Bad Earth Sammelband 3 - Science-Fiction-Serie - Manfred Weinland - E-Book

Bad Earth Sammelband 3 - Science-Fiction-Serie E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Der dritte Sammelband der atemberaubenden Science-Fiction-Serie jetzt zum Supersparpreis

Nichts rettet die Keelon - ihre Macht ist ihr Untergang

Das Artefakt der Hirten befindet sich nun in der Hand von John Cloud und den GenTecs. Aber damit beginnt das "Abenteuer RUBIKON II" erst. Es gilt, das Rochenschiff zu erforschen, und weder die Menschen noch Darnok zweifeln daran, dass es Geheimnisse birgt, die schnell gelüftet werden müssen - ehe sie zu neuen Gefahren heranwachsen.

Während die GenTecs mit der Erkundung beginnen, lüftet Darnok das Geheimnis seiner Herkunft. Der Keelon erzählt die Geschichte seines Volkes, und von den dramatischen Ereignissen, die ihn zum "Letzten seiner Art" machten ...

Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich auch im Sammelband.

Dieser Sammelband umfasst die Folgen 11 - 15 der Serie Bad Earth.


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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die digitalen Originalausgaben: Copyright © 2017/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: © Tanja Østlyngen und Guter Punkt, München www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Trifonov_Evgeniy|johan63|Sylphe_7|Ig0rZh ISBN 978-3-7325-8587-8

Michael Marcus Thurner, Susan Schwartz, Manfred Weinland, Horst Hoffmann

Bad Earth Sammelband 3 - Science-Ficiton-Serie

Inhalt

Michael Marcus ThurnerBad Earth 11 - Science-Fiction-SerieNichts rettet die Keelon - ihre Macht ist ihr Untergang Das Artefakt der Hirten befindet sich nun in der Hand von John Cloud und den GenTecs. Aber damit beginnt das "Abenteuer RUBIKON II" erst. Es gilt, das Rochenschiff zu erforschen, und weder die Menschen noch Darnok zweifeln daran, dass es Geheimnisse birgt, die schnell gelüftet werden müssen - ehe sie zu neuen Gefahren heranwachsen. Während die GenTecs mit der Erkundung beginnen, lüftet Darnok das Geheimnis seiner Herkunft. Der Keelon erzählt die Geschichte seines Volkes, und von den dramatischen Ereignissen, die ihn zum "Letzten seiner Art" machten ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Susan SchwartzBad Earth 12 - Science-Fiction-SerieSie suchen das Gelobte Land - am Ende wartet nur der Tod Während Resnick und Jarvis, die beiden GenTecs, weiterhin unauffindbar bleiben, wird auf einem fremden Planeten ein unerbittlicher Expansionskrieg geführt. Brutal, von Mordgier und Hass beherrscht, verfolgen die kriegsführenden Völker dabei bereits seit Urzeiten nur ein Ziel: die totale Ausrottung der jeweils anderen Rasse. Nun endlich findet sich eine Hoffnung auf Frieden ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Manfred WeinlandBad Earth 13 - Science-Fiction-SerieDie Jungfernfahrt der neuen RUBIKON - die Spurensuche beginnt Endlich wieder im freien All - doch damit längst nicht in Sicherheit: Noch immer lauern unerforschte Gefahren an Bord der RUBIKON II. Noch immer sind die beiden GenTecs Resnick und Jarvis spurlos verschwunden. Und noch immer befindet sich der Keelon Darnok mit an Bord, dessen wahre Absichten weiterhin undurchsichtig bleiben. Doch das sind nur die kleinsten Probleme: Als die Ortung der RUBIKON den Schauplatz einer zurückliegenden Schlacht erfasst, sehen sich Cloud und Scobee mit einer Rasse konfrontiert, die mindestens ebenso geheimnisumwittert ist wie die Erinjij - und fast ebenso gefürchtet ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Bad Earth 14 - Science-Fiction-SerieEndlich zurück im Sonnensystem - doch wer herrscht auf der Erde? Endlich im Besitz der Koordinaten der Erde, können sich die Astronauten auf den Weg zum irdischen Sonnensystem machen. Doch was erwartet sie an der von Darnok mitgeteilten Position? Wird es der RUBIKON überhaupt möglich sein, die Zielkoordinaten zu erreichen? Und wie hat sich die Erde in all den Jahren verändert? Die RUBIKON II bricht auf, um die verlorene Erde sowie Antworten auf diese Fragen zu finden - und findet eine Erde der Erinjij, der Geißel der Galaxis ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Horst HoffmannBad Earth 15 - Science-Fiction-SerieGestrandet auf einer fremden Welt - wer sind die Herren der Station? Durch eine bisher unbekannte Raumkapsel werden die beiden GenTecs Resnick und Jarvis von Bord der RUBIKON II entführt. Doch wohin? Trotz intensiver Bemühungen gelang es selbst Darnok nicht, eine schlüssige Antwort auf diese Frage zu finden. Und die Zeit drängt: Wie die Untersuchungen des Keelons ergaben, leiden die beiden Klone an einem furchtbaren Gendefekt, der dafür sorgt, dass ihre Zellen in rasantem Tempo irreparabel zerfallen ... Unterdessen finden sich die nichtsahnenden Klone auf einem völlig fremden Planeten in einer ebenso fremden Umgebung wieder - ohne Kontakt zu ihren Freunden. Hier lauern ganz eigene Gefahren. Und hier müssen sie lernen, an Geister zu glauben ... Können Cloud und Scobee ihre Freunde noch rechtzeitig retten? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autoren

Was bisher geschah

Impressum

Architekten der Zeit

In der nächsten Folge

Über diese Folge

Folge 11: Architekten der Zeit

Nichts rettet die Keelon – ihre Macht ist ihr Untergang

Das Artefakt der Hirten befindet sich nun in der Hand von John Cloud und den GenTecs. Aber damit beginnt das »Abenteuer RUBIKON II« erst. Es gilt, das Rochenschiff zu erforschen, und weder die Menschen noch Darnok zweifeln daran, dass es Geheimnisse birgt, die schnell gelüftet werden müssen – ehe sie zu neuen Gefahren heranwachsen.

Während die GenTecs mit der Erkundung beginnen, lüftet Darnok das Geheimnis seiner Herkunft. Der Keelon erzählt die Geschichte seines Volkes, und von den dramatischen Ereignissen, die ihn zum »Letzten seiner Art« machten …

Bad Earth – das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Über die Autoren

Manfred Weinland schrieb bereits für renommierte Serien wie Perry Rhodan Taschenbuch, Ren Dhark, Maddrax, Dino-Land, Jerry Cotton, Gespenster Krimi, Professor Zamorra u.a., ehe er das Konzept für die Serie Bad Earth ausarbeitete. Zusammen mit Erfolgsautoren wie Alfred Bekker, Luc Bahl, W. K. Giesa, Peter Haberl, Horst Hoffmann, Claudia Kern, Achim Mehnert, Susan Schwartz, Conrad Shepherd, Marc Tannous, Michael Marcus Thurner und Marten Veit, die ebenfalls alle bereits jahrelange Erfahrung im Schreiben von Science-Fiction-, Action- und Abenteuer- oder Horrorromanen haben, gelang eine ebenso spannungsgeladene wie komplexe Science-Fiction-Serie, die sich einem Thema widmet, das alle interessiert: Der Zukunft der Erde und der Menschheit.

Was bisher geschah

Die irdischen Astronauten Cloud, Scobee, Resnick und Jarvis verschlägt es in eine düstere Zukunft, in der die Menschen Erinjij genannt werden und sich zur verhassten Geißel der Galaxis entwickelt haben.

Die Gestrandeten geraten zwischen alle Fronten und schließen sich mit dem Außerirdischen Darnok zusammen. Als sie von Erinjij -Raumschiffen gejagt werden, können sie mit knapper Not in den Aqua-Kubus flüchten, einem geheimnisumwitterten Objekt von einer Lichtstunde Kantenlänge, das vollständig mit Wasser gefüllt zu sein scheint.

Auf der Flucht vor den Vaaren, den Beherrschern des Kubus, finden die Menschen und Darnok ein Artefakt, das auf die ominösen Sieben Hirten zurückzugehen scheint: ein rochenförmiges, gewaltiges Raumschiff.

Ihnen gelingt die Inbesitznahme – und die Flucht aus dem Kubus, in deren Verlauf die Herrscherin der Vaaren ums Leben kommt.

Endlich wieder im freien All, warten bereits die nächsten unliebsamen Überraschungen auf sie. Aber nicht nur, denn endlich lüftet Darnok ein Geheimnis. Das Geheimnis seiner Herkunft …

Michael Marcus Thurner

Architekten der Zeit

Nichts rettet die Keelon – ihre Macht ist ihr Untergang

Prolog

»Okay«, erklärte John Cloud. »Es wird Zeit, dass wir uns hier endlich genauer umschauen.«

Mit »Hier« meinte er das Raumschiff, das sie im Zentrum des Aqua-Kubus entdeckt und mehr oder weniger übernommen hatten.

