Anis Amri und die Bundesregierung - Stefan Schubert - E-Book

Anis Amri und die Bundesregierung E-Book

Stefan Schubert

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Beschreibung

»Meine Vorgesetzten zwingen mich, das Parlament zu belügen.«
Deutscher Terrorermittler im Fall Anis Amri

Die neuen Recherchen des investigativen Bestsellerautors Stefan Schubert enthüllen Unglaubliches: Der Fall Amri war in Wirklichkeit eine »internationale Geheimdienstoperation«, die dazu dienen sollte, Kommandostrukturen des IS und Bombenziele gegen libysche Terrorcamps zu identifizieren!

Der renommierte Sicherheitsexperte stützt seine exklusiven Rechercheergebnisse auf geheime Akten und Dokumente von Behörden, Polizei und Geheimdiensten sowie auf Aussagen von beteiligten Terrorermittlern.
Damit erscheint der Fall Amri in einem gänzlich anderen Licht, als ihn die Bundesregierung der Öffentlichkeit bis heute präsentiert.

Einer der größten Politik- und Geheimdienstskandale der zurückliegenden 70 Jahre!

Die eingesehenen Dokumente legen schonungslos offen: Der Terroranschlag geschah wissentlich unter den Augen von fünfzig deutschen Behörden, und die tunesischen, marokkanischen und US-Geheimdienste waren daran beteiligt.

Die zwölf Toten und siebzig Verletzten des Breitscheidplatzes waren offenbar von den Amerikanern als Kollateralschäden im »War on Terror« mit einkalkuliert und von der Bundesregierung hingenommen worden.

Terrorermittler brechen ihr Schweigen

Die dem Autor vorgelegten geheimen Ermittlungsakten enthüllen, dass

  • die Bundesregierung die von Angela Merkel versprochene schonungslose Aufklärung in Wirklichkeit konsequent sabotiert;
  • die Vertuschungen von den höchsten Politikkreisen ausgehen;
  • am Breitscheidplatz bis zu drei weitere IS-Kämpfer vor Ort waren und den Terroranschlag live mitverfolgten; 
  • Amri ein »IS-Lockvogel« für westliche Geheimdienste war;
  • Amri vorsätzlich nicht angeklagt und festgenommen wurde, damit die Geheimdienstoperation der CIA weiterlaufen konnte; 
  • der damalige US-Präsident Barack Obama sogar in den Fall involviert war;
  • die Bundesregierung die Vollstreckung eines Haftbefehls gegen Amri verhinderte;
  • Terrorermittler bis heute mit Maulkörben belegt werden; 
  • auch große Medienhäuser an der Vertuschungsaktion des Amri-Skandals beteiligt sind.


Stefan Schubert beleuchtet mit brisanten Fakten, geheimen Dokumenten und exklusiven Zeugenaussagen, was Ihnen bis heute über Anis Amri verschwiegen wird.

»Ich möchte Frau Merkel sagen, dass sie das Blut meines Sohnes an ihren Händen hat!«
Mutter des ermordeten Lkw-Fahrers Lukasz Urban

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1. Auflage Januar 2019 Copyright © 2019 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Covergestaltung: Nicole Lechner Satz und Layout: opus verum, München ISBN E-Book 978-3-86445-652-7 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-0 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Vorwort

Entgegen der Mär von dem kleinkriminellen Einzeltäter Anis Amri, die die Bundesregierung zu verbreiten nicht müde wird, handelt es sich beim Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz in Wirklichkeit um einen koordinierten Terroranschlag von IS-Zellen in Deutschland, Italien und Libyen. Das haben meine monatelangen akribischen Recherchen eindeutig ergeben, bei denen ich mich auf geheime Akten und Dokumente von Behörden, Polizei und Geheimdiensten ebenso wie die Aussagen von beteiligten Terrorermittlern stützen konnte, die mir ihr Wissen exklusiv zur Verfügung stellten.

Damit erscheint der Fall Amri in einem gänzlich anderen Licht, als ihn die Bundesregierung der Öffentlichkeit bis heute präsentiert.

Wussten Sie, dass am Breitscheidplatz neben Anis Amri bis zu drei weitere IS-Terroristen vor Ort waren und den Terroranschlag live mitverfolgten? Mitwisser und Mittäter also, die nicht nur über den Ort und das Datum des Anschlags informiert waren, sondern sogar dessen genaue Uhrzeit kannten?!

Wussten Sie, dass Anis Amri zur Tatausführung einen mit 20 Tonnen Stahlträgern beladenen Lkw benutzte, der seine Fahrt im norditalienischen Cinisello Balsamo startete, jedoch 77 Stunden nach seiner Flucht in Sesto San Giovanni erschossen wurde – einem Ort, der nur 3,7 Kilometer vom Beladeort des Lkws entfernt liegt?

Dieses lombardische Industriegebiet ist für seine große islamische und dschihadistische Szene bekannt, und Hunderte von Moscheen stehen hier.

Hat eine dortige IS-Zelle Amri vielleicht über den Lkw, sein Fahrtziel und seinen exakten Aufenthaltsort in Berlin informiert? Und war also der Lkw mit seinem maximalen Gesamtgewicht von 40 Tonnen nicht zufällig, sondern von diesem IS-Netzwerk zur Begehung des Terroranschlages in Berlin gezielt ausgewählt worden?

Wussten Sie, dass sogar Barack Obama, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, offiziell in den Amri-Komplex involviert war?

Und wussten Sie, dass große Medienhäuser der Bundesrepublik Deutschland an Vertuschungsaktionen des Amri-Skandals beteiligt waren und es – vorliegenden Informationen zum Trotz – unterlassen haben, über einen V-Mann des Verfassungsschutzes im Umfeld von Amri zu berichten?

Die so oft zu Tode zitierte vierte Gewalt im Staat verschwieg den Skandal vorsätzlich und wirkte somit auch im Fall Amri wie ein verlängerter Arm des Kanzleramtes.

