15,99 €
Ist der Wandel der Moden eine unvorhersehbare Laune der Kultur? Mitnichten, sagt Barbara Vinken, auch wenn wir, die diese Moden tragen, meist keine Ahnung davon haben, was wir tun, wenn wir uns anziehen. Modewandel hat System. Fragt sich nur, welches? Sobald eine Mode vergessen ist und damit nicht mehr altmodisch wirkt, kann sie zum letzten Schrei wachgeküsst werden. Man hat deswegen von der Tyrannei der Mode gesprochen, die aus dem Blauen heraus ihre Launen diktiert. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sie sich als ein Spiel nach Regeln – und als ein differenziertes Zeichensystem im historischen Wandel. Im bürgerlichen Zeitalter ist Mode weiblich geworden, Männer kommen unscheinbar im Anzug daher. Doch das war nicht immer so. Heute ist der angeblich herrschende Trend der zum Unisex. Doch wenn sich Frauen wie Männer anziehen, ziehen sich dann beide gleich an?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 335
Veröffentlichungsjahr: 2013
Barbara Vinken
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Besuchen Sie uns im Internet: www.klett-cotta.de
Klett-Cotta
© 2013 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg
Unter Verwendung eines Fotos von
© getty-images/Image Source
Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Printausgabe Hardcover 978-3-608-94625-3
Printausgabe broschierte Ausgabe 978-3-608-94896-7
E-Book: 978-3-608-10579-7
Dieses E-book basiert auf der aktuellen Printausgabe
Gewidmet meiner Mutter und all den Textilarbeiterinnen, die in den verschiedenen Wellen des Ruins der europäischen Textilindustrie ihre Arbeit verloren haben und bis heute in der globalen Verlagerung der Ausbeutung zu Tode kommen.
1 Der Mode auf der Spur: Eine etwas andere Geschichte der Mode
Die neuen Beine der Frauen
Als die Herren noch Bein zeigten
»Ganz individuell«: Weiblichkeit versus Business
Unisex? Paradox, höchst paradox!
Eingekleidet: Korporationen
Fortschritt?
Trickle up, trickle down
2 Der große Bruch: Wie die Mode aus der Männerwelt verschwand und ein weibliches Laster wurde
Das Ende der alten Ordnung
König und Königin als Verkörperung kosmischer Ordnung
Dressing down: Philippe d’Orléans als Trendsetter einer neuen Zeit
Marie Antoinette: Modekönigin und Fashion Victim
Ausgestellte Weiblichkeit
3 Mode – modern
Natürlich deutsch
Der Orient im Herzen des Westens
Antimode: Dandys
Zukunftsweisend: Der Dandy und sein Amt
Dressed to kill: Gentlemen of Bacongo
4 Fremdraum: Die Welt im eigenen Haus
Eine orientalische Kolonie
Indifferent: A-Mode
Römische virtus, orientalischer Luxus
Rose Bertins Grand Mogol
Rousseaus Harem mitten in Paris
Giacomo Leopardi, Mode als Dekadenz pur
Baudelaires Eroskulte
Zolas babylonisches Paris
5 Die feinen Unterschiede und der kleine Unterschied
Simmel: Maske oder Kompensation?
Veblen: Industriekapitäne und Trophäengattinnen
Flügel: Was die Mode streng geteilt
Fuchs und Loos: Femina feminae lupa
Der feine Unterschied im kleinen Unterschied
6 Unisex oder Crossdressing?
Die Mode wird aus der Mode kommen
Puderkriege
Von der Arabeske zur Funktion: Sind Frauen die neuen Männer?
Sexy Unisex
Weiblichkeit an die Macht
Dressman
State of the Art: Michelle und Barack Obama
Oder Männer die neuen Frauen: Garçon chaton?
