Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
ZURDO Ein geheimnisvoller schwarzer Reiter kämpft für Recht und Freiheit! U.H. WILKEN schreibt ZURDO. Erleben Sie von Anfang an die tollkühnen Abenteuer und verwegenen Ritte ZURDOs, der nachts wie ein schwarzer Schatten durch das weite Land jagt und schon zu Lebzeiten zum Symbol menschlichen Widerstands und zur Legende wurde! Neuauflage der Romane: Marshal Western 184 - Blei ist mein letzter Gruß (Moewig Verlag, 1976) Marshal Western 188 - Knie nieder und stirb (Moewig Verlag, 1976)
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 285
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
In dieser Reihe bisher erschienen:
9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache
9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato
9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen
9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen
9005 Dietmar Kuegler Tombstone
9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang
9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod
9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin
9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana
9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas
9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs
9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk
9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition
9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen
9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer
9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen
9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell
9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr
9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee
9020 R. S. Stone Die Hand am Colt
9021 Dietmar Kuegler San Pedro River
9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen
9023 Dietmar Kuegler Alamo - Der Kampf um Texas
9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker
9025 R. S. Stone Blutiger Winter
9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge
9027 Alex Mann Dreitausend Rinder
9028 R. S. Stone Schwarzes Gold
9029 R. S. Stone Schmutziger Job
9030 Peter Dubina Bronco Canyon
9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt
9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille
9033 Anton Serkalow Blaine Williams - Das Gesetz der Rache
9034 Alfred Wallon Kampf am Schienenstrang
9035 Alex Mann Mexico Marshal
9036 Alex Mann Der Rodeochampion
9037 R. S. Stone Vierzig Tage
9038 Alex Mann Die gejagten Zwei
9039 Peter Dubina Teufel der weißen Berge
9040 Peter Dubina Brennende Lager
9041 Peter Dubina Kampf bis zur letzten Patrone
9042 Dietmar Kuegler Der Scout und der General
9043 Alfred Wallon Der El-Paso-Salzkrieg
9044 Dietmar Kuegler Ein freier Mann
9045 Alex Mann Ein aufrechter Mann
9046 Peter Dubina Gefährliche Fracht
9047 Alex Mann Kalte Fährten
9048 Leslie West Ein Eden für Männer
9049 Alfred Wallon Tod in Montana
9050 Alfred Wallon Das Ende der Fährte
9051 Dietmar Kuegler Der sprechende Draht
9052 U. H. Wilken Blutige Rache
9053 Alex Mann Die fünfte Kugel
9054 Peter Dubina Racheschwur
9055 Craig Dawson Dunlay, der Menschenjäger
9056 U. H. Wilken Bete, Amigo!
9057 Alfred Wallon Missouri-Rebellen
9058 Alfred Wallon Terror der Gesetzlosen
9059 Dietmar Kuegler Kiowa Canyon
9060 Alfred Wallon Der lange Weg nach Texas
9061 Alfred Wallon Gesetz der Gewalt
9062 U. H. Wilken Dein Tod ist mein Leben
9063 G. Michael Hopf Der letzte Ritt
9064 Alfred Wallon Der letzte Mountain-Man
9065 G. Michael Hopf Die Verlorenen
9066 U. H. Wilken Nächte des Grauens
9067 Dietmar Kuegler Die graue Schwadron
9068 Alfred Wallon Rendezvous am Green River
9069 Marco Theiss Die Mathematik des Bleis
9070 Ben Bridges Höllenjob in Mexiko
9071 U. H. Wilken Die grausamen Sieben
9072 Peter Dubina Die Plünderer
9073 G. Michael Hopf Das Gesetz der Prärie
9074 Alfred Wallon Tag der Vergeltung
9075 U. H. Wilken 5000 Dollar für seine Leiche
9076 Lee Roy Jordan Wo Chesterfield geht
9077 U. H. Wilken Knie nieder und stirb
9078 A. Wallon Der Tod des Falken
9079 L. R. Jordan Viva Chesterfield
9080 D. Kuegler Verdammten von Shenandoah
WESTERN LEGENDEN
BUCH 77
Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen
und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.
In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.
Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.
Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten
www.Blitz-Verlag.de
ISBN: 978-3-68984-305-2
9080 vom 19.02.2025
Blei ist mein letzter Gruß
Knie nieder und stirb
Erstveröffentlichung der Romane:
Über den Autor
Blei ist mein letzter Gruß
„Buenas noches.“
Niemand im verräucherten Saloon hörte den freundlichen Gruß des jungen Mexikaners. Still lächelnd blieb er neben einem Tisch stehen und sah sich suchend um. Tabakrauchschwaden wölkten sich um die blakenden Lampen. Rauhe Männer standen an der Theke. Alle Tische waren besetzt. Ein schönes Mädchen eilte durch den nebligen Rauch und bediente.
Die dunklen Augen des Jünglings leuchteten auf. Er wollte dem Mädchen ein Zeichen geben, als er einen leichten Stoß am Bein verspürte.
Ohne Argwohn blickte er sich um und schaute fragend in das von einem glühenden Feuermal entstellte Gesicht des hageren Mannes am Tisch.
„Ist sie deine Freundin, Hombre?“ wollte der Mann wissen und spielte mit seinem Revolver. „Liebst du sie?“
„Ja, Senor“, antwortete der Jüngling stolz. „Priscilla und ich heiraten bald.“
„Zur Heirat gehören immer zwei, nicht wahr? Wie heißt du?“
Ausdruckslos betrachtete der Mann am Tisch den Mexikaner, während er die Waffe um die rechte Hand wirbeln ließ.
