Anders als gedacht - Bettina Wulff - E-Book

Anders als gedacht E-Book

Bettina Wulff

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Beschreibung

Eine nachdenkliche Bettina Wulff schreibt über Irrtümer, Krisen und neue Perspektiven. Heino Masemann, ihr Pfarrer und langjähriger Seelsorger, spiegelt viele der Themen aus der Sicht eines Mannes, der ähnliche Berg- und Talfahrten erlebt hat. Kluge Gedanken für alle in der Lebensmitte. Immer wieder bestimmt Bettina Wulff, einst an der Seite von Alt-Bundespräsident Christian Wulff die First Lady des Landes, die Schlagzeilen: Ehekrise, Trennung, ein zweiter Anlauf; erneutes Scheitern. Die letzte Schlagzeile: Mit zwei Promille im Blut kommt sie von der Straße ab und fährt mit ihrem Wagen gegen einen Baum. Der SPIEGEL nennt sie die »Botschafterin der Orientierungslosen«. Viel wird über sie geschrieben. In diesem Buch kommt sie selbst zu Wort und zeigt der Öffentlichkeit eine neue Seite: die nachdenkliche, geerdete Bettina Wulff, die sich – angekommen in der Lebensmitte – rückblickend vieles ganz anders vorgestellt hätte. Gemeinsam mit Co-Autor Heino Masemann setzt sie sich mit dem auseinander, was wirklich zählt und bleibt. »Es ist an der Zeit, das Leben aufzuräumen und mutige Entscheidungen zu treffen. Heino Masemann und ich möchten Sie mitnehmen auf eine innere Reise. Denn wir haben beide erfahren, wie vielschichtig und krisenhaft die Zeit sein kann, die wir als Lebensmitte bezeichnen. Und wie beglückend es ist, irgendwann zu spüren, wohin die eigene Reise wirklich gehen kann. Vielleicht möchten Sie sich mit auf den Weg machen?« Bettina Wulf

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Bettina Wulff / Heino Masemann

Anders als gedacht

Wie ich lerne, was wirklich zählt

Knaur e-books

Über dieses Buch

Eine nachdenkliche Bettina Wulff schreibt über Irrtümer, Krisen und neue Perspektiven. Heino Masemann, ihr Pfarrer und langjähriger Seelsorger, spiegelt viele der Themen aus der Sicht eines Mannes, der ähnliche Berg- und Talfahrten erlebt hat. Kluge Gedanken für alle Leserinnen und Leser in der Lebensmitte.

Immer wieder bestimmt Bettina Wulff, einst an der Seite von Alt-Bundespräsident Christian Wulff die First Lady des Landes, die Schlagzeilen: Ehekrise, Trennung, nochmalige Hochzeit; erneutes Scheitern. Die letzte Schlagzeile: Mit zwei Promille im Blut kommt sie von der Straße ab und fährt mit ihrem Wagen gegen einen Baum. Der SPIEGEL nennt sie die »Botschafterin der Orientierungslosen«.

Viel wird über sie geschrieben. In diesem Buch kommt sie selbst zu Wort und zeigt der Öffentlichkeit eine neue Seite: die nachdenkliche, geerdete Bettina Wulff, die sich – angekommen in der Lebensmitte – rückblickend vieles ganz anders vorgestellt hätte. Gemeinsam mit Co-Autor Heino Masemann setzt sie sich mit dem auseinander, was wirklich zählt und bleibt.

»Es ist an der Zeit, das Leben aufzuräumen und mutige Entscheidungen zu treffen. Heino Masemann und ich möchten Sie mitnehmen auf eine innere Reise. Denn wir haben beide erfahren, wie vielschichtig und krisenhaft die Zeit sein kann, die wir als Lebensmitte bezeichnen. Und wie beglückend es ist, irgendwann zu spüren, wohin die eigene Reise wirklich geht. Vielleicht möchten Sie sich mit auf den Weg machen?«

Bettina Wulff

Inhaltsübersicht

MottoUnsere Vorstellungen:PrologFamilienglückReisen mit leichtem GepäckEin Junge weint nichtPerfekt seinWeichenstellungenAufs falsche Gleis gesetztFreundschaftDas hält ewigSo gehört sich dasAlles wird wieder gutTausendundeine NachtAuf den zweiten BlickWann wird es wirklich besser?Das darf keiner erfahrenNicht einfach weiterMein Platz im LebenDas passiert einem nicht zweimal – oder?Es kocht innerlichGelingt öftersWas werden die anderen sagen?Anders als gedachtSo fühlt sich Glück anDie Kraft der LiebeSehnsucht nach einer Hand, die uns hältDas Beste kommt noch!Von guten MächtenAlles neuEpilog
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Der Sinn des Reisens besteht darin,

die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen,

und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten,

sie so zu sehen, wie sie sind.

