Backstage - Effi Berger - E-Book

Backstage E-Book

Effi Berger

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Effi Berger hat als Model in der Fashionwelt viel erlebt. Die witzigsten, aufregendsten und skurrilsten Storys erzählt sie in ihrem Buch Backstage. Neben dem Glamour, den Partys und einem aufregenden Jetset-Leben berichtet sie offen und ungeschönt von den Schattenseiten des Modellebens. Dabei wird klar, dass sich die Models nicht nur mit bekannten Problemen wie unmöglichen Gewichtsforderungen, Zickenkämpfen und schmerzenden Füßen herumschlagen müssen, sondern auch die Partnersuche im Modebusiness äußerst problematisch ist. Als Model muss man immer auf der Hut sein, um nicht von Agenten und Managern übers Ohr gehauen zu werden.   Ein unterhaltsames Buch, ein ehrliches Buch, ein desillusionierendes Buch aus Sicht einer Insiderin, die diese Welt inzwischen hinter sich gelassen hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Models sind die neuen Popstars. Ihr aufregender Lebensstil, ihre Erfolge und Affären werden von Millionen jungen Mädchen am Bildschirm verfolgt. Doch was spielt sich hinter der schillernden Traumwelt wirklich ab?

Effi Berger, selbst jahrelang Model, zeigt, wie es hinter den Kulissen der internationalen Mode- und Werbeindustrie in Wahrheit zugeht.

Unverkrampft und mit einer Spur Ironie erzählt sie aus dem skurrilen Model-Alltag: Schmerzende Füße, erbarmungslose Fotografen, hinterlistige Backstage-Attacken der Konkurrentinnen, stundenlanges Styling, endloses Warten bei den Castings, wahnwitzige Gewichtsforderungen – all das und noch mehr nehmen Models in Kauf für den Traum vom ersten Hochglanzcover. Die Autorin berichtet von Stolperfallen auf dem Catwalk, vom Heimweh während der vielen Reisen zu Shootings im Ausland und von pikanten Begegnungen mit selbstverliebten Männer-Models. Effi Berger enthüllt auch die absurden Schlankheitstricks der Models: Gegen das Hungergefühl helfen z. B. mit Orangensaft getränkte Wattebäusche, und eingegipste Beine werden schlanker durch Muskelschwund.

Ein funkensprühender, provokanter Insiderbericht und ein Blick durchs Schlüsselloch in die scheinbar so glamouröse Welt eines Traumberufes, der glänzend unterhält – und so manchen Möchtegern-Topmodels die Augen öffnet.

Die Autorin

Effi Berger modelt seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr. Sie war bei namhaften Modelagenturen, u. a. in New York und Tokio, unter Vertrag. Nach dem Studium der Journalistik in Hamburg arbeitete sie als Lifestyle-Redakteurin. Heute lebt sie als freie Journalistin in Hamburg.

Effi Berger

backstage

EIN MODEL PACKT AUS

Ullstein

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,Speicherung oder Übertragungkönnen zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Hinweis:

Sämtliche Personen und Namen von Agenturenwurden anonymisiert. Übereinstimmungenwären rein zufällig. Das gilt ebenfalls für Dialoge undÄußerungen Dritter. Sie sind nicht zitiert,sondern ihrem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben.

Neuausgabe bei RefineryRefinery ist ein Digital Verlag derUllstein Buchverlage GmbH, Berlin1. Auflage Dezember 2016

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2009

Umschlaggestaltung: ZERO Media GmbH, München

Titelabbildung: © FinePic®

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96048-059-4

Für H. und M.,mit einem Augenzwinkern

Ein großes »Danke« anSusi, Alex, Lene und Silke.

inhalt

es war einmal im model-land

Wie alles begann

Im Model-Apartment

Schweißtreibende Shootings

Models und andere giftige Schlangen

Lebst du noch oder catwalkst du schon? Die große Show!

männliche models oder: wenn beau vergisst, dass die kamera längst aus ist

Das sonderbare Paarungsverhalten geschlechtsreifer Male-Models

Ein Male-Model kommt selten allein

big in japan!? modeln auf japanisch

Aller Anfang ist schwer

Konnichi wa, hallo Tokio!

Lügen haben lange Beine

Die Ex-Freund-Medizin gegen Heimweh

wenn der pizzabote zweimal klingelt

Shibuya-Girls – Sei schön, schlank und konsumiere!

Tanzfläche der Eitelkeiten

Von Statussymbolen, Luxus-Törtchen und verheißungsvollen Jobs

auf highheels durch den großstadtdschungel

Noch in der gleichen Nacht…

Ein Model auf Hochzeitsreise

Dating auf Japanisch

Die Telefonlüge

Glamour, Fame & Moneten – aber nicht um jeden Preis

Sayonara, Tokio!

Geplatzte Träume

wildes afrika! von models und anderen raubkatzen

Flipflops statt Highheels

Models unter sich

SIM-Karten & andere Betrügereien

Bianca

Ab in die Pampa: Wo bitte geht’s zum Casting?

»Zeig’s mir, Baby!«

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das schönste Haar im ganzen Land?

Auge um Auge, Haar um Haar – Frisurenklau, die Zweite!

Not very british, Darling!

Time is money

Ein Model auf Abwegen

Von Schlangengift und Giftschlangen

Das Model-Leben ist kein pink glitzernder Ponyhof

Zicken-Terror und Pillen-Alarm

Heimweh – der größte Feind des Models

Daheim ist es doch am schönsten!

die ganze welt im handgepäck! welcome to china – andere länder, andere sitten!

Lost im Jetset-Dschungel

Das Mammut-Casting

Shooting-Marathon und China-Pfanne einmal anders

Absurde Verhandlungssache

Von Langfingern mit langen Beinen

Lieber Haare auf den Zähnen als Pelz an der Jacke

wölfe im prada-pelz

»Ich bring dich groß raus, Baby!«

Wenige Tage später

In der darauf folgenden Woche

der verwunschene big apple

Kleine Schwindeleien am Set

von pickel-alarm und bad day-sos – die geheimen beauty-tricks der models

Die Beauty-Lüge

Die Schönheitstricks der Models und Glamour-Stars

Elektronische Schönheiten – So wird jede Frau zur Superwoman!

wo bitte geht’s zum laufsteg?

Alle Fachbegriffe aus der Model-Branche

fotomodel – ein knochenjob

Interview mit Louisa von Minckwitz

es war einmal im model-land

Wie alles begann

»Ich beherrsche nur drei Wörter französisch: Yves, Saint, Laurent.«

(PRINZESSIN DIANA)

Zugegeben, es war nicht gerade die ideale erste Begegnung: Die Frühlingssonne durchflutete den Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel und ich schlenderte, mit Sonnenbrille und iPod bewaffnet, gut gelaunt und nichts ahnend zum Checkin-Schalter. Meine Agentur hatte mich zum ersten Mal für einen mehrwöchigen »Schnupperkurs« nach Paris geschickt, um auf die großen Castings der bevorstehenden, berühmt-berüchtigten Prêt-à-Porter-Schauen zu gehen.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was genau mich erwarten würde – doch das sollte sich schneller ändern, als mir lieb war. Mein Gepäck, reduziert auf das Nötigste wie Kosmetika, eine bescheidene Auswahl an neun Paar Schuhen sowie ein Dutzend Klamotten für jeden Anlass, brachte in etwa so viel auf die Waage wie ich. PARIS, ich komme!, dachte ich, während mir Madonna ins Ohr groovte und ich lässigen Schritts meinen Trolley, ein Monstrum auf zwei Rädern, hinter mir herzog – als plötzlich eine Mischung aus Coco Chanel und Angela Merkel auf mich zueilte. Im Schlepptau hatte sie noch zwei Typen, faselte irgendetwas von Kamera und kannte offensichtlich meinen Namen. Sollte meine neue Kosmetik-Kampagne etwa schon draußen sein und die Leute erkannten mich trotz Sonnenbrille? Wow! Höflich wie ich bin, schaltete ich den iPod ab, zückte einen Stift und fragte die drei, wohin ich ihnen das Autogramm denn geben sollte. Doch sie sahen mich nur kopfschüttelnd an. Miss Merkel-Chanel, plötzlich nicht mehr ganz so freundlich, stellte sich mir als Karla Kassel vor, Fernsehreporterin eines großen deutschen Privatsenders. Eine TV-Kamera? Obacht! Während ich rasch meine Handtasche nach dem Puderdöschen durchwühlte, griff Karla Kassel zum Telefon. Einer der Männer scherzte, dass die Kamera doch noch gar nicht laufe, da klingelte auch mein Handy. Was für’n Stress! Fanny von Hamburg Models meldete sich. Sie gab mir zu verstehen, dass sie in der Eile wohl vergessen habe, mir auszurichten, dass mich ein Fernsehteam nach Paris begleiten würde, um eine Reportage über den ›glamourösen‹ Model-Alltag in der Stadt der Mode zu drehen.

»Also: Glamour, Baby!«, meinte sie scherzhaft. Na klasse, ich war noch nicht einmal berühmt und hatte schon die Paparazzi am Hals! Fanny war einfach davon ausgegangen, dass das für mich schon okay sei. »Effi-Baby, DU auf den Brettern, die die Welt bedeuten – der Königs-Disziplin! Und das live bei uns im Fernsehen! Deine Familie und alle deine Freunde werden dir die ganze Zeit zuschauen – da bekommst du ja noch nicht einmal Heimweh! Und außerdem werden dadurch alle wichtigen Kunden des Landes auf dich aufmerksam, das könnte glatt dein Durchbruch werden! Natürlich vorausgesetzt, du …« – »Ja?« – »… überzeugst bei den Castings und läufst auch bei möglichst vielen Shows! Andernfalls …« – »Bin ich für immer der Loser der Nation!« – »Wird schon schiefgehen!« Tut. Tut. Tut.

Karla Kassel sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Alles klar jetzt, Schätzchen?« Schätzchen?! Der Kameramann schaltete das rote Licht an. »Na dann mal los, lauf einfach gekonnt die Hüfte schwingend weiter bis zum Schalter«, drängelte er. »Ein Hüftschwung? Mit dem Koffer? Der wiegt fast 50 Kilo!« – »Na schön, dann eben ohne Koffer. Aber, was sind das eigentlich für Treter, die du da trägst? Ich meine, hast du denn keine höheren Schuhe?« Höhere Schuhe? Wozu? Um meine Füße schon auf dem Hinflug zu ramponieren? Nein danke, Hühneraugen bringt der Job noch früh genug mit sich.

»Irgendwas mit solchen Pfennigabsätzen eben«, fügte der Wichtigtuer in Gesundheitslatschen und Karohemd hinzu. Pfennigabsätze? Als Nächstes sollte ich wohl noch auf dem Koffer tanzen! Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Unglaublich, aber wahr: Selbst Models kommen NICHT in Highheels zur Welt.

»Dann eben nicht«, seufzte der Möchtegern-Michael Ballhaus. »Dann lauf eben einfach nur zum Business-Class-Schalter dort hinten und sieh dabei gut aus, kapito? Und immer schön SCHWINGEN!« Na, das ging ja gut los …

In Paris angekommen, verzog sich das Fernsehteam zum Glück erst einmal ins Hotel. Meine Wenigkeit machte sich mit Koffer, Stadtplan und Adresse auf die Suche nach dem Model-Apartment. Ich war gespannt!

Im Model-Apartment

»Die Mode ist eine charmante Tyrannei von kurzer Dauer.«

(MARCEL ACHARD, FRZ. DRAMATIKER)

Willkommen in meinem kleinen, bescheidenen Heim für die nächsten Wochen. Wer in diesen vier Wänden allerdings auch nur die Spur von Glamour erwartet hat, rüstet sich besser mit Schutzhandschuhen und Desinfektionsspray aus, denn eines sei gesagt: Gegen dieses Model-Apartment sind selbst Studentenwohnheime die reinsten Luxus-Hotels! Schon von der Benutzung des Lifts hatte mir der Portier unbedingt abgeraten. Warum, konnte ich seinem Pariser Kauderwelsch allerdings nicht entnehmen.

Der nächste Mann, dem ich in die Arme laufen sollte, war mein künftiger Mitbewohner John aus Ohio. Aha, ich würde also mit einem Mann wohnen, dachte ich überrascht und zugleich etwas amüsiert. Doch John war leider nicht gerade ein Prachtexemplar seiner Gattung. Wie sich schon bald herausstellte, war unser Kandidat aus Ohio einer der langweiligsten Typen des Planeten. Nachdem er eine einzige große Kampagne ergattert hatte, in der er wohlgemerkt nur von hinten (!) zu sehen war, erhoffte er sich von Paris die Chance seines Lebens und glaubte, dort zugleich auch die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Zu dumm, dass er ausgerechnet von seiner Angebeteten dabei erwischt wurde, wie er einen Fotografen von seinen »Talenten« nennen wir es »überzeugte«. Nach seiner Angebeteten lösten sich dann bedauerlicherweise auch seine Chancen auf die nächste große Kampagne in Luft auf. Da hatte der Gute den Mund wohl buchstäblich etwas zu voll genommen. Versunken in Selbstmitleid saß Mister Ohio seither rund um die Uhr nörgelnd in unserer Küche herum.

Das Wohnzimmer besetzte unser Nesthäkchen Irina, süße 14. Von ihrem niedlichen Stupsnäschen durfte man sich jedoch keinesfalls täuschen lassen – die russische Kratzbürste hatte es faustdick hinter den Ohren! Und das, obwohl sie vorerst außer Gefecht gesetzt war: Die Ärmste lag mit eingegipsten Beinen auf dem Sofa. Tag für Tag tat sie nichts weiter als durch drittklassige französische TV-Soaps zu zappen, von denen sie garantiert kein Wort verstand. So ein Pech aber auch, ausgerechnet vor der superwichtigen Fashion-Week. Auf dem Catwalk werden wir uns demnach wohl nicht begegnen, dachte ich und ertappte mich dabei, wie mir ein schadenfrohes Grinsen über die Lippen huschte.

model-info

Wer glaubt, dass Models auf dem Laufsteg ein Vermögen verdienen, irrt gewaltig. Catwalk-Shows gehören zu den am schlechtesten bezahlten Jobs der Branche. Dies gilt natürlich nicht für Supermodels: Ist man erst einmal in den Model-Olymp aufgestiegen, gelten auch auf dem Laufsteg andere, nahezu astronomische Preise. Bekanntlich werden auf den internationalen Catwalks jedoch die großen Nachwuchstalente erspäht – und was tut man nicht alles fürs Image.

Do: Jobs für Shows namhafter Designer sollten Newcomer-Models trotz der verhältnismäßig niedrigen Gage unbedingt annehmen.

Don’t: Nicht jede Autohauseröffnung oder Hinterhofveranstaltung ist von Bedeutung. Im Gegenteil: Auch bei der Auswahl der Jobs sollte ein Model stets auf sein Image achten.

Ich setzte mich zu John in die Küche, denn ich war neugierig und wollte ihn über Irinas Gipsbeine ausfragen. Zunächst tippte ich auf einen Verkehrsunfall oder einen heruntergefallenen Riesenscheinwerfer. John grinste kopfschüttelnd. War meine Vermutung denn so abwegig? Ja! Von wegen Beinbruch!