Die eingesehenen Dokumente belegen ferner, dass der Terroranschlag nicht nur über ein Jahr lang organisatorisch vorbereitet wurde, sondern dies wissentlich unter den Augen von fünfzig deutschen Behörden geschah. Von den deutschen Behörden abgesehen, belegen die Geheimdokumente auch, dass neben den deutschen Geheimdiensten, also dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Auslandsnachrichtendienst, am Fall Amri auch der tunesische, der marokkanische und der amerikanische Geheimdienst beteiligt waren. Trotz dieser umfangreichen Verwicklungen versucht die Bundesregierung weiterhin mit aller medialen Macht, den Fall Amri als reinen »Polizeifall« darzustellen. Darüber hinaus belegen die jüngsten Enthüllungen die These des Autors, dass es sich bei dem Fall Amri in Wahrheit um eine »internationale Geheimdienstoperation« handelte. Zu dieser Annahme gelangte unter anderen auch der Welt-Herausgeber Stefan Aust.

Der »wahre« Fall Amri bestand darin, dass Amri schon in seinem Heimatland Tunesien als IS-Anhänger bekannt gewesen und mit einer ganzen Gruppe von mutmaßlichen IS-Terroristen von Libyen nach Lampedusa in Italien eingeschleust worden war. Das durch die Flüchtlingskrise ausgelöste Chaos und der damit einhergehende Kontrollverlust wurden gezielt zur Begehung eines Terroranschlages in Deutschland miteinberechnet und ausgenutzt. Seit seinem Gefängnisaufenthalt in Italien und seiner Freilassung aus der Abschiebehaft wurde Amri vom italienischen Geheimdienst überwacht, und im weiteren Verlauf verraten die Dokumente eine direkte Steuerung des Falls durch den Verfassungsschutz. Offensichtlich setzte der deutsche Inlandsgeheimdienst alles daran, die Agenda der CIA umzusetzen. Die Metadaten, die die Geheimdienste über ihren »IS-Lockvogel« Anis Amri abschöpften, wurden immer umfangreicher: von IS-Zellen in Italien über IS-Kontaktleute in der Schweiz bis hin zum großen deutschen IS-Netzwerk. Es wurden Informationen über Abu Walaa, den obersten Repräsentanten des IS in Deutschland, gesammelt sowie die IS-Statthalter in Dortmund, Duisburg und weiteren Städten. Als zentrale Operationsschwerpunkte entwickelten sich Amris Kontakte in die radikale Berliner Islamisten-Szene, das IS-Hauptquartier von Berlin im Moschee-Verein Fussilet 33 in Berlin-Moabit. Als ein weiterer großer Erfolg gilt in Geheimdienstkreisen der überwachte und aufgezeichnete direkte Kontakt von Amri zu IS-Kadern in Libyen und die daraus resultierende GPS- und Satellitenortung von IS-Camps. Die »Krönung« der CIA-Operation folgte dann in der heißen Phase des Anschlags, als Amri regelmäßig mit dem IS-Instrukteur Mahir D. kommunizierte – einem hochrangigen IS-Kader, der Amri nicht nur eine islamisch-religiöse Legitimation für das Töten von Zivilisten erteilte, sondern ihn während des Anschlag bis zur Tat selbst sogar dirigierte.

Durch die Spiegelung von Amris SIM-Karte waren die Geheimdienste in der Lage, das verschlüsselte Chat-Programm zu knacken und die Gespräche aufzuzeichnen. So erhielten sie nicht nur tiefe Einblicke in die Kommandostrukturen des Islamischen Staates, sondern auch äußerst seltene Erkenntnisse über den Aufbau und Ablauf eines lange vorher geplanten Terroranschlags im Westen – und zwar im Vorlauf des Anschlags. In Geheimdienstkreisen dürfte der Fall Amri als einzigartig gelten, denn hier waren die Geheimdienste tatsächlich in der Lage, die Organisation eines Terroranschlages live mitzuverfolgen und anschließend in aller Ausführlichkeit zu analysieren. Aufgrund der bei dieser Operation erlangten Erkenntnisse erfolgte genau ein Monat nach dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt ein gewaltiger US-Militärschlag gegen die libyschen IS-Camps von Amris Hintermännern. Da neben den umfassenden Einblicken in die Kommandostrukturen des IS die Identifizierungen von Bombenzielen das Hauptmotiv der amerikanischen Geheimdienstoperation Amri darstellten, waren die zwölf Toten und siebzig Verletzten des Breitscheidplatzes offenbar von den Amerikanern als Kollateralschäden im »War on Terror« mit einkalkuliert worden.

Einzig aus diesem Grund sorgten die Bundesregierung und nachgeordnete Behördenleitungen dafür, dass Anis Amri – unter allen Umständen und wider geltendes Recht – weder festgenommen noch abgeschoben wurde. Doch wurde und wird der Öffentlichkeit dieses Vorgehen als »Pannenserie« und Inkompetenz der Polizei verkauft. Wie das aufgeflogene Geheimtreffen zwischen dem damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und dem Berliner Innensenator Andreas Geisel belegt, wo es um die Absprache von Vertuschungen im Amri-Fall ging, wird diese Vernebelungstaktik von höchsten Politikkreisen in Berlin weiterverfolgt.

Obwohl Angela Merkel der Bevölkerung eine schonungslose Aufklärung aller Hintergründe zum schwerwiegendsten islamistischen Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland versprach, sabotiert die Bundesregierung in Wirklichkeit jede wahrhaftige Aufklärung. Bisher tischte sie dem Parlament nur Lügen auf, Öffentlichkeit und Untersuchungsausschüsse erhielten keine oder nur unvollständige Akten, und in Untersuchungsausschüsse vorgeladene Terrorermittler wurden mit Maulkörben mundtot gehalten. Erstmals brechen Letztere in diesem Buch ihr Schweigen.