 

Samuel Johnson

 

 

*

 

 

Die Vorstellungen, die sich miteinander vertrugen,

blieben übrig, die größte Zahl ging zugrunde –

und geht zugrunde.

 

Friedrich Nietzsche

Fragmente, 1883/84

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Unsere Vorstellungen:

1 Vergangenheitsbezogen

So war es, oder so habe ich es in Erinnerung.

Sinnliche Bilder, einzelne Szenen, »Kino im Kopf«.

Eine innerliche Imitation der realen Wahrnehmungen, die ich einstmals hatte.

 

2 Zukunftsbezogen

Wenn ich etwas voraussehe, erwarte oder befürchte.

Die Vorstellung, dass es für mich wichtig werden könnte, weil es richtig gut ist oder es sich vielleicht bedrohlich entwickelt.

Ich male es mir in Gedanken aus.

 

Die Vorstellung ist eine sinnliche Erfahrung,die ich gedanklich durchspiele, wenn ich sie mir noch einmal oder erstmals vor Augen führe.

Manchmal verändern sich dabei die Bilder.

Zum Guten oder zum Schlechten.

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Prolog

Einmal war ich mit meinem Sohn in einem Gartenlabyrinth. 2 Meter 50 – so hoch waren die Hecken in etwa, und man konnte nicht erkennen, welcher Weg der richtige war. Freudig sind wir losgelaufen und standen schon bald in der ersten Sackgasse. Also haben wir umgedreht und an der nächsten Weggabelung einen anderen Abzweig gewählt. Wir glaubten, dass dieser Weg ans Ziel führte. Aber wir täuschten uns erneut und mussten eine andere Richtung einschlagen. So ging es eine ganze Weile, bis wir endlich die Mitte des Labyrinths erreicht hatten. Dort stand ein kleiner Turm, von dem aus man die gesamte Anlage überblicken konnte.

Im Rückblick war es, von hier aus betrachtet, relativ einfach zu erkennen, welchen Weg man nehmen musste, um ans Ziel zu gelangen. Aber vorher sind wir ganz schön außer Atem gekommen, es gab einige Durststrecken zwischendurch. Und auch bange Momente für meinen Sohn, wenn wir miteinander überlegt haben, wie es nun weitergeht, und er merkte: Mama weiß es auch nicht.

So ist es irgendwie auch in der Mitte des Lebens … Ich bin etwas erschöpft von der bisherigen Wegstrecke. Ich muss wieder zu Atem kommen, mich neu orientieren. Ich bleibe stehen, halte für einen Moment inne und schaue zurück. Und ich frage mich: Wie bin ich an diesen Punkt gelangt?

 

Nach all den Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, wuchs in den vergangenen Jahren der Wunsch, sich noch einmal ganz neu mit grundsätzlichen Themen auseinanderzusetzen. Eine innere Stimme fragte: Was ist es, was bleibt? Auf was kann ich in den kommenden Jahren und (hoffentlich) Jahrzehnten bauen? Was kann wachsen? Was geht zu Ende? Und was von all dem, das ich erlebt habe, ist es wert, mit anderen geteilt zu werden – damit diese vielleicht den einen oder anderen Gedanken aufgreifen können?

Jahrelang hatte ich viele Bilder und Schablonen in meinem Kopf, wie das Leben »zu sein hat«. Wie es »richtig ist«. Von vielem musste ich mich letztlich verabschieden, um zu mir selbst zu kommen und zu erkennen, was wirklich zählt.