Die vier Menschen befanden sich in der Zentrale und standen um den Außerirdischen Darnok herum. Der molluskenartige Keelon ruhte auf einem der sieben Sitze inmitten des großen Raumes und wirkte seltsam teilnahmslos. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.

Dafür war Jarvis umso begeisterter. »Ja, mich würde auch interessieren, was die neue RUBIKON so alles zu bieten hat. Wenn sie tatsächlich den Erbauern des Aqua-Kubus gehörte, dann hat sie bestimmt mehr Feuerkraft, als das Meiste, was sonst noch im All rumfliegt.«

»Wir müssen aber erst mal lernen, wie hier alles gesteuert wird«, warf der bedächtigere Resnick ein.

»Sag ich doch!«, rief Jarvis. »Und wer weiß, was für unliebsame Überraschungen uns noch an Bord erwarten – Kampfroboter, verrückte KIs, menschenfressende Aliens … Ich würde mich jedenfalls besser fühlen, wenn ich bis dahin die eine oder andere Kanone gefunden hätte.«

»Guter Punkt«, sagte Scobee, die einzige Frau an Bord. »Wir sollten Zweier-Teams bilden. Ich gehe mit John. Und Resnick – du mit G.T.?«

Mit »G.T.« meinte sie Jarvis. Er hatte sich das Kürzel, das ihn als genetisch optimierten Klon kennzeichnete, als Vornamen gewählt.

Die beiden männlichen GenTecs nickten.

»Wir gehen erst mal auf die andere Seite dieses gewöhnungsbedürftigen Schotts«, sagte Jarvis.

Cloud nickte und wollte ihnen gerade folgen, als Darnok sein Schweigen brach.

»John Cloud«, drang es aus einem der Geräte, die er fast unsichtbar am Körper trug. »Ich habe mich entschieden.«

Die GenTecs blieben stehen und wandten sich um.

Auch Cloud selbst zögerte. »Was meinst du mit entschieden?«

»Zum einen, dass ich den Zeitpunkt für geraten halte, die Menschen Jarvis und Resnick zu untersuchen – du weißt, was mit ihnen im Kubus geschah, wie sie unter Schwächeanfällen litten, die gerade ihnen nicht widerfahren dürften –, und zum anderen haben wir beide, du und ich, etwas zu bereden.«

Resnick und Jarvis warfen sich einen Blick zu. »Es ist vorbei. Uns geht es wieder blendend«, sagte Resnick schließlich. Aber es klang hörbar unsicher.

»Blendend!«, bekräftigte Jarvis.

»Selbst wenn«, mischte sich Scobee ein. »Es kann nicht schaden. Wenn Darnok es uns schon anbietet, sollten wir uns nicht querstellen.«

»Uns?«, echote Resnick.

»Ich bin natürlich mit dabei.«

Nach einigem Zögern sagte Jarvis: »Okay, aber nur, wenn sich Darnok diesmal deutlich mehr anstrengt als letztens bei John …«

Sie alle wussten, worauf er anspielte. Beim Versuch, Clouds Wissensimplantate, die ihn fast in den Wahnsinn getrieben hatten, zu entfernen, war es zu einer schweren Krise gekommen, und es hätte nicht viel gefehlt, dem Ex-Commander nicht nur seine Gespenster, sondern gleich sein Leben auszutreiben.[1]

»Es ist eine absolut harmlose Prozedur«, versicherte Darnok, und es war nicht erkennbar, ob er sich beleidigt fühlte. »Ihr werdet weder narkotisiert noch …«

»Fang einfach an«, unterbrach ihn Scobee.

Und so geschah es. Sie begaben sich zwecks Untersuchung an Bord des Karnuts, das in einem anderen Raum parkte.

Das Ganze dauerte insgesamt kaum mehr als eine Viertelstunde. Danach fragte Cloud: »Und? Ergebnis?«

»Die KI meines Schiffes wird etwas Zeit benötigen, euren andersgearteten Metabolismus zu berücksichtigen.«

»Wie lange?«

»Es kann durchaus ein paar eurer Stunden dauern.«

»Dann erzähl in der Zwischenzeit, was du auf dem Herzen hast.« Cloud verzog sein Gesicht zu einem Schmunzeln, dessen Grund Darnok verborgen blieb – Darnok, der insgesamt wie ein riesiges Herz aussah …

»Und wir knöpfen uns in der Zwischenzeit das Schiff vor«, schlug Scobee vor. »Um euch zwei Turteltäubchen nicht zu stören.«

Ihre Augen lachten. Cloud spürte einen kurzen Stich, tat alles andere ab, was ihm zu der attraktiven GenTec einfiel, indem er sich schulterzuckend auf Darnok konzentrierte.

Im Gegensatz zu ihm und dem Keelon, kehrten die GenTecs nicht in die Zentrale zurück.

»Was hältst du von den seltsamen Türen in diesem Schiff?«, fragte Cloud wenig später. »Sind das … Transmitter?«

»Es bedarf eingehender Untersuchungen, um dies herauszufinden. Wenden wir uns zunächst den Dingen zu, die unser beider Verhältnis betreffen – oder anders ausgedrückt: mein gestörtes Verhältnis zu deinem Volk.«

Ein Moment, auf den Cloud lange gewartet hatte. »Ich bin ganz Ohr.«

»Nein«, erwiderte Darnok ernsthaft, da er die Redensart nicht verstand. »Du bist ganz Erinjij. Und jetzt hör zu. Denn ich werde dir meine Geschichte erzählen, die meines Planeten – und warum ich die Spezies, der auch du angehörst, so abgrundtief hassen muss …«

***

Die Dimensionen des Schiffes, obwohl von außen bereits außergewöhnlich, waren im Inneren einfach – atemberaubend.

Nach allen Seiten öffneten sich von der Zentrale aus Korridore. Häufig endeten sie scheinbar vor einer glatten Wand. Dann wieder bildeten sie schwer durchschaubare Labyrinthe mit zahlreichen kleinen Räumen, oder sie mündeten in großen Hallen.

Durch die verwirrende Anlage der Gänge schien die RUBIKON von innen fast größer zu sein als von außen.

Zuerst wollen wir das Ding einmal erkunden, ermahnte sich Scobee. Ein Muster in der Raumaufteilung erkennen, dann einen Plan anfertigen. Immer einen kleinen Schritt nach dem anderen tun.

»Wir nehmen diesen Weg«, sagte sie entschlossen und wählte einen beliebigen Gang.

Die beiden GenTecs folgten ihr ohne weiteren Kommentar.

Die verborgene Beleuchtung wechselte während sie den Gang entlanggingen von kaltem Weiß in ein kräftiges Gelb und schließlich in ein dunkles Rot.

Ob Rot auch für die Erbauer dieses Schiffes eine Warnfarbe war?

»Spürt ihr das?«, fragte Jarvis plötzlich und blieb stehen.

Ein sanfter Luftzug fuhr durch Scobees Haar, brachte einen Hauch von Feuchte und Meeresgeruch mit sich.

»Das kann keine Illusion sein, wenn wir es alle gleichzeitig bemerken«, sagte Resnick wider besseres Wissen.

Eine künstlich erzeugte Sinnestäuschung kann sehr wohl uns alle erfassen. Wenn ich das technische Know-How, das in diesem Raumer steckt, in Betracht ziehe, ist den Erbauern so ziemlich alles zuzutrauen, widersprach Scobee in Gedanken. Sie sagte aber nichts, denn auch Resnick und G.T. wussten das.

Der Wind steigerte sich, wurde böiger und kühler. Brach sich an vielen, scheinbar sinnlosen Kanten, die dem Gang eine optische Unruhe gaben.

Und ließ schließlich, als er anfing, unangenehm zu werden, abrupt nach.

»Weiter«, sagte Scobee nach einem Moment. »Was auch immer diesen Effekt erzeugt hat – es ist vorbei.«

Nur nicht ins Grübeln geraten, sagte sie sich. Immer einen kleinen Schritt nach dem anderen tun.

Das rote Licht wurde wieder heller und nahm schließlich eine angenehm gelbliche Tönung an.

»Da vorne ist eine Art Vorhang«, sagte Resnick plötzlich.

Scobee nickte, schließlich war das Ding kaum zu übersehen.

Nur wenige Meter voraus, nach einer sanften Biegung des Ganges, schimmerte und glitzerte ein Vorhang wie aus schwerem Brokatstoff mit vielen Tausend blitzenden Steinen.

Zögernd traten sie näher heran, bis auf Griffweite.

»Sind das Diamanten? Seht nur, wie sie glitzern …« Jarvis tastete vorsichtig nach dem wallenden Vorhangstoff. Er wollte ihn hochheben, um nachzusehen, was sich dahinter verbarg.

Gespannt, was sich offenbaren würde, sobald er den Vorhang zur Seite geschoben hatte, starrte Scobee in die entsprechende Richtung.

Jarvis berührte den Stoff. Doch er stieß auf keinerlei Widerstand, sondern durchdrang ihn. Er bewegte den Arm tastend hin und her, wandte den Kopf, um etwas zu sagen.

Plötzlich riss er die Augen auf, stolperte vorwärts, als würde jemand kräftig an seinem Arm ziehen.

Sein überraschter Aufschrei endete abrupt, er war verschwunden.