Um einen Gerichtsprozess zum Terroranschlag mit allen Mitteln zu verhindern, wurde einer der IS-Hintermänner aus Berlin, der enge Amri-Freund Bilal Ben Ammar, trotz der bedrückenden Beweislast und eines laufenden Terrorstrafverfahren gegen ihn nicht angeklagt, sondern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Tunesien abgeschoben. Die Bundesregierung befürchtete, ein solches Gerichtsverfahren würde ein ganzes Dutzend Missstände im Land thematisieren, welche allesamt die Gesellschaft stark polarisieren und nicht zuletzt zu den Wahlerfolgen der AfD geführt haben: Anhaltendes Staatsversagen, unkontrollierte Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern, die Rolle des Islam und dessen radikaler Anhänger, Moscheen als Operationsbasen von Terroristen, IS-Terroristen im Flüchtlingsstrom und der staatliche Kontrollverlust seit der Flüchtlingskrise sind ein paar Stichworte unter vielen anderen.

Das Gerichtsverfahren gegen den Berliner IS-Hintermann Bilal Ben Ammar wäre zu einer einzigen Anklage gegen die Regierungspolitik von Angela Merkel geworden – und das zusätzlich zu den Verstrickungen der Bundesregierung in die Geheimdienstoperation um Anis Amri und dessen vorsätzlicher Nichtfestnahme. Zudem verhinderte die Bundesregierung die Vollstreckung eines beantragten Terror-Haftbefehls gegen Anis Amri. Dieser Haftbefehl wird bis heute vor der Öffentlichkeit totgeschwiegen.

Auch das schändliche Verhalten der Regierung Angela Merkels gegenüber den Opfern und den Hinterbliebenen des islamistischen Terrors wird hier zur Sprache kommen. Einen Tiefpunkt erlebte dieses, als das ZDF Astrid Passin, die Sprecherin der Hinterbliebenen, aus dem Bürgerdialog Klartext, Frau Merkel! kurzfristig wieder auslud.

Wie geradezu unterwürfig die Bundesregierung und deren nachgeordnete Behörden dem amerikanischen Druck nachgaben und damit die eigene Bevölkerung einer immensen und vorsätzlichen Gefährdung aussetzten, lässt den Leser gleichermaßen wütend und ohnmächtig zurück. Angesichts dieser exklusiven Hintergründe versteht sich Anis Amri und die Bundesregierung als wichtiges Dokument der Zeitgeschichte.

Kapitel 1: Der Anschlag

Der 19. Dezember 2016

»Wir kommen zu euch, um euch zu schlachten, ihr Schweine!« Dieses Terrorbekenntnis spricht Anis Amri auf Arabisch in die Handykamera. Aufgrund des Bildhintergrundes konnten die Ermittler den Ort identifizieren, an dem Amri dieses Bekennervideo aufgenommen hat: Er stand auf der Kieler Brücke am Nordhafen von Berlin-Moabit; an den Bäumen hingen noch die Blätter, sodass als Aufnahmedatum der Zeitraum zwischen dem 31. Oktober und dem 1. November 2016 angenommen wird.1

Anis Amri ist heute zur Tat entschlossen. Wie Berliner Fahndern es Wochen später zu rekonstruieren gelingt, tigert er am Nachmittag des Anschlagtages am Friedrich-Krause-Ufer entlang. Amri ist auf der Jagd, bewaffnet mit einer Pistole der Marke Erma, Modell EP 552, Kaliber 22, die er nur wenige Stunden später skrupellos einsetzen wird.

Das Gelände um den Berliner Westhafen ist ein bedeutender Umschlag- und Lagerplatz für die Binnenschifffahrt, mit 430 000 Quadratmetern ist er der größte Hafen von Berlin. Dort werden die eingeschifften Waren entweder über den Güterbahnhof Moabit weiterverteilt oder über die angeschlossene Stadtautobahn A 100 per Lkw abtransportiert. Aus diesem Grund parken im gesamten Bereich schwer beladene Lkws und warten auf die Fortsetzung ihrer Fahrten.

Dass Anis Amri diese Gegend in Berlin-Moabit für seine Tatvorbereitungen nutzt, ist kein Zufall. Denn fußläufig, nur wenige Minuten entfernt in der Perleberger Straße 14, befindet sich der Moschee-Verein Fussilet 33, dessen Name sich auf den 33. Vers der Koransure »Fussilat« beruft. Er ist der Polizei als radikal-salafistisch bekannt, und seit Langem gilt die Moschee bei Terrorermittlern als das »IS-Hauptquartier von Berlin«. Bereits 2015 wurde die Moschee wegen ihrer islamistischen Bestrebungen im Berliner Verfassungsschutzbericht erwähnt, und schon zu diesem Zeitpunkt lagen den Behörden genügend Straftaten mit radikal-islamischem Bezug im Umfeld der Moschee vor, die ein frühzeitiges Verbot und damit die Schließung der Moschee gerechtfertigt hätten. Eine Akte mit der entsprechenden Verbotsverfügung befand sich schon seit geraumer Zeit in der Berliner Innenverwaltung, blieb dort jedoch unbearbeitet liegen und staubte vor sich hin – wegen Personalmangel, so lautet die offizielle Version der verantwortlichen Politiker.2 In einem funktionierenden und – wie so oft beschworenen – »wehrhaften« Rechtsstaat wäre dieser IS-Stützpunkt bereits 2015 geschlossen worden. Da der Staat hier aber versagte, wurde der Westberliner Stadtteil Moabit zum Aktionsraum von IS-Terroristen.

Nur aus einem einzigen Grund durchstreift Amri den Berliner Westhafen: Er ist auf der Suche nach einem schweren Lkw, den er als tödliche Waffe für seinen Terroranschlag nutzen kann, und folgt damit einem Modus Operandi, den die Propagandakanäle des IS erfolgreich bis nach Westeuropa verbreitet haben, wie die Anschläge von Nizza, London und Barcelona belegen. Einer der IS-Anschlagsunterstützer, Bilal Ben Ammar, der, vom Steuerzahler versorgt, als Flüchtling in Berlin lebt, bereitet den Lkw-Anschlag auf den Breitscheidplatz zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens 9 Monaten vor.