 

Obwohl meine Eltern mich als Kind nie laut zu Dingen gedrängt und mir viele Freiheiten gelassen haben, war mir seit dem Kindergarten klar, dass ich mit gutem Benehmen und Leistung irgendwie mehr gemocht und gelobt wurde, als wenn ich still und bockig allein in der Ecke mit Bauklötzen spielte. Die Sehnsucht, gemocht und geliebt zu werden, war groß. Und sie hat mich mein Leben lang geprägt.

Klar, geliebt zu werden, das ist ein angeborenes Bedürfnis. Als hilfloser Säugling und Kleinkind sichert uns die Zuneigung anderer schlicht das Überleben. Wir kommen erst einmal alle als sonnige, unbedarfte Wesen in diese Welt, bevor wir die ersten Erfahrungen in Sachen Angst und Schmerz machen und dann beginnen, diesen unangenehmen Gefühlen aus dem Weg zu gehen.

In Sachen »aus dem Weg gehen« – später nennt man es wohl verdrängen – bin ich im Laufe der Jahre ziemlich gut geworden. Bei allem, was ich bislang in meinem Leben erfahren durfte, dachte ich sehr lange, dass ich mit meiner Verdrängungstaktik das Ganze mehr oder weniger ziemlich gut im Griff hatte. Im Nachhinein muss ich sagen: Dies war ein Irrtum.

 

Das Leben ist laut und aufregend. Es gibt so viel zu entdecken! Du machst mit, schmeißt dich mittenrein und kannst auf diese Weise die leisen, manchmal mahnenden Stimmen in dir eine Zeit lang prima links liegen lassen. Bloß nicht zu viel beachten – die piksenden Plagegeister in deinem Kopf. Immer schön weitermachen, die nächste Schablone ausfüllen. Irgendwann werden all die Gedanken, die mir sagen, dass es »besser wäre, wenn …«, schon von alleine aufgeben und sich verkrümeln. So die Hoffnung. Doch das tun sie nicht. Sie bleiben, und – oh Schreck! – sie nisten sich dauerhaft ein und machen es sich im Laufe der Jahre immer bequemer. So lange, bis etwas wirklich Einschneidendes passiert.

Ja, es gab immer mal wieder Situationen in meinem Leben, in denen das mit dem Verdrängen nicht mehr funktionierte. Doch dann habe ich meistens doch noch irgendwie die Kurve bekommen und bin rechtzeitig wieder in gewohnte Muster eingeschert. Aber vor einigen Monaten war Schluss. Ich habe die Kurve nicht mehr bekommen und die Karre im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Wand gefahren. Oder in meinem Fall das Auto an einen Baum. Ich wurde auf null zurückgeworfen – und war selbst daran schuld.

Nun ist die Zeit zum Innehalten und zum Reflektieren gekommen. Zeit zum Austausch mit anderen, Gleichgesinnten. Zeit, in meinem Leben aufzuräumen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.

Vielleicht denken Sie gerade – und was hat Heino Masemann mit all dem zu tun?

Er ist mein Seelsorger und Pastor, inzwischen ein guter Freund. Wir hatten die Idee, gemeinsam dieses Buch zu schreiben, weil wir beide Ähnliches erlebt haben. Und weil es gut ist, einen weiblichen und einen männlichen Blick auf manche Fragestellungen zu werfen.

Wir sind beide irgendwann an Grenzen gekommen, an denen uns klar wurde, dass es an der Zeit ist, einen Neuanfang zu wagen.

In diesem Buch möchten Heino Masemann und ich Sie mitnehmen auf eine innere Reise. Denn wir haben beide erfahren, wie vielschichtig und oftmals krisenhaft die Zeit sein kann, die wir als Lebensmitte bezeichnen. Und wie beglückend es ist, irgendwann zu spüren, wohin die eigene Reise wirklich gehen kann und dass sie noch lange nicht zu Ende ist. Vielleicht möchten Sie sich mit auf den Weg machen? »Es ist ganz anders als gedacht« – hat nicht jede und jeder von uns das schon einmal festgestellt?