„Chico.“
„Ein schöner Name für einen hässlichen Grabstein.“
Aufbrüllend entlud sich der Revolver. Die Stichflamme versengte das Baumwollhemd des jungen Menschen. Schweres Blei riss Chico hoch und stellte ihn für den Bruchteil einer Sekunde auf die Fußspitzen, dann stürzte er sterbend zwischen die Tische. Whisky spritzte aus fallenden Krügen und Gläsern und rann wie braune Tränen über Chicos Gesicht.
Der Tod ließ die Männer verstummen. Wie versteinert saßen und standen sie im Saloon. Pulverdampf stieg über dem Tisch des Revolverschützen empor und legte sich als grauer Schleier um die Lampen.
Harte Muskelstränge brachten Leben in das feuerrote Gesicht des hageren Mannes, der sich langsam aufrichtete.
„Verzeihung“, sagte er kalt in die lastende Stille hinein, „das wollte ich nicht. Der Schuss ging von allein los.“
Gellend schrie das Mädchen auf und hastete um die Tische, warf sich neben Chico auf die Knie und betete mit bebender Stimme. Priscillas langes schwarzes Haar fiel wie ein Vorhang vor Chicos Gesicht.
Die knochigen Männer mit den aufgerissenen und schwieligen Händen starrten den Schützen betroffen an. Einer der Squatter sagte mit belegter Stimme: „Wenn das nur gutgeht, Fire Face.“
„Warum sollte es nicht gutgehen?“ entgegnete Fire Face gelassen und stieß die noch immer qualmende Patronenhülse aus der Revolvertrommel. „Es war ein Unglück! Tut mir ja selber schrecklich leid.“
Priscilla schluchzte und streichelte mit flatternder Hand das Gesicht ihres Freundes. Es war grau wie erkaltete Asche. Ganz schwach bewegte er die Lippen. Sie tupfte die braunen Whiskytropfen von seinem Gesicht und weinte herzzerreißend.
Die Squatter atmeten schwer. Harte Stiefel polterten über den Bretterboden. Fluchtartig verließen sie alle den Saloon und wollten nichts gehört und gesehen haben.
Fire Face drückte eine neue Patrone in die Kammer, schob den Revolver in die Halfter und ging langsam zur schlagenden Schwingtür. Davor drehte er sich um und blickte ohne jede Empfindung auf den Sterbenden.
„Ein schöner Name“, murmelte er und stapfte auf den Gehsteig hinaus. Die Türflügel schlugen hinter ihm zusammen.
Noch niemals zuvor war er Chico begegnet, und trotzdem hatte er geschossen.
Es war Abend in Sacramento.
Fire Face verschwand in der Dämmerung.
„Mörder!“ schrie Priscilla verzweifelt. „Vaya al diablo!“
Chicos Hand zuckte. Sofort umfasste Priscilla seine Rechte und presste sie an ihr Herz.
„Ich komm nach, Chico“, wimmerte sie, „ich will nicht allein sein.“
„Nein“, hauchte er, „das darfst du nicht, Priscilla. Du musst - leben! Ruf - Zurdo! Es war - kein Unglück, Priscilla. Der Gringo hat mit Absicht auf mich geschossen. Sag Zurdo das und …
„Chico!“ schluchzte sie und umarmte den Toten am Boden. „Mein guter, lieber Chico! O Mutter Gottes, hilf mir, hilf …“ Ihre Stimme erstarb. Sie sackte zusammen und blickte leer und geistesabwesend auf das blasse Gesicht.
* * *
Zurdo …!
Der Glut Atem der Legenden um diesen geheimnisvollen schwarzen Geisterreiter wehte durch Kalifornien. Kopfgeldjäger suchten seine Spur. Fünftausend Dollar Belohnung waren auf Zurdo ausgesetzt. So viel war sein Kopf wert.
Doch die Kalifornier liebten und verehrten ihren Zurdo, der unter der schwarzen Maske durch die mondhellen Nächte jagte und das Blei in die skrupellosen Feinde Kaliforniens hineinschoss.
Ein Mädchen rief nach Zurdo.
Arme Menschen ritten auf Maultieren aus Sacramento. Enteignete Kalifornier trugen den Hilferuf der blutjungen Priscilla durch das Land. Mexikanische Jungen eilten von Hütte zu Hütte. Greise Frauen mit weißen Haaren stützten sich auf ihre knorrigen Stöcke und begannen zu wandern. Und auf dem Sacramento River trieben die Boote der Einheimischen mit der Strömung dem großen blauen Pazifik zu, und die Bootsleute hielten bei jeder Hütte am Fluss an.
Der Hilferuf blieb nicht ungehört.
Ein junger Kalifornier saß in einer ärmlichen Pulqueria im Tal des Sacramento und hörte die Leute flüstern.
Sein weiches Gesicht zeigte jungenhaftes Lächeln. Im trüben Licht der Kerzen verwischten die harten Spuren in diesem braungebrannten schmalen Gesicht. Die dunkelbraunen Augen bekamen einen kalten Glanz. Geschmeidig erhob er sich, zahlte und verließ die Pulqueria.
Im windschiefen Stall schreckte ein junger Indio auf, stumm für alle Zeiten. Fragend blickte er seinen Herrn und Gefährten an.