Bereits 2010 wegen Diebstahls verurteilt

Immer wieder wird in Deutschland im Internet die Fähigkeit angezweifelt, dass Amri technisch und praktisch in der Lage war, einen modernen Lkw mit all seiner Bordelektronik zu starten, stark zu beschleunigen, durch den Berliner Weihnachtsverkehr zu lenken und dann gezielt in die Weihnachtsmarktbesucher des Breitscheidplatzes rasen zu lassen. Doch dass sich Amri für diese schwergewichtige Variante entschied und nicht etwa auf einen kleineren Lieferwagen auswich, wie es beispielsweise die Attentäter in Barcelona taten, hat einen greifbaren Hintergrund. Sein Bruder in Tunesien ist Berufskraftfahrer und soll sich mit Amri über seinen Lkw und die technischen Details leidenschaftlich ausgetauscht haben. Sicherheitsbehörden gehen sogar davon aus, dass er es war, der Amri das Lkw-Fahren beibrachte. Und bereits 2010 ist Anis Amri in Tunesien wegen Diebstahls und anschließenden Fahrens mit einem gestohlenen Lkw angeklagt und vom Kairouaner Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.3

Doch für Amris Lkw-Kenntnisse gibt es einen Zeugen aus erster Hand: den 47-jährigen Mohammed B. (der Name wurde geändert). Mohammed, ein Tunesier, lebt bereits seit 25 Jahren in Berlin. Aus Geldnot, so seine Begründung, habe er Amri und einem weiteren Tunesier, Khaled A., 31 Jahre alt, im Herbst 2016 für 350 Euro ein 20 Quadratmeter großes Zimmer untervermietet. Mohammed B. hatte in Tunesien als Polizist gearbeitet und war nach der Scheidung von seiner deutschen Frau in Berlin als Fernfahrer tätig. Nach dem Anschlag berichtete er den Behörden, dass Amri mit ihm über technische Details von Lkws und Lkw-Fahren gefachsimpelt und ihm bestätigt habe, dass sein Bruder ihn im Lkw-Fahren unterrichtet habe. Amris Fachwissen habe ihn nachhaltig beeindruckt.4 Anis Amri war also zweifellos in der Lage, einen Terroranschlag mit einem modernen, schweren Lkw durchzuführen. Und am 19. Dezember 2016 ist es so weit, Anis Amri ist zum Morden entschlossen und durchstreift Westberlin mit einer geladenen Pistole.

Mitte Dezember: heiße Phase des Anschlags

Seit dem 14. Dezember 2016 sendet Anis Amris Handy ununterbrochen Berliner GPS-Standorte an die Funkmaste der Telefongesellschaften: Seine Anschlagsvorbereitungen treten in die heiße Phase ein. Das belegen eindeutig die polizeilichen Auswertungen der Ortungssignale seines Handys, welches er beim Aufprall des Lkws am Tatort Breitscheidplatz verloren hat.

Am Vorabend des Anschlages trifft sich Amri mit Bilal Ben Ammar in einem Restaurant in der Berliner Pankstraße. Diese Straße gehört zum ehemaligen Arbeiterviertel im Westen, Berlin Gesundbrunnen, das als einer der ärmsten Stadtteile der Hauptstadt gilt und über eine überwiegend migrantische Bevölkerung verfügt. Schlägereien zwischen arabischen und türkischen Großfamilien mit anschließender Rudelbildung und Angriffen gegen einschreitende Polizeibeamte gehören hier zur Tagesordnung und haben den Straßen den Ruf einer No-go-Area eingebracht. Wenn man also sicher sein will, nicht zufällig in eine Polizeikontrolle zu geraten, dann ist diese gesetzlose Berliner Gegend für ein Treffen von IS-Terroristen geradezu prädestiniert.5  6

Bei Amris Mittäter Bilal Ben Ammar handelt es sich um einen 26-jährigen Tunesier, den die Behörden ebenfalls der radikal-salafistischen Szene zuordnen, weshalb er schon seit einer Weile von Fahndern observiert wurde. Im November 2015 wurde er wegen Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommen, denn er gehörte einer dreiköpfigen IS-Zelle in Berlin an, die verdächtig wurde, Sprengstoff für einen Terroranschlag in Düsseldorf besorgt zu haben.7 Ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando (SEK) hatte damals ein Auto in Neukölln sowie eine Moschee in Charlottenburg durchsucht, den Sprengstoff jedoch nicht finden können, sodass die drei Terrorverdächtigen wieder freigelassen wurden und Bilal Ben Ammar weiterhin in Berlin leben konnte. Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe wurde dieser IS-Terrorist nicht einmal als Gefährder eingestuft, geschweige denn dass die Berliner Behörden ihre Abschiebebemühungen gegen ihn intensivierten. Der Hintergrund hierfür ist eine unverantwortliche Art von Statistikmanipulation, denn je weniger islamistische Gefährder statistisch ausgewiesen werden, desto geringer wird die Gefahr eines Aufschreis in der Bevölkerung gehalten. Und auch eine breite und offene gesellschaftliche Islam-Diskussion wird so abzuwürgen versucht.8

Erst am 4. Januar 2017, 16 Tage nach dem Terroranschlag, ließ die Bundesanwaltschaft die Unterkunft von Bilal Ben Ammar, der in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft lebte, durchsuchen. Die Begründung lautete, dass der Tunesier »von den Anschlagplänen wusste und möglicherweise Anis Amri geholfen hat«. Es mussten also erst zwölf Menschen am Breitscheidplatz ermordet werden, bis die Behörden Bilal Ben Ammar offiziell die Begehung eines Terroranschlages zutrauten und ihn endlich als Gefährder einstuften. Und genau mit diesem Mann traf sich Amri am Vorabend des Anschlags in einem Restaurant in einem No-go-Viertel – einem jener Lokale, die in Berlin überall wie Pilze aus dem Boden sprießen, wo ausnahmslos Hähnchenfleisch angeboten und entsprechend mit »halal« geworben wird. Der Inhalt des Gesprächs ist den Behörden nach wie vor unbekannt, denn Bilal Ben Ammar schweigt. Und doch ist dieses letzte Treffen ein weiterer Beleg gegen die politische Behauptung, Anis Amri sei ein Einzeltäter, obwohl er ganz offensichtlich Teil eines bundesweiten IS-Netzwerkes war. Zwar leugnet Bilal Ben Ammar, dass er noch am Tattag telefonischen Kontakt mit Anis Amri gehabt habe, doch am Vor- und Nachmittag des 19. Dezembers hat Amri mehrfach telefoniert, und in Amris Handydaten ist das Telefonat mit »Bilal« protokolliert.