 

Bettina Wulff

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Familienglück

Bettina Wulff Glücklicherweise bin ich in eine Familie hineingeboren worden, die mir Halt gegeben hat, mir als Kind und Jugendliche Verlässlichkeit und Heimat bot. Meine Familie, das sind meine Eltern, mein älterer Bruder, liebe Tanten und Onkel, eine Cousine und viele Cousins. Ich denke vor allem an besondere Großmütter und eine starke Großtante zurück. Und viele süße Neffen sind auch schon dazugekommen.

Ich bin sehr dankbar für viele schöne Erinnerungen: besondere Momente mit meiner Mutter, meinem Vater und meinem Bruder, an die ich mich bis heute so klar erinnern kann, dass mir der Geruch von damals und die Geräusche genau im Gedächtnis geblieben sind: Meine Mutter backt Schmalzkuchen, und wir Kinder »verkaufen« sie in kleinen weißen Tütchen, mit Puderzucker bestäubt, aus dem Küchenfenster heraus an die Nachbarn. Mit einem Lächeln denke ich an den wunderbaren Duft, wenn die Kuchen aus dem Ofen kamen oder mittags nach der Schule mein Lieblingsessen auf dem Tisch stand. Ebenso nicht vergessen habe ich den Klang des kleinen Glöckchens, mit dem am Weihnachtsabend zur Bescherung geläutet wurde. Die Aufregung, die Lichter, der geschmückte Baum. All das sind wirklich gute Erinnerungen an glückliche Tage.

Ich freute mich, wenn wochentags mein Vater schon nachmittags nach Hause kam und wir etwas zusammen unternehmen konnten. Im Sommer ging es ins Freibad, oder wir fuhren eine Runde mit dem Fahrrad durch die Felder. 

Und dann gab es das starke Gefühl der Geborgenheit: wenn uns meine Mutter liebevoll weckte und uns an einen gedeckten Frühstückstisch in der Küche rief. Ein warmer Tee, die fürsorgliche Ermahnung, zumindest ein kleines Stück Marmeladenbrot zu essen, bevor es mit einer gut gefüllten Brotdose in die Schule ging.

 

Im Teenie-Alter haben meine Eltern mir viele Freiheiten gegeben. Sie haben mir vertraut, dass ich selbst meine Grenzen erkenne, und mich so eigene Erfahrungen machen lassen. Im Nachhinein hätte ich ihnen vielleicht doch besser das eine oder andere erzählen und sie um ihren Rat fragen sollen. Das spüre ich, wenn mich heute mein eigener Teenagersohn wenigstens von Zeit zu Zeit an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt. Dann schenkt er mir sein Vertrauen, und das freut mich als Mutter sehr. Und er lässt mich auf diese Weise manchmal auch noch einmal selbst in die spannende Zeit der Adoleszenz eintauchen. Eine Lebensphase, in der der Abgleich der eigenen Gefühle mit der Umwelt eine permanente Herausforderung darstellt.

Ich habe damals als Teenager vieles mit mir selbst ausgemacht. Einige unruhige Nächte hätte ich mir getrost ersparen können, wenn ich darauf vertraut hätte, dass meine Eltern, die natürlich auch mal jung gewesen sind, mir einen guten Rat hätten geben können. Auch wenn ich als Kind meistens sehr gerne und ausführlich am Abendbrottisch über die Dinge geredet habe, die mich tagsüber beschäftigt hatten – häufig zum Leidwesen der weiteren Familienmitglieder, die eher selten zu Wort kamen –, waren meine Hemmungen, mich meinen Eltern mit meinen Themen anzuvertrauen, als Heranwachsende zu groß, als dass ich diese anzusprechen gewagt hätte.

Irgendwann hieß es für sie und mich loszulassen, als ich nach dem Abitur zu Hause auszog, nicht weit weg, gerade mal 25 Kilometer nach Hannover. Dennoch hat es mich immer wieder nach Burgwedel, ins elterliche Haus zurückgezogen. Ob zum Mittagessen am Sonntag, manchmal mitten in der Woche spontan, wenn ich mit einer kleinen Übernachtungstasche nach der Uni vorbeikam, oder zum »Tröstenlassen« bei Liebeskummer. 

Die Studentin mit Fernweh, die es erst einmal zum Auslandssemester nach Amerika oder Asien zieht, um dann vielleicht gleich ganz dortzubleiben – nein, das war ich nicht. Ich wäre eingegangen vor Heimweh, oder vielmehr wohl vor lauter Sehnsucht nach den Menschen, die ich liebe.