Scobee zögerte so wie Resnick keinen Moment. Mit Hilfe ihrer optimierten Reflexe erkannte sie die mögliche Gefahr augenblicklich, hechtete hinterher, wollte Jarvis zu Hilfe eilen – und landete wie dieser im Nirgendwo …

1. Darnoks Geschichte

»Es … tut weh«, presste Zerptem angestrengt hechelnd hervor.

»Jammere nicht, Frau! Entspanne dich!«, entgegnete der Geburtshelfer. Er massierte ihr mit kräftigen, kreisenden Bewegungen den aufgeblähten Leib.

Zerptem schluckte den Schmerzensschrei, der ihr auf den Lippen lag und sah in den milchigtrüben, von rötlichen Blitzen zerfurchten Himmel. Ihr Liegebecken stand auf einer weiten, offenen Fläche und war der stürmischen Witterung ausgesetzt.

Der Geburtshelfer folgte ihren Blicken nach oben. »Wir schaffen es, Gefährtin. Primogender steht hoch im Himmel, Akto senkt sich nur langsam hinab in die Dunkelheit, und Terzenwohl geht in wenigen Minuten auf. Alle drei Sterne werden für geraume Zeit gemeinsam auf uns herabstrahlen. Wenn du dich zusammenreißt und meinen Anweisungen folgst, bringen wir den gesamten Laich zu Bokan auf die Welt.«

Bokan – jene kurze Periode, zu der alle drei Muttergestirne gleichzeitig am Himmel zu sehen waren …

Die Zeit wollte einfach nicht vergehen, sie schien regelrecht still zu stehen.

Zeit … unser engster Verbündeter – und gleichzeitig unser grimmigster Feind, dachte Zerptem.

Wie durch einen Schleier hörte sie die raschen, teilnahmslos artikulierten Anweisungen des Geburtshelfers. Instinktiv gehorchte sie. Sie machte ihren Leib breit, streckte alle Strünke möglichst entspannt von sich und wippte auf ihrem biegsamen Knorpelgerüst hin und her. So, wie sie es gelernt hatte.

»Jetzt drücken!«, kam der gebrüllte Befehl des Geburtshelfers, und sie presste mit allen verbliebenen Kräften, bis ihr schwarz vor den Augen wurde.

»Sie sind da. Sechs, sieben – nein! – acht Eier …« Nervös gab der Keelon seine Instruktionen. »Schnell, macht die Imprints«, befahl er den Helferinnen, die wie aufgescheuchte Hendreks umherliefen.

Zerptem sah nach wie vor in den Himmel, ließ sich vom Mischlicht der drei Heimatsonnen bestrahlen und genoss die Leere, die wieder in ihrem Körper war.

»Willst du einen Blick auf die Eier werfen, Frau?« Die Stimme des Geburtshelfers durchdrang ihre müden Gedanken.

»Nein«, antwortete Zerptem rasch und drehte ihren Leib mit Hilfe mehrerer Strünke zur Seite.

Sie hatte es hinter sich gebracht. Sie war müde und wollte schlafen, nichts als schlafen …

Sie schloss die Augen, fuhr die Hautlappen darüber und merkte nicht mehr, wie die großen, schwarz gesprenkelten Eier verschwanden. Sie lösten sich von einem Moment zum nächsten in Nichts auf …

***

Jahre später

Planetenwahrer Kerz lenkte seinen Gleiter mit gemächlichem Tempo über die kaum bewachsene, sturmumtoste Ebene und beobachtete aufmerksam die Vielzahl seiner Instrumente.

Die berüchtigte Endres-Falte, die sich längs des Hauptkontinents dahinzog, war in den letzten Tagen tektonisch hoch aktiv gewesen. Erdbeben, Vulkanausbrüche und immer wieder neue, tiefe Risse in der Planetenkruste waren die sichtbaren Folgen. Mehr als tausend Keelon hatten vor Kurzem umgesiedelt werden müssen. Doch der ständige Wechsel ihres Wohnortes stellte für die knapp acht Millionen Männer und Frauen seines Volkes nichts Ungewöhnliches dar.

Primogender, der rote Überriese, stand einsam und majestätisch im Himmel. Sein Licht tauchte die Landschaft in düstere Farben.

Kerz hatte keine Augen für das größte der drei Muttergestirne. Ein enervierender Piepston erregte seine Aufmerksamkeit.

»Sieh an, ein Ei«, murmelte er griesgrämig. Es war bereits das dritte, das er in diesem noch jungen Jahr fand. Und jedes Mal bedeutete der Fund nur eine Menge zusätzliche Arbeit.

Bei den beiden vorherigen Eiern war er jeweils zu spät gekommen; zu lange waren die Jungkeelon den schädlichen Witterungswechseln seines Heimatplaneten Roogal ausgesetzt gewesen, um noch eine Rettung zu ermöglichen.

Auch diesmal standen die Chancen schlecht. Mehr als drei Stunden, so zeigte ihm der hoch sensible Eispürer, waren seit dem Auftauchen bereits vergangen.

Mit geübten Bewegungen vermerkte er den Scan-Code des Eis, verglich den Imprint mit der Datenbank. Der Rechner benötigte lange, viel zu lange für die Identifikation.

Gehörte das Ei vielleicht zu einem Fehlwurf? War es erst heute geboren worden und zu schwach, um einen gesunden Zeitsprung hinter sich gebracht zu haben? Oder handelte es sich gar um eine der seltenen Totgeburten?

»Rückgriff auf externe, ältere Datenbanken läuft«, verkündete die nüchterne Stimme des Bordrechners. Und, nur wenige Zeiteinheiten später: »Positiv. Imprint identifiziert. Stattgefundener Zeitsprung nach der Geburt: zehn Jahre und zwölf Tage.«

Zehn Jahre? Wenn das stimmte, musste sich Kerz wahrlich sputen. Soviel er wusste, war seit mehr als einer Generation kein Kind geboren worden, das einen auch nur annähernd so weiten Geburtssprung zustande gebracht hatte.

Er konnte und würde das Sorgerecht geltend machen – sofern er das Ei rechtzeitig fand.

Wie lange schon hatten er und Obinaka, seine Frau, auf diesen Moment gewartet?

Hastig schob er alle Gedanken beiseite, die ihn vom raschen Handeln ablenkten.

Sein seidenmatter, etwas schwerfälliger Körper begann regelmäßig zu pulsieren, als er das Fahrzeug mit wenigen Griffen seiner Handlungsstrünke auf Kurs brachte.

Ein Kind – ein Wunderkind – wartete da draußen auf ihn. »Beim Dreigestirn! Ein Sprung von mehr als zehn Jahren«, murmelte Kerz. Er konnte es gar nicht glauben.

Er wollte dieses Kind lebend haben. Er musste es einfach haben!

Nach kurzem Flug erreichte Kerz das Zielgebiet – ein enges, den ständigen Winden widerstehendes Schluchtenwirrwarr, aus dem das Signal deutlich zu hören war.

Er schaltete auf Autopilot, machte den Boden unter sich durchlässig und erzeugte gleichzeitig aus den Nanokulturen des Gleiters die Hülle eines Schutzanzuges.

Er fiel quasi hinein. Es war eine tausendfach geübte und erprobte Handlung, an die er kaum einen Gedanken verschwendete.

Der letzte, dünne Rest der Nanokulturen tropfte vom Gleiter ab und verband sich am Herzspitz seines gedrungenen Körpers vollends mit der vorerst noch ballonartigen Umhüllung. Nach wenigen Momenten wurde überflüssige Luft rausgedrückt, sodass ihn der Anzug nun eng anliegend umgab. Er war vor Kälte und Wind geschützt.

»Halte durch, mein Eiling«, presste Kerz zwischen seinen schmalen Kauleisten hervor, die hinter einem schützenden Hautlappen versteckt lagen. Eine seltsame Erregung ergriff ihn. Ihn, den sonst so mürrischen und schweigsamen Keelon, der normalerweise um jede Aufregung einen weiten Bogen machte.

Der Anzug und seine Technologie projizierten das Suchbild auf die transparente Hülle. Kerz orientierte sich eilig.

Der Sturm war unberechenbar geworden. Die Anzeige der Energiebelastung kletterte in den grünen, in den gefährlichen Bereich.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich ein rostroter Felsbrocken, doppelt so breit wie er, von der Spitze einer Felsnadel löste und in einer gewaltigen Staubwolke am Boden zerschellte. Die Nadel selbst brach daraufhin in sich zusammen. Weitere, tiefe Risse bildeten sich sofort im Gestein.

Dann war Kerz vollends in das Felslabyrinth eingetaucht. Die Intensität des Sturmes ließ nach. Nur noch ein hohles, enervierendes Pfeifen deutete auf die tobenden Naturgewalten hin.

»Links, geradeaus, links«, murmelte der Planetenwahrer und folgte seinen eigenen Worten durch das Halbdunkel.

Als die Sicht noch schlechter wurde, illuminierte er Teile seines Anzugs, formte einen kleinen Reflektor in das Nano-Material und leuchtete damit die Flugrichtung aus.

