht, sofort mit einer Lachtherapie beginnen. Mit den folgenden Geschichten leiste ich meinen Beitrag und wünsche mir nichts mehr, als dass die Leserinnen und Leser herzhaft lachen.

Willkommen in den 70er Jahren. Da mir vieles aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist, dachte ich mir, setz dich hin und schreibe es auf, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Dabei beschränke ich mich auf das Fröhliche, das Positive, lieb gewordene Erinnerungen und persönliche Erlebnisse. Natürlich gab es auch Hässliches in dieser Zeit, aber ich schreibe aus der Sicht des Heranwachsenden, den das Weltgeschehen (noch) nicht kümmert. Wer über Krieg und Terror der 70er Jahre informiert werden will, dem empfehle ich andere Lektüre. In diesem Buch geht es vor allem um Spaß. Begleiten Sie mich durch ein Jahrzehnt, in dem es eine Freude war, jung zu sein.

Wo soll ich anfangen? Tausend Erinnerungen schießen mir durch den Kopf. Erstaunlich, was mir zuerst einfällt: Lange Haare! Gefolgt von Flaschendrehen. Feiern. Schwofen. Persiko. Flippern. Heimlich rauchen. Rockmusik. Moped. Mokick. Die erste feste Freundin. Die große Liebe. Der Schmerz, als sie Schluss machte.

Interessant, dass ich sofort an lange Haare denke. Automatisch verbinden meine Synapsen dieses Bild mit dem Geruch von Apfelshampoo.

An dem Tag, als die erste Mitschülerin diesen Duft durch die Schule trug, schnupperten viele neugierige Nasen daran. Der Duft hatte Suchtpotenzial. Die grünen Flaschen fanden reißenden Absatz. „Schauma Shampoo“ stand in fast jedem deutschen Badezimmer. Auf dem Etikett eine Familie mit aufgeschäumten Haaren, dazu der Duft von Granny Smith. Das war Schauma Apfelblüten-Shampoo. Bald wuschen sich Freunde und Klassenkameraden damit den Kopf. Der Duft zog durch unser Klassenzimmer.

Klar, dass auch ich nach Apfelduft lechzte! Dummerweise hieß es für mich: „Nur schnuppern, nicht waschen!“

Ich durfte kein Apfelshampoo benutzen. Der Grund: Ich stamme aus einer Friseur-Dynastie. Eltern und Großeltern mütterlicherseits waren mit Meistertiteln dekoriert und bevorzugten Produkte einer Konkurrenzfirma, die ein Shampoo mit dem Duft frischer grüner Äpfel erst auf den Markt brachte, als der Boom an unserer Schule vorbei war. Ich war out!

Der Duft von Apfelshampoo! Erstaunlich, wie Gerüche Erinnerungen wecken können! In diesem Zusammenhang fallen mir noch andere Dinge ein, die für jeden Jugendlichen ein „Muss“ waren. Batik-T-Shirts, gebleichte Jeanshosen, US-Parkas, hochhackige Schuhe und vieles mehr. Gedanken formen sich zu Reminiszenzen an vergangene Zeiten. Ich schaue genauer in den Rückspiegel und erinnere mich, wie bunt die Welt in den 70er Jahren war.

Kartoffelsalat und Perversiko.

Ich erlebte die 70er Jahre in der Stadt Siegen. Wenn ich zurückdenke, erscheinen Eindrücke, Empfindungen, Gefühle, Stimmungen sowie Gesichter und Namen in meinen Kopf.

Freunde tauchen auf. Hubertus, auch bekannt als Hubsi, führt die Gruppe an. Der Beste! Ich vermisse ihn. Leider ist er viel zu jung gestorben!

Mit ihm kam niemals Langeweile auf. Im Nachhinein betrachtet, waren wir eine moderne Version von Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Hubsi, der edelste Huck, den ich mir als Freund wünschen konnte. Wir hatten unendlich Spaß und allerlei Blödsinn im Kopf, meistens mit Niveau!