 

Natürlich gibt es auch Themen, die schwierig sind mit den Eltern und dem Bruder. Über Gefühle wurde und wird in unserer Familie wenig gesprochen – zu groß ist vermutlich die Angst, auch mal zu viel vom eigenen Inneren zu zeigen, vielleicht Tränen laufen zu lassen oder wütend zu werden. Diese Art von Auseinandersetzung gibt es in meiner Familie nur sehr selten – dafür schwingt irgendwie vermutlich wohl der preußische Gedanke von Ratio und Disziplin in der Lebensgestaltung zu stark mit. Und dennoch wissen wir natürlich unausgesprochen um viele Gefühle des anderen.

 

Respekt und Dankbarkeit

Nie würde ich behaupten, streng erzogen worden zu sein. Doch die Autorität meiner Eltern, vor allem meiner Mutter, war unangefochten und mir immer präsent.

Für manche Frauen ist deren Mutter so etwas wie die beste Freundin. Auf diesen Gedanken würde ich niemals kommen – es sind meine Eltern, nicht meine Freunde, zwei völlig unterschiedliche Beziehungsebenen.

Meine Mutter ist eine starke Frau, die mir als Kind Sicherheit gegeben hat. Mein Vater ein ruhiger, besonnener Mann. Er war für uns Kinder da, aber niemals hätte er sich mit uns, auf dem Teppich liegend, herumgerauft. Ich habe vor beiden sehr großen Respekt, auch dass sie es geschafft haben, all die Jahre zusammenzubleiben und Schwierigkeiten gemeinsam zu meistern. Und ich fühle Dankbarkeit, für alles, was sie mir vermittelt und vor allem auch mit mir ausgehalten haben.

Für meine Kinder sind die beiden neben uns als Eltern die wichtigsten Bezugspersonen. Mit Oma und Opa können sie andere Dinge tun und auch über andere Sachen reden als mit ihrer Mama oder ihrem Papa.

Bei mir musste im Alltag immer alles schnell gehen, vor allem in den letzten Jahren. Morgens sollten meine Kinder zügig aufstehen, sich anziehen und frühstücken. Nachmittags habe ich sie schnell zum Sport gebracht, dann auf dem Heimweg noch kurz eingekauft, um wenig später das Abendbrot auf den Tisch zu zaubern. Den Großen habe ich anschließend schnell noch Vokabeln abgefragt, dann mussten vorm Schlafengehen noch rasch die Zähne geputzt werden …

Oma und Opa hingegen haben Zeit – zum Beispiel zum Entenfüttern am Teich, als die Jungs noch klein waren. Zeit, um mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen oder sich ausgiebig mit den Neuigkeiten in der Spielzeugabteilung zu beschäftigen. Dass sie sich derart gelassen und liebevoll um meine Kinder gekümmert haben, als sie klein waren, hat mich mit tiefer Freude erfüllt. Ich finde es wunderbar zu beobachten, wie mein jüngerer Sohn in der Küche auf meinem alten Kinderherd mit meiner Mutter Pfannkuchen backt. Und ich mag es, meinem Vater zuzuschauen und zuzuhören, wenn er mit seinem jüngeren Enkel Mikado spielt und die beiden nebenbei die Fußballbundesliga durchdiskutieren. Neuerdings besucht mein großer Sohn nun seine Großeltern mit dem Motorrad, und kürzlich saß ich hinten auf dem Sozius. Dies sind wahre Glücksmomente. Das ist für mich Familie.

 

So soll es werden!

Ich hatte schon als Mädchen und junge Frau ein klares Bild, wie ein gutes Familienleben aussieht. Und ich wusste, wie ich selbst mein eigenes Familienleben gestalten wollte. Es kam letztlich alles anders als gedacht.