Adonis
7 Verrückter Westen
Zersetzt: Wie das Abendland aus dem Morgenland zurückkam
The Empire designs back
Wie die Jungs, Comme des Garçons
Rüsche und Reißverschluss
8 Körper statt Korporationen
Orientalismus pur: Tattoos und Stigmata
Theater der Grausamkeit: Alexander McQueen
Passion: Blumen des Bösen
Meta- und Anamorphosen: Verkehrter Pygmalion
9 Zeitzeichen
Zeuxis verkehrt: Zeit im Kleid
Mannequin: Entstaltetes Kleid
Fama: Marke als Makel
Zugeschnitten
Und ewig lockt der Orient
Bildteil
Anmerkungen
Bildnachweis
Literatur
Manhattan im März: Ich sehe aus dem Fenster auf den Washington Square. Es ist neun Uhr morgens. Zielstrebig laufen die Leute über den Platz, in die Schule, zu den Seminaren an der Universität, zur Arbeit in die Geschäfte. Die Portiers tragen Arbeitsuniform und kümmern sich um Straße und Vorgärten. Die jüngeren Latinos unter ihnen haben raffiniert dünn rasierte Bärte. Bei den Männern, die keine Arbeitsuniform tragen, bestimmen zwei Silhouetten das Straßenbild: Anzug, eher schmal geschnitten, mit kurzem Mantel, gedeckte Farben. Blazer mit Flanellhose oder Chinos. Klassische Halbschuhe, Budapester, alternativ Loafers. Oder Jeans, Cordhosen mit Blouson, der unter der Taille oder unter dem Po abschließt, dazu Turnschuhe oder turnschuhartige Halbschuhe, dunkel, beides nicht enganliegend, kurze Haare. Die Jungs im Gangster-Style sind noch nicht unterwegs. Ihre weit hängenden Jogginganzüge sind jedenfalls eines nicht: körperbetont.
Bei den weiblichen Silhouetten geht es nur um Beine, Beine, Beine. Lang, sehr lang, oft bis zum Schritt sichtbar. Beine in Leggings oder engen Hosen. Beine mit blickdichten Strümpfen in Shorts oder sehr kurzen Röcken. Und dazu Stiefel in allen Längen, oft bis übers Knie. Diese langen Stiefel sind meistens flach. Die kürzeren Stiefel, weit in Falten fallend oder grob klotzig, fast martialisch, haben einen kantigen Absatz. Oft werden die dann noch endloser wirkenden Beine durch Plateausohlen verlängert. UGGs werden in allen Lebenslagen und Varianten rund um den Globus getragen: klassisch aus schwarzem oder braunem Schafsleder, paillettenbesetzt, mit Knöpfen wie ein Pullover. Mit solchen Schuhen trippelt und stöckelt man nicht; man tritt bestimmt auf. Die Stiefel in weichen Falten gemahnen an Landsknechte, die gröberen, klotzigen an Trapper im wilden Westen: »These boots are made for walking.«
Diese Beine haben offensichtlich wenig gemein mit den klassischen Frauenbeinen, die in durchsichtigen, hauchdünnen Strümpfen durch das Spiel von Nacktheit und Verhülltsein bestimmt waren. Generell sind die Nylonstrümpfe in den letzten 30 Jahren durch Phantasiestrümpfe verdrängt worden. Netz und Häkel, aufwendige Spitze, raffinierte Muster und bestickte Strümpfe, dicke bunte Wollstrumpfhosen, Leggings und Overknees haben den Strümpfen und Strumpfhosen ein viel größeres Eigengewicht gegeben. Nicht das nackte Bein, das durch den Nylonstrumpf noch seidig nackter wirken sollte, sondern das angezogene, geschmückte, bestrickte Bein trat in den Vordergrund. Damit wurde die bestimmende, die Geschichte des Rocks und damit die des Seidenstrumpfs begleitende Frage: Wie hoch kann man das Bein sehen? Wie kurz oder wie hoch geschlitzt ist der Rock? ad acta gelegt. Die Frage, ob man beim Schaukeln, Sitzen oder Bücken gar unter den Rock gucken kann, ob er zu hoch hinaufrutscht, ob er enganliegend zu viel preisgibt, zu durchsichtig ist oder gar schwingend über den Kopf geweht wird, hat sich erledigt.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!