Hubsi, der König der Sprücheklopfer. Einmal treffe ich ihn beim Schwänzen. „Hast du nicht Sport?“, frage ich und er antwortet ohne mit der Wimper zu zucken: „Nein, unser Sportlehrer wurde wegen unterlassener Hilfestellung verhaftet!“

Eines Morgens, ich hatte erst zur zweiten Stunde Unterricht, traf ich ihn auf dem Schulweg. Obwohl er verschlafen hatte, nahm er sich alle Zeit der Welt und zeigte keine Eile, um die Schule zu erreichen.

Wir rauchen gemütlich eine Zigarette und treten dann den Gang ins Schulgebäude an. Ich muss vorausschicken, dass 14 Tage zuvor ein Streik der Busfahrer dazu führte, dass Schüler ständig zu spät kamen. Wir erreichen Hubsis Klassenzimmer. Er öffnet die Tür, betritt den Raum und sagt laut: „Nein, was für ein Ärger, immer diese Streiks!“ Seine Mitschüler brechen in Gelächter aus. Ich lausche vom Gang aus und erkenne die Stimme eines freundlichen älteren Lehrers, den wir „Pico“ nannten. „Jetzt hab ich dich erwischt du Lümmel, der Streik ist längst vorüber!“ „Das stimmt nicht!“, widerspricht Hubsi, „Diesmal hat mein Wecker gestreikt!“ Erneutes Gelächter.

Wie gerne tränke ich nochmal mit Hubsi ein Glas Persiko - Kirschlikör. Ich frage mich, ob das Zeug immer noch genauso schmeckt wie früher und ob es überhaupt noch verkauft wird. Beim letzten Einkauf habe ich vergeblich danach gesucht. Wir nannten den Stoff Perversiko.

Laut Wikipedia wurde Persiko in den 1970er Jahren zu einem beliebten Modegetränk unter Jugendlichen, die es üblicherweise mit Softdrinks oder Bier mischten. Wir haben den Kirschlikör pur und unverfälscht getrunken, was bei mir zu erbärmlichem Sodbrennen führte.

Wurde in den 70ern Alkohol an Jugendliche verkauft? Die Antwort lautet Ja. Fast nie wurde ein Altersnachweis verlangt. Wir legten unser Taschengeld zusammen und kauften den Alkohol. Auch Zigarettenkaufen stellte kein Problem dar.

Mit Persiko und Zigaretten gingen wir zum „Oberen Schloss“. Ziel war der Schlosspark. Dort führt eine Treppe zu einer Aussichtsplattform, dem „Kanönchen“, unserem Stammplatz. Fluppe an. Schluck aus der Pulle. Gelabert. Meistens Quatsch. Viel gelacht. Schöne Zeit. Sorgenfrei.

Wo haben wir uns bei Regen aufgehalten? Es gab einen Jugendtreff in der Altstadt, wo wir ab und zu Kicker spielten. Alternativ saßen wir im Restaurant des Kaufhofs oder des Neckermanns und verbrachten den Nachmittag bei einer Cola. Wenn genug Geld da war, tranken wir auch zwei. Gelegentlich gab es eine Knackwurst dazu, die besonders gut im Kaufhof schmeckte, serviert mit Kartoffelsalat. Aber in der Regel saßen wir am „Kanönchen“.

Gelegentlich gesellten sich weitere Jugendliche zu uns, wie etwa Karin. Sie wohnte in der Oberstadt, wir besuchten gemeinsam die Realschule „Am Oberen Schloss“. 2016 verstarb sie im Alter von nur 53 Jahren, was mich sehr bewegte.

Karin war eine großartige humorvolle Freundin, auf die man sich verlassen konnte. Ich habe sie im Laufe der Jahre immer wieder mal besucht und bei Klassentreffen gesehen. Sie war ein guter Mensch. Ich vermisse sie.