Mein erster Sohn ist ein absolutes Wunschkind. Aber nach knapp einem Jahr ging die Beziehung in die Brüche, und ich zog mit meinem kleinen Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. Der Schmerz und die Enttäuschung über das Scheitern waren groß. Aber auch nach der Trennung von meinem damaligen Partner war ich weiterhin fest entschlossen, das Vater-Mutter-Kinder-Modell zu verwirklichen, von dem ich immer geträumt hatte. Da gab es einen starken Anspruch an mich selbst, ein positiv besetztes Familienbild. Ein Bild, dem ich gerecht werden wollte; ein Stück weit vielleicht auch, um meine Eltern nicht zu enttäuschen. Allein leben mit Kind, dieses Lebensmodell konnte ich mir nur als eine Art Übergangsphase vorstellen, so lange bis ich eine neue, feste Beziehung gefunden hatte.

Ich hatte damals den sehnlichsten Wunsch, einen Menschen kennenzulernen, in den ich mich noch einmal tief und innig verlieben würde. Einen, der mit mir geht, sein Leben ohne Wenn und Aber mit mir teilt.

Dann habe ich mich tatsächlich schon bald neu verliebt, in Christian. Mit Haut und Haaren habe ich mich auf die Beziehung eingelassen, mit all den gravierenden Veränderungen, die sich daraus für mein Leben ergaben. Und ich habe natürlich auch an meinem inneren Familienbild weitergefeilt. Gemeinsam mit Christian habe ich einen wunderbaren zweiten Sohn bekommen und als die damals vielleicht »bekannteste Patchworkfamilie Deutschlands« versucht, Verbundenheit und Stärke zu leben.

Dieses Lebensmodell hat eine Weile getragen. Bis sich irgendwann meine eigenen Ansprüche an die Beziehung nicht mehr mit der Realität gedeckt haben.

Mein Traum von der idealen Familie ist ein zweites und später sogar noch ein drittes Mal gescheitert. Das zu erleben, war unbeschreiblich bitter, vor allem erkennen zu müssen, dass ich eine Entscheidung treffen muss, die Konsequenzen für alle anderen Familienmitglieder hat. Und bei der letzten Trennung konnte auch noch vermeintlich ganz Deutschland dabei zusehen, überwiegend durch die Boulevardbrille beurteilt.

 

Mittlerweile weiß ich: Nur wenn ich mich selbst so annehme, wie ich wirklich bin, können sich eine gute Beziehung und Familienbande entwickeln. Eine Beziehung, durchaus mit einem kalkulierbaren Druck von außen – aber ohne meinen eigenen, bislang immer zu hohen Anspruch, in allem perfekt sein zu müssen. Denn der doppelte Druck wäre kaum auszuhalten, jedenfalls nicht auf Dauer. Beziehungen dürfen und müssen sich sogar verändern, damit sie gelingen. Partner sollten aneinander wachsen, ohne einen Schein nach außen wahren zu müssen.

Für mich ist heute klar: Wenn jemand in der Familie mehr Raum für sich selbst braucht, dann bekommt er ihn. Wenn jemand größerer Geborgenheit und Nähe bedarf, dann versuche ich sie zu geben.

 

Sich selbst nicht aus den Augen verlieren

Ein längeres Verharren in einer komplexen, eher schwierigen Beziehungssituation funktioniert nicht, weder nach außen noch nach innen. Eine Weile lang kann so etwas gut gehen. Dann steigt der Druck, zwangsläufig. Und irgendwann ist es nicht mehr zum Aushalten.

Beziehungen müssen »atmen«, damit sie Bestand haben können, diese Erfahrung durchlebe ich gerade und beginne Schritt für Schritt darauf zu vertrauen. Es gibt eben nicht nur »den einen, idealen Weg«, auch nicht »die ideale Patchworkfamilie«. An Konventionen und Bildern festzuhalten, mag für die einen gut sein, weil es Sicherheit gibt. Für mich braucht es mehr.

Es liegt in unserer Hand, als Eltern, Ehe- oder Lebenspartner der Familie eine Form zu geben.

Eine perfekte Familie gibt es nicht – aber ein Familienglück, das unseren unterschiedlichen Lebensphasen gerecht wird, das gibt es.