Ein plötzlicher Windstoß, der von der Seite zwischen mehreren glatt geschliffenen Steinblöcken hindurchpfiff, belastete selbst seine Stabilisierungsaggregate aufs Äußerste. Kerz hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, sich gegen den Wind stemmen zu müssen – dann hatte er den Luftwirbel hinter sich gelassen.

Und vor ihm, in einer gut geschützten Ecke, lag das Ei, halb von gelblich-rotem Sand bedeckt.

Kerz landete und putzte es mit seinen Handlungsstrünken frei.

Es war ein wenig flacher als die vielen, die er bislang zu sehen bekommen hatte. Viele schwarze Sprenkel zeichneten ein eigentümliches Muster auf der Schale.

»Komm, mein kleiner Eiling«, flüsterte Kerz und hob das zerbrechliche Ding vorsichtig hoch. Er verstärkte die Nervenrezeptoren an der Außenseite seines Anzugs und versuchte, ein Anzeichen von Leben zu spüren.

Nichts.

Vorsichtig, ganz sachte, schüttelte der Planetenwahrer das Ei.

Nichts.

Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Er hielt einen Quell des Reichtums in Händen, der ihm die nächsten Jahre ein angenehmes Leben bescheren würde. Einen Sohn, ein Wunderkind. Wenn er sich nur bewegte …

»Los, mach schon, du kleiner Kretin! Zeig mir, dass du noch am Leben bist!«

Da! Ein leises Pochen.

Eigentlich mehr ein Kratzen oder Schaben.

Sehr schwach und unregelmäßig.

Mit einem Schnalzen seiner Zunge aktivierte Kerz die Spracherkennung des Anzugs. »Ei in den Anzug einbinden. Temperatur vorsichtig steigern. Leichte Reiz-Massage der Ei-Oberfläche«, befahl er und erhob sich in die Luft, zurück zum Gleiter.

Die Hülle des Schutzanzuges stülpte sich fließend über das ungeschlüpfte Junge. Nun trug er das Ei direkt an seinem Körper.

Der Planetenwahrer schaltete den Autopiloten ein, der ihn auf schnellstem Wege aus dem Felsenwirrwarr brachte.

Im Freien angekommen, wurde er erneut vom Sandsturm durchgeschüttelt. Die Energieanzeige wanderte bedenklich rasch in den grünen Bereich. Nur mühsam konnte Kerz den Kurs halten.

Ohne den Anzug, ein Produkt keelonischer Hochtechnologie, hätte er es keinesfalls geschafft, das Junge zu retten.

War es tatsächlich gerettet? Zweifel nagten an Kerz, als er von unten in den Gleiter eintauchte und die Anzugsmasse an sein Transportmittel zurückgab.

Da stand er nun, ein wegen seiner ständig schlechten Laune bekannter Planetenwahrer. Das Leben hatte es bislang nicht gut gemeint mit ihm.

Seine Frau, eine keifende, fettleibige Vettel, ließ ihn tagtäglich den Abend verfluchen, wenn er nach Hause musste.

Sein Zeesta hatte ihn als Planetenwahrer eingestuft. Eine Arbeit ohne Prestige, weit weg von den Städten und schlecht bezahlt.

Aber er war unfruchtbar. Wenigstens etwas.

Kerz hörte mit bangem Herzen auf das schwächliche Kratzen unter der dünnen Eischale.

Würde es der Junge schaffen? An der schwarzen Zeichnung erkannte er, dass es tatsächlich ein Junge war.

Darnok würde sein Name sein.

Darnok – das Sturmwunder.

***

Wiederum vergingen Jahre.

»Darnok, komm sofort ins Haus und mach deine Hausaufgaben«, schrie Obinaka eines Tages mit jener schrillen Stimme, die ihm regelmäßig Magenschmerzen bereitete.

»Bitte, Mama, ich möchte noch ein bisschen mit den Springwölfen spielen«, rief er bettelnd zurück. Aber er wusste bereits, dass die Mutter sich nicht erweichen lassen würde. Wenn sie sich etwas einbildete, hatte er zu gehorchen.

»Komm sofort her, sonst verknote ich dir alle neun Marschierstrünke!«

Seufzend ließ Darnok von den zutraulichen Wölfen mit den markanten, platten Schnauzen ab. Er schnalzte dreimal laut. Sie erschraken, quakten und entfernten sich laut schimpfend. Mit weiten Sprüngen verschwanden sie zwischen dem Geröll, das ihr einfaches Wohnhaus weiträumig umgab.

Darnok hatte gehört, dass es in anderen Gegenden des Kontinents viel größere, viel angriffslustigere Verwandte der Springwölfe gab.

Wann würde er sie endlich zu sehen bekommen? Würde er sie zu sehen bekommen, oder würde man auch ihn vergessen, hier, in der Mitte des Nirgendwo?

Die stets gehässige Pflegemutter ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihn für einen zurückgebliebenen, labilen Jungen hielt, der es nicht Wert war, auf die Große Reise geschickt zu werden.

Kerz, sein Pflegevater, wurde jeden Tag griesgrämiger. Wenn er den Jungen ausnahmsweise direkt ansprach, handelte es sich ausschließlich um Maßregelungen oder um die Bekanntgabe neuer Tabus, die das Leben des jungen Keelon noch weiter einschränkten.

»DARNOK!«, tönte es noch mal, viel lauter, und diesmal wusste der Junge, dass er sich wirklich zu sputen hatte.

Er ließ sich auf die kräftigen Marschierstrünke fallen und trabte widerwillig ins kuppelförmige Haus zurück.

Sofort umfing ihn Dämmerlicht. Das stetige Pieksen der vom Wind hochgewehten Sandkörner hörte abrupt auf.

Darnok knickte demütig vorne ein und bot der Mutter die hornhäutige Rückseite, den Spitz des herzförmigen Körpers.

Soll sie mich doch schlagen, die alte Grausbeere, dachte Darnok. Erschrocken über seine eigenen Gedanken, senkte er den Körper noch weiter, sodass er fast flach auf dem Boden lag.

»Ja, schäm dich nur, du dreister Bengel«, zischte Obinaka und spuckte Geifer. »Was hatten wir nur für Hoffnungen, damals, als dich Kerz nach Hause brachte. Dich, den Wunderknaben, der zehn Jahre in die Zukunft gesprungen war. Pah!«

Die Mutter wuchtete den schweren, gluckernden Körper wütend um ihn herum und fuhr fort: »Was waren sie alle schlau, die Wissenschaftler, als sie kamen und dich untersuchten. Sie tasteten dich ab und stellten Versuche mit dir an. Ich, die arme Obinaka, musste sie hofieren und bedienen, laufend Getränke und Speisen herbeischaffen. Ständig saß einer dieser grauhäutigen, widerlich altersbehaarten Wissenschaftler irgendeiner Fakultät der Hohen Universität in unserer besten Kuhle. Ständig, sag ich dir …«

Ja ja, das kenne ich alles, dachte Darnok. Dass ihr für eure Mithilfe mehr als großzügig aus einem Forschungsfonds entschädigt wurdet, verschweigst du allerdings. Aber mich täuschst du nicht mehr – ich habe die Kontoaufzeichnungen über die Gelder gefunden, die ihr mit mir verdient habt. Und außerdem: Es war nicht mein Wunsch, von euch aufgenommen zu werden. Keelon wie ihr sollten gar kein Recht haben, Kinder groß zu ziehen.

»… und alles war umsonst«, fuhr Obinaka mit ihrer Litanei fort. »Du hast anscheinend nur eine verkümmerte Begabung, nicht viel mehr als die einer kümmelschwarzen Pflegerin. Dein Geburts-Zeitsprung war eine Laune der Natur, ein Strohfeuer.« Sie seufzte. »Was haben wir also für unsere Gutmütigkeit bekommen? Einen zurückgebliebenen, mickrigen Jungen, der sich vom Leben treiben lässt und nicht folgt. Na, warte nur! Ich werde Vater heute Abend erzählen, dass du mir wieder nicht gehorcht hast. Du wirst schon sehen!«

Alles in Darnok verkrampfte sich. Er bemühte sich, äußerlich ruhig zu bleiben. Wenn Kerz schlechter Laune war – und das war er nahezu jeden Tag –, würde er ihn mit seinem Halsriemen schlagen. Auf die Gehstrünke, auf die Handlungsstrünke und vor allem auf die empfindlichen Hautstellen zwischen und über den Augen.

So lange, bis Darnok blutete – oder er zumindest kein Gefühl mehr in den Gliedmaßen besaß.

Ruhig blieb der kleine Junge liegen, demütig und dennoch trotzig. Er war zu alt, um um Verzeihung zu flehen.

Sollte ihn der Alte doch schlagen, solange er noch die Möglichkeit hatte. In absehbarer Zeit, so hoffte er, würde seine Kindheit zu Ende gehen, und der Zeesta würde ihn zur Großen Reise abholen.

Wenn ihn nur der Vater vorher nicht zu Tode geprügelt hatte.