Zurück zum Persiko. Eines Tages erzählte Karin, dass darin Blausäure sei und es verboten wird. Seitdem haben wir das Getränk gemieden. Mit Blausäure ist nicht zu spaßen, das wussten wir. Unser Wissen diesbezüglich bezogen wir aus Miss Marple Filmen, wie „16 Uhr 50 ab Paddington“, „Vier Frauen und ein Mord“, „Der Wachsblumenstrauß“ und „Mörder Ahoi!“. Die Filme liefen seinerzeit im TV und in einem mordete irgendwer mit Blausäure. Aufs Sterben hatten wir keine Böcke. Also Schluss mit Perversiko. Getränketechnisch stiegen wir auf Apfelkorn um. Auch lecker.

Mit Schirm, Charme und Melone.

Wenn Sie bei dieser Überschrift denken, ich schreibe über die britischen Agenten John Steed und Emma Peel aus der gleichnamigen Krimiserie von 1961 bis 1969, die in den 70ern im ZDF und in den dritten Programmen lief, liegen Sie falsch. Obwohl sie zu meinen Lieblingsserien zählt, werde ich mich nicht in Schwärmereien verlieren.

Die genervte Leserschaft fragt sich: „Und warum dann diese Überschrift?“ Aufgrund eines Mannes, der gekleidet wie John Steed auftrat und die Herzen unzähliger Kinder eroberte. Die Rede ist von „Pan Tau“, den der tschechische Schauspieler Otto Šimánek spielte.

Er trug einen Anzug, eine Melone und eine Nelke im Knopfloch und führte einen Schirm mit sich. In der ersten Staffel kümmert sich Pan Tau um Emil und seine Familie sowie um Claudia und ihren wohlhabenden Großvater, der mit ihr eine Reise als Landstreicher plant. In Staffel Zwei führt er die Familie Urban mit dem verschollenen Onkel Alfons zusammen, in der Dritten reist er seiner Melone hinterher, ohne die er aufgeschmissen ist.

In den ersten 26 Folgen sprach er kein Wort und zauberte mit seiner Melone, wodurch er sich in eine Puppe verwandelte. In der zweiten Staffel kam Alfons hinzu, Pan Taus Doppelgänger, der sprechen konnte.

Die tschechische Serie wurde erstmals am 13.12.1970 von der ARD ausgestrahlt. Der Pilotfilm wurde 1966 unter anderem im Wiener Prater gedreht. Insgesamt kam die Serie auf 33 Episoden in drei Staffeln, produziert zwischen 1969 und 1978. Zehn Jahre nach dem Ende der Serie folgte 1988 der Film ‚Pan Tau‘. Seinen letzten Auftritt hatte er, im Musikvideo ‚Du bist überall‘ von Nena (1990). Otto Šimánek verstarb 1992 in Prag.

Ich erinnere mich gerne an Pan Tau. Ich habe mitgefiebert und mich als Teil der Handlung gefühlt. Pan Tau war in den 1970er Jahren eine der vielen hervorragenden tschechischen Kinderserien. Für Heranwachsende dieser Epoche sorgte er für unvergessliche Höhepunkte.

Jeder hat sicher eigene Lieblinge. Vielleicht gehe ich in diesem Buch darauf ein und Sie freuen sich, darüber zu lesen. Falls Sie ein persönliches Highlight vermissen, bitte nicht sauer sein. Die 70er Jahre hatten so viel zu bieten, dass ich nicht auf alles eingehen kann.

Einer meiner TV–Höhepunkte startete am 14.04.1970 im ZDF: Die amerikanische Serie „Invasion von der Wega (Original: The Invaders)“ mit 43 Episoden in 2 Staffeln, die zwischen 1966 und 1968 entstanden sind.

In der Serie nehmen Bewohner eines fremden Planeten menschliche Gestalt an, um die Erde zu erobern. Der Architekt David Vincent jagt sie allein, weil ihm niemand glaubt. Schließlich bekommt er Unterstützung durch ein Team um Edgar Scoville, dem Chef einer Elektronikfirma.

