Dan Oakland Story 41: Sun - U.H. Wilken - E-Book

Dan Oakland Story 41: Sun E-Book

U. H. Wilken

0,0

Beschreibung

Sun: Dan Oakland, sein Sohn Sky und dessen Frau Sun reisen durch die Wildnis. Sie machen Rast in einer verschlafenen Kleinstadt. Dan lässt sich auf ein Pokerspiel ein und verliert. Sein Gegner ist fest davon überzeugt, das in der Karte, die der Trapper mit sich führt, ein Claim eingezeichnet ist. Dan schafft es die Karte zu verstecken. Die Bewohner des Städtchens legen alles darauf an, diese Karte in die Hände zu bekommen. Schließlich fällt auch Sky in die Hände der Halunken. Nun ist es an Sky, die beiden zu retten. Mit Hilfe eines verwaisten Geschwisterpaares schafft sie es schließlich, Dan und Sky zu retten. Tal der Wölfe: Dan Oakland und sein Sohn Sky suchen nach den entführten Frauen und Kindern, die von einem Stamm unbekannter Indianer, den Otoes, gefangen gehalten werden. ​ Sky gelingt es, sich als einer der Otoes zu tarnen und Sun zu befreien. Dan kämpft gegen die Otoes und zerstört ihr Lager. Mit Hilfe der Nez Perces und der Siedler gelingt es ihnen, die Otoes zu besiegen und die entführten Frauen und Kinder zu retten. Währenddessen findet die verletzte Sun Zuflucht in einer Blockhütte, in der auch ein verletzter Fallensteller lebt. Mit anderen Bewohnern der Hütte zusammen kämpfen sie ums Überleben, ist die Hütte doch im Tal der Wölfe. Und diese Wölfe sind besonders aggressiv - eine Eigenschaft, die sich der Stamm der Oteos gern zu Nutze macht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 301

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In dieser Reihe bisher erschienen

4301  U. H. Wilken Lockruf der Wildnis

4302  U. H. Wilken Teufelsbrigade

4303  U. H. Wilken Die Feuertaufe

4304  U. H. Wilken Der weiße Büffel

4305  U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen

4306  U. H. Wilken Grausame Grenze

4307  U. H. Wilken Omaha-Marter

4308  U. H. Wilken Blutige Säbel

4309  U. H. Wilken Der Unbezwingbare

4310  U. H. Wilken California-Trail

4311  U. H. Wilken Berg der zornigen Götter

4312  U. H. Wilken Die Teuflischen

4313  U. H. Wilken In Todesgefahr

4314  U. H. Wilken Schwarzer Horizont

4315  U. H. Wilken Der Raubadler

4316  U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen

4317  U. H. Wilken Der Wolfskiller

4318  U. H. Wilken Nachtfalken

4319  U. H. Wilken Der Geheimbund

4320  U. H. Wilken Tödliche Tomahawks

4321  U. H. Wilken Minnesota

4322  U. H. Wilken Die Revolver-Lady

4323  U. H. Wilken Sterben am Washita

4324  U. H. Wilken Langmesser

4325  U. H. Wilken Der Bärentöter

4326  U. H. Wilken Manitoba

4327  U. H. Wilken Yellow River

4328  U. H. Wilken Land der Sioux

4329  U. H. Wilken Todesvögel

4330  U. H. Wilken Shinto

4331  U. H. Wilken Blutmond

4332  U. H. Wilken Der Skalphügel

4333  U. H. Wilken Todestrommeln

4334  U. H. Wilken Skalpjäger

4335  U. H. Wilken Fort Lincoln

4336  U. H. Wilken Sky

4337 U. H. Wilken Canatta-Kid

4338 U. H. Wilken Sioux-Poker

4339 U. H. Wilken Die steinerne Squaw

4340 U. H. Wilken Rote Fracht

4341 U. H. Wilken Sun

SUN

DAN OAKLAND STORY

BUCH 41

U. H. WILKEN

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-689-84324-3

4341 vom 22.02.2025

INHALT

Sun

Tal der Wölfe

Anmerkung

Über den Autor

SUN

Sie kamen mit den riesigen Prärieschonern aus dem Osten. Die Männer bauten aus Brettern und Kistenholz eine Stadt und nannten sie Plains City. Und sie begannen, sich gegenseitig umzubringen. In jeder Nacht gab es einen Toten. Manchmal dazu auch noch einen am helllichten Tag. Man war nicht kleinlich in Plains City. Das war die Stadt, als Catch-the-Bear Dan Oakland, sein Halbblutsohn Sky mit dessen junger Squaw Sun in die Stadt ritten. Sie ritten in den Mietstall. Dan zahlte den Preis für die Übernachtung mit Gold. Der Stallbursche blickte mit blanken Augen auf die Nuggets und verschluckte sich beinahe. „Reib die Pferde gut ab, Bursche“, sagte sein Boss und nickte den Oaklands zu. „Geht alles in Ordnung.“ Lächelnd verließen Dan, Sky und Sun den Stall. „Und was machen wir jetzt?“ brummte Dan Oakland. „Ich habe Hunger wie ein Wolf.“ „Dann essen wir was, Dad“, antwortete Sky fröhlich. „Was meinst du, Sun?“ Er legte den Arm um seine zierliche Squaw. Sun sah erst ihren Schwiegervater an. Breit wie ein Büffel stand er auf dem Hof im letzten Schein der rotglühenden Sonne. Stilles Lächeln lag auf seinem rauen Gesicht. Dann blickte er zu Sky auf.

Seine dunkelbraunen Augen funkelten. Das lange schwarze Haar wurde vorn Wind bewegt. Schmal und braungebrannt war sein Gesicht. Obwohl Sun immer eine stille Furcht vor den Städten der Weißen hatte, lachte sie auf: „Wollen wir?“

Sie hakten sieh ein und schritten zur Straße.

Lichtschein fiel aus dem Etablissement. Schon draußen rochen sie den Bratenduft der Steaks.

Dan trat als Erster ein. In seiner ledernen Kleidung aus Wolfsfellen wirkte er etwas schwerfällig und plump. Dann glitt Sun auf weichen Mokassins über die Türschwelle. Der junge Sky, in dessen Adern Siouxblut floss, schloss hinter sich die Tür. Sie setzten sich an einen freien Tisch.

Wenig später aßen sie.

Zwei ausgehungerte Tramps beugten sich am Nebentisch vor und starrten ihnen jeden Bissen in den Mund. An einem anderen Tisch wurden abfällige Äußerungen laut.

Dan hielt in der Kaubewegung inne und blickte nach jenem Tisch hinüber. Die lästernden Männer verstummten.

Dan schluckte den Bissen hinunter, bestellte zwei weitere Steaks und stopfte seine Pfeife.

„Kriegst du noch zwei Steaks runter, Dad?“, fragte Sky verblüfft.

„Krieg ich“, versicherte Dan. „Aber die beiden Tramps sollen sie haben. Kommt ihr mit in den Saloon?“

„Nein, Dad. Wir wollen uns schon schlafen legen.“

„Verstehe.“ Dan erhob sich, nahm die beiden Steaks entgegen und stellte die Blechteller auf den Tisch der Tramps. „Esst euch mal richtig satt.“

Mit schweren Schritten stapfte er hinaus.

In Plains City begann das wilde nächtliche Leben. Grau wie ein Leichentuch lag die Dämmerung über den Häusern. Viele Lichtbahnen fielen auf die Gehsteige. Im Saloon klimperte jemand auf einem alten Klavier. Animiermädchen kreischten schrill. Männer johlten. Ein Frachtwagen rollte mit knarrenden Achsen die Straße hinauf. Struppige Hunde streunten herrenlos herum und suchten im Abfall nach Fraß.

Dan ging über den Plankenweg zum Saloon. Vor der Schwingtür stand er ein paar Atemzüge lang still. Dann schob er die Türflügel auseinander und trat ein.

Neben einem Tisch, an dem gepokert wurde, blieb er stehen.

Einer der Spieler starrte über seine Karten hinweg zur schmalen Hintertür. Dort war sekundenlang der Bursche aus dem Mietstall zu sehen. Er nickte dem Spieler zu und verschwand wieder.

Der Spieler lächelte. Sanft berührte er Dan am Ellenbogen.

„Wie wär’s mit einem Spiel, Trapper?“

Der gutmütige Dan betrachtete die Männer am Tisch. Sie machten alle einen vertrauenerweckenden Eindruck.

„Soll ich wirklich?“

Die Spieler nickten. Einer rückte einen Hocker für Dan zurecht.

„Na ja“, meinte Dan, „warum eigentlich nicht.“

Er setzte sich hinzu. Das Spiel begann. Rauchschwaden zogen um die blakenden Lampen. Am Tisch war es totenstill. An den anderen Tischen tranken sich die lärmenden Männer einen Rausch an. Die Animiermädchen schlangen die Arme um die Zecher und setzten sich ihnen flüchtig auf den Schoß. Unverdrossen hämmerte der Mann am Klavier auf die Tasten. Leere Flaschen rollten über den schmutzigen Boden. Gläser wurden umgestoßen. Ein Betrunkener kroch unter einem Tisch hindurch.

Plains City war eine böse Stadt.

Doch Dan Oakland wusste das nicht. Er war mit Sky und Sun unterwegs nach Dakota, dem weiten Land der Sioux-Indianer.

An diesem Abend war Dan auch ausgesprochen leutselig, er suchte die Geselligkeit und dachte an nichts Schlimmes.

Die Karten entschieden für ihn. Er gewann. Die Spieler verzogen keine Miene. Nur manchmal fiel ein Wort an ihrem Tisch, das dem Spiel galt. Als Dan wieder gewann, stiegen zwei Spieler aus und schlenderten zur Theke hinüber. Jetzt saß Dan nur mehr zwei Männern gegenüber. Sie lächelten ihn freundlich an.

„Nicht schlecht, Trapper“, sagte der blasse Spieler mit den hellen Augen und den langen gepflegten Händen. „Mein Name ist Lodge Logan. Das hier ist Mark Fisher.“

„Tag“, grüßte der andere Spieler, als würde er Dan erst jetzt begegnen, und fuhr sich mit rauer Hand über das runzelige Gesicht.

„Daniel Oakland“, antwortete Dan lächelnd.

„Sie sind allein, Mr. Oakland?“, tat Lodge Logan unwissend.

„Nein. Mein Sohn und seine Frau sind bei mir.“

„Ach so. Spielen wir weiter?“

„Wenn euch der Atem dabei nicht ausgeht? Von mir aus können wir weiterspielen.“

Das Pokerspiel begann wieder. Im Saloon brachen mehrere Männer auf. Andere kamen herein, johlten und drängten zur Theke. Dan hatte mächtig viel Glück im Spiel. Er ahnte nicht, dass Lodge Logan und Mark Fisher das Spiel fest in der Hand hatten. Eiskalt ließen sie Dan gewinnen. Langsam drehten sie den Spieß um, unheimlich geschickt und tausendmal erprobt.

Dan verlor.

Er musste in die Taschen langen, holte den Lederbeutel mit Goldnuggets hervor und legte auch eine alte abgegriffene Landkarte auf den Tisch. Es machte ihm nichts aus, zu verlieren. Für ihn war das eben nur ein Spiel. Logan und Fisher ließen sich ihre Goldgier nicht anmerken.

Von nun an verlor Dan jedes Mal.

„Ihr legt mich ganz schön aufs Kreuz“, brummte er. „Ich bin gleich pleite.“

„Sie tragen es mit Fassung, Mr. Oakland. Sie sind ein guter Spieler. Ein anderer wäre längst ausgestiegen. Sie haben wahrscheinlich Gold gefunden, wie? In den Black Hills?“

Bei dieser Frage warf Lodge Logan einen schnellen Blick auf die zusammengefaltete alte Karte.

Dan lächelte nur und zuckte die Achseln, ohne zu ahnen, dass er dadurch die beiden Kartenhaie noch mehr reizte.

Diesmal ließen sie ihn gewinnen, aber dann machten sie ihn arm. Endlich besaß er nur noch ein paar Cent.

„Setzen Sie doch die Karte, Mr. Oakland“, schlug Mark Fisher vor. „Das ist doch der Plan von Ihrem Claim?“

„Nein“, gestand Dan, „das ist nur eine alte Armeekarte.“

Sie glaubten ihm nicht. Lächelnd strichen sie sein Gold ein.

„Wie wär’s, Trapper, wollen Sie keine Revanche?“

„Ich bin hier reingekommen, um ein Glas Whisky zu trinken, Mr. Logan, und jetzt kann ich den Whisky kaum bezahlen. Ein gelungener Abend, wie?“

„Wir laden Sie gern ein, Mr. Oakland“, versicherte Logan freundlich. „Kommen Sie, gehen wir an den Tresen.“

Sie flankierten Dan auf dem Weg zur Theke. Der Keeper dahinter bediente sie sofort, ließ andere Männer warten.

In diesem Moment erschien eine dunkelhaarige Frau hinter der Theke. Sie kam durch die Hintertür und blickte Lodge Logan flüchtig und fragend an. Große Ohrringe funkelten im Licht.

„Das ist Vermillion, die gute Seele des Saloons“, stellte Logan sie vor. „Komm her, Vermillion.“

Die Frau blieb vor ihnen hinter der Theke stehen und nickte Dan zu. Ihr Blick tastete sein breites, sympathisches Gesicht ab. Ein flüchtiges Aufflackern war in ihren dunklen Augen. „Hatten Sie Glück beim Poker?“

„Mr. Daniel Oakland hatte leider Pech. Gib uns drei Gläser und eine Flasche Whisky.“

Sekundenlang presste sie die Lippen zusammen. Sie nahm eine Flasche vom Regal und füllte drei Gläser. Als Logan nickte, goss sie auch sich einen Whisky ein.

„Auf Ihr Wohl, Mr. Oakland“, sagte sie lächelnd. Der Ausdruck ihrer Augen war ernst.

Sie tranken. Die Spieler verabschiedeten sich von Dan und gingen an einen anderen Tisch, an dem gespielt wurde. Während sie der Theke noch den Rücken zukehrten, beugte Vermillion sich vor und flüsterte Dan zu: „Passen Sie auf, wenn Sie rausgehen.“

Logan und Fisher starrten nun zum Tresen über. Vermillion hob das Glas an und prostete Dan zu. Dan nickte und verzog kaum das Gesicht. Die Kartenhaie konnten ihn im großen Spiegel hinter der Theke beobachten.

„Warum sagen Sie mir das, Vermillion?“, fragte er lächelnd.

„Vielleicht, weil Sie mir gefallen. Sie sind ein guter Mensch. Das sehe ich Ihnen an. Mehr sag ich nicht.“

Dan trank etwas. Der Rauch umgab ihn wie dicker Nebel. Vermillion füllte sein Glas nach.

„Verschwinden Sie aus Plains City, Mr. Oakland“, raunte sie warnend. „Diese Stadt ist teuflisch. Machen Sie sich sofort auf den Weg, bleiben Sie keine Stunde länger hier.“

„Ich verstehe nicht, Vermillion. Hier ist doch alles ruhig.“

„Mann, seien Sie kein Narr. Haben Sie noch Geld?“

„Nein, nur ein paar Cent, eine alte Karte und Kleinkram.“

„Was ist das für eine Karte? Wir werden beobachtet. Versuchen Sie, die Karte unauffällig über den Tresen zu schieben.“

„Die Karte ist wertlos, Vermillion.“ „Das sagen Sie. Geben Sie sie her. Sie kriegen sie zurück. Wo steht Ihr Pferd?“

„Im Mietstall.“

„Gut. Ich bring Ihnen die Karte in den Stall. Nun machen Sie schon.“

Dan spürte plötzlich ein großes Unbehagen. Nicht vor dieser Frau. Er sah ihr an, dass sie es ehrlich mit ihm meinte. Sie machte sich Sorgen um ihn. Irgendetwas Bedrohliches umgab ihn. Vermillion wollte oder konnte ihm nicht die ganze Wahrheit sagen. Unauffällig schob er ihr die Karte zu. Sie lächelte, doch ihre Stimme klang sehr ernst: „Wenn Sie rausgehen, verlassen Sie sofort die Lichtbahn. Fragen Sie nicht. Tun Sie, was ich Ihnen sage.“

Sie ließ die Karte unter dem Tresen verschwinden, ging hinter der Theke entlang und kümmerte sich um die anderen Gäste.

Langsam drehte Dan sich herum und stapfte durch den Saloon. Logan und Fisher hoben grüßend die Hand und spielten weiter. Er erreichte die Schwingtür und blickte auf die Straße. Es war Nacht geworden. Das Straßenstück vor dem Saloon war verlassen. Gemächlich drückte er die Türflügel auseinander und ging hinaus.

Mit drei großen Sprüngen hastete er aus der Lichtbahn. Irgendwo im Dunkel zwischen den Häusern und Hütten krachten Schüsse. Heißes Blei bohrte sich dumpf klatschend in die Holzfassade des Saloons. Geduckt rannte Dan in die Hofeinfahrt hinein. Kugeln jaulten hinterher. Grelle Mündungsfeuer flammten drüben auf. Ein Streifschuss zerfetzte sein Hosenbein. Hart warf er sich gegen die Wand, stand still und zog den Colt unter der Lederjacke hervor.

Unbekannte Männer hatten es auf ihn abgesehen. Er brauchte über den Grund nicht nachzudenken. Von Vermillion wusste er, dass sie seine Karte in ihren Besitz bringen wollten.

Überall auf den Hinterhöfen schlugen die Kettenhunde an. Der Nachtwind trieb Abfall vor sich her.

Der Lärm im Saloon verstummte nicht. Auch in den anderen Saloons und Bars lärmten die Männer weiter.