***

»Es ist noch zu früh, du kannst uns den kleinen, armen Jungen nicht schon jetzt wegnehmen, Zeesta!« Obinaka wand ihren wabbeligen Körper flach auf dem Boden. Gelbgrüne Schweißflüssigkeit sammelte sich am Rande ihrer Liegekuhle. »Hab Mitleid mit ihm und mit uns! Siehst du denn nicht, wie ausgemergelt er ist, wie schlaff sein Körper, wie grau seine Hautfarbe? Er kann die Große Reise doch niemals überleben!«

Was für eine Lügnerin die Mutter war! Es ging ihr nur um die bislang beständig geflossenen Gelder staatlicher Stellen, die immer wieder die Fortschritte seiner Begabung überprüft hatten. Ohne ihm zu sagen, worin diese Begabung eigentlich bestand …

Doch sobald Darnok mit dem Zeesta, dem Lehrer, unterwegs war, würden alle Zahlungen eingestellt werden.

Kerz lag in seiner schwarz eingefassten Lieblingskuhle und hatte die Hautfalten zur Mimik der Verdrossenheit verzogen.

Nein! Er hat sie nicht verzogen – die Falten sind bereits altersstarr in die Haut eingeprägt und auf herkömmlichem Wege nicht mehr zu entfernen. Kein Wunder, wenn man tagtäglich neben diesem fetten, zeternden Weib aufwachen muss … Darnok spürte tatsächlich so etwas wie Mitleid für seinen Pflegevater. Trotz der vielen Schläge und trotz der wenigen Liebe, die ihm der alte Mann entgegengebracht hatte.

Der Zeesta sagte mit ruhiger und fester Stimme: »Der Moment, in dem die Vormundschaft auf mich übergeht, ist gekommen, Frau. Die nächsten Jahre liegen in meiner Verantwortung und im Schicksal der Drei Gestirne.«

Ehrfürchtig flappten alle Versammelten mit den Strünken laut auf den Boden. Glaube und Religiösität war etwas, das Darnok akzeptiert hatte, aber, so wie vieles anderes, nicht verstand. Er hatte tausende Fragen an den Lehrer …

»Ihr hattet seine Jugend, ich habe seine Ausbildungsjahre«, erklärte der fast schwarze Keelon im rituellen Singsang.

»Sodass er hilft, die Keelon vor Unheil zu bewahren«, setzten die Eltern ebenso förmlich fort.

Darnok zitterte wissbegierig mit seinen Handlungsstrünken. Ein Zeichen der Unhöflichkeit, das der Zeesta glücklicherweise kommentarlos überging. Darnok hatte, abgeschirmt von Obinaka und in der Einsamkeit des vorgeschobenen Postens eines Planetenwahrers, noch nicht viel vom Leben gesehen.

Würde ihm der Lehrer das notwendige Wissen während seiner Wanderjahre auch einprügeln?

»Verabschiede dich nun von Obinaka und Kerz, kleiner Keelon. Wir gehen auf die Große Reise.«

Das kurze, zeremonielle Gespräch war zu Ende.

Erleichtert umarmte Darnok den Vater und murmelte leise ein höfliches »Danke-schön«.

Seine Mutter wollte ihn nicht loslassen, herzte und liebkoste ihn wie noch niemals zuvor. Ihre ständig sprudelnde Geldquelle ging verloren. Ein für allemal.

»Komm, Junge, es ist so weit«, sagte der Zeesta nach einer endlos scheinenden Zeitspanne und trennte Obinakas Handlungsstrünke von seinem Körper.

Ich bin frei, jubilierte Darnok innerlich und sprang, draußen vor der Türe, nahezu eine halbe Körperbreite in die Höhe.

***

»Du bist also das Wunderkind, hm?«, brummte der Zeesta.

Er war eine mächtige, erhabene Gestalt. Groß, breit, mit kräftig pulsierendem Körper und zwei Gehstrünken mehr als Darnok. Die ledrige Haut war vom stetigen Sandwind glatt geschmirgelt, kein Ansatz von Falten war zu sehen. Und dennoch hatte der junge Keelon das unbestimmte Gefühl, dass der Lehrer viel älter war als er aussah.

»Ja, ich bin das Wunderkind«, bestätigte Darnok höflich.

»Arabim.«

»Wie bitte?«

»Mein Name ist Arabim«, wiederholte der Lehrer geduldig und half ihm mit festen Strunkgriffen die zwei Stufen hinauf ins Innere des Gleiters. Er selbst hüpfte behände nach, aktivierte die verborgenen Antriebsaggregate und den Autopiloten.

Ansatzlos und ohne einen spürbaren Ruck schoss das Fahrzeug vorwärts.

Die Stille im Inneren des Gleiters war erdrückend. Zumindest empfand es Darnok so. Was erwartete der Lehrer von ihm? Was sollte er sagen? Hilflos begann er, seinen Körper zu massieren und so den Kreislauf anzuregen. Unter ihnen huschte die monotone Landschaft dahin, nur selten von kleinen Ansiedlungen unterbrochen.

»Haben sie dich oft geschlagen, kleiner Keelon?«

Darnok zuckte zusammen. Der Spitz seines Körpers wackelte nervös im Rhythmus seiner Atmung. Woher wusste der Lehrer …?

»Dein Schicksal ist nicht so außergewöhnlich, wie du vielleicht glaubst.« Arabim seufzte vernehmlich. »Wir Keelon tun uns schwer, Liebe für unsere Kinder zu entwickeln. Das hat in weitestem Sinne mit unserer außergewöhnlichen Begabung zu tun.«

Welche Begabung? Der Lehrer sprach in Rätseln.

»Ich kann mir vorstellen, dass dir tausende Fragen auf den Kauleisten brennen, aber du musst Geduld haben.«

Aber Darnok hatte vorerst nur eine, eine einzige dringende Frage auf dem Herzen: »Wirst du mich schlagen?«, meinte er zaghaft.

Arabim ließ verblüfft zwei Augen unter den Schutzhäuten hervorlugen und begann zu lachen. Es war ein herzerfrischendes, fröhliches Lachen.

Das erste ehrliche Lachen, das Darnok in seinem Leben zu hören bekam.

***

»… Perzephal, Bodor, Jonke und Lisee. Damit sind wir komplett.«

Arabim hakte die letzten Namen auf der Liste ab, die vor ihm in der Luft flimmerte, unterschrieb mit einem eleganten Schwung seines Feinfühlstrunks und übermittelte die Übernahmebestätigung an eine Datensammelzentrale.

Er richtete sich auf. Er war tatsächlich eine beeindruckende Gestalt, ein Hüne.

Sie standen auf einem weiten Feld, der sogenannten Ebene des Beginns, geschützt durch windbrechende Hecken kräftiger Hann-Pflanzen. Hinter ihnen lag ein staubiges Flugfeld, und in der Ferne waren die bescheidenen Baracken zu erkennen, in denen sie die Nacht verbracht hatten.

»Seht euch gut um, ihr jungen Keelon. Es wird für lange Zeit das letzte Mal sein, dass ihr den Errungenschaften unserer modernen Zivilisation begegnet. Die nächsten Jahre, auf der Großen Reise, werden wir rund um Roogal wandern. Ohne Hilfsmittel. Nur mit den Mitteln ausgestattet, die der Heimatplanet uns bietet. Ihr werdet alles lernen, was ihr für euer weiteres Leben benötigt.« Der Lehrer holte kurz Luft. »Es wird beileibe kein Spaziergang werden. Manch einer wird die Reise nicht überleben.«

Betroffen schlossen die meisten der vielleicht fünfunddreißig Keelon die Hautlappen über ihre Augen.

»Manch einer«, fuhr Arabim unbarmherzig fort, »mag auch mental scheitern, nicht genug Willenskraft für das Leben in der Wildnis aufbringen. Auch diejenigen werden zurückgelassen.«

Während er diese bedrohlichen Worte aussprach, schien sein gewaltiger Leib noch weiter in die Höhe zu wachsen, sich vor Darnok aufzubauen wie ein unüberwindlicher Felsblock. Die Haut des Lehrers pulsierte so stark, dass eine Vielzahl dunkelroter, fein gemaserter Adern aus seinem Körper hervorgedrückt wurden.

Doch der angsterregende Moment war rasch vorbei. Arabim entspannte sich und fuhr fort. »Diejenigen, die den Einklang zwischen sich und der Natur finden und alle Schwierigkeiten auf der Großen Reise meistern, werden gestärkt und erfüllt vom Gefühl höchster Befriedigung ihr Lebensziel entdecken. Ihr werdet eure Begabung zu beherrschen lernen. Viele von euch werden auch Partner fürs Leben finden.«

Verächtlich blickte Darnok zur zehnköpfigen Fraktion der Mädchen, die sich eng zusammengedrängt hielten. Sie glucksten amüsiert und deuteten mit schamgrün werdenden Strünken immer wieder zu manch einem der Jungen.

Mädchen, pah! Wenn sie sich alle so wie Mutter verhielten, war es wohl besser, kein einziges Wort mit ihnen zu wechseln.

»Gibt es Fragen, bevor wir losmarschieren?« Arabim war die Unruhe unter den Kindern sicherlich nicht entgangen, doch er ging mit keinem Wort darauf ein. »Nicht? Gut, dann nehmt euer Gepäck. Es geht los.«

***

Nach einem Viertel-Tag wünschte sich Darnok nichts sehnlicher, als wieder bei Mutter und Vater sein zu dürfen.