Die einstündigen Folgen liefen vierzehntäglich dienstags um 21.05 Uhr. Die Serie hatte in Deutschland eine enorme Zuschauerresonanz, wurde jedoch nie wiederholt. 27 Jahre nach dem Serienende wurde die Handlung in einer zweiteiligen Miniserie fortgesetzt.

Der Planet Wega war eine deutsche Erfindung. In der Originalversion wurde nie erklärt, woher die Eindringlinge kamen. Zu jener Zeit war die Serie gruselig. Wenn man sie heute ansieht, sind die Special Effects amüsant, wenn die Außerirdischen verglühen und zu rotem Staub zerfallen.

Ist das Zufall?

Stell dir vor, du sitzt mit deinem besten Freund in den 1970er Jahren im Schlosspark auf einer Bank. Plötzlich nähert sich ein bärtiger, langhaariger Mann in einem weißen Gewand auf einem Esel. „Guck mal, was da kommt!“, hätte ich zu Hubsi gesagt. Seine Antwort lautete: „Der hat sich verirrt, der wollte nach Woodstock!“

Der geheimnisvolle Fremde hält an und sagt: „Höret, was ich verkünde. In nicht allzu ferner Zukunft wird es möglich sein, einen Computer in der Größe eines Federmäppchens zu besitzen. Dadurch könnt ihr kabellos von nahezu jedem Punkt der Erde aus telefonieren und tausende Programme aus aller Welt fernsehen. Auch das Radio wird euch Botschaften aus entlegensten Regionen des Globus verkünden. Zudem werdet ihr virtuelle Kataloge vor dem Angesicht haben, um die Güter dieser Welt zu eurem Wohlbefinden zu bestellen. Und wenn Sie die Richtung verlieren und auf dunklen Wegen irren, wird Sie das Navi zurück auf den rechten Pfad führen. Sehen und staunen Sie. Es wird über Sie kommen und Sie werden es Smartphone nennen. Und ich betone, dass Sie mit diesem Gerät in bester Qualität Fotos aufnehmen und sagen können: Seht her, die Fotos sind da ohne sie entwickeln zu müssen. Doch ich sage Ihnen, das sind nicht alle Wunder, denn mit dem Smartphone können Sie sie auch durch die Luft an jemanden Grüße senden. Staunen Sie über die Wunder, die Ihnen die Zukunft verspricht. Hugh, ich habe gesprochen!“

„Ist der Hippie bekifft?“, flüsterte ich zu Hubsi.

„Ich glaube nicht“, antwortete er, „Wer derart wirr faselt, ist auf LSD. Denkst du, wir dürfen den Esel streicheln?“

Hubsi und ich waren Fantasten, das gebe ich gerne zu. Ich hätte nie gedacht, dass die Vision des Hippies Wirklichkeit würde. Und jetzt sitze ich am PC und schreibe diese Zeilen als Einleitung zu einer Wahrheit: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die nicht rational erklärbar sind, wenn man weiß, dass es Millionen von Internetseiten gibt. Daher ist es bemerkenswert, was mir 2013 widerfahren ist. Dieses Ereignis war für mich nahezu ein Wunder:

Ich sah einen Beitrag in der WDR Lokalzeit Südwestfalen über das WDR-Projekt „Digit – Das Archiv des analogen Alltags“. Bürger haben die Möglichkeit, alte Fotos und Filme einzusenden und digitalisieren zu lassen. Eine großartige Sache, für die ich mich von Anbeginn des Projekts begeistert habe. Ich stöbere gerne im WDR-Digitalarchiv und schaue bereitgestellte Fotos, Normal- und Super-8-Filme an. Man kann viel Altbekanntes wiedersehen und entdecken.

Eines Tages klickte ich ein Video an und traute meinen Augen kaum. In den ersten zehn Sekunden dieses Farbfilms ohne Ton sieht man mich und Hubsi. Wir sitzen auf unserem Lieblingsplatz am „Kanönchen“ beim Oberen Schloss in Siegen. Es ist Frühlingsanfang, wie ich an den blühenden Blumen im Schlosspark erkannte, die im Film zu sehen ist.