Doch es gibt noch einen weiteren mutmaßlichen Mitwisser und Komplizen von Amri, dem vorgeworfen wird, unmittelbar zum Zeitpunkt des Anschlages mit Amri im Kontakt gestanden zu haben, und dessen Wohnung in Berlin-Gesundbrunnen just in dieser Zeit durch ein SEK gestürmt und durchsucht wurde.9 Besagter Stadtteil gelangte im November auch deshalb in die Schlagzeilen, weil Kuriere von DHL Express aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen und Betrugstaten Einzelsendungen dort nicht mehr persönlich ausliefern wollten.10

Bei diesem »Mann«, wie er in den Medien umschrieben wird, handelt es sich um Mohammed B., der Amri in seiner kleinen Wohnung ein Zimmer untervermietet hatte. Spätere Ermittlungen ergaben, dass Mohammed B. im Auftrag des Berliner IS-Hintermannes Bilal Ben Ammar mehrere Kurierfahrten nach Tunesien durchgeführt hatte; was Mohammed transportiert hat, ist bis heute aber ungeklärt. Jedenfalls gab Mohammed B. an, Amri habe wenige Tage vor der Tat zu einem »Bruder« nach Neukölln umziehen wollen. Doch am 19. Dezember 2016, gegen 16 Uhr, sei er plötzlich wieder aufgetaucht, habe eilig ein paar Sachen in seinen Rucksack gepackt und die folgenden Worte an Mohammed gerichtet: »Verzeih mir, wenn ich dir Unannehmlichkeiten in der Wohnung bereitet habe.« Rückwirkend sagt Mohammed B., »ich hatte das Gefühl, es war so eine Art Abschied«.

Gegen den IS-Kurierfahrer Mohammed B. wurde keine Anklage erhoben. Bis heute lebt er – unbehelligt von den Behörden – in Berlin.

Das offene Rätsel um den Tat-Lkw

Seine guten Ortskenntnisse von Berlin-Moabit und das Ausschauhalten am Berliner Westhafen zahlen sich für Amri aus. Der Terrorist erspäht einen Lkw, der genau seinen Vorgaben entsprach: Er ist abgelegen geparkt, ist mit nur einem einzigen Fahrer besetzt, und der verfügt über den Fahrzeugschlüssel. Und noch eine entscheidende Voraussetzung erfüllt der Lkw: Er ist schwer beladen.

Ein polnischer Fahrer namens Łukasz Urban hatte ihn in dem kleinen italienischen Ort Cinisello Balsamo mit einer schweren Stahlkonstruktion beladen, sodass dieser Scania-Lkw, der schon unbeladen auf etwa 20 Tonnen kommt, sein Gewicht durch die Stahlträger auf das Maximalgewicht von 40 Tonnen verdoppelte. Wie viele andere nutzte Urban das Friedrich-Krause-Ufer, um die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause einzuhalten. Doch der Beladeort des Lkws – Cinisello Balsamo – liegt nur 3,7 Kilometer von Sesto San Giovanni entfernt. Diese unmittelbare Nähe stellt einen bisher noch wenig beachteten Aspekt im Fall Amri dar, den »unglaublichen Zufall« nämlich, dass Anis Amri genau hier, in Sesto San Giovanni, 77 Stunden nach seiner Flucht von der italienischen Polizei erschossen wird!11

Das Industriegebiet in der Lombardei ist für seine große islamische und dschihadistische Szene mit hunderten Moscheen bekannt. Der Verdacht liegt nahe, dass eine dortige IS-Zelle, bei der Amri auf seiner Flucht vorübergehend untertauchen wollte, Zugriff auf die Lade- und Reisepläne der betreffenden Spedition hatte, die Daten über den Lkw an Amri weitergab, und sich Amri diesen Scania-Lkw, mit dessen technischen Details er genau vertraut war, gezielt ausgesucht hatte. Sonst hätte Amri, der ja nicht ins Innere des Aufliegers schauen konnte, rein zufällig auf einen Lkw gestoßen sein müssen, der mit seinem Maximalgewicht von 40 Tonnen für seinen Anschlag perfekt geeignet war. Dieses Maximalgewicht stellte jedoch einen wichtigen Faktor dar, um die Verheerungen des Terroranschlages immens zu verstärken.12

Auch die später vermittels der Handyortungen rekonstruierten Bewegungen von Amri am Tattag, als er das Friedrich-Krause-Ufer mehrfach zu Fuß ablief, würden damit in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. Denn dann wäre Amri nicht ziellos umhergelaufen, sondern auf der Suche nach einem ganz bestimmten Lkw gewesen. Doch damit würde sich der Terroranschlag vom Breitscheidplatz in Wahrheit als eine koordinierte Operation von IS-Zellen in Deutschland, Italien und Libyen entpuppen, während der Bevölkerung zur Beruhigung weiterhin die Einzeltäter-These aufgetischt wird. Auf die Verwicklungen zweier IS-Zellen in Italien kommen wir an späterer Stelle noch ausführlich zu sprechen.

Die »IS-Zentrale von Berlin«, so ein Berliner Terrorermittler im Gespräch mit dem Autor, wird von Überwachungskameras der Behörden überwacht. Sie sind auf die Eingangstür des IS-Stützpunktes gerichtet. Auch als Amri in den Abendstunden des 19. Dezembers die Fussilet-Moschee betritt, laufen sie mit. Die Auswerter der Aufnahmen notieren 18:38 Uhr als Ankunftszeit Amris, 19:07 Uhr verlässt er die Moschee wieder.13

Der kaltblütige Mord an Łukasz Urban

Unmittelbar nach dem Moscheebesuch geht Amri zielgerichtet zum Friedrich-Krause-Ufer zurück – zu jenem Lkw, den er wahrscheinlich zuvor lokalisiert hat und von dessen 20 Tonnen schwerer Stahlfracht er weiß. Łukasz Urban ruht zu diesem Zeitpunkt auf der dafür vorgesehenen Liegefläche unmittelbar hinter den Fahrersitzen. Sollte Amri, wie wir vermuten, Unterstützung durch eine Mailänder IS-Zelle erhalten haben, so wusste er, dass Łukasz Urban dort bis zum nächsten Tag pausieren musste, bevor die Stahlkonstruktion abgeladen werden konnte.