Bei allem Mühen um die Gemeinschaft mit anderen darf man sich selbst nie aus den Augen verlieren. Auch das habe ich mühsam gelernt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ich als Mutter nur wirklich offen für meine Kinder sein kann, wenn ich auch darauf achte, mir selbst genug Raum zu geben. Es ist wichtig, mir einen inneren Freiraum zu bewahren, in dem ich diejenige sein kann, die ich wirklich bin, mit all meinen Fähigkeiten und Schwächen. Wenn ich manchmal einfach das machen kann, was allein mir guttut – ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Wenn ich mir Zeit nehme, um meine Freundinnen zu treffen, Sport zu machen, zu gärtnern, spazieren zu gehen. Und wenn ich im Team an beruflichen Projekten arbeite, die ich spannend finde und deren Umsetzung mir Freude bereitet. Erst dann, wenn ich all dies im Blick behalte und mich auch um mich selbst und meine Seele kümmere, bin ich innerlich ausgeglichen.

Nur wer lernt, in sich selbst zu ruhen, kann anderen etwas geben, seinen Kindern und seiner Familie aufgeschlossen gegenübertreten, dem Partner ein echtes Gegenüber sein.

 

Bei mir hat es sehr lange gebraucht, bis ich das erkannt und wirklich begonnen habe es zu verinnerlichen. Es war ein schwieriger Prozess mit mutigeren und anderen, eher ängstlichen Tagen und Nächten. An guten Tagen wache ich morgens mit einer klaren, bewussten Verbindung zu mir selbst und meinen Gefühlen auf. Dann wieder fliehe ich vor meinen Ängsten frühmorgens aus dem Bett, um den Zweifeln, die sich nachts breitgemacht haben, nicht weiter Raum zu geben, weil ich auf dem neu gewählten Weg Kurs halten möchte.

Ich lerne Zentimeter für Zentimeter, mein äußeres Tun und Verhalten mit meiner Seelenlage übereinzubekommen. Das erfordert echte Übung und ist häufig ziemlich anstrengend. Doch letztlich kommt meine Seele so langsam in eine Ausgeglichenheit, die ich früher nie für möglich gehalten hätte – Tendenz steigend.

Psychologisch betrachtet versuche ich wohl seit einiger Zeit meine »inneren Kinder« anzuschauen und auch mit den Quälgeistern unter ihnen mindestens einen Waffenstillstand auszuhandeln. Nun bin ich weiß Gott keine Expertin auf diesem Gebiet, aber mir hilft das Bild, dass es in mir unterschiedliche »Kinder« oder »Wächter« gibt, ungemein. Einige davon sind seit vielen Jahren zu ziemlich penetranten Mitbewohnern geworden. Stefanie Stahl schreibt in ihrem Bestseller Das Kind in dir muss Heimat finden über dieses Thema – und der Erfolg des Buches zeigt, wie viele Menschen sich damit beschäftigen.

Mit der Vorstellung, sich der Handlungsmuster bewusst zu werden und sie mir nach und nach anzusehen, beginne ich mein Seelenleben zu »sortieren«. Harmloses Beispiel: Als kleines Mädchen war ich stolz, bei gemeinsamen Abendessen mit Freunden meiner Eltern schon früh mit am »Erwachsenentisch« sitzen zu dürfen, einfach weil ich mich gut benehmen konnte. Ein innerer Wächter in mir sagte: »Benimm dich so, dass die Erwachsenen dich loben, dann mögen sie dich. Tust du das nicht, sind sie enttäuscht von dir und schicken dich weg.« Also saß Klein-Bettina still bei Gesprächen dabei, die sie überhaupt nicht verstand, und aß Dinge, die sie eigentlich fürchterlich fand – ich denke nur an Honigmelone mit Schinken oder Datteln im Speckmantel. Brrr, allein beim Gedanken daran bekam ich die letzten Jahrzehnte meist ein Würgegefühl, will sagen Brechreiz. Dabei würde mir vielleicht beides heute durchaus schmecken, ich habe mir fest vorgenommen, es demnächst auszuprobieren.

Heute weiß ich um den Mechanismus, der mich damals dazu gebracht hat, brav dabeizusitzen und zu tun, was man anscheinend von mir erwartete. Ich kenne die Angst, vielleicht doch wieder von der Tischgemeinschaft ausgeschlossen zu werden – und dann damit nicht umgehen zu können. Irgendwann hätte ich damals dem inneren Wächter deutlich sagen müssen, dass er verschwinden kann. Weil ich mir traue zu sagen, dass ich eigentlich auch lieber mit den anderen Kindern gemeinsam am Tisch Pommes und Würstchen essen will. Ob das Erwachsene nun besser oder schlechter finden.