»Na ist doch klar, wegen der Prêt-à-Porter-Schauen«, gab er mir achselzuckend zu verstehen. Wie bitte? »Na, Muskelabbau!« – »… Mus-kel-ab-bau?« Und jetzt haltet euch fest: Irina hatte ihre kerngesunden circa 1,15-Stelzen freiwillig eingipsen lassen! John kaute gelangweilt an einem Zahnstocher. »Erde an Effi, jemand zu Hause? Einer der großen Designer hat Irina für seine Eröffnungs-Show gebucht. Und damit ihre Gräten bis dahin noch dünner werden, Irina aber wohl kaum noch mehr Fett abnehmen kann, müssen eben die Muskeln schrumpfen«, erklärte er ganz nonchalant, als sei dies das Normalste der Welt. »Dünnere Stelzen durch weniger Muskeln, ist doch klar!?« Dass ich da nicht gleich darauf gekommen bin …

Reflexartig schnellte mein Blick an mir herunter. Sahen meine Beine nicht vielleicht auch etwas zu kräftig aus? Halt! Schluss jetzt, sagte ich mir und versuchte, diesen Gedanken sogleich wieder aus meinem Kopf zu verbannen.

»Und hast du Irina den Gips etwa …?« – »Wo denkst du hin! Sehe ich etwa aus wie ein Arzt?«, entgegnete John und sah mich dabei mit jener überlegenen Miene an, die er neulich für das Casting eines Unterhosen-Werbespots einstudiert hatte. »Sie war bei Doktor Blanchard.« Jetzt verstand ich. Doktor Blanchard, von uns auch Doktor No genannt, war so etwas wie der private Hausarzt für gewisse Extrawünsche. Ob Riesenzinken, schmale Lippen oder Verdacht auf Reiterhosen – Doktor No wusste IMMER Rat und besaß, Gerüchten zufolge, sogar regelrechte Wunderkräfte. John kannte ihn bereits etwas länger – ihm hatte er einen wohlgeformten Brustkorb beschert. Kein Scherz! Mein Mitbewohner besaß einen lebenslang durchtrainierten Super-Body, womit ihm das lästige Pumpen im Fitness-Studio für alle Zeit erspart bleiben sollte. Und zugegeben: Die Implantate sahen täuschend echt aus. Nur anzufassen traute ich mich diese Dinger nicht – aber das musste ich glücklicherweise auch nicht.

Ich selbst hatte übrigens in der darauf folgenden Woche ebenfalls einen Termin bei Doktor No. Nein, nicht was Sie jetzt denken. Manche New Faces werden routinemäßig erst einmal in Doktor No’s Praxis nach Saint-Germain geschickt. Dort angekommen, geht es zu wie auf dem Pferdemarkt: Man stellt sich kurz vor, sagt einmal Aaah!, und Doktor No wirft einen prüfenden Blick auf die Zähne. Anhand der kleinen Beißerchen kann er nämlich ablesen, wie viele Zentimeter das Model noch wächst. Je größer die Zähne, desto länger könnten demnach die Beine werden – und jeder Zentimeter zählt.

Doch zurück zu meiner WG: Neben John und der russischen Bohnenstange Irina war da noch Sonia. Wie klein die Welt doch ist! Die deutschstämmige Portugiesin hatte ich bereits auf einer Katalog-Reise auf Mallorca kennengelernt.

Schweißtreibende Shootings

»Luxus ist für den einen Urlaub, für den anderen Arbeit. Ich konnte mich für den Luxus Arbeit entscheiden.«

(WOLFGANG JOOP)

Es war Hochsommer, und Sonia und ich waren für die neue Herbst-Winter-Kollektion eines Versandhauses gebucht. Wie viele Polyester mussten wohl für diese potthässlichen Outfits sterben?! Es war ein grauenhaft billiger Anblick, der in den Augen kratzte und geradezu nach Allergien schrie. Seit 6 Uhr morgens (!) posierten Sonia und ich nun schon bei schweißtreibenden Temperaturen in Schals und dicken Daunenjacken am Strand von Playa de ses Roquetes. Miri, die Visagistin, war mit der Situation vollkommen überfordert: Die Sonne brannte erbarmungslos und der Schweiß rann uns nur so übers Gesicht. Miri überpuderte im Fünf-Minuten-Takt unsere nass glänzende Stirn, bis wir irgendwann aussahen wie staubige Mumien. Zudem starrten uns die Touristen, die einige Meter weiter wie rohe Fleischspieße im heißen Sand grillten, allmählich an, als seien wir von einem anderen Stern. Weitere fünf Outfits und zwei Piccolos später, die Sonia aus der Minibar hatte mitgehen lassen, nahmen wir es schließlich gelassen. Unsere Visagistin hingegen verzog pikiert das Gesicht. Und offensichtlich hatte das Puder-Luder einen gewaltigen Sonnenstich, denn diese Miri wollte uns doch tatsächlich das Trinken – wohlbemerkt das Wassertrinken – verbieten! Damit wir nicht noch mehr schwitzten. Das sagte ausgerechnet sie, die beinahe stündlich ihre Wasserflasche auffüllte.

Zugegeben, Alkohol während des Shootings zu trinken war nicht gerade professionell. Aber dass Miri gleich petzen musste, wir hätten von den wenigen kleinen Sektchen eine ach so schlimme Alkoholfahne gehabt, wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Glücklicherweise sah das der Kunde – so werden die Auftraggeber in der Branche genannt – ganz genauso und gab am Ende des offensichtlich sehr gelungenen Shootings kurzerhand Prosecco für das ganze Team aus. Nur Miri stand nicht so recht der Sinn danach, und so verschwand sie an jenem Abend schon früh in ihrem Zimmer.

Dies war übrigens einer meiner ersten Jobs, den ich damals für eine kleine, und wie sich später herausstellen sollte, unseriöse Agentur aus dem Ausland ergattert hatte. Die hochgelobte Agentur war wenig später pleite und die Inhaber über alle Berge – und mit ihnen meine Gage! Aber das ist eine andere Geschichte.

model-info

Sonia rund zwei Jahre später ausgerechnet in Paris wieder zu treffen war tatsächlich Zufall. Jedoch nicht gerade abwegig. Früher oder später trifft man in der Model-Branche immer wieder die gleichen Gesichter, je nachdem, wo gerade Fashion-Saison ist. Einige werden unterwegs irgendwo sesshaft, andere, jüngere Gesichter kommen dazu. Wie ein großer Wanderzirkus, der alle Jahre wieder einmal um eine pink glitzernde Weltkugel zieht.

Do: Es kann nie schaden, Kontakt mit anderen Models zu halten. Wenn man für längere Zeit ins Ausland geschickt wird, kennt man so meist schon jemanden, der bereits dort war und wertvolle Tipps geben kann.

Don’t: Niemals über Job-Gagen reden. Viele Kunden legen großen Wert auf Verschwiegenheit und legen diese oftmals sogar vertraglich fest. Zudem ist die Modewelt – auch wenn sie sich über den ganzen Kontinent erstreckt – schlichtweg zu klein, um Geheimnisse zu bewahren.

Models und andere giftige Schlangen

»Die modernen Sklaven werden nicht mit der Peitsche, sondern mit Terminkalendern angetrieben.«

(TELLY SAVALAS)

Einige Tage zuvor…

Kaum war ich in der Stadt der Liebe angekommen, schickte mich meine Pariser Agentur noch am gleichen Tag auf die ersten Castings. Auf elf Castings, um genau zu sein. Mit Stadtplan, Highheels in der Tasche und meinem Modelbuch – worunter man sich so etwas wie eine Best-of-Foto-Sammlung meiner bisherigen Shootings vorstellen kann – kämpfte ich mich quer durch den Großstadt-Dschungel.

Geschlagene zwei Stunden später war ich zumindest in der richtigen Straße. Wie soll ich es sagen? Ich war auf den üblichen Anfängerfehler hereingefallen: Erkundigst du dich unterwegs bei anderen Models nach einer Casting-Adresse, kannst du Gift darauf nehmen, dass deine hinterhältigen Konkurrentinnen dich in die falsche Richtung schicken! Aber nun musste ich auch gar nicht mehr lange suchen, denn bereits vor der Lobby des Hotels, in dem das Casting stattfand, standen unzählige Mädchen Schlange. Gegen diese Wartezeiten ging es beim Sommerschlussverkauf von H&M zu wie beim Speedshopping.

Während ich mich so umsah, fragte ich mich, wie ausgerechnet ich mich zwischen all diesen Bohnenstangen mit Endlosbeinen durchsetzen sollte. Mit einer Größe von 1,75 Meter zählte ich hier eindeutig zur Kategorie zwergwüchsig. Ebenso wenig konnte man auf meinen Rippen Klavier spielen – und das schien hier offensichtlich auch zum guten Ton zu gehören. Aber über Schönheit lässt sich ja bekanntlich streiten, sagte ich mir, obgleich es nicht besonders ermutigend war, dass die meisten Mädchen schon mit Covern internationaler Modezeitschriften und namhaften Kampagnen in ihren Modelbüchern prahlen konnten. Mein Foto-Sammelsurium hingegen war bislang noch ein Querschnitt deutscher Spießigkeit von diversen Versandhauskatalogen über Sportartikelhersteller und Kosmetikanzeigen bis zu Fotostrecken in Teenie-Magazinen. Und auch mit meiner Fotostrecke aus einer Girlie-Zeitschrift konnte ich hier nicht wirklich punkten. Nun gut, Rom wurde schließlich ebenfalls nicht an einem Tag erbaut, und so reihte ich mich eben in die Schlange ein. »Neeext!«, schallte ein selbsternannter Drill-Instruktor zum x-ten Mal von irgendwoher über den langen Gang. »Hey Kleine, rein mit dir!« Meinte der etwa mich?

»Ja, genau du! Brauchst du ’ne Extra-Einladung!?«

Ist ja gut, komme ja schon. Oh Gott, ganz ruhig, jetzt bloß keine Panik-Pickel bekommen!

»Hello, I’m Effi. I come from Germany«, stellte ich mich kleinlaut den bereits vollkommen entnervten Kunden vor und reichte einem der älteren Herren sogleich brav meine Mappe. »Ja, ja, schon gut, genug der Vorrede. Kannst du laufen?« – »… äh, … laufen?!« – »Gut, dann los!« – »Wie jetzt? Etwa hier vor allen?« – »Na, wo denn sonst!«, herrschte mich der Alte nach einem genervten Blick auf die Uhr an. »C-A-T-Walk, du weißt schon: Mode und so – oder was denkst du, was wir hier machen?!«

Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und wackelte auf Pfennigabsätzen über den watteweichen Hotelteppich. War das peinlich. Ich konnte von Glück reden, dass diese Fernseh-Fritzen gerade nicht hier waren. »Und jetzt einen three-sixty!«, schrie der Alte quer durch den Saal. »Einen three was?!«

»Herrgott, mehr mit der Hüfte wackeln! Und nicht so mit den Armen schlackern – du brauchst niemandem zu winken!«, blaffte mich der Alte abermals an, während die anderen skeptisch meine Fotomappe und meine Sedcard begutachteten und einige der Models bereits ungeduldig mit den Augen rollten.

Nach einem »Danke, das reicht. Neeext one!« war ich endlich entlassen. Doch eines war mir nicht ganz klar: Hieß danke nun danke gut oder danke schlecht? Während ich auf den Ausgang der Lobby zusteuerte, öffnete sich die Tür hinter mir erneut. »Effi?!« – »Äh… ja?« Hatte ich etwa meinen Stadtplan liegen gelassen? »You’re IN! Fitting on Wednesday, 5 pm!«

Wahnsinn! War das zu fassen?! Ich hatte doch tatsächlich meinen ersten Auftrag in Paris ergattert! Und dabei war ich noch nicht einmal magersüchtig. Zudem hieße das ja, es gab noch Hoffnung, dass ich mich in diesem Fernsehbeitrag nun NICHT zum Idioten der Nation machen würde. In dem ganzen Casting-Durcheinander hatte ich mittlerweile allerdings keinen Schimmer mehr, um welche Show welches Designers es sich eigentlich handelte. Aber das war jetzt auch nicht wichtig. Ich musste sofort meine Mädels in Altona anrufen!

model-info

Eine Sedkarte, auch Sedcard oder Composite genannt, ist in etwa eine DIN A5 große »Ansichtskarte« eines Models mit circa vier bis fünf der besten Fotos sowie Name, Maße und Agenturkontakt. Die Sedkarte hinterlässt man bei jedem Casting, quasi wie eine übergroße Visitenkarte, damit sich der Kunde bei der Vielzahl von Mädchen noch an das jeweilige Model erinnert.

Do: Ein Model sollte darauf achten, stets genügend Sedkarten dabeizuhaben. Manchmal nehmen die Kunden bei einem Casting auch gleich mehrere Karten. Zudem können sich jederzeit spontan weitere Termine ergeben – man weiß schließlich nie, was der Tag noch bringt.

Don’t: Niemals »veraltete« Bilder auf der Sedkarte platzieren. Entsprechen die Fotos nicht dem gegenwärtigen Aussehen des Models, kann das für den Auftraggeber, besonders bei einer Direktbuchung ohne vorheriges Casting, unter Umständen problematisch werden. Deshalb lassen sich Kunden, die vorab kein Casting veranstaltet haben, meist noch aktuelle Polaroids schicken.

Mittlerweile war ich wieder im Model-Apartment angekommen. Sonia schrieb Briefe an irgendwelche Gelegenheitsliebhaber, die sie sich für laue Zeiten warmhalten wollte. Irina verweilte noch immer eingegipst auf der Wohnzimmercouch und sah sich französische Soaps an. Und John blies in der Küche mal wieder Trübsal. Langsam, aber sicher fing dieser eitle Typ an, uns mit seiner ständig miesen Laune gewaltig auf den Zeiger zu gehen. Mal Hand aufs Herz: Was könnte es Schlimmeres geben als Männer, die den lieben langen Tag in der Bude hocken und aus purer Langeweile in Selbstmitleid zerfließen? Richtig! Modelnde Männer, die aus Langeweile in Selbstmitleid zerfließen, pausenlos auf ihre Fotos starren und ständig davon reden, welche Wahnsinnskampagne sie warum nur um Haaresbreite NICHT bekommen haben.

Doch das sollte mich nun nicht davon abhalten, mir nach dem ganzen Casting-Stress erst einmal das volle Beauty-Pflege-Programm mit Meersalz-Peeling und meiner traditionellen Algen-Gesichtsmaske zu gönnen. Im Badezimmer angekommen, machte ich jedoch zunächst einen haarigen Fund: Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein – John! Hatten wir nicht vereinbart, dass er sich künftig rasiert, ohne meine heilige Clinique-Gesichtsseife in einen Igel aus Bartstoppeln zu verwandeln?!

Wenig später klingelte es an der Tür. Wenn das nicht der Bote war, der mir endlich meine neuen und ersten Sedkarten made in Paris brachte.