Aufgrund von Spuren, die im Nachgang gesichert werden konnten, waren Kriminaltechniker und Forensiker in der Lage, den Tatablauf zu rekonstruieren. Demnach hantiert Amri gegen 19:30 Uhr an der Fahrertür und öffnet diese. Durch den Krach bemerkt Łukasz Urban den Eindringling, beugt sich vor und will mit seiner linken Hand die Gardine an der Fahrertür zur Seite schieben. Doch da hat Amri die Tür bereits geöffnet. Der Blick von Łukasz Urban geht genau in Richtung der Waffenmündung, und Amri schießt sofort. Das kleine Kaliber der Pistole lässt kein lautes Schussgeräusch entstehen, nur ein unauffälliges kleines »Plopp« ist zu hören. Urban erleidet einen Kopfsteckschuss, der zeitverzögert zum Tode führt. Die forensischen Untersuchungen ergaben Schmauchspuren am linken Handrücken von Urban und an der Gardine der Fahrertür, die diesen Tatablauf bestätigen.14 Infolge des Kopfschusses war Łukasz Urban handlungsunfähig und verstarb kurze Zeit danach. Verletzungen, die auf ein Kampfgeschehen zurückzuführen gewesen wären, konnten nicht festgestellt werden.

Alsdann schickt Amri aus dem Führerhaus ein Foto sowie mehrere Sprachnachrichten an IS-Leute in Berlin und dem Ruhrgebiet. Auch das widerlegt eindeutig die Einzeltäter-These der Bundesregierung, was erklärt, dass dieser Teil der Kommunikation von den Behörden noch immer geheim gehalten wird. Über das Chatprogramm Telegram tritt Amri direkt mit Mahir D. in Kontakt, dem IS-Hintermann des Berliner Terroranschlages, der zu diesem Zeitpunkt bereits in einem IS-Camp südlich von Sirte lokalisiert wird, das sich innerhalb eines vom IS kontrollierten Gebiets in Libyen befindet. Später werden die Geheimdienste Mahir D. als den IS-Instrukteur des Anschlages bezeichnen. Zu diesen Hintergründen werden wir im weiteren Verlauf zurückkehren.

Die Abhörprotokolle, die an diesem Tag angeblich nicht simultan übersetzt und ausgewertet wurden, verzeichnen folgende Kommunikation: »Bleib in Kontakt mit mir!«, schreibt Amri am 19. Dezember 2016 um 19:16 Uhr an seinen IS-Instrukteur Mahir D., nachdem er soeben das Berliner IS-Hauptquartier, die Fussilet-Moschee, verlassen und sich zu Fuß an das in der Nähe befindliche Friedrich-Krause-Ufer aufgemacht hat. Dort überfällt und erschießt Amri, wie geschildert, gegen 19:30 Uhr den polnischen Lkw-Fahrer Łukasz Urban.

Kurz danach, um 19:32 Uhr, steht Amri ein weiteres Mal mit dem IS-Kader in Kontakt: »Bruder, alles hat Erfolg!« Und schickt eine Audionachricht hinterher: »Bruder, alles ist in Ordnung, gepriesen sei Allah! Ich bin jetzt in der Karre, verstehst du? Bete für mich, Bruder!« Der Chat wird von den Behörden aufgezeichnet. Einige Minuten später, um 19:59 Uhr, antwortet der IS-Instrukteur Mahir D., in IS-Kreisen Moadh, der Tunesier, genannt, knapp: »In schā’Allāh – So Gott will!« Und um 20 Uhr kommt von Amri eine letzte Nachricht: »Mach Bittgebet für mich! Bete für mich!«

Dann ist es 20:02 Uhr, Anis Amri rast in den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und tötet elf weitere Menschen. Bis zu siebzig Menschen erleiden grausamste Verletzungen und schwerste Traumata, die bei einigen eine lebenslange therapeutische Behandlung nach sich ziehen werden.

Kapitel 2: Die Flucht

Absichtliche Vertuschungen?

Dieser Vorwurf liest sich so ungeheuerlich, dass man sich gar nicht mit ihm auseinandersetzen möchte. Doch hohe Geheimnisträger haben ihn dem Autor anvertraut.

Erst mehr als 52 Stunden nach dem Terroranschlag ließ Innenminister Thomas de Maizière von der CDU am 22.12.2016 um 0:06 Uhr den längst identifizierten IS-Terroristen Anis Amri bundesweit zur Fahndung ausschreiben. Diese 52 Stunden dienten Amri bekanntermaßen, ohne jegliche Schwierigkeiten vom Tatort zu entkommen, dann aus Berlin und schließlich aus Deutschland zu fliehen. Und auch bei der Flucht aus Deutschland, einem bisher wenig beachteten Teil des Amri-Komplexes, verketten sich Inkompetenz, Chaos und haarsträubende handwerkliche Fehler zu einer ganzen »Pannen-Serie«, an der alle Behörden beteiligt waren.

Doch dahinter entdeckten die mit diesem Fall beauftragten Terrorermittler den eigentlichen Grund für die nicht sofort und vollumfänglich eingeleitete Fahndung nach dem IS-Terroristen – einem islamisch-radikalisierten Massenmörder, der, immer noch bewaffnet, inzwischen alle Hemmungen verloren hatte und trotzdem weitere 52 Stunden lang auf den Straßen sein Unwesen treiben konnte. Angesichts von 12 ermordeten Menschen und 70 Verletzten, die zu diesem Zeitpunkt in der Charité noch teilweise um ihr Leben kämpften, lassen einen die Hintergedanken, welche die involvierten Politiker und Behördenleiter zu dieser verspäteten Fahndung verleiteten, gleichermaßen sprachlos und wütend zurück.