Und Miguel Monterrey sagte: „Chato, wir werden gerufen. Komm, mein Freund, reiten wir.“
Und sie stiegen auf die Pferde und jagten in die graue Wand der Dämmerung hinein. Trommelnder Hufschlag unterbrach die tiefe Stille auf den verwüsteten Feldern. Fernab loderten die Feuer der Goldsucher. Bizarr wuchteten die Felsklippen der Sierra Nevada in den Himmel der Nacht.
Wie ein schemenhafter Spuk verschwanden die Reiter im Nichts.
Sacramento war ihr Ziel, die wilde Stadt am Strom.
Nur einmal rasteten sie in der Nacht. Der stumme Indio öffnete den Mund und stieß einen seltsamen Laut aus, der tief aus seiner Kehle kam. Es hörte sich an wie das Kläffen eines hungrigen Kojoten.
Und Miguel Monterrey nickte und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Bueno, Amigo mio. Rufe wie ein Kojote. Ich will dich endlich hören können.“
Und dem Indio Chato kamen die Tränen, denn jetzt konnte er seinen Herrn warnen, sollte die tödliche Gefahr Zurdo umgeben.
Wochenlang hatte Chato diesen klagenden Ruf immer wieder auszustoßen versucht. Jetzt hatte er gesiegt über die Stille in seiner Kehle.
Sie ritten weiter.
Der Ruf eines Kojoten verhallte in der Nacht.
* * *
Ein Sprühregen ging über dem Sacramento-Tal hernieder. Blutrot sank die Sonne hinter den Bergen der Küste.
Im Farmhaus beschlugen die Fenster. Bunte Gardinen fingen das Licht der Lampe ab. Fremde lauerten draußen, standen geduckt in derben schweren Stiefeln und starrten hasserfüllt zum Farmhaus hinüber. Der Regen nässte ihre Gesichter und perlte an den wilden Bärten.
Ein hartgesichtiger Mann, dem die Unduldsamkeit scharfe, bittere Züge gegeben hatte, drehte sich schwerfällig herum und blickte die Squatter an, die ihm gefolgt waren.
„Seid ihr bereit, Männer?“ knurrte er. „Wollt ihr das Land wieder besitzen, Freunde?“
Sie sahen ihn an, wie er abgearbeitet und bucklig vor ihnen stand, die buschigen Augenbrauen zusammengezogen. Wasser rann über sein Gesicht. Bei jedem Atemstoß fegte er das Regenwasser von den Lippen.
„Ja, Legh Chisholm“, antwortete ein Squatter, dem der Pflug den Arm abgerissen hatte.
„Du sprichst für alle, McCree?“
„So ist es, Chisholm! Wir alle sind bereit und tun, was du willst.“
„Gut.“ Legh Chisholm rieb mit dem harten Handrücken über den Mund. „Ich weiß, gut ist es nicht, was wir tun werden, aber es muss sein. Wir wollen dieses Land! Die kalifornischen Besitzer dieser Felder sind vor Gericht gegangen, als wir ihnen das Land abgenommen hatten, und sie haben vor Gericht ihr altes Recht bekommen. Aber damit geben wir uns nicht ab! Kalifornien gehört uns. Sollen diese verfluchten Kalifornier im Meer ersaufen oder hier vor die Hunde gehen! Wir holen uns das Land zurück. Seht ihr dort drüben das Haus? McCree, du kannst es kriegen, wenn du willst, aber erst müssen wir auch alle anderen Stinktiere von ihren Farmen vertrieben haben.“
Die Squatter knurrten grimmig und nickten beifällig.
„Dann los, Freunde. Umstellt die Farm. Und denkt daran: Zeugen darf es nicht geben.“
Ein Todesurteil.
Im Farmhaus ahnten die Bewohner nichts vom drohenden Verhängnis.
Mit weichem Lächeln auf dem faltigen Gesicht trat die Frau an den Tisch heran und füllte den kleinen Tonkrug ihres Mannes mit Mescal. Erstaunt blickte der Mexikaner auf.
Seine Frau nickte ihm zu und legte die Hand auf seine Schulter.
„Weißt du nicht, dass heute Sonntag ist, Liebling?“
Er ergriff ihre Hand und legte sie an sein Gesicht.
„Nein, ich hab es nicht gewusst“, antwortete er leise. „Wir sind nicht nach Sacramento in die Kathedrale gegangen, Carina.“
„Du hast gearbeitet an diesem Sonntag, Jose. Wir würden verhungern, wenn wir nicht auch am Sonntag arbeiten würden. Gott weiß das. Er wird nicht zornig auf uns sein.“
Jose Visconti küsste die Hand seiner Frau und trank dann etwas vom Mescal. Nebenan raschelte es. Seine Frau ging in den kleinen Schlafraum und beugte sich über den Korb, in dem ein Baby strampelte.
Die Viscontis führten ein hartes Leben, doch sie waren glücklich. Denn auch ihnen hatte das Gericht wieder ihr altes Land zugesprochen, und die Amerikaner, die sich auf diesem Boden breitgemacht hatten, hatten es verlassen müssen.
Leise und weich sprach die Frau zu ihrem kleinen Kind, tätschelte es und gab ihm die Stoffpuppe zum Nuckeln.
Erst sehr spät hatten sie das Kind bekommen. Jose Visconti glaubte an eine Zukunft. Er kam in den Schlafraum und sah, wie sein Baby schlief.