Ich trage meinen US-Parka und Hubsi seine gefütterte braune Wildlederjacke. Ich habe einen Screenshot gemacht, auf dem ich rechts zu sehen bin.

Die Aufnahme entstand vermutlich 1974 oder 1975, als wir etwa 14 oder 15 Jahre alt waren. Wir versuchen, uns der Kamera zu entziehen. Hubsi wendet das Gesicht ab und auch ich scheine nicht scharf darauf zu sein, ins Bild zu geraten.

Einige Sätze zum erwähnten Woodstock. Das berühmte Musikfestival fand 1969 statt und wurde im Jahr darauf als dreistündiger Dokumentarfilm mit dem Titel „Woodstock – 3 Days of Peace & Music“ veröffentlicht. Über 20 Kameras filmten mehr als 100 Stunden Farbfilmmaterial, das die Auftritte der Künstler und das Drumherum mit vielen Interviews festhielt. Der Film hält großartig den Zeitgeist der Love & Peace Generation in Bild und Ton fest und ist sehenswert!

Hypothalamus, du doofe Nuss!

Jahreswechsel 1969/1970. Frohes Neues Jahr! Als 10-jähriges Kind ahne ich an diesem Silvesterabend nicht, dass vor mir das aufregendste Jahrzehnt meines Lebens liegt.

In dieser Dekade beobachte ich das ungleiche Wachstum diverser Körperteile an mir und gleichaltrigen Freunden. Die meisten von ihnen haben lange Füße. Wenn man sie auf dem Schulhof sieht und von der Seite betrachtet, sehen sie aus wie ein großes L. Ich hingegen bin klein und kann kein großes L formen.

Vor dem Spiegel habe ich nachgeschaut und festgestellt, dass ich ein kleines j mit zu langen Armen bin - wie ein Äffchen.

Auch meine Kumpels haben solche Affenarme. Sie können sich problemlos im Stehen in der Kniekehle kratzen. Dadurch kommen die Klassenkameraden beim Schreiben an der Tafel mit der Kreide bis zur obersten Reihe. Mich rufen die Lehrer erst gar nicht nach vorne, da sie wissen, dass ich nur die Wand beschriften würde, weil ich kaum an die Tafel komme.

Gleichaltrige Mädchen schaue ich mittlerweile gerne von der Seite an. Sie entwickeln sich zu einem großes L mit Beulen. Mal mehr, mal weniger beulig.

Der Hypothalamus ist schuld an den unproportionalen Körpermerkmalen, behauptet unsere Biologielehrerin. Sie meint damit die Affenarme und Riesenlatschen und sagt, der Hypothalamus ist eine kleine Drüse im Gehirn, die für das Wachstum und die Entwicklung verantwortlich ist. Er setzt Botenstoffe frei, die den Wachstumsschub in der Pubertät auslösen. Zur besseren Veranschaulichung erhalten wir ein Arbeitsblatt und die Biotante erklärt, dass der Körper nicht gleichmäßig wächst. Zunächst beginnt es mit Händen und Füßen, danach werden Arme und Beine länger. Der Rumpf ist später dran. Während des Wachstums kann man sich als Junge wie ein großes L fühlen, als Mädchen, wie ein kopfstehendes F oder als Axel, wie ein kleines j. Der Hypothalamus kann manchmal eine Herausforderung sein, aber warum er uns das antut, bleibt ein Rätsel. Ich male der Drüse ein Bärtchen, wodurch sie nun ein wenig wie Adolf aussieht.

Frau mit Schwanz und Bettwurst.

Mir fiel „Als die Frauen noch Schwänze hatten“ mit Senta Berger ein. Der Film kam im Dezember 1970 in die Kinos und ich habe ihn ungefähr 1973 gesehen.

Ein skurriler Film! Es handelt sich um eine Gruppe von männlichen Höhlenmenschen, die auf einer isolierten Insel leben und zum ersten Mal mit einer Frau in Kontakt kommen. Sie halten sie für eine neue Tierart.

Das Tier namens Filli (Senta Berger) bringt Höhlenmann Ulli (Giuliano Gemma) bei, wie man das bislang unbekannte ‚Pimmelspiel‘ spielt, damit er sie nicht verspeist.

Ulli, Grr, Maluc, Put und Kao sind Brüder, die alberne Fallen bauen, um ‚Schmackofatz‘ zu erbeuten, sich mit Schleudern ins eigene Gesicht schießen oder sich mit ‚Pompfen‘ den Kopf verbeulen. Steinzeit-Slapstick pur.

Erwähnenswert ist die Szene, in der ein Blitz in einen Baum einschlägt und die Höhlenmänner zum ersten Mal Feuer sehen. Dabei verwenden sie wunderliche Wortkreationen wie „Eine Verflixung frisst den Baum auf“ und es werden hemmungslos „schwule Klischees“ verwendet, was in unserer heutigen Gesellschaft zu Protesten führen würde.

Als Putts Fellkleid Feuer fängt, wird es hektisch: „Er qualmt am Arschi! Schawüli, schawüli!“, „Der arme Putti, und gerade an so einer gefährlichen Stelle!“ Dann macht einer „Strahlestrulle“ und pinkelt das Feuer mit einem Wasserstrahl aus, der an ein C-Rohr der Feuerwehr erinnert. Zum Schreien komisch weiß man mit solchen Filmklamotten etwas anzufangen und betrachtet sie im Kontext der Zeit, in der sie entstanden. Mit Ernst sollte ein Cineast nicht an dieses Werk herangehen.

Ebenso wenig an „Die Bettwurst“ (1971). Ja, der Film von Rosa von Praunheim heißt wirklich so. Inzwischen besitzt er Kultstatus. Wer ihn nicht kennt, sollte es nachholen. Aber man braucht ein dickes Fell und viel Humor.

Hilfsarbeiter Dietmar und Luci, eine ältere Sekretärin, begegnen sich an einem heißen Sommertag in Kiel und verlieben sich unsterblich ineinander. Die verbrecherische Vergangenheit Dietmars holt das Paar bald ein. Alte Bekannte entführen Luzie. Dietmar befreit sie und erschießt einen Gangster.

Die Darsteller sind Laien. Der Filmemacher Rosa von Praunheim hatte eine Vorliebe für skurrile Charaktere und Geschichten. Er entdeckte Dietmar Kracht, der zwischen 1969 und 1973 in vier seiner Filme mitspielte.

1941 in Mannheim geboren, verbrachte Dietmar Kracht seine Kindheit und Jugend im benachbarten Ludwigshafen. Er wuchs in schwierigen Verhältnissen auf, erfuhr wenig persönliche Zuwendung und Anerkennung. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs und als Strichjunge durch.

Kindliche Naivität, sprachliche Auffälligkeiten, seltsame Gesten, Begeisterungsfähigkeit und Melancholie mischten sich zu einer unvergleichlichen Persönlichkeit. Durch die Filmgroteske „Die Bettwurst“ wurde er berühmt, von den Medien aber auf die Rolle des „Verrückten“ festgelegt. Als Mensch und Schauspieler wurde er kaum ernst genommen. Am 3. Juli 1976 ertrank er unter ungeklärten Umständen im Berliner Grunewaldsee.

Die Hauptdarstellerin Luzi Kryn, geboren 1919, war die Tante des Regisseurs. Sie spielte in weiteren Filmen mit und starb 2000 in Kiel.

Dilettantisch und naiv taumeln die Schauspieler durch die Liebesgeschichte. Offenbar gab es keine Textvorlage, die beiden scheinen sich alles spontan auszudenken und reden sich teilweise um Kopf und Kragen, dass man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt. Vor allem Dietmar, der mit Mannheimer Dialekt und Sprachstörungen versucht, Hochdeutsch zu sprechen, haut Sätze raus, die sich kein Drehbuchautor hätte ausdenken können. Zum Beispiel: „Wenn im Sommer am Neckar die Motorbooten entlang fließen...“ oder „Ich würde mich furchtbar sehr freuen!“

Hat man einen Sinn für Blödsinn, folgt ein Brüller dem anderen, fehlt einem dieser spezielle Humor, ist der Film schwer zu ertragen.

Göttlich eine Szene am Hafen: Dietmar in roter Badehose und blauer langärmeliger Wolljacke schaut in den seltsamsten Posen durch ein Fernrohr, während neben ihm Luzi in kurzer weißer Sommerhose und blauem Regenschirm über ein Geländer turnt. Klasse ist auch der sonntägliche Tanztee mit Live-Band. Dietmar im hellblauen Hosenanzug schwingt Luzi über das Parkett. Danach geht es in den Kleingarten.

Nichts toppt eine Bettszene. Dietmars Liebesgeflüster ist der Hammer: „Ich brauche dich jede Sekunde, jede Sekunde, wie den Atem des Lebens, wie die Luft, die ich atme!“

Sehenswert ist auch, wie Dietmar in der Badewanne duscht und wenn Luzi ihm den Staubsauger erklärt, bleibt kein Auge trocken.

Eine meiner Lieblingsszenen ist der Heilige Abend! Zuerst ist die Leinwand dunkel, man hört ein Glöckchen. Langsam erhellt sich das Bild. Wie ein Weihnachtsengel gekleidet, steht Luzi im silbernen Kleid neben dem Weihnachtsbaum und läutet. Dabei fällt ihr das Glöckchen aus der Hand und landet mit einem Knall auf dem Boden. Unbeirrt hebt sie es auf und läutet, bis Dietmar im schwarzen Anzug ins Wohnzimmer kommt und Luzi völlig überrascht tut.

Sie tauschen Geschenke aus. Dietmar bekommt eine Bettwurst und ein Ölgemälde, auf dem Luzi in Regenklamotten zu sehen ist. Sie wechseln sich mit grenzdebilen Kommentaren ab. Höhepunkt ist der an Geschmacklosigkeit nicht zu überbietende Ölschinken aus dem Kaufhaus, den Dietmar Luzi gekauft hat. Das Bild zeigt eine Frau, die ihren Kopf an einen Baum lehnt.

Typisch für die 70er Jahre sind Wohnungseinrichtung, Gegenstände, Kleidung und Perücken. Der Ton des Films ist miserabel, die Schauspieler blicken in die Kamera, als warteten sie auf Zeichen des Regisseurs, der Schnitt ist grenzwertig und die Dialoge grottenschlecht. Es ist diese Mischung aus Dilettantismus, die „Die Bettwurst“ zu einem unterhaltsamen Film macht. 1973 drehte von Praunheim mit denselben Schauspielern eine Fortsetzung: „Die Berliner Bettwurst“.

Wie Sex in mein Leben kam.

Von Bienchen und Blümchen und ihrer innigen Beziehung hatte ich keine Ahnung, auch nicht vom Tuten und Blasen. Sex war für mich eine falsch geschriebene Zahl. Das änderte sich 1970, wo sich in einem gutbürgerlichen Haushalt in der Stadt Siegen ein skandalöser Vorfall abspielte. Aus Rücksicht verwende ich keine Klarnamen.

Familie K. sitzt beim Abendessen. Der strenggläubige evangelische Vater dankt betend dem Herrn für alle Gaben auf dem Tisch und fragt beiläufig während des Mahls seinen Sohn: „Hast du heute in der Schule etwas Neues gelernt?“

Der Filius, der seinerzeit das taufrisch gegründete städtische neusprachliche Gymnasium für Jungen besucht, antwortete: „Gruppensex!“