Erste Priorität: »Akten glattstellen«

Die zuständigen Politiker und Behördenleiter trieb nämlich einzig und allein das Motiv an, für sofortige Vertuschungen zu sorgen und diese miteinander zu koordinieren, damit die Nichtfestnahme von Anis Amri später öffentlich und juristisch nachvollziehbar und gerechtfertigt erscheine. Ein hochrangiger Mitarbeiter des Berliner Innenministerium schilderte dem Autor, wie er die 52 Stunden nach dem Terroranschlag erlebt hatte: »Überall herrschte Hektik, jedoch standen nicht Fahndungsmaßnahmen im Vordergrund, sondern direkte Anweisungen, Akten glattzustellen«. Hinter dem internen Begriff »Akten glattstellen« versteckt sich die Aufforderung der Behördenleitung, umfangreiche Vertuschungsmanöver vorzunehmen.

Ursprünglich war aus den internen Akten der Behörden klar herauszulesen, dass eine Festnahme Amris aus mannigfachen Gründen zwingend gewesen wäre. Doch nun sollten die geplanten Vertuschungen innerhalb der Behörden dafür sorgen, dass diese »zwingende Festnahme« juristisch zu einer nur »möglichen Festnahme« umgedeutet werden würde, damit der Politikapparat, gestützt auf seine gewaltige Medienmacht, eine Ablenkungsdebatte zum Fall Amris steuern könne. Und das ist bis heute so geblieben.

Ein Beispiel für diese Vertuschungen sind die aufgeflogenen Aktenmanipulationen des Berliner LKAs, wo aus den Akten zu Amris Drogenhandel nachträglich der Begriff des »gewerblichen« Handels gelöscht wurde. Denn dass jemand, der sich eines polizeibekannten »gewerblichen« Drogenhandels schuldig gemacht hatte, weder angeklagt noch festgenommen worden war, wäre sonst öffentlich und juristisch nicht zu begründen gewesen, und die Berliner Polizeiführung hätte sich – allein schon in diesem Fall von Drogenhandel – dem Vorwurf amtlicher Strafvereitlung nach § 258a StGB ausgesetzt gesehen. Die Strafandrohung für ein solches Vergehen liegt bei bis zu fünf Jahren Haft, und bereits versuchte Strafvereitlung ist strafbar. Obwohl diese Aktenmanipulationen Monate später aufflogen, öffentlich wurden und gegen die Beteiligten Strafanzeige gestellt wurde, der Sachverhalt also unstrittig war, wurde das Verfahren gegen die Aktenmanipulierer eingestellt. Auch deren Vorgesetzte wurden weder strafversetzt noch disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen.15

Doch wenden wir die Aufmerksamkeit wieder Amris Flucht und dessen vollkommen ungehindertem Reisen durch halb Europa zu. Immerhin handelte es sich hier um den in jenem Moment meistgesuchten Terroristen der Welt. Dessen Flucht und kinderleichte Überquerung einer Handvoll Landesgrenzen wirkte geradezu surreal, ebenso wie der diesbezügliche Aufritt des Innenministers Thomas de Maizière vor der geschockten Weltpresse.

Es gibt wohl kaum sonst einen Innenminister und eine Regierung auf dieser Welt, die vor die internationale Presse und eine aufgebrachte Nation zu treten wagen, um zu verkünden, dass nach einem 12-fachen islamistischen Massenmörder erst mit 52-stündiger Verspätung öffentlich gefahndet werden könne, da »wegen Schreibfehlern in den Beschlüssen«, so die Welt, die Gültigkeit dieser Beschlüsse angeblich nicht gewährleistet sei. Doch genau diese Peinlichkeit inszeniert Thomas de Maizière am späten Abend des 21. Dezembers 2016 in Berlin. Und das bei einem Terroristen, der den Behörden mitsamt seinen vierzehn verschiedenen Identitäten seit Monaten bekannt ist.

Wen stört angesichts von zwölf Toten und siebzig Verletzten bitte ein vermeintlicher Schreibfehler? Denn selbst wenn es einen solchen Schreibfehler gäbe, wäre er bei einer derart akuten und hochbrisanten Terrorlage mit einem zu allem bereiten IS-Terroristen, der bewaffnet durch Berlin läuft, innerhalb kürzester Zeit zu berichtigen. Die Angaben ließen sich rasch korrigieren, per Kurier zum zuständigen Richter oder den Richter in der Zwischenzeit per Streifenwagen und Blaulicht vor Ort bringen – und schon könnte die bundesweite Fahndung anlaufen. Hat das Bundesinnenministerium dennoch 52 Stunden verstreichen lassen, bevor die öffentliche Fahndung nach Anis Amri begann, dann kann das keine »Panne«, sondern muss Absicht gewesen sein.

Und wenn ein ranghoher Regierungsvertreter wie Innenminister Thomas de Maizière die Nichtfahndung nach dem 12-fachen Mörder mit »Schreibfehlern« zu begründen wagt und sich damit aus eigenem Antrieb und ohne vorherige Nachfrage dem Spott und der Wut der gesamten Bevölkerung aussetzt, dann sollten eigentlich bei allen Bürgern die Alarmsirenen schrillen. Vergleichbare Schuldeingeständnisse von Politikern geschahen in der Vergangenheit meist nur zur Ablenkung eines viel größeren Skandals.16

»Amri – Der Verdächtige«

Auch die weiteren Auftritte des Innenministers vor der Presse wirken, betrachtet man sie vor den heute bekannten Hintergründen, wie ein Schlag ins Gesicht der 82 Millionen Bürger dieses Landes. Obwohl bereits seit 2015 enorme Geheimdienstoperationen gegen Anis Amri liefen und seine direkten Verbindungen zur Terrormiliz des Islamischen Staates ebenso aktenkundig waren wie sein Sichanbieten als Selbstmordattentäter in Deutschland, das Herunterladen von Bombenbauanleitungen, seine konkreten Tatvorbereitungen und das Auskundschaften des Berliner Breitscheidplatzes, beginnt de Maizière unmittelbar nach dem Anschlag, die Wahrheit im Fall Amri zu vertuschen und durch eine offizielle Legende zu ersetzen. Noch in der Tatnacht versuchen die verantwortlichen Politiker aus Anis Amri, dem aktenkundigen IS-Terroristen und polizeibekannten islamistischen Gefährder, »Anis Amri den Verdächtigen« zu machen.