„Das Kind soll es einmal besser haben, Carina“, sagte er. „Dafür werde ich arbeiten, und später, wenn wir beide alt sind, wird unser Junge für uns sorgen.“
„Ja, Jose. Der Tag wird kommen, da es überall um unser Haus blühen und wachsen wird. Die Oliven werden in der Sonne leuchten, und Blumen werden blühen in unserem Garten. Wir werden im Schatten unseres Hauses sitzen und uns ausruhen, und unser Pepe wird die Oliven ernten von den Bäumen, die du gepflanzt hast. So wird es sein, Jose.“
Er ging zurück in den Wohnraum. Jose Visconti träumte mit offenen Augen.
Ein harter Tritt traf die Tür. Krachend flog sie auf und knallte gegen die Wand. Regen fiel auf die Schwelle des Hauses. Bärtige Männer drangen in das Haus ein.
Visconti fuhr erschrocken hoch und konnte keinen Schrei über die Lippen bringen. Sein Hals war wie zugeschnürt. Eine unsichtbare Klaue würgte ihn. Seine Augen weiteten sich. Entsetzt starrte er auf die Gringos in der derben Kleidung, sah ihre Waffen und erkannte in ihren Gesichtern Hass und Tollwut.
Seine Frau war nebenan im Schlafraum. Regenwasser rann über die Gesichter. Auf den Waffen perlte das Wasser. Ein feuchter Wind fuhr ins Haus. Die Lampe flackerte heftig.
Schüsse krachten.
Erbarmungslos schossen die Squatter auf den Mexikaner.
Jose Visconti stürzte nach hinten. Der zusammengepresste, glühende Tabak rollte wie eine Kugel über den Boden. Blei hatte die Brust des Mexikaners aufgerissen, und das Blut sickerte aus vielen Wunden und färbte das Baumwollhemd. Mit gebrochenen Augen blickte Jose Visconti leer in raumlose Ferne.
Pulverrauch füllte den Wohnraum.
Heisere Stimmen ertönten. Harte Schritte dröhnten durch den Raum. Nasse Erdklumpen fielen von den Stiefeln.
Die Frau nebenan schwankte. Sie hatte nichts gesehen, doch alles gehört, und sie wusste, dass ihr Mann nicht mehr lebte.
In diesen Sekunden dachte sie nur an ihr kleines Baby. Sie packte den Korb und trug ihn zu den Schlaflagern, schob ihn unter das Bett und hastete zurück.
Schon drangen die Fremden in den Schlafraum ein und erblickten die Frau. Ein einarmiger Mann hob die Waffe an. Gellend schrie die Frau auf und stürzte sich auf Legh Chisholm, der ihr am nächsten stand. Sie schlug ihm ins Gesicht, zerkratzte es und klammerte sich an seiner Kleidung fest.
Der einarmige McCree konnte nicht schießen. Die Kugel würde die Frau durchschlagen und Chisholm treffen.
Legh Chisholm kannte keine Gnade. Er hielt in der Rechten den Revolver und spürte den brennenden Schmerz im Gesicht. Aufbrüllend stieß er den Revolver in den Leib der Frau hinein und drückte ab.
Wie von einem auskeilenden Pferd getroffen, stürzte die Frau zurück und fiel tot auf das Schlaflager.
Keuchend drehte Chisholm sich um. Mit blutunterlaufenen Augen blickte er die Squatter an.
„Los, weg von hier!“ krächzte er.
Einer der Squatter wollte noch im Schlafraum nach Geld suchen. McCree stieß ihn hart an und zerrte ihn hinter sich her.
„Die haben nichts!“ rief er. „Die sind doch arm wie Kirchenmäuse!“
Polternd verließen sie das Haus.
Es war still in den Räumen. Der Nachtwind bewegte die knarrende Tür. Feuchter Regendunst wehte herein. Tropfen nässten die Türschwelle. Wie verloren flackerte die Lampe.
* * *
Anheimelnd gelber Lichtschein sickerte durch die Dunkelheit. Unter tropfnassen Bäumen verhielten zwei Reiter.
„Es ist sehr spät, Chato“, sagte Miguel Monterrey ernst und blickte zum Licht hinüber, „aber dort drüben brennt noch immer eine Lampe. Die Tür muss weit geöffnet sein.“
Der junge Indio beugte sich im Sattel vor und horchte angestrengt. Das zittrige Weinen eines Kindes drang durch den Regendunst.
„Da stimmt was nicht, Chato“, flüsterte Monterrey, und sein schmales, braungebranntes Gesicht verhärtete sich. „Halt mir den Rücken frei, mein Freund.“
Langsam ritten sie näher.
Monterrey glitt vom Pferd, und der Indio hielt sein Gewehr bereit. Geduckt lief Monterrey um die nassen Sträucher und blieb unter den Bäumen stehen.
Ein Baby schrie und weinte.
Mit den gleitenden Bewegungen eines Raubtieres schlich Miguel Monterrey um das Haus. Er trug keine Maske und war wie jeder Kalifornier gekleidet. Ein schwerer Colt steckte unter der langen Lederjacke. Lautlos näherte er sich der knarrenden Tür. Mit der linken Hand griff er unter die Jacke und zog den Colt hervor. Bläulich schimmerte der achtkantige Lauf des Cartridge Colts im herausfallenden Lichtschein.
Entschlossen sprang er über die Türschwelle, schnellte sofort zur Seite und lehnte an der Wand.
Der Colt war feuerbereit, doch Miguel Monterrey brauchte nicht zu schießen.
Draußen wartete Chato wachsam und horchend.