Plains City hatte sich an Schüsse in der Nacht gewöhnt.

Geduckt schlich Dan weiter und hastete am Rand des Hofes entlang.

Weit abseits des Saloons überquerte er die dunkle Straße und näherte sich dem Mietstall. Vor ihm im Dunkeln klirrten Radsporen.

Eine schemenhafte Gestalt lief hinter einen alten Schuppen. Noch immer bellten die Hunde.

Ihr wildes Kläffen und die Schüsse hatten Sky und Sun längst aus dem Schlaf gerissen. Beide standen im Stall und horchten. Sie konnten nicht wissen, dass diese Schüsse ihrem Vater galten, weil skrupellose Männer Jagd auf ihn machten.

Dan verspürte aufsteigenden Zorn. Er schluckte trocken und hielt den Colt schussbereit in der Faust. Ihm wurde klar, dass die Halunken ihm den Weg zum Stall versperrten, ihm dort auflauerten und ihn glattweg zusammenschießen wollten.

Lautlos wich er zurück.

Im Mietstall blakte die alte Stalllaterne. Die Pferde stampften unruhig.

Im halbdunklen Hintergrund kauerte der Stallbursche auf seiner zerschlissenen Schlafdecke und horchte. Knarrend glitt eine Tür auf. Der Stallbesitzer kam aus seiner Wohnung in den Stall.

„Was ist denn da draußen wieder los?“, krächzte er. „Jede Nacht gibt es Schießereien in der Stadt. Immer wenn es dunkel geworden ist, geht die Knallerei los. Sie jagen sich gegenseitig wie die Ratten. Es ist besser, wenn wir das Licht ausmachen.“

Sky hatte den Arm um Sun gelegt.

„Dad müsste längst zurück sein“, raunte Sky. „Er bleibt doch sonst nie lange in einem Saloon.“

Der Stallmann drehte den Docht der Petroleumlampe herunter. Im Stall wurde es dunkel. Draußen herrschte dunkle Nacht. Der Himmel hatte sich bewölkt. Das bleiche Licht der Sterne durchdrang nicht die Wolkendecke. Auch der Mond kam nicht durch.

Plötzlich schallte ein Wolfsschrei durch Plains City. Sky und Sun zuckten zusammen. Dieser Schrei kam von Dan. Er wollte sie warnen.

„Bleib hier, Sun!“, flüsterte Sky, tastete sich zum Schlaflager und packte die Winchester. „Ich muss Dad helfen. Komm nicht nach, Sun.“

Als Sky zum Stalltor glitt, lief sie hinterher und umfasste seinen Arm.

„Geh nicht, Sky! Dad hat uns gewarnt.“

Sky strich weich über ihr Gesicht und küsste ihre Stirn.

„Wir kennen Dad doch, Sun. Er kämpft wie ein Büffel und geht mit dem Kopf durch die Wand. Er will immer alles allein schaffen. Er macht sich mehr Sorgen um uns als um sich selbst.“

Draußen herrschte jetzt Totenstille.

Kaltherzige und skrupellose Männer lauerten auf Dan Oakland, kauerten hinter Gerümpel, Abfallhaufen und Ställen, hielten ihre Waffen bereit und horchten angespannt.

„Sie müssen in der Nähe des Stalls sein“, raunte der Mietstallbesitzer. „Macht nicht das Stalltor auf.“ Er kam näher und erreichte das Tor. „Da hat doch eben ein Wolf geheult. Die Wölfe kommen doch sonst nicht nach Plains City.“

Sky und Sun antworteten ihm nicht.

Der Nachtwind wimmerte um den Stall. Hinten saß der Stallbursche still auf der Decke, hatte die Knie angezogen und die Arme um die Beine gelegt.

„Geh zur Seite, Sun.“

„Tu’s nicht, Sky, bitte!“

„Ich lass Dad nicht allein, Sun. Du würdest es auch nicht tun.“

„Bleiben Sie hier!“, ächzte der Stallmann. „In Plains City stirbt es sich schnell. Mischen Sie sich nicht ein, junger Mann. Das könnte Sie das Leben kosten.“

Sky hörte nicht auf ihn. Vorsichtig öffnete er das Stalltor einen Spalt breit und spähte hinaus. Die Häuser, Hütten und Ställe waren kaum zu erkennen. Er wollte schon hinausgleiten, als Feuerblitze durch die Dunkelheit stachen. Blei klatschte gegen das Stalltor.

Sofort riss Sky es zu. Kugeln hämmerten gegen das Tor. Sky, Sun und der Stallmann warfen sich zu Boden.

„Hölle!“, keuchte der Stallmann. „Die verdammten Kerle schießen auf uns. Was bedeutet denn das schon wieder?“ „Das bedeutet, dass die Halunken uns hier festnageln wollen und sie genau wissen, dass wir drei zusammengehören“, antwortete Sky frostig. „Sie jagen unseren Vater.“

Immer wieder krachten Schüsse. Männer hetzten in der Nähe des Stalls vorbei. Schaurig tönte der Wolfsschrei durch die Nacht.

Geduckt lief Dan zurück.

Er kam nicht zum Stall durch. Die unbekannten Gegner waren wie Bluthunde, die von der Kette gelassen worden waren.

Dan erreichte den Straßenrand. Licht fiel aus einer Bar. Drüben im Saloon lachten Männer und Animiermädchen und klimperte das Klavier. Die Straße war wie leergefegt.

In den Saloons und Bars wartete man das Ende der Schießerei ab und kümmerte sich nicht weiter darum.

Vorsichtig schob Dan sich um die Hausecke auf den Gehsteig hinauf. Reglos wartete er im tiefen Schatten des Vordaches. Ein Mann hastete über die Straße. Dan konnte ihn sehen. Er schoss nicht auf ihn. Die Halunken suchten überall nach ihm. Er lächelte grimmig, ging weiter und tat das, was die Halunken niemals von ihm erwarten würden. Ruhig betrat er die verräucherte Bar.

Lässig setzte er sich hinten an einen Tisch.

Unaufgefordert kam der Keeper an den Tisch und stellte ein Glas mit Whisky hin. Dan zahlte mit seinen letzten Cents.

„Immer diese Schießereien“, klagte der Keeper. „Die Knallerei hält die Gäste ab.“

Dan lehnte sich zurück und nahm einen kleinen Schluck. „Es ist eine Schande für diese Stadt.“

Einer der männlichen Gäste verließ die Bar.

* * *

Stimmen wisperten in der Nacht. Zwei Betrunkene torkelten aus einem Saloon und schwankten über den Gehsteig.

Dan Oakland saß noch immer am Tisch. Die Gäste blickten zu ihm hin und beobachteten ihn.

Dan wusste, dass er in einer Falle saß. Die Halunken, die ihn suchten, wussten bereits, wo er war.

Auf der Straße vor der Bar rasselten plötzlich Sporen.

Die Gäste rückten zur Seite, sie verließen die Theke und die Tische in seiner Nähe und machten das vermutliche Schussfeld frei.

Dan tat arglos, blickte in das Glas und schien nichts zu bemerken.

Alle seine Muskeln und Sehnen waren angespannt. Der Colt steckte unter der Jacke aus Wolfsfellen. Sein raues Gesicht war ausdruckslos. Rechts von ihm befand sich die Hintertür. Er horchte. Das Sporengerassel verstummte vor der Bar. Die Türflügel wurden schwach vom Nachtwind bewegt. Die Tresen gab ihm etwas Deckung. Die Gegner konnten ihn nicht von draußen unter Beschuss nehmen. Sie mussten schon hereinkommen, wenn sie ihn fertigmachen wollten.

In diesen Sekunden wurde Dan klar, dass die ganze Stadt voller Hass war, dass hier jeder den anderen verachtete, dass jeder seinem Mitmenschen misstraute und dass sie dennoch alle zusammenhielten, wenn es darum ging, einen Fremden zu Tode zu hetzen.

Plains City war ihre kleine und hasserfüllte Welt. Keiner gönnte dem anderen einen Erfolg. Sie fühlten sich hier wie Gefangene, und dennoch verließ keiner die Stadt. Vielleicht war es auch Hassliebe, die sie alle bleiben ließ. Sie brauchten jede Nacht einen Toten, um sich daran ergötzen zu können, um ihr eigenes elendes Dasein zu vergessen.

Dan wollte mit Sky und Sun diese Stadt so schnell wie möglich wieder verlassen. Er war auch davon überzeugt, dass Lodge Logan und Mark Fisher Falschspieler waren, die ihm mit gezinkten Karten sein Gold abgenommen hatten.

Er blickte kaum auf, als draußen wieder die Sporen rasselten. Unruhig wischte der Keeper mit dem Ledertuch über die Tresenplatte. Vor der Schwingtür der Bar tauchten drei Männer auf. Ihre Augen glitzerten im Dunklen. Dan musste jetzt handeln. Jäh schnellte er hoch, warf sich voller Wucht gegen die Hintertür und sprengte sie auf. Wie ein wilder Bison stürmte er los, polterte durch den Gang und wuchtete die Tür zum Hinterhof auf.

Zu spät entdeckte er die beiden Männer, die dicht neben der Tür standen. Als er den Colt hochreißen wollte, war es schon zu spät. Erbarmungslos knallte ihm einer der Männer den Gewehrkolben gegen die Stirn. Dan brach auf der Türschwelle zusammen. Er war sofort bewusstlos. Aus der Platzwunde sickerte Blut.

Die Männer packten ihn an den Armen und zerrten ihn über den Hof. Die drei Halunken kamen aus dem Haus und halfen. Sie warfen Dan auf einen alten Karren und brachten ihn weg.

* * *

Am frühen Morgen begann es zu regnen. Der feuchte Dunst wehte in Schwaden über die verlassenen Höfe. Monoton tropfte das Wasser vom Dach des Mietstalls. Das Tor stand einen Spalt offen. Sky spähte hinaus. Dicht hinter ihm stand Sun. Ihre Hände ruhten auf seinem Rücken.

„Ich kann nichts sehen, Sun“, raunte er. „Ich muss raus und Dad suchen.“

Er zog das Stalltor zu und blickte seine junge Frau ernst an. Sun biss sich auf die Lippen und atmete unruhig.

„Und ich, Sky?“, flüsterte sie bedrückt. „Soll ich hier warten und nichts tun? Ich will mit dir gehen.“

Er schüttelte heftig den Kopf. Er legte die Hände an ihre Schultern und blickte schnell durch den Stall. Hinten ruhte der Stallbursche. Der Boy konnte nicht verstehen, was sie miteinander besprachen.

„Du hältst die Pferde bereit, Sun. Dad ist was zugestoßen, sonst wäre er längst bei uns. Du darfst nicht mitkommen. Du bist der einzige Mensch, der uns helfen kann, Sun, falls auch mir was zustoßen sollte.“

Ihr weiches braunes Gesicht mit den schwarzen Augenbrauen und den langen Wimpern wurde auf einmal grau wie erkaltete Asche.

„Was meinst du damit, Sky? Glaubst du, dass Dad vielleicht ...?“

„Daran wollen wir nicht denken, Sun. Er wollte vom Etablissement aus in den nächsten Saloon. Das wird er auch getan haben. Ich gehe hin.“

Sun war eine tapfere junge Frau. Sie kannte keine Angst. Aber die Sorge um Sky und Dan, um die Menschen, die sie liebte, war größer als jede Angst.

Sie war eine Comanchin, die gelernt hatte zu kämpfen. Während ihres Lebens im heißen, staubigen Süden, war dort erbittert gegen weiße Siedler und Soldaten gekämpft worden. An den scharfen Knall der Schüsse hatte sie sich bereits als Kind gewöhnen müssen. Trotzdem war sie keine Wilde, die nach dem Blut ihrer Feinde lechzte.

Sie konnte Sky nicht umstimmen. Beherrscht nickte sie und berührte sein Gesicht. „Bueno, geh, Carino! Aber pass auf dein Leben auf.“

Über sein Indianergesicht huschte ein verwegenes Lächeln. Er griff zur Winchester und glitt aus dem Stall. Schon lief er geduckt nach hinten. Kein Schuss fiel. In wenigen Sekunden hatte er sich vom Mietstall entfernt.

Einsam erschien er am Straßenrand. Regen prasselte auf die Häuser und Vordächer. Ein Planwagen wühlte die Straße auf. Große Pfützen bildeten sich.

Er überquerte die Straße, folgte dem Gehsteig und erreichte den Saloon. Ein Keeper kehrte den Dreck im Saloon zusammen. Staub zog über die Tische. Es roch nach Whisky und Rauch, Staub, Schweiß und Parfüm.

„Ich suche den Trapper, der in der letzten Nacht hier im Saloon war“, sagte Sky. „Er trägt Wolfsfellkleidung und ist groß und breit.“

Der Keeper hielt inne, stützte sich auf den Besen und starrte Sky an.

„Hier war keiner“, log er, „und wenn du nicht sofort verschwindest, wirst du das bereuen, Indsman.“

Sky atmete trotz der Staubwolken tief ein. Er beherrschte sich. In seinen braunen Augen funkelten kalte Lichter.

„Er war hier, das weiß ich genau.“ „Hör mir mal zu, Rothaut“, knurrte der Keeper drohend. „In diesem Saloon war kein Trapper. Hier waren nur ordentliche Leute. Auch wenn du verteufelt gut unsere Sprache sprichst, hast du jetzt sofort zu verschwinden.“

Skys Gesicht verhärtete sich. Kein Mensch von Plains City würde ihm die Wahrheit sagen. Er rannte überall gegen eine Mauer des Schweigens und des Hasses.

„Los, worauf wartest du noch, Indianer? Willst du hier die Luft verpesten? Das hier ist ein Saloon für Weiße.“ Hinten klappte die Tür.

„Was ist denn?“, fragte die Frau und kam näher. „Wollt ihr euch schon am frühen Morgen streiten?“

Vermillion betrachtete Sky. Seine schlanke Erscheinung gefiel ihr. Sie war von seinem Gesicht sogar fasziniert.

„Wer bist du, Fremder? Du siehst wie ein Indianer aus.“

„Er soll verschwinden, Vermillion“, fauchte der Keeper. „Misch dich nicht ein! Wenn er nicht geht, leg ich ihn um.“

Sie lachte rau auf und winkte ab. „Nicht so hitzig! Mach den Saloon sauber! Du weißt, dass Lodge Logan den saubersten Saloon von Plains City haben will. Kommen Sie, junger Mann, hier staubt es zu sehr.“

Sie ging hinaus und verharrte auf dem Gehsteig.

Hunde bellten. Hähne krähten. Junge verwahrloste Burschen lungerten ein paar Häuser weiter unter dem Vordach eines Stores. Abgerissene Tramps schwankten betrunken durch den Regen. Die Straße wurde zu einem Morast. Ein Animiermädchen ging gähnend durch die Stadt und verschwand in einem Haus.

„Wie heißt du?“, wollte Vermillion wissen. „Du bist fremd in dieser Stadt, ich habe dich noch niemals gesehen.“

Sie hatte einen versöhnlichen Ton gefunden und zeigte Sky gegenüber keine Verachtung. Vermillion hatte in ihrem wechselvollen Leben zu viel durchgemacht und fühlte sich nicht erhaben. Für sie war auch ein Indianer und ein Halbblut ein Mensch.

„Sky Oakland“, antwortete Sky leise. Er bemerkte, wie es in Vermillions Gesicht zuckte. Sie atmete schwer ein und stützte sich auf die Brüstung vor dem Saloon, blickte über die dunstige Straße und wollte nicht, dass er ihr Gesicht betrachtete.

„Und was willst du hier?“

„Ich suche meinen Vater, Ma’am.“ „Oakland? Soll er in diesem Saloon gewesen sein?“

„Ja, Ma’am. Er wollte einen Whisky trinken und dann zum Mietstall zurückkommen. In der Nacht wurde auf ihn geschossen, auch auf uns im Stall. Verstehen Sie das, Ma’am?“

„In jeder Nacht fallen Schüsse in Plains City, junger Mann. Wie willst du wissen, dass auf deinen Vater geschossen wurde?“

„Ich weiß es nicht, ich vermute es. Ich wollte meinem Vater helfen, doch ich kam nicht aus dem Stall raus. Das bedeutet doch was, Ma’am, und zwar nichts Gutes. Die Halunken wollten nicht mich, sie wollte meinen Vater.“ „Ja“, entfuhr es ihr ungewollt, und schnell fügte sie hinzu: „Ja, so könnte es vielleicht gewesen sein. Womöglich hat er die Stadt schon verlassen.“

„Nein, Ma’am, da kenne ich meinen Vater zu gut. Die Halunken haben ihn erwischt.“ Sky presste den Mund zusammen und spähte unruhig suchend umher. „Ich finde ihn, Ma’am. Gnade Gott den Halunken, wenn sie meinem Vater was angetan haben!“

„Um Gottes willen!“, hauchte sie. „Ja, dein Vater war im Saloon. Ich hab mit ihm sogar gesprochen und seine alte Karte verwahrt. Als er den Saloon verließ, fielen die ersten Schüsse."

Sky trat dicht an Vermillion heran. Unverwandt sah sie auf die regennasse Straße. „Sprechen Sie weiter, Ma’am, bitte.“

„Ich bin verrückt, dir das zu sagen. Dein Vater verlor beim Pokern alles Gold, doch er blieb freundlich und gelassen. Das muss verschiedene Kerle gereizt haben. Sie glauben, dass er viel Gold besitzt. Jetzt wollen sie um jeden Preis herausbekommen, wo sein Claim liegt. Darum suchen sie auch nach der alten Karte. Mein Gott, was ist das nur für eine scheußliche Stadt!“

Er hatte sich eisern in der Gewalt. Sein Herz schlug schneller.

„Weiter, Ma’am! Wer sind diese Männer? Wo finde ich sie?“

„Ich sag kein Wort mehr, Sky Oakland“, flüsterte sie. „Geh zurück zum Mietstall. Vielleicht kann ich was für dich und deinen Vater tun.“

„Wo ist mein Vater? Sagen Sie es, Ma’am! Sie wissen es doch.“

Sie drückte sich von der Brüstung ab und starrte ihn durchdringend an.

„Du musst die Stadt verlassen. Sofort. Die Kerle werden bald wissen, dass du Oaklands Sohn bist. Dann werden sie auch dich erwischen wollen. Rette deinen Kopf, Junge! Hör auf mich. Ich meine es nur gut mit dir. Plains City ist ein einziger Hinrichtungsplatz. Hier würdest du schon bald dein Leben aushauchen.“

Graue Flecken waren in seinem Gesicht. Der Wind spielte mit seinem langen Haar.

„Ich kann nicht weg, Ma’am. Ich muss meinen Vater finden.“

„Bitte, hör auf mich. Tu, was ich dir gesagt habe, sonst ...“

Sie verstummte und blickte auf die Schwingtür. Hinter den Türflügeln stand kalt lächelnd der Spieler Lodge Logan, dem auch der Saloon gehörte. Lässig kam er hervor.

„Seit wann redest du mit einem Indianer, Vermillion?“, fragte er. „Oder ist er ein Halbblut, ein halber Weißer?“ Vermillion lachte wie ein Mann auf. Sie konnte sich gut verstellen.

„Er sucht nach dem Trapper, Lodge. Nach dem Fremden, der gestern im Saloon gewesen ist und gepokert hat. Der Trapper will mit ihm weiter nach Westen, sie wollen Biber jagen. Am Yellowstone River sollen noch gute Jagdgebiete sein, sagt er.“

Lodge Logan lächelte sanft.

„Aber, Vermillion, was sagst du denn da? Ich weiß doch, dass er der Sohn dieses Trappers ist. Oakland hat es mir selbst gesagt.“

Sky blickte Logan ernst und forschend an. Der Spieler lächelte so ungezwungen, dass auch Sky getäuscht wurde.

„Wissen Sie, wo mein Vater ist?“

„Nein, junger Mann. Warum fragen Sie? Ist er nicht zurückgekommen? Er hat uns noch gesagt, dass er zum Mietstall zurückgehen wollte.“

„Er ist verschwunden.“

„Das tut mir leid. Aber er wird bestimmt bald wieder auftauchen. Unsere Gäste begleiten oft die Mädchen nach Hause.“

„O nein, Mister, mein Vater tut das nicht.“

„Dann kann ich Ihnen leider nicht helfen.“ Lodge Logan nickte Sky freundlich zu, gab Vermillion einen Wink und ging mit ihr in den Saloon zurück.

Sky ging weiter.

Hart packte Logan Vermillions Arm und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Aufstöhnend beugte sie sich zurück.

„Noch ein einziges Wort zu diesem Bastard, und ich leg Blumen auf dein Grab“, fauchte er.

Sie presste die Hand an die schmerzende Wange. „Ich hab ihm nichts gesagt, Lodge“, beteuerte sie. „Darauf gebe ich dir mein Wort.“

„Dann ist ja alles in Ordnung, Vermillion“, meinte er. „Aber ich will sichergehen.“

Er drehte sich um und nickte dem Keeper zu. Der ließ den Besen fallen und lief aus dem Saloon.

„Was willst du tun, Lodge?“, flüsterte Vermillion entsetzt.

„Wir haben die Taschen des Trappers durchsucht. Die Karte ist verschwunden. Vielleicht weiß sein Sohn mehr. Wenn die Oaklands nicht das Maul aufmachen, gehen beide vor die Hunde! Und jetzt scher dich raus auf dein Zimmer!“

Sie musste gehorchen.

Lodge Logan war ein mächtiger und skrupelloser Mann. Wer sich gegen ihn auflehnte, beging Selbstmord.

* * *

Sun hielt nicht ihr Versprechen. Sie spürte die furchtbare Gefahr, die von Plains City ausging. Hinter all diesen Häusern und Hütten lauerte Unheil.

Sky war schon eine halbe Stunde fort, und auch Dan Oakland kam nicht zurück.

Als der Stallmann seinen Burschen nach hinten rief, zog Sun ihren Colt aus der Satteltasche und verließ lautlos den Mietstall.

Der Regendunst verwischte die Konturen. Ständig prasselte es auf die Dächer. Sun barg die schwere Waffe unter ihrer Jacke und glitt durch die Höfe. Neben einem Schuppen blieb sie stehen. Vor ihren Augen hing der graue Regenvorhang. Sie konnte von ihrem Platz aus die Straße überblicken.

Die Weißen, die sich auf den Gehsteigen bewegten, waren graue Schatten im Regen. Der Dunst ballte sich zusammen und trieb in Schwaden über die Straße.

Verwilderte Burschen tanzten lachend um ein Animiermädchen herum. Angetrunkene Männer balancierten über die ausgelegten Planken hinweg und auf die andere Straßenseite.

Plötzlich entdeckte sie Sky.

Er schritt an der Hofeinfahrt vorbei.

Sun wollte ihn rufen. Doch er war schon verschwunden.

Sie hastete zwischen die Häuser. Der Boden war nass wie Brei. Sun fiel gegen die Hauswand. Sie arbeitete sich langsam zum Straßenrand vor.

Auf einmal hörte sie hartes Klirren. Sofort schmiegte sie sich wieder an die nasse Hauswand.

Bewaffnete Männer gingen vorbei, starrten über den Gehsteig und verrieten durch ihre angespannten Körper und steifen Bewegungen gewalttätige Absichten.

Sun dachte an Sky. Keuchend wühlte sie sich durch den Morast und erreichte den Straßenrand. Nass klebte ihr das schwarze Haar in der Stirn. Unruhig sah sie den Männern nach. Sky bog jetzt ab und verschwand in der Hofeinfahrt zum Mietstall. Die Männer blieben vor der Einfahrt stehen und beobachteten Sky.

Schon jetzt waren großkalibrige Colts auf Sky gerichtet.

Er war dem Tod näher als dem Leben. Eine einzige heftige Reaktion und er wäre auf der Stelle tot.

Angespannt blieb er auf dem regennassen Hof stehen. Er wusste plötzlich, dass Waffen auf ihn zeigten. Ein kaltes Gefühl war in seinem Nacken.

Ein paar Häuser weiter rannte Sun durch den Morast und erreichte den Platz hinter den Häusern. Sie konnte Sky sehen.

Er hielt die Winchester gesenkt. In der Einfahrt standen breitbeinig die Männer.

Stöhnend presste Sun die Faust gegen den Mund. Sie durfte nicht aufschreien. Sie konnte Sky auch nicht mehr warnen. Ihr Schrei würde alles noch viel schlimmer machen.

Langsam näherten die Männer sich dem Halbblut.

Sky drehte sich unendlich langsam herum. Sein Gesicht war wie aus Stein. Fieberhaft überlegte er. Er hatte keine Chance. Diese Männer hätten ihn längst über den Haufen schießen können. Sie taten es nicht. Das verriet Sky, dass sie ihn lebendig haben wollten.

Er ließ die Winchester fallen. Die Waffe sank im weichen Boden ein. Die Männer grinsten. Skys Augen waren ausdruckslos. Regen schlug auf Rücken und Schultern. Die Männer kamen immer näher. Sky dachte an seine junge Frau. Das Stalltor war geschlossen.

Drei Schritte von ihm entfernt blieb ein rothaariger Mann stehen. Unzählige Sommersprossen bedeckten das nasse Gesicht. Jungenhaftes Lächeln lag um den Mund. Die blauen Augen aber starrten ihn kalt an.

„Holt das Indianerweib!“, befahl der Mann.

Sky krümmte sich wie unter einem Peitschenhieb. Er ballte die Hände zusammen und stöhnte dumpf auf.

Einer der Männer riss ihm den Colt aus dem Halfter und verharrte hinter ihm. Die beiden anderen näherten sich dem Mietstall.

„Schlechte Sache, wie?“, fragte der sommersprossige Mann zynisch. „Du hast keine Chance, Bastard. Ich pump dich voll Blei, wenn du dich bewegst.“

„Lasst meine Frau in Ruhe!“, stöhnte Sky.

„Halt’s Maul, Bastard! Wir tun, was uns Spaß macht, verstanden?“

Sky war es übel. In seinem Magen wühlte es. Am liebsten hätte er sich auf diesen rothaarigen Revolverschwinger gestürzt.

Hinter ihm zerrten die beiden Männer das Stalltor auf und drangen ein. Regenschauer zogen über den öden Hof. In der Stadt kreischte ein Mädchen. Ein Mann lachte enthemmt. Völlig betrunken lag der Coroner in seiner Tischlerei in einem offenen Sarg und schwenkte die Whiskyflasche.

Plains City war so tief gesunken, wie eine Stadt nur sinken konnte. Wer hier einst noch Anstand und Moralgefühle gehabt hatte, war längst vom Atem des Bösen angesteckt worden. Die Stadt war ein Sammelbecken für lichtscheues Gesindel, für verwahrloste Tramps, wilde junge Burschen und käufliche Mädchen.

Sie hassten und verabscheuten sich, ödeten sich an und konnten dennoch nicht ohneeinander leben.

Diese Stadt war eine Hölle auf der weiten Ebene. Hier vertrat ein Mann das Gesetz der Gewalt, das die Halunken ihm aufgezwungen hatten. Sie hatten ihn zum Sheriff gemacht. Der Blechstern an seiner Weste war so wenig wert wie er selber.

Stimmen tönten aus dem Stall. Die beiden Männer fluchten. Sky hörte das Stampfen der Pferde. Die Revolverschwinger suchten nach Sun. Sie durchstöberten die Boxen und durchwühlten das Stroh. Dann hörte Sky die Stimme des Stallmannes.

„Bringt hier nicht alles durcheinander“, rief er wütend. „Zum Teufel, was sucht ihr?“

„Die dreckige Indianerin.“

„Hier ist sie nicht“, antwortete der Stallbursche und lachte schrill auf. „Wollt ihr was von ihr?“

„Kleiner, du hältst die Schnauze, verstanden?“

Sky schloss wie unter Schmerzen die Augen. Der sommersprossige Mann betrachtete ihn höhnisch.

„Wir kriegen sie, Bastard. Die Pferde sind ja noch da.“

Jetzt kamen die beiden Männer zurück. Zu viert flankierten sie Sky und stießen ihn brutal über den Hof.

Sun kroch um das Haus und kauerte sich dicht vor der Straße hin. Sie spürte nicht den Regen und nicht den feuchten Wind. Mit geweiteten Augen beobachtete sie, wie drei Männer Sky über die Straße trieben. Der vierte Mann war nicht zu sehen.

Niemand half Sky. Auf den Plankenwegen standen Einwohner und taten nichts, grinsten nur. Sky war für sie ein dreckiger Bastard.

„Hängt ihn doch auf!“, schrie jemand über die Straße.

„Vielleicht später“, rief der Revolverschwinger mit den Sommersprossen lachend zurück.

Nackte Gewalt herrschte in der Stadt. Viele sahen einfach zu und lachten. Sie hatten ein Opfer gefunden, dem ihr ganzer Hass galt.

Aus dem Office des Sheriffs trat ein stämmiger Mann hervor. Der Stern schimmerte matt. Er hielt eine Flasche Whisky in der linken Hand und beobachtete die Halunken, die Sky von der Straße trieben. Er griff nicht ein. Dieser Mann war kein richtiger Sheriff. Er trug nur den Stern. Er rülpste laut, machte kehrt und ging in das Office zurück.