Unmittelbar nach dem Terroranschlag, zu einem Zeitpunkt also, als die IS-Nachrichtenagentur Amak längst die Verantwortung für den Berliner Terroranschlag übernommen und Amri zu einem »Soldaten des Kalifats« erklärt hatte, verhielten sich die beteiligten Minister und Behördenleiter immer noch so, als wäre er relativ ungefährlich, und es genüge, »in alle Richtungen« zu ermitteln. Obwohl das gesamte politische Berlin bereits darüber informiert war, dass es sich bei dem Attentäter vom Breitscheidplatz um »ihren« Anis Amri handelte – eben jenen, den sie seit Monaten vor einer Festnahme und Abschiebung bewahrt hatten –, gab Bundesinnenminister de Maizière vor der versammelten Weltpresse folgendes Statement ab:

»Nach dem Verdächtigen wird gefahndet. Ich weise darauf hin, das haben alle anderen auch gemacht, es ist ein Verdächtiger nicht zwingend der Täter. Es wird weiterhin in alle Richtungen ermittelt. Es werden alle Spuren verfolgt.«17

Verhinderung der zeitnahen Fahndung

Anis Amri flüchtet zu Fuß vom Anschlagsort. Zum Bahnhof Zoo sind es nur wenige 100 Meter, und genau dort wird Amri von einer Überwachungskamera erfasst. An dieser Stelle ereignet sich eine gespenstische Szene. Amri weiß von der Kamera, dreht im Gehen seinen Kopf in ihre Richtung und posiert mit dem sogenannten Tauhid-Finger. Dieser gestreckte Zeigefinger ist das Erkennungsmal der Terrororganisation Islamischer Staat. Er symbolisiert den Glauben an den einen und einzigen Gott (»Tauhid«), drückt das islamische Glaubensbekenntnis aus und bezeugt, dass es neben Allah keine anderen Götter gibt.18

Nach dem Attentat sah es im Fahrerhaus des Lkws aus, als ob eine Bombe eingeschlagen wäre: Glassplitter, Kleidungsstücke und Holzteile der Weihnachtsmarkt-Buden lagen überall im Innenraum herum. Die Rammfahrt und die vom automatischen Bremssystem ausgelöste Vollbremsung hatten dem Fahrzeug schwer zugesetzt. Die Zugmaschine des Lasters war stark beschädigt, die Bremsen hatten sich festgesetzt.19

Doch das Abschleppen der »Terrorwaffe«, diesem wichtigen Beweisstück, zog sich über den Vormittag des 20. Dezembers hin. Sie wurde in eine Halle der Julius-Leber-Kaserne der Bundeswehr in Berlin-Wedding gebracht, ein Ort, der insofern interessant ist, als er in Krisenzeiten als Ausweichdienstsitz für das Bundeskanzleramt bereitgehalten wird.20 Erst dort, also erst am 20. Dezember zwischen 15 und 16 Uhr, soll die Tatortgruppe des LKA Berlin den Lkw dann genauestens untersucht und im Fußraum unter dem Fahrersitz eine Geldbörse gefunden haben. Über dem Portemonnaie lag eine Decke, sodass es – laut offizieller Darstellung – bei der ersten Sichtung, die noch auf dem Breitscheidplatz stattgefunden hatte, übersehen wurde. In dem Portemonnaie enthalten waren Bargeld und eine auf den Namen »Ahmed Elmasri« ausgestellte Duldungsbescheinigung aus Kleve. Und schon die erste Abfrage der Datenbanken ergab sofortige Gewissheit darüber, dass es sich bei der Personalie »Ahmed Elmasri« um eine der vierzehn polizeibekannten Tarnidentitäten von Anis Amri handelte.

Folgt man dieser offiziellen Darstellung, dass Amris Geldbörse nicht schon in der Nacht auf dem Breitscheidplatz entdeckt wurde, sondern erst am darauffolgenden Tag in der Bundeswehrkaserne, dann hätte aber spätestens von diesem Zeitpunkt an, dem 20. Dezember 2016 um 16:00 Uhr, eine bundesweite – und wegen des zeitlichen Verzugs gleichzeitig europaweite – Fahndung nach Anis Amri anlaufen müssen. Schließlich hatte man es mit einem fanatischen islamistischen Terroristen zu tun, der bereits zwölf Menschen ermordet und nichts mehr zu verlieren hatte. Irgendwo – in Berlin, Deutschland oder Nachbarländern – war Amri immer noch mit seiner Pistole unterwegs. Seine Terroraktion, »die noch am Laufen« war, duldete keinerlei zeitlichen Aufschub.

Stattdessen ereignete sich am 20. Dezember 2016 gegen 18:30 Uhr ein weiterer Skandal im Amri-Komplex. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde eine Telefonkonferenz abgehalten, die mit dem Innenministerium, dem BKA und den LKA-Präsidenten der Bundesländer hochkarätig besetzt war und dementsprechend von den Medien immer wieder be- und hinterfragt wurde. Doch sie diente nur dazu, die zum Amri-CIA-Komplex nicht hinzugezogenen Sicherheitsbehörden ruhigzustellen und sich selbst Zeit zu verschaffen, war also eine reine Farce. Obwohl Anis Amri bereits um 16:00 Uhr als IS-Attentäter vom Breitscheidplatz identifiziert worden war, hielt Berlin nämlich die Identifizierung von Anis Amri weiterhin geheim und täuschte damit die meisten Sicherheitsbehörden des Landes.