Langsam ging Monterrey um den Tisch. Am Boden war die Tabakkugel längst verglüht. Nebenan weinte das Baby. Vor Monterrey lag der Mexikaner. Tote Augen blickten Monterrey an.
Die Lampe flackerte und blakte. Jeden Moment konnte sie ausgehen. Im Raum roch es noch immer nach verbranntem Pulver. Der beißende Geruch hatte sich im Raum eingenistet.
Monterrey senkte die Linke mit dem zwölf Pfund schweren Colt und bewegte sich gleitend durch den Wohnraum. Der Regen perlte auf seinem kantigen Gesicht. Das rabenschwarze Haar glänzte bläulich. Der Mund war verkniffen, und der dunkle Bart über den Lippen wirkte wie ein breiter schwarzer Strich. Locker baumelte der Kinnriemen aus geflochtenem Leder hin und her. Leise klingelten die Radsporen an den weichen Reitstiefeln.
Im Schlafraum blieb er erschüttert stehen. Er sah die Frau auf dem Bett liegen. Ein Feuerstoß hatte den Leib zerfetzt. Die Hände der Mexikanerin waren geschlossen und hatten sich in der Sekunde des Todes verkrampft. Überall auf den Schlaflagern war Blut. Ein furchtbarer Anblick, der Miguel Monterrey erschreckte und ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
„Mein Gott“, flüsterte er klanglos.
Das Baby weinte.
Er musste sich zwingen, weiterzugehen.
Und er kniete vor den Schlaflagern nieder und zog den Korb mit dem Baby hervor. Der Säugling strampelte. Die kleinen Händchen griffen umher und suchten nach der Wärme der Mutter.
„Chato!“
Der Indio hörte Miguels brüchige Stimme, trieb sein Pferd an und ritt zum Haus. Neben dem Haus warf er sich vom Pferd. Monterreys schwarzer Hengst trabte hinterher. Die Zügelenden schleiften über den nassen Boden.
Als Chato den Schlafraum betrat, war sein Gesicht so grau wie das Felsgestein der Sierra Nevada.
„Die Mörder haben das Baby übersehen, Chato“, sprach Miguel mit schleppender Stimme. „Es muss geschlafen haben, als die Fremden kamen und töteten. Wir tragen die Toten hinaus.“
Chato nickte. Gemeinsam hüllten sie die Tote in eine Decke und trugen sie aus dem Haus. Dann holten sie den Mann, und während Chato die Grube aushob, ging Monterrey ins Haus zurück und kniete neben dem Korb nieder. Er zog die Handschuhe aus und streichelte sanft das Baby. Es griff nach seinem Finger und nuckelte daran. Einen flüchtigen Moment lang zog stilles Lächeln über Miguels Gesicht und vertrieb die düsteren Schatten.
Draußen im Sprühregen gab Chato den Toten ihr Grab. Er breitete eine Decke über Mann und Frau aus und schaufelte dann das Grab zu.
Durchnässt suchte er das Haus auf und sah, wie Miguel das Baby auf dem Schoß hielt und es sanft umarmte.
Langsam blickte Miguel auf. In seinen Augen war Nacht. Schweigend sah er den jungen Indio an.
Stumm streckte Chato die Hand aus und öffnete sie.
Miguel erkannte in Chatos Hand einen Knopf, an dem noch ein Fetzen Stoff hing.
„Hast du es bei dem Toten gefunden, Chato?“
Der Gefährte schüttelte den Kopf und antwortete in seiner Zeichensprache. Er konnte nicht reden. Mörderische Banditen hatten ihm die Zunge abgeschnitten.
„Die Senora hielt den Knopf in der Hand, Chato? Dann wird es der Knopf ihres Mörders sein. Wir haben ihre schreckliche Todeswunde gesehen. Sie stand dicht vor ihrem Mörder, als er schoss. Gib mir den Knopf, Amigo. Vielleicht führt uns dieser Knopf auf die Spur des Mörders.“
Chato reichte ihm den Knopf, und er betrachtete ihn kurz und barg ihn dann in der Tasche seiner Lederjacke.
Lautlos verließ Chato das Haus. Im Frühlicht des Morgens suchte er den Boden um das Haus ab und tastete über die Stiefeleindrücke. Ein Regenschauer zog durch das Geäst der Bäume. Dumpf schnaubten die Pferde. Im Haus war es still.
Miguel legte den Säugling in seinen Korb zurück und hüllte ihn wärmend ein. Dann ging er mit dem Korb auf den Armen durch den dunklen Wohnraum und zu seinem Pferd.
„Wieviel Spuren sind es, Chato?“
Der Indio streckte die Finger aus. In seinen braunen Indianeraugen flackerten ferne Feuer.
„Mehr als neun Mann?“ Miguel versteifte sich. „So viele Halunken sind hier gewesen, Chato? Um zwei wehrlose Menschen umzubringen, schlossen sich mehr als neun Banditen zusammen? Das nenne ich Mut!“
Es klang sarkastisch, kalt und drohend, und Chato wusste, dass Miguel Monterrey die Toten nicht vergessen würde.
Sie saßen auf und ritten in die Morgendämmerung hinein.
Das Baby schlief im Korb, der vor Monterrey auf dem Sattel lag. Oft blickte Monterrey auf das kleine zarte Gesicht des Kindes.
* * *
Der Weg nach Sacramento führte an der Hazienda vorbei. Hell schien die Sonne, als Monterrey und Chato auf das breite Tor zuritten. Die einst weißgetünchten Wände des Hauses waren grau geworden. Alte Bäume warfen ihre Schatten auf den Hof. Das Tor stand weit auf. Eine brüchige Mauer umgab das Anwesen.
Auf dem Hof stand ein Mexikaner mit einem Springfield-Gewehr.
Sie stiegen von den Pferden, und Miguel reichte Chato den Korb mit dem Baby. Der Indio trug den Korb in den Schatten und zog die Pferde hinter sich her.
Monterrey sprach mit dem Mexikaner. Daraufhin lief der Mann in das Herrenhaus. Abwartend blieb Miguel in der Sonne stehen, betrachtete das Haus, die Terrasse und die Stallungen und dachte an sein Zuhause, das zu einer grauen Ruine geworden war.
Der Peon kam zurück.
„Bitte, Senor“, sagte er, „Don Luis wartet auf Sie.“
Miguel folgte ihm. Sie betraten das Haus. Eine riesige Halle lag vor Miguel. Die Schritte weckten Echos. Er sah, wie ein ergrauter Kalifornier die breite Steintreppe herunterkam.
Don Luis trug die kalifornische Tracht eines Hidalgos. Er war stolz und hatte einst über ein weites Land geherrscht. Sein Haar schimmerte wie Silber im Sonnenlicht, das durch die hochgelegenen Fenster hereinfiel. Das Gesicht hatte eine unnatürliche gelbe Farbe. Don Luis litt an einer Krankheit. Dennoch lächelte er und begrüßte Miguel mit einem kräftigen Händedruck.
„Willkommen auf meiner Hazienda, Miguel“, sagte er freundlich. „Ich habe Ihren Vater gut gekannt. Es ist mir eine Freude, Don Ricardos Sohn in meinem Haus bewirten zu können.“
„Ich danke Ihnen, Senor“, antwortete Miguel, „aber ich muss weiter nach Sacramento.“
„Das kommt nicht in Frage, Miguel. Sie sind mein Gast. Ihr Diener wird in der Unterkunft der Vaqueros einen guten Platz finden. Der Dormitorio ist leer, seitdem die Vaqueros auf die Goldfelder gezogen sind. Kommen Sie, Miguel.“
„Don Luis, ich habe ein kleines Baby mitgebracht.“
„Maria wird sich um das Baby kümmern, Miguel. Sie ist mit meinem Peon verheiratet, und hat vor zwei Wochen ein Kind bekommen.“
„Es ist nicht mein Kind, Don Luis. Ich fand es auf einer kleinen Farm, fünf Meilen von hier. Die Eltern des Kindes wurden erschossen. Wir haben sie begraben. Mein Indio Chato entdeckte die Spur von über neun Männern.“
Die Falten im Gesicht des Hazienderos vertieften sich. In den Augen erlosch der Glanz. Wortlos ergriff er Miguelas Arm und geleitete ihn die Treppe hinauf. Sie betraten den Salon. Schweigend füllte Don Luis zwei Gläser. Sie setzten sich gegenüber und tranken vom Wein.
Die Freude des Hazienderos war erloschen.
„Fünf Meilen von hier?“ flüsterte Don Luis. „Das muss Jose Viscontis Haus sein. Ich weiß, dass seine Frau ein Kind bekommen hat, einen Jungen, dem sie den Namen Pepe gegeben haben.“
Er stand auf und läutete heftig. Wenig später trat eine Mexikanerin ein und blickte ihn ehrfürchtig an.
„Der Patron hat geläutet?“
„Ja, Maria. Lauf zu Don Miguels Diener. Nimm dich des kleinen Kindes an. Es ist Viscontis Sohn Pepe. Zieh es auf wie dein Kind. Es gehört dir. Jetzt geh, Maria.“
„Ja, Patron“, hauchte sie und hastete hinaus.
„Sie ist eine gute Frau, Miguel“, sprach Don Luis, „sie wird den kleinen Pepe aufziehen und ihm eine gute Mutter sein.“
„Gracias, Don Luis.“
„Das ist doch selbstverständlich, Miguel, und bedarf keines Dankes. Wenn wir Kalifornier nicht Zusammenhalten, dann ist unser Land verloren, dann werden die Gringos uns alle vertreiben und unsere Landsleute wie Vieh abschlachten.“
Miguel musste ihm im stillen rechtgeben. Es waren schreckliche Jahre in Kalifornien.
Don Luis blickte ins Leere. „Ich erinnere mich noch genau an die vergangenen Zeiten. Ihr Vater, Miguel, war ein einflussreicher Mann, und er züchtete auf der Hazienda de los Toros die besten Stiere Kaliforniens. Damals waren Sie ein Junge, Miguel. Jetzt sind Sie ein Mann geworden. Sie haben sich stark verändert. Ihr Vater beklagte sich einmal bei mir, dass Sie zu weich wären, und er befürchtete, dass sein Sohn ein Feigling werden könnte.“
„Ja“, sagte Miguel, „ich bin nie ein mutiger Mann gewesen, Don Luis. Ich leide darunter selbst am stärksten.“
„Sie sind es noch immer, Miguel?“ fragte Don Luis erschrocken.
„Ich fürchte, ja.“
„Aber Sie sind erwachsen, Miguel, Sie sind groß, schlank und kräftig. Nein, ich kann es nicht glauben. Ich habe zwei Söhne. Domingo und Alamo. Domingo ist still, in sich gekehrt, ein Träumer, aber ich glaube nicht, dass er ein Feigling ist. Alamo ist sehr wild und draufgängerisch, er hat viel von mir geerbt.“
Miguel lächelte sanft, denn Don Luis hatte sein Eigenlob elegant mit Worten verpackt.
„Wie sollte man einen tapferen Mann erkennen, Don Luis, wenn alle tapfer wären? Es muss Feiglinge geben, sonst gäbe es keine tapferen Männer, nicht wahr?“
Don Luis verzog das Gesicht. Das Thema gefiel ihm nicht. Er war stolz und stur, besessen und verbittert, ein Mann, der nicht aufgab, Kaliforniens Feinde zu verachten und zu hassen.
Irgendwer klopfte an die Tür. Don Luis brauchte Miguel Monterrey nicht zu antworten. Er rief, und ein junger Mann mit einem weichen Gesicht trat ein.
„Vater, ich möchte ausreiten.“
„Das ist mein Sohn Domingo, Miguel.“ Don Luis winkte den Sohn heran. „Begrüße Don Miguel Monterrey, Domingo. Sein Vater und ich waren Freunde. Don Miguel ist spanischer Abstammung wie wir alle.“
Domingo verbeugte sich vor Monterrey. Er war groß und schön wie seine verstorbene Mutter. Das schwarze Haar fiel lang und weich in die Stirn. Sein Händedruck war kaum zu spüren.
„Guten Tag, Domingo“, sagte Miguel lächelnd. „Freut mich, dich kennenzulernen.“
Domingo blickte ihn mit seinen dunklen Augen freundlich an, und erst jetzt konnte Miguel erkennen, dass er tiefblaue Augen hatte.
„Ich habe viel über Ihren Vater gehört, Don, Miguel, und ich hatte schon immer den Wunsch, Don Ricardos Sohn kennenzulernen.“
Miguel sah ihm nach, als er zur Tür ging. Domingo verließ den Salon. Don Luis seufzte vor sich hin und trank sein Glas leer.
„Domingo ist wie meine Frau. Ich glaube sogar, dass er in diesem Alter noch weinen kann.“
„Die Tränen eines Mannes, Don Luis, sind kein Zeichen von Schwäche und Feigheit. Ich habe geweint, als mein Vater starb und als die Hazienda zu einer rauchgeschwärzten Ruine wurde.“
Don Luis schwieg, griff nach seiner Zigarre und begann zu rauchen. Unten auf dem Hof schlugen die Hufe eines Pferdes davon. Jemand rief mit lauter Stimme. Dann knallte unten die Tür. Sporenräder rasselten durch die Halle.
„Das ist Alamo.“ Don Luis schien aufzuatmen. „Er hat Feuer im Leib. Nichts kann ihn erschrecken. Er schreckt auch nicht vor der Hölle zurück. Sie werden ihn gleich sehen, Miguel.“
Harte, schnelle Schritte kamen näher. Ohne anzuklopfen, stürmte Alamo herein. Er war mittelgroß, zäh und hart. Die lange schwarze Mähne wirbelte ins Gesicht. Sofort kam er auf Miguel zu, streckte die Hand aus und drückte Miguels Rechte.
„Ich hab schon von unserem Peon gehört, dass Sie unser Gast sind, Don Miguel. Bleiben Sie länger?“
„Nein. Ich muss nach Sacramento.“
„Passen Sie gut auf sich auf, Don Miguel. In der Stadt wimmelt es von dreckigen Gringos, die sich jeden Abend besaufen und dann auf die Gehsteige kotzen, herumballern und Frauen und Mädchen belästigen.“
„Alamo“, sagte Don Luis rügend, doch er lächelte dabei, „sag nicht solche derben Worte. Du erschreckst unseren Gast.“
Miguel hüstelte und sank wieder tief in den Sessel.
Alamo grinste. „Es ist aber wahr, Vater. Die Gringos haben erst in Kalifornien den aufrechten Gang kennengelernt. Zum ersten Mal essen sie mit Messer und Gabel. Dabei stoßen sie sich noch immer das Gesicht mit der Gabel blutig. Ich könnte sie alle eigenhändig erwürgen.“
„Soviel Hände hast du nicht, Alamo“, meinte Miguel und machte auf einmal einen schläfrigen Eindruck. „Es ist auch nicht immer ratsam, mit den Fäusten und Schießeisen zu kämpfen. Die Gringos sind nicht dumm. Und sie sind zahlreicher als die Blätter an den Bäumen.“
„Ha!“ stieß der junge Alamo wild hervor. „Das schreckt mich nicht zurück, Senor! Sollte mein Vater sich recht erinnert haben? Sind Sie wie mein Bruder Domingo, Don Miguel? Verstehen Sie die Frage nicht falsch. Ich gehe meinen Weg und lasse die anderen ihren Weg gehen, aber ich bin niemals bereit, den Gringos das Land ohne Kampf zu überlassen.“
Sporenrasselnd schritt er aus dem Salon und knallte die Tür zu.
Langsam zog Miguel ein blütenweißes Seidentuch hervor und tupfte sich die Stirn ab. „Ihr Sohn Alamo ist wild wie das Fegefeuer, Don Luis.“
„Ich bin stolz auf ihn, Miguel! Ein Vater möchte in dem Sohn sein Ebenbild sehen. Alamo ist so, wie ich damals gewesen bin. Ein Draufgänger, der nicht lange zögert.“
Miguel gähnte unterdrückt, erhob sich und sagte: „Ich bedaure, nicht länger Ihr Gast sein zu können, Don Luis. In Sacramento erwartet mich eine gute Bekannte. Ihr Freund ist gestorben. Sie braucht meine Hilfe.“
„Das kann ich gut verstehen, Miguel. Besuchen Sie mich bald wieder. Es hat mich sehr gefreut.“
Don Luis begleitete Monterrey durch das große Herrenhaus und auf den Hof hinaus. Chato hatte bereits die Pferde abgerieben und wartete vor der Unterkunft der Vaqueros.
„Sind Sie schon öfter in Sacramento gewesen, Miguel?“ Der Haziendero kehrte der gleißenden Sonne den Rücken.
„Nein“, antwortete Miguel. „Die Stadt ist mir zu wild.“
„Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Zurdo in Sacramento aufgeräumt. Die Amerikaner haben einen neuen Militärgouverneur eingesetzt, einen Gringo, der sich kaum um das wilde Treiben kümmert. Irgendwann werden sie ihn wieder abberufen und einen anderen auf seinen Posten setzen … Sind Sie Zurdo schon einmal begegnet, Miguel?“
„Ja, Don Luis. Er hatte um unsere Hazienda gekämpft, aber auch er hatte die Hazienda nicht mehr retten können.“
Don Luis blickte durch das geöffnete Tor hinaus in das Tal.
„Ich würde Zurdo gern einmal kennenlernen. Ich bewundere ihn.“
„Manchmal“ sagte Miguel leise, „halte ich ihn für einen Dummkopf. Er sollte wie Murieta eine treue Gefolgschaft um sich scharen. Allein hat er es zu schwer.“
„Sie enttäuschen mich, Miguel. Zurdo ist kein Narr. Kalifornien betet für ihn. Fragen Sie doch einmal an den Feuern der Vaqueros und Feldarbeiter nach ihm. Sie werden nur großartige Dinge über ihn hören, Miguel. Zurdo ist schon jetzt eine Legende.“
„Ja, das scheint mir auch so“, antwortete Miguel lächelnd, verabschiedete sich und ritt mit Chato durch das Tor hinaus.
Don Luis stand noch lange auf dem Hof. Er schüttelte oft den Kopf.
„Der gute Don Ricardo Monterrey würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er seinen Sohn sehen könnte. Mein Gott, Ricardo hatte recht. Sein Sohn Miguel ist ein Feigling. Ich danke Gott, dass ich einen Sohn wie Alamo habe. Domingo kann ich nur deshalb ertragen, weil Alamo so tapfer ist.“
Langsam kehrte Don Luis in sein Haus zurück. Er ahnte nicht, dass er mit dem geheimnisvollen Geisterreiter Zurdo ein Glas Wein getrunken hatte. Miguel Monterreys angebliche Feigheit war Zurdos zweite Maske.
* * *
Der Tod suchte neue Opfer. Lauernd schlich er durch das weite Tal des Sacramento.
Irgendwo in den halbverwilderten Olivenbäumen schrie ein Vogel. Aufgescheucht flatterte er aus dem Geäst empor.
Im kleinen Haus erlosch das Licht.
Ein Mann ging mit schlurfenden Schritten zum Gewehrschrank, holte eine Flinte hervor und machte sie schussbereit.
Dann ging er zum Fenster, zog die mürbe Gardine beiseite und spähte hinaus in die Mondnacht. Wolken wanderten am Himmel dahin. Ihre Schatten huschten über das Farmhaus hinweg. Unter den Bäumen nistete die Dunkelheit. Verödet lagen die Felder im Nachtwind. Kleine Staubwirbel tanzten durch das Unkraut.
„Carajo“, ächzte der Mann, „kommt, ich hab drei Nächte lang nicht mehr geschlafen, ich will euch Hundesöhnen mein Blei verpassen!“
Nichts war draußen zu sehen.
Kein Reiter kam, kein Squatter tauchte auf, um diesen Kalifornier zu töten. Und dennoch war und blieb Sandobal misstrauisch und wachsam.
Vor Gericht hatte auch er sein Recht bekommen. Das amerikanische Gesetz, das bei ihrem Einzug in Kalifornien verkündet worden war, galt noch. Niemand sollte nach diesem Gesetz enteignet werden. Doch die Squatter hatten das Gesetz missachtet und sich auch auf Sandobals Landbesitz breitgemacht. Seine Farmhelfer waren geflohen. Allein war Sandobal nach dem Gerichtsurteil auf seine Farm zurückgekommen.
Er ließ die Gardine zurückfallen und stand lange reglos im dunklen Raum. Schließlich ging er zum Tisch, legte die Flinte darauf und aß von der erkalteten Suppe.
Herdrauch stieg über dem Dach empor. Im Kamin prasselte das Feuer. Der rote Schein der Flammen zuckte durch den Raum und züngelte über die Wände.
Der Löffel in Sandobals Hand kratzte über den Blechteller. Er nahm ein Stück vom Brot und wischte den Teller damit sauber, aß das Brot und knurrte grimmig vor sich hin, als er an die Squatter dachte.
Plötzlich hielt er in der Kaubewegung inne und horchte.
Ein Reiter kam!
Im Nu hatte Sandobal die Flinte gepackt und rannte zum Fenster. Vorsichtig spähte er durch die Scheibe und erblickte den Reiter.
Langsam kam der Reiter näher.
Sandobal hob das Gewehr an und zielte. Er war bereit, durch das Fenster zu feuern und den Reiter vom Pferd zu schießen.