Sobald sie den Hannfeld-Gürtel verlassen hatten, waren die Urgewalten der stetigen Südstürme über sie hereingebrochen. Die Jugendlichen drückten sich mit den Körpern so flach wie möglich an den Boden und versuchten so, den Winden den geringsten Widerstand zu leisten. Dennoch wurden sie immer wieder von Böen hochgerissen und viele Körperlängen weiter unsanft zu Boden geschleudert.

Darnok hörte mit seinem feinen Gehör Wimmern, Klagen und auch unterdrücktes Weinen in der Gruppe. Auch ihm war nach Weinen zumute, aber die bitteren Erfahrungen seiner eben zu Ende gegangenen Kindheit hatten ihn gelehrt, dass bernsteinfarbene Tränen nichts an einer unangenehmen Situation änderten.

Im Gegenteil.

So nahm er alle Kraft zusammen und kroch weiter.

Immer dem unermüdlichen Arabim nach.

Er bemühte sich, den Windschatten von dessen breitem Körper möglichst auszunutzen und den Schmerz zu ignorieren, der durch die groben Sandkörner verursacht wurde.

Er würde sich von nichts beirren lassen, denn die unbestimmte Wut, die in ihm kochte, gab ihm die Kraft, immer weiterzumarschieren.

Nach mehreren Ewigkeiten – Primogender war längst untergegangen, lediglich Akto stand fahl und kalt am Firmament – führte sie Arabim in den zweifelhaften Schutz eines tiefen Erdrisses hinab. Der Wind erstarb abrupt, blieb jedoch als schrilles Pfeifen über ihnen gegenwärtig.

Bibbernd und völlig erschöpft drängten sich die Jugendlichen aneinander. Sie verschränkten ihre Strünke zu grotesken Gebilden, um die Muskelkrämpfe aus ihnen zu schütteln.

»Dort unten findet ihr Wasser«, rief Arabim und deutete weiter hinab ins Erdinnere. »Auch wilde Hann-Pflanzen wachsen hier. Sie schmecken möglicherweise ein wenig seltsam, aber ihr werdet euch daran gewöhnen.«

Der Lehrer schien keineswegs müde zu sein.

Zu geschwächt, um zu reden, drängte Darnok hinter den anderen den engen Weg hinab. Er musste die Augen weit aufreißen, um im Halbdunkel etwas zu erkennen.

Er hörte das Plätschern des dünnen Wasserrinnsals mehr, als dass er es sah, und tunkte die Gehstrünke mit einem Seufzer der Erleichterung in das kühle Nass.

»Tut das gut«, piepste ein Mädchen neben ihm.

Automatisch rückte Darnok ein Stück ab. Ihm war jetzt nicht nach Unterhaltung zumute. Schon gar nicht mit einem Mädchen. Er hatte sich den Namen des hellhäutigen Plappermauls bereits gemerkt. Lisee hatte während des Marsches mehr geredet als alle anderen. Scheinbar kam ihr Mund zu keiner Zeit des Tages zum Stillstand.

»Hmph«, murmelte er verdrießlich, und verschloss die Ohrlappen so weit wie möglich.

»Na, du bist aber nicht besonders gesprächig, mein Lieber. Hast wohl noch nie etwas von Höflichkeit gehört, hm? Hast du übrigens schon die Hann-Pflanzen gekostet? Aus-ge-zeich-net schmecken die, auch wenn man auf die Gelbwürmer achten muss. Aber die flüchten aus den Wurzeln, sobald man die Pflanzen ins Wasser tunkt. Weißt du, wo die Quelle des Baches entspringt? Eine Sage meiner Heimatstadt erzählt von einem Schatz, der immer am Ursprung eines fließenden Gewässers wartet. Der Schatz wird von einem schrecklichen Grauflattler bewacht, und nur ein Mädchen reinen Herzens kann diesen Schatz bergen, wenn sie von einem tapferen, jungen Siebzehnstrünkler begleitet wird. Wie viele Strünke hast du denn, sag mal? Drei, vier – haben dir deine Eltern nie anständig die Hornhäute geschrubbt, das sieht ja grässlich aus! – sieben, acht … Heh, warte! Warum läufst du weg? Bleib da! Denk an den Schatz!«

Darnok sehnte sich unendlich nach seiner Mutter.

***

Aufgereiht wie auf einer Schwarzperlenkette saßen sie nebeneinander und schauten zu Arabim, der es sich auf einem kleinen Vorsprung jenseits des Erdrisses bequem gemacht hatte.

»Nun«, tönte seine volle Stimme, »habt ihr einen Vorschlag, wie der Marsch morgen leichter werden könnte? Habt ihr heute etwas gelernt?«

»Ja. Dass du ein widerlicher Keelon-Schinder bist«, flüsterte ein kräftiger Junge neben Darnok. Mit vier seiner Handlungsstrünke vollzog er eindeutige, obszöne Gesten in Richtung des Lehrers. Eines der Mädchen kicherte leise.

»Hast du etwas zu sagen, Bodor?« Arabim deutete in Richtung des vorlauten Jungen.

»Nein, Lehrer.«

Arabim sah mit kalten, weit aufgerissenen Augen herüber. Darnok meinte zu spüren, dass er Bodor mühelos durchschaute.

Nach einer Weile wandte der Lehrer seinen Blick ab und fragte nochmals: »Habt ihr heute wirklich nichts gelernt?«

Erneut blieb es ruhig.

Zögernd erklang eine weiche, Darnok nur all zu bekannte Stimme. »Es war leichter, in deinem Windschatten zu marschieren«, sagte Lisee.

Gelächter erklang ringsherum.

»Das ist ein guter Ansatz, meine Kleine«, sagte Arabim jedoch lobend. »Aber kannst du diesen Gedanken noch weiterspinnen?«

»Hm … das … wenn … ob … nein.« Leise verstummte das Mädchen und lief knallgrün an.

Ein peinliches Schweigen entstand.

Endlich sagte der Lehrer mit scheinbar gleichgültiger Stimme: »Nun gut. Ich sehe, ihr braucht noch einige Zeit, um zu begreifen, um was es hier geht. Der Unterricht ist damit beendet.«

Arabim schaufelte mit seinen kräftigen Handlungsstrünken den Körper in von der Oberfläche herabgewehten Sand und schlief von einem Moment zum nächsten ein.

Verwirrt sahen sich die Schüler an. Was meinte der Lehrer? Was wollte er von ihnen?

Leises Getuschel entstand, und aus mancher selbst gegrabenen Liegekuhle drang mühsam unterdrücktes Stöhnen. Viele Strünke brannten oder waren geprellt, fast alle der Jugendlichen hatten unter abgeschmirgelter Körperhaut zu leiden. Rasch verstummten die Stimmen. Sie waren zu erschöpft, um über die rätselhaften Andeutungen nachdenken zu können.

Mit einem letzten Blick in den wolkenverhangenen Himmel, der nur in einem kleinen Ausschnitt oberhalb seiner selbst gegrabenen Schlafkuhle zu sehen war, schlief auch Darnok ein.

***

Der zweite Tag der Großen Reise fing genauso schwierig an, wie der erste geendet hatte.

Nicht enden wollende Stürme fegten über die trostlose Landschaft. Kaum einmal fanden sie die Möglichkeit, sich im Schutz ausgetrockneter Flussbetten, niedriger Felswände oder halb verschütteter Erdfalten zu bewegen.

Immer wieder suchte Darnok Ruhe im Schatten des breit gebauten Arabim. Aber auch andere Keelon stritten sich um diesen höchst begehrten Platz. Bodor, der fünf Jahre älter war als er, setzte seine Kräfte rücksichtslos gegenüber dem Jüngeren ein und vertrieb ihn immer wieder.

Was für ein … ein Schlammkotzer der Bursche nur war!

Von Zeit zu Zeit blieb Darnok erschöpft liegen, ruhte sich kurz aus und reihte sich am Ende des langgezogenen Trecks wieder ein.

Nein. Das stimmte nicht ganz.

Lisee, das zierliche Mädchen mit der großen Klappe schleppte sich noch einige Körperlängen hinter ihm dahin.

Mühsam und unkoordiniert taumelte sie auf ihren Strünken voran. Ihre körperliche Schwäche war unübersehbar.

Darnok spielte kurz mit dem Gedanken, Arabim über ihren Zustand zu informieren. Doch ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass der Lehrer nicht helfen würde.

Der riesige Keelon wartete auf etwas.

Darauf, dass sie ihren Verstand gebrauchten.

»Hilf … mir! Bitte!«, keuchte das Mädchen hinter Darnok.

Geschieht ihr ganz Recht!, dachte er wütend. Wahrscheinlich hat sie ihre ganze Energie beim Plappern verbraucht.

»Na schön«, brummte er und wartete auf Lisee. »Aber du darfst nicht zu viel schwafeln.«

Das Mädchen reagierte nicht. Ein schlechtes, ja, ein beunruhigendes Zeichen.

»Geh meinetwegen eine Zeitlang in meinem Windschatten«, sagte Darnok schroff. Er bewegte sich ein wenig seitwärts, sodass Lisee weitgehend geschützt weitermarschieren konnte.

Eine endlos scheinende Zeitspanne lang marschierten, krochen und taumelten sie so dahin und waren knapp davor, den Anschluss an die Gruppe zu verlieren, als endlich der ersehnte Befehl zum Halten ertönte.

Arabim war weiter vorne gerade noch im trüben Sandnebel erkennbar. Er gab lautstark Befehl, rote Beeren von einem niedrig wachsenden Gestrüpp zu pflücken.

Mit dem letzten Rest seiner Kräfte taumelte Darnok näher, die kleine Lisee im Windschatten und ließ sich hinter einem umgestürzten Silberbaum fallen.

Das Mädchen plumpste neben ihm zu Boden und rieb ihre Haut seufzend an der groben Borke. »Danke«, murmelte sie. Im nächsten Moment war sie erschöpft eingeschlafen.

Nachdem er ein wenig zu Kräften gekommen war, rappelte sich Darnok hoch und pflückte ein paar der Beeren. Sie schmeckten bitter, doch sättigten sie einigermaßen und löschten gleichzeitig den Durst.

Langsam kehrte sein Lebensmut zurück. Er sammelte noch mehr der Früchte und trippelte, an den anderen erschöpften Keelon vorbei, zu seinem Ruheplatz.

Arabim wartete bereits. Er betrachtete sorgenvoll das kleine Mädchen.

»Wirst du sie zurücklassen, wenn sie nicht mehr weiter kann?«, fragte Darnok den Lehrer.

»Natürlich«, sagte der Zeesta lapidar. Ein merkwürdiger, hohler Klang lag in der Stimme. »Ihr Schicksal liegt jetzt in deiner Hand«, fügte er geheimnisvoll hinzu und marschierte davon.

Beim Dreigestirn, sprach Arabim denn nur in Rätseln? Er war doch nicht Lisees Pflegevater und hatte keinerlei Verantwortung für sie übernommen.

»Ich weiß jetzt, was … der Lehrer gestern für eine Antwort … erwartet hat.« Das Mädchen war aufgewacht und nahm dankbar die Früchte entgegen, die Darnok für sie gepflückt hatte. »Dabei ist es … so einfach, so nahe liegend.«

»Kann denn hier niemand Klartext sprechen? Ich habe keine Lust auf dieses Rätselraten«, sagte Darnok wütend.

»Arabim erwartet, dass wir uns gegenseitig Windschutz geben.« Sie hustete trocken und spie ein paar der Beeren wieder aus.

»Soll ich die ganze Zeit neben dir her laufen und den Prellbock spielen?«, fuhr er sie an.

»Denk dir mal … ein großes Feld von fünfunddreißig Keelon, die eng aneinander gedrängt vorwärts marschieren. In Fünferreihe nebeneinander, sodass nur die äußerste oder vorderste Reihe der Gruppe vom Wind angegriffen wird. Die anderen bleiben weitgehend von der Witterung verschont. Nach einer gewissen Zeitspanne wechseln sich die Gruppen ab, und die nächsten fünf Keelon machen den Windfänger.« Lisee schwieg erschöpft.

Beim Dreigestirn – warum war er nicht bereits früher auf diese Idee gekommen? Darnok erinnerte sich plötzlich an Abbildungen in verstaubten Schriften, die er zu Hause heimlich durchgesehen hatte.

Die Alten, die Vorfahren, waren in urtümlichen Zeiten stets in einer besonderen Gruppenform durch die Weiten Roogals marschiert, die sie selbst »Schirm« nannten.

Bewundernd sah Darnok das kleine, zarte Mädchen an. »Keine schlechte Idee … für ein Mädchen«, sagte er.

In den Augen der kleinen Lisee blitzte es erfreut auf.

Es war nicht schwer, die anderen Jugendlichen von ihrer Idee zu überzeugen. Lediglich Bodor knurrte verächtlich in Darnoks Richtung, reihte sich aber letztendlich in der Formation ein.

Der Effekt war erstaunlich. Der Wind fing sich tatsächlich nur jeweils an einer Seite des Schirmes. Das Weiterkommen war zwar nach wie vor schwierig, aber durchaus erträglich.

Am Abend, als sie ihr Nachtlager aufschlugen, hatte Darnok das Gefühl, heute etwas ganz besonders Wichtiges gelernt zu haben. Er tätschelte der kleinen Lisee mehrmals freundschaftlich das hornhäutige Hinterteil – was das Mädchen ermutigte, bis weit nach dem Untergang Primogens zu reden, zu reden und zu reden …

Arabim, der Lehrer, strahlte vor Freude über den ganzen Körper und hatte für jeden seiner Schüler ein freundliches Wort parat.

Es war so schön, auf der Großen Reise zu sein!

***

Die Tage kamen und gingen nun in rascher Folge. Fröhliche Ausgelassenheit nahm überhand. Nichts und niemand schien Arabim und seine Gruppe gefährden zu können. Die Jugendlichen wuchsen immer mehr zusammen, bildeten bald eine perfekt funktionierende Einheit. Jungen und Mädchen bauten die gegenseitigen Vorbehalte rasch ab.

Besser gesagt: Während des Marschierens folgten sie den Regeln eines nicht ausgesprochenen Zweckbündnisses, um während der kargen Freizeit wie Blau-Wurrle auseinander zu schießen und geschlechtstypischen Rollenspielen zu folgen.

»Mädchen sind der Untergang des Keelontums«, schimpfte Darnok. Er schüttelte sich das Juckpulver, das aus getrockneten und zerstampften Hann-Blättern bestand, aus den Hautfalten.

»Jungen sind der Untergang des Universums«, keifte Lisee zurück und zupfte mühsam eine Kolonie stinkender Springflöhe aus ihrem kurzen, hellgrauen Bauchfell.

Die beiden mochten sich einfach gern.

Bald wurden sie »Die Unzertrennlichen« gerufen.

Bodor hingegen war der geborene Anführer. Er war ein düsterer, manchmal erschreckend jähzorniger Junge, der die Macht über alles liebte – und sie auch rücksichtslos einsetzte. Doch sein Verstand und seine abstrakte Logik kamen der Gruppe ein ums andere Mal zu Hilfe.

Der Lehrer nahm kaum Einfluss auf das soziale Gruppenverhalten. Dann und wann übernahm er die Rolle eines Mediators, doch nur selten kam es zu offen ausgetragenen Zwistigkeiten. Bald nannte er seine Klasse liebevoll die »Trippel-Viels«, und wie es bei solchen Sachen nun mal ist, übernahmen die Jugendlichen den Begriff mit gehörigem Stolz.

Nach mehr als sechzig Tagen änderte sich die Landschaft. Die Winde ließen nach, die Regengüsse hingegen nahmen zu. Fruchtbare, gut bestellte Gehöfte waren aus der Ferne zu sehen.

Auch im gewohnten Lehrbetrieb, den Arabim jeden Abend abhielt, änderte sich Einiges. Die grundlegenden Dinge wie Tier- und Pflanzenkunde sowie Nahrungs- und Flüssigkeitssuche waren endlos durchgekaut und in der Praxis noch reichlicher geübt worden.

Eines Abends, es blitzte gerade heftig über ihrem Lager, fragte der Lehrer: »Warum, glaubt ihr, unternehmen wir die Große Reise?«

Alle schwiegen, selbst die sonst so vorlaute Lisee.

»Da sieht man’s«, ließ Bodor seine knarrende Stimme vernehmen. »Niemand weiß es mehr. Es ist ein sinnloses, archaisches Ritual.« Er streckte seinen Körper, der fast so groß wie der Arabims war.

»Du irrst dich«, entgegnete der Zeesta und zeichnete eine rasche Geste der Gelassenheit mit zweien seiner Handlungsstrünke. »Die Bedeutung der Großen Reise liegt hauptsächlich in unserer einzigartigen Begabung begründet. – Seht nach oben!«

Sie richteten ihre Blicke hoch.

»Terzenwohl steht alleine am Himmel, knapp über dem Horizont. Es herrscht ein Dämmerlicht, wie es nur alle paar Wochen vorkommt. Fühlt ihr euch nicht auch unwohl, bedroht vom Dunkel?«

Unruhe kam auf. Der Lehrer hatte die unangenehme Angewohnheit, seinen Feinfühlstrunk mit Vorliebe auf die schwärendste Wunde zu legen.

Nervös kratzte sich Darnok am Bauchfell, das in den letzten Wochen immer dichter und struppiger geworden war. Natürlich fühlte er sich schlecht, wenn das allgegenwärtige Licht der drei Sonnen verblasste.

»Seht ihr die matt leuchtenden Punkte in der anderen Himmelshälfte?«, fuhr Arabim fort.

»Die Sterne«, murmelte Lisee. Fiebrig putzte sie einen ihrer zarten Strünke.

»Jawohl, die Sterne«, sagte Arabim. »Sonnen wie die unseren, die weit entfernt leuchten und Lebewesen auf fremden Planeten das Leben schenken.«

Darnok drehte sich um. Überall pulsierten die Körper der jungen Keelon, zuckten und wanden sich in den Erdmulden, die sie gegraben hatten.

Ein greller Blitz mit vielen feinen Verästelungen nahm für einen Moment die dunklere Seite des Himmels ein und malte ein schauerliches, blasses Bild der Gruppe. Ein Donnerrollen ließ nicht lange auf sich warten.

»Die Sterne und fremde Lebewesen sind etwas, das wir, das Volk der Keelon, gerne als tabu darstellen. Wir tun so, als ob wir alleine im Universum wären – obwohl wir es besser wissen.«

Die Nervosität wurde immer deutlicher spürbar. Der Lehrer beging einen Tabubruch. Es schickte sich nicht, über fremdes Leben zu reden.

»Ich weiß, dass eure Pflegeeltern selten und meist nur hinter vorgehaltener Hand über dieses Thema gesprochen haben. Ich weiß, dass ihr nur Gerüchte über andere Planeten und Lebewesen kennt. Ich weiß, dass euch verboten wurde, darüber nachzudenken. Wir Keelon leben aus Furcht in einer selbst gewählten Isolation. Furcht, die mit unserer fantastischen, aber auch erschreckenden Gabe zu tun hat.«

Es war einer dieser Momente, in denen der Zeesta überdimensional zu werden schien, wie ein unüberwindlicher Felsblock in die Höhe ragte.

»Viele Keelon sind der Ansicht«, fuhr er unerbittlich fort, »dass unangenehme Dinge nicht auszusprechen sind. Aber ich als Lehrer betrachte es als meine Pflicht, euch die Angst bewusst zu machen. Merkt euch meine Worte! Dämonen, die man kennt, verlieren ihren Schrecken!«

Arabim sprach immer lauter, um die Unruhe zu übertönen.

Zwei der Mädchen weinten.

Bodor schlug zornbebend mit mehreren seiner kräftigen Strünke gegen einen verrotteten Baumstamm. »Blasphemie«, schrie er aufgeregt.

Darnok juckte es am ganzen Körper. Wie verrückt kratzte er sich mit all seinen Handlungsstrünken.

Der Lehrer hingegen blieb ruhig und wartete, bis sich die Unruhe legte. »Wir sprechen nicht gerne über das Leben im Universum«, fuhr er fort, »weil wir uns durch eine Gabe zum Reisen durch die Zeit prägnant von anderen Rassen unterscheiden. Dieses Talent – das auch gleichzeitig ein Fluch ist – geht von unserem Magoo aus …«

Wieder ertönte Ächzen und Stöhnen, wieder schrien die Halbwüchsigen wild durcheinander.

Bodor, schwarz vor Wut, peitschte mit allen Strünken gegen den Boden. Er stieß einen schrecklichen, zornerfüllten Ruf aus und stürzte geradewegs auf den Lehrer zu. Er hielt mehrere Handlungsfühler zum Schlag erhoben.

»Tabubrecher«, brüllte er und drosch blindlings auf Arabim ein.

Atemlos beobachtete Darnok, wie sich der Zeesta zur Wehr setzte. Scheinbar mühelos blockte er die Angriffe des Jungen ab und neutralisierte nach und nach alle von Bodors Strünken. Arabims waren länger und kräftiger, seine Bewegungen wohl überlegt und gezielt. Er drückte den tobenden Bodor gegen den sandigen Untergrund, sodass er sich nicht mehr rühren konnte.

Mehrere Blitze, zehn oder zwölf auf einmal, zerfurchten das Firmament. Bedrohlicher Donner antwortete.

Es dauerte lange, bis sich Bodor beruhigte.

Schließlich ließ Arabim ihn los, und schluchzend lief der Junge davon. Die Bewegungen seiner Gehstrünke waren unkoordiniert. Mehr als einmal stolperte er.

Als ob nichts geschehen wäre, sagte der Lehrer: »Wir treten nun in einen neuen Abschnitt der Großen Reise, in dem wir manches Tabu hinter uns lassen und uns die Wirkung des Magoo bewusst machen werden. Dann werdet ihr wissen, warum wir den Kontakt zu den anderen Völkern des Universums meiden.«

Sprach’s, rollte sich in seiner Kuhle ein und war im nächsten Moment eingeschlafen.

***

Der nächste Tag forderte den Jugendlichen alles ab. Es ging stetig bergauf in die Ausläufer eines mächtigen Gebirgszuges. Scharfkantige Granitblöcke schnitten schmerzhaft in die Unterkörper der Keelon. Sie mussten immer wieder Felslawinen ausweichen, die donnernd hinabstürzten und alles mit sich rissen. Für kurze Zeit peitschte Regen auf sie herab. Schmale Rinnsale verwandelten sich binnen weniger Momente in alles mitreißende Ströme.

Die Strahlung der drei Sonnen war an diesem Abend schmerzhaft spürbar. Ständig standen zwei von ihnen am Himmel und brachten Darnoks Leib fast zum Kochen.

Zumindest glaubte er, dass er innerlich kochen würde. Irgendwo, dort, wo sein Körper am breitesten war, machte sich der Hitzeschmerz besonders stark bemerkbar. Etwas pochte, zuckte und ruckte in ihm. Es erzeugte schier unerträgliche Wärme.

Erst, nachdem Primogender untergegangen war und nur noch Akto im Himmel stand, ließ der Lehrer Halt machen. Über ihnen reckte sich der Berg steil und bedrohlich in die Höhe. Ein schmaler Überhang bot bescheidenen Schutz gegen die verrückt spielenden Naturgewalten.

Lisee streckte sofort alle Neunzehn von sich. Darnok und Perzephal, ein kleiner, unterernährt wirkender Junge, machten sich auf die Suche nach essbaren Beeren, die in dieser Höhe noch sporadisch wuchsen. Sie teilten ihren bescheidenen Fund anschließend mit dem Mädchen.

»Findest du nicht, dass heute selbst Arabim ein wenig matt wirkt?«, fragte Lisee kauend.

»Es ist das erste Mal, dass ich Müdigkeit bei ihm entdecke«, antwortete Darnok.

»Vielleicht hat es etwas mit der Attacke von Bodor zu tun.«

»Bodor, pah«, stieß Perzephal hervor, und spuckte ein paar unreife Beeren zu Boden. »Wenn er nur nicht so ein verdammt guter Spurensucher wäre …«

»Wenn er nur nicht so ein toller Organisator wäre …«, seufzte Lisee.

»Wenn er nur nicht immer Recht hätte …«, sagte Darnok.

Eine kurze Pause entstand.

»Die kleine Jonke ist ständig bei ihm«, murmelte Perzephal. »Steht sie etwa auf diesen fahlhäutigen Motz?«

»Ich kann mir zwar nicht erklären, was an einem einzigen von euch Jungen liebenswert sein sollte«, antwortete Lisee, »aber ich glaube tatsächlich, dass sie ihn nett findet.«

»Nett, pah!« Perzephal trommelte mit seinen Handlungsstrünken verächtlich gegen den felsigen Boden. »Sieh nur, wie sie ihn anhimmelt, ihn sogar füttert und mit ihrem Leib auch noch demütig über den Boden schleift.«

Plötzlich presste er zwei Strünke gegen den Körper.

»Was ist los?«, fragten Darnok und Lisee erschrocken wie aus einem Mund.

»Aua! Ich habe die Sonnenstrahlung … au! … heute ganz besonders gespürt.« Perzephal rollte sich zusammen, so weit es sein Knorpelgerüst zuließ.

Arabim kam mit raschen, raumgreifenden Strunkschritten heran. »Sonnenschmerzen?«, fragte er kurz angebunden.

»Ja … verdammt, tut das weh!«

»Zieht sich der Schmerz immer weiter an einem einzigen Punkt zusammen?«

»Ja … ungefähr hier.« Perzephal presste die Handlungsstrünke noch fester gegen den Körper.

»Hör mir jetzt ganz genau zu, mein Kleiner«, sagte der Lehrer. »Du brauchst keine Angst vor dem haben, was nun passiert. Du wirst dich plötzlich in einer anderen Umgebung wiederfinden und wahrscheinlich alleine sein. Rufe, so laut du kannst, sodass wir dich finden können.«

Kaum hatte Arabim ausgesprochen, ertönte gegen den eisig gewordenen Wind ein lauter, heiserer Schrei.

Darnok und Lisee sahen sich um. Das war die Stimme Perzephals, der doch … vor ihnen lag?!

Nochmals ertönte der Schrei, verzweifelter diesmal.

»Massiert seinen Leib und haltet seine Strünke«, sagte der Lehrer hastig und – löste sich in Luft auf!

Der verdutzte Darnok glaubte noch, einen huschenden Schatten zu sehen, doch dieser Eindruck erlosch sofort wieder.

Automatisch begann er, die Leibesmitte des Freundes zu reiben. Lisee, die neben ihm stand, war genau so erschrocken und betroffen von den Vorgängen.

Perzephals Fleisch wurde weicher und instabiler unter seinen Strünken. Der Körper verlor an Form, wurde geleeartig und schließlich halb transparent. Immer noch massierte Darnok, obwohl er kaum noch etwas zum Greifen fand.

Dann war der Junge ganz verschwunden.

Wortlos und schockiert sahen sie auf den leeren Fels hinab.

Darnok berührte das Gