Am Anfang war das Feuer - Ulf Lüdeke - E-Book

Am Anfang war das Feuer E-Book

Ulf Lüdeke

4,6

Beschreibung

Vor mehr als 20 Jahren wurde der Grundstein für eine unglaubliche Erfolgsgeschichte gelegt. 1994 wurde Rammstein gegründet und entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands, die zusätzlich auch in den USA riesige Erfolge feiert. Spektakuläre Pyrotechnik, Texte, die tabuisierte Themen aufnehmen, und natürlich der charismatische Till Lindemann und sein »teutonenhafter« Gesang und Habitus sind die Eckpfeiler der Erfolgsgeschichte von mittlerweile fast 20 Millionen verkauften Tonträgern, einer Vielzahl von Musikpreisen und ausverkauften Konzerten. Ulf Lüdeke hat sich auf Spurensuche begeben: Wie wurde Rammstein zu solch einem Riesen-Act? Woher kamen die Ideen und wer hat die entscheidenden Weichen gestellt? Wie wichtig ist Till Lindemann für den Erfolg der Band? Was sind die Pläne, wie geht es weiter? Dieses Buch ist ein Stück geschriebener deutscher Musikgeschichte.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbe-halten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Ver-fahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Marion Appelt, Berlin

Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München

Umschlagabbildung: Shutterstock

Satz: inpunkt[w]o, Haiger

ISBN Print: 978-3-86883-677-6

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86413-841-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-842-3

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1 - OHNE DIE DDR HÄTTE ES RAMMSTEIN NIE ­GEGEBEN

Im Osten geht der Punk ab

Am Anfang war das Feuer

Ein explosives Debüt: Herzeleid

Kapitel 2 - DAS GESAMTKUNSTWERK

Sechs schwarze Buben: Inszenierte Provokation

Lindemann und die Brandstifter: Ein höllisches Bühnenschauspiel

Texte, Thesen, Temperamente: Das Rammstein-Liedgut 77

Das Grauen und die Indizierung: Willkommen in der Wirklichkeit

Sex, Lügen und Videotapes: Im virtuellen Fegefeuer

Von Rechtsproblemen und Missverständnissen

Rammstein als Botschafter der deutschen Sprache

Kapitel 3 - TILLS TEIL

Der King Kong der deutschen Lyrik

Die Leiden des jungen Till

Kapitel 4 - ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

Zwischen Krise und Kreativ-Pause

Album Nummer sieben oder das Ende?

Quellenverzeichnis

Diskografie

Studioalben – Chartplatzierungen

Livealben – Chartplatzierungen

Kompilation – Chartplatzierungen

Vorwort

Wer Rammstein fragt, wie die Gruppe auf ihren brachialen Rockstil, die schön schaurigen und manchmal schaurig schönen Texte und die unvergleichliche explosive Bühnenshow gekommen ist, mit der sie vor genau 20 Jahren mit ihrem ersten Album Herzeleid den Musikmarkt eroberte, erhält eine verblüffende Antwort: Es existierte keine konkrete Vorstellung von einem bestimmten Stil. Das Einzige, was die sechs ostdeutschen ­Musiker damals wussten, als sie sich zusammentaten, war, was sie nicht wollten. Zweifellos eine unkonventionelle Methode der Stilfindung. Doch was Rammstein angeht, haben sie damit ins Schwarze getroffen. Denn das, was am Ende sozusagen als Ausschuss übrig blieb, ist längst Legende – und in der deutschen Musikgeschichte einmalig.

Der ungewöhnlichste Aspekt an der Geschichte von Rammstein fällt dabei hierzulande den wenigsten auf: Keiner anderen Musikgruppe ist es bisher gelungen, im Ausland mit ausschließlich deutschen Texten wahrgenommen zu werden und damit auch noch erfolgreich zu sein. Dabei liebt Rammstein neben dem Spiel mit Feuer das mit der Rhetorik. Verbrannte Erde durch permanente Provokation, die Verwirrung stiftet, perverser Sarkasmus – kein Reizthema oder Klischee lässt die Band aus. Sogar der hässliche Deutsche aus dem dunkelsten Kapitel der Geschichte dieses Landes findet Eingang in ihre Show.

Umso bemerkenswerter ist, dass der Erfolg insbesondere in jenen Ländern groß ist, die wegen des Zweiten Weltkriegs noch immer ein manchmal distanziertes Verhältnis zu Deutschland haben. Länder wie Frankreich, England oder Russland etwa, wo die Rammstein-Jungs Stadien oder Amphitheater bis auf den letzten Platz füllen und im Handumdrehen das Publikum zum Kochen bringen. Das zu Zehntausenden die Texte, von denen im Internet Übersetzungen in zahlreichen Sprachen zu finden sind, aus vollem Hals mitsingt. Von A bis Z.

Noch beliebter als in Europa sind die ostdeutschen Schwermetaller in Amerika. Neben Till Lindemann gehören seit der Gründung 1994 Richard Kruspe, Paul Landers (beide Gitarre), Christoph Schneider (Drums), Oliver Riedel (Bass) und Flake Lorenz (Keyboard) Rammstein an. Ausgerechnet im Land der Fremdsprache Nummer eins, das seinen Ruf als fremdsprachenrenitente Nation rigoros verteidigt, muss man schnell sein: Die 18 000 Karten für ein Konzert im Madison Square Garden im Herzen New Yorks waren im Dezember 2010 in 30 Minuten ausverkauft. Und auch in den USA stimmt das Publikum kräftig in den Gesang mit ein. Was nicht mal Marlene Dietrich gelang, der Ikone unter den wenigen deutschen Weltstars. Dabei hatte die Diva ihre großen Hits, geschmeidige Chansons, während ihres amerikanischen Exils ins Eng­lische übersetzt.

Seit zwei Jahrzehnten rocken die Rammstein-Musiker nun volle Stadien und Hallen rund um den Globus. Sie haben fast 20 Millionen Tonträger verkauft, im In- und Ausland zahlreiche Musikpreise wie den World ­Music Award abgeräumt und diverse Goldene Schallplatten bekommen. Die vergangenen zwei Jahre prägte jedoch totale Funkstille, die Zukunft von Rammstein eingeschlossen. Das letzte Konzert liegt mehr als zwei Jahre zurück, die Veröffentlichung des letzten Studioalbums sogar sechs. Rammstein hat eine Kreativitätspause eingelegt. Und zwar eine ziemlich lange.

Höchste Zeit also für einen aktuellen Rückblick auf die Entwicklung des Sextetts. Und das nicht nur, weil es nach den auffallend ausgedehnten ­Soloaktivitäten einiger Bandmitglieder äußerst interessant werden könnte, wenn die drei Schweriner und drei Ostberliner auf die Bühne zurückkehren – sofern sie sich nicht auflösen, wie in der Vergangenheit schon oft gemunkelt. In den zwei Jahrzehnten seit der Gründung von Rammstein ist auch eine neue Generation von Fans herangewachsen, die nur wenig über die Vergangenheit der Musiker weiß. Etwa über ihr musikalisches Heranwachsen in der DDR, dessen Umstände weit mehr zum Stil der Band beigetragen haben, als dies auf den ersten Blick erkennbar ist. Und damit wird auch der vielen immer noch unerklärliche Erfolg nachvollziehbar.

Sich etwas mehr mit der Vergangenheit von Rammstein zu beschäftigen hätte bestimmt auch einer ganzen Reihe kritischer, vornehmlich westdeutscher Feuilletonisten nicht geschadet, als die Gruppe mit donner­artigem Getöse in die Musikszene des wiedervereinten Deutschlands einschlug. Dieser Zeit voraus gingen Zensur und Stasi-Überwachung, die Spuren hinterlassen haben. Bei den Menschen und in ihrer Musik. Denn das, was die Staatsführung der DDR vor allem für die Erhaltung ihrer Macht und gegen den Willen des eigenen Volks unternahm, schränkte einerseits die Möglichkeiten für Musiker und ihre Entfaltung deutlich ein. Andererseits waren sie gezwungen zu improvisieren, kreativ zu sein und eine eigene Sprache zu entwickeln, um vor den Häschern des Regimes etwa mit ­Metaphern Haken zu schlagen.

Während Rammsteins martialische Selbstironie im Ausland von Anfang an vor allem bejubelt wurde, sorgte die Band mit ihren Springerstiefeln, Stechschritt und Fackeln auf der Bühne in Deutschland oft nur für Schaumbildung vor dem Mund. Kaum jemand, der Rammstein in die rechtsradikale Ecke geschrieben hat, weiß oder wollte wissen, dass die Wurzeln der Jungs im DDR-Punk liegen, der wie der im Westen und überall sonst auf der Welt mehrheitlich linken oder anarchistischen Ideologien nahesteht. Oder dass sich auch in Ostdeutschland Punks mit Skinheads angelegt und geprügelt haben. Ja, auch in der DDR gab es Rechtsradikale.

Allgemein bekannt hingegen ist, dass alle wichtigen Entscheidungen der Band im Kollektiv, demokratisch getroffen werden – die Songs in ihrer Entstehung eingeschlossen. Den Bühneninszenierungen und auch den aufwendig produzierten Musikvideos ist das nicht anzumerken. Dort ­dominiert vor allem einer: Till Lindemann. Was nicht nur daran liegt, dass er als Sänger im Mittelpunkt steht. Vor allem ist es seine Art, Terminator-gleich seine Rolle in den von ihm geschriebenen Songs auszu­leben, zu verkörpern. Kein anderes Bandmitglied vereint wie er den krassen Unterschied zwischen lärmendem Bühnentier und einem, der Stille und Zurückgezogenheit liebt. Am Mikro mimt der Sohn eines Kinderbuchautors und Dichters pathetisch Machos, Masochisten und Menschenfresser, während er privat ein ruhiges Leben genießt, angeln geht und Gedichte schreibt.

Nazi-Kritik wird an Rammstein inzwischen kaum noch geäußert. Ganz im Gegenteil: Viele der Blätter, die einst kein gutes Haar an der Band ließen, sind plötzlich Feuer und Flamme für die Jungs und ihre Musik. Rammstein ist fast überall salonfähig geworden. Böser Metal-Sound und perverse Provokation sind auf einmal auch in Intellektuellenkreisen Kult.

Was genau hat Rammstein so übermäßig berühmt gemacht, worin unterscheidet sich die Gruppe von anderen Rockbands? Und wie geht es nun mit Rammstein weiter? Während Till ein erstes Soloalbum veröffentlicht hat, Flake ein Buch über sich geschrieben und Richard mit seiner anderen Band Emigrate ein zweites Album veröffentlicht hat, hat die Band angekündigt, sich im Herbst zu treffen und über ihre Zukunft zu beraten. Denn trotz der letzten enorm erfolgreichen Tournee in Amerika und in Europa lasten mehrere Krisen auf den Schultern der Band, die Mutmaßungen über weitere Konzerte oder die Produktion eines neuen Studioalbums unbeantwortet lässt.

Wer den Werdegang der Musiker in den vergangenen zwei Jahrzehnten verfolgt hat, weiß, dass sie eines niemals tun würden: die Gruppe aus reinem Selbstzweck am Leben erhalten. Dafür lieben sie die Musik zu sehr, haben sie zu viel Herzblut in Rammstein gesteckt und legen sie viel zu großen Wert auf ihre Glaubhaftigkeit, der sie ihren Erfolg verdanken. Die Lust am Rocken – sie wurde bisher von kaum einer Band überzeugender verkörpert als von Rammstein, die, angetrieben von der Sehnsucht, Ärger zu machen, die Öffentlichkeit mit Tabuthemen aufgemischt und wachgerüttelt haben. Offenbleiben muss vorerst, ob und wie Deutschlands bekannteste und erfolgreichste deutschsprachige Rockband das Feuer, das am Anfang in ihr glühte und das sie knapp zwei Jahrzehnte am Leben erhalten konnte, wieder entfachen will.

OHNE DIE DDR HÄTTE ES RAMMSTEIN NIE­GEGEBEN

Im Osten geht der Punk ab

Wer heute durch die prächtigen Straßen im Berliner Prenzlauer Berg schlendert und das Viertel noch aus der Zeit kennt, bevor westdeutsche Immobilienspekulanten es in eines der begehrtesten Szene-Wohnquar­tiere der alten, neuen Hauptstadt verwandelten, würde es vermutlich nicht wiedererkennen. Auch 1994 sah der Prenzlauer Berg noch ganz anders aus als jetzt. Das Jahr, als dort sechs Punkmusiker aus dem Osten beschlossen, etwas völlig Neues zu machen, eine Band gründeten und ihr den Namen Rammstein gaben.

Eine magische, ganz eigene Atmosphäre prägte schon während der Weimarer Republik die von Altbauten gesäumten breiten Straßen dieses klassischen Arbeiterquartiers, das seit jeher Künstler, Intellektuelle und Andersdenkende angezogen hatte. Der Niedergang des Prenzlauer Bergs begann jedoch erst unter der versagenden Planwirtschaft der DDR. Chronischer Mangel an Baumaterialien und eine dadurch extrem schwierige Instandhaltung hatten wie überall im real existierenden Sozialismus dafür gesorgt, dass hier Ende der 80er-Jahre zahlreiche einst wunderschöne Gründerzeithäuser komplett leer standen und langsam verfielen.

Heute ist dieser Stadtteil ein elegantes, mit Mansardenwohnungen und Lofts gekröntes buntes Wohnviertel, in dem nicht mehr wie früher Arbeiter und Kleinkünstler leben – fast alle wurden sie vertrieben durch hohe Immobilienpreise und ersetzt durch junge, gut verdienende Akademiker. Ein Quartier mit der augenscheinlich bundesweit höchsten VIP- und Bioladen-Dichte. Und wie dem Prenzlauer Berg merkt man auch Rammstein ihre Vergangenheit nicht an.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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