 

Ich habe in letzter Zeit gelernt, mir auch die ganz unbequemen inneren Nörgler anzusehen. Diejenigen, die vermeintlich seit Jahren ganz genau wissen, dass es »sicherer« für mich wäre, sie weiterregieren zu lassen, anstatt sie freundlich, aber mit Nachdruck auf die Reservebank zu verweisen. Idealerweise sollte ich wohl irgendwann auch ein gnädiges Annehmen der anstrengendsten Kandidaten zulassen. Indem ich mit einem liebevollen Blick erkenne, warum sie jahrelang mehr oder weniger vehement das innere Zepter behalten wollten. Aber das ist dann die Kür, momentan arbeite ich am Pflichtprogramm – und ohne professionelle Begleitung und Beratung würde ich diesen Weg wahrscheinlich nicht so beharrlich weitergehen.

 

Eigene Verhaltensmuster erkennen

Indem ich endlich zulasse, mir meine inneren Strukturen ehrlich anzuschauen, werden Verhaltensmuster sichtbar, die mich bislang oft daran gehindert haben, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es hat gedauert, bis ich dazu bereit war, mich damit auseinanderzusetzen und meine Angst zu überwinden. Eine unbestimmte Angst, die mich davon abhält, genau hinzusehen. Die Angst, etwas Falsches zu tun. Angst, am Ende nicht gemocht oder geliebt zu werden.

Die ersten Schritte sind getan – gewachsen aus der schmerzhaften Erkenntnis, dass der Kampf, meine inneren Antreiber und Wächter loszuwerden, nicht zu gewinnen ist. Und dies kann auch gar nicht das Ziel sein. Die inneren Stimmen sind und bleiben da. Und für manche Erlebnisse und Phasen im Leben sind sie durchaus recht hilfreich. Was es braucht, ist eine gute Art, mit unseren Emotionen oder Erlebnissen umzugehen.

 

Der Mensch ist ein Superverdränger – das hat in der Vergangenheit ganze Generationen irgendwie überleben lassen und geholfen, um über schlimmste Erlebnisse hinwegzukommen.

Sosehr ich es auch lange Zeit versucht habe, mich von meinen inneren Antreibern frei zu machen – es ist mir nicht gelungen. Umso dankbarer bin ich jetzt dafür, mich mit ihnen konstruktiv auseinandersetzen zu können und daran zu wachsen – in meinem eigenen Tempo. Es wird alles Zeit brauchen. Viel Zeit. Und die nehme ich mir.

Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich? Das Gute an der Sache ist ja – wir können jeden Tag damit beginnen, etwas anders zu machen, egal wie alt wir sind. Trauen Sie sich!

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Reisen mit leichtem Gepäck

Bettina Wulff »Leichtes Gepäck«. So heißt ein Lied der Band Silbermond. Der Song beschreibt auf wunderbare Weise, dass es sich lohnt, ab und an eine Bestandsaufnahme zu machen. Die Dinge zu prüfen, mit denen ich mich in meinem Leben umgebe. Zu schauen, was notwendig ist und was nicht. Und vor allem, was uns daran hindert, uns von manchem Ballast zu befreien.

Teilweise ist der Text recht radikal formuliert, wenn es zum Beispiel heißt, dass einem plötzlich auffällt, dass man 99 % von allem, mit dem man sich umgibt, eigentlich nicht braucht. Der Refrain »Es reist sich besser mit leichtem Gepäck« ist jedenfalls ein toller Aufhänger für eine regelmäßige Inventur des eigenen Alltags.

Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurücksehen, als welchen Typ Mensch würden Sie sich selbst beschreiben? Sind Sie eher »Sammler« und »Bewahrer« oder »Sortierer« und »Loslasser«?

Jemand, der sich schwer von den Dingen trennen kann, die er einmal als Teil seines Lebens begriffen hat? Oder einer, der sich mit leichter Hand von seinem Besitz verabschieden kann, ohne es später zu bereuen? Sicherlich kennen Sie gute Beispiele für das eine und das andere.

 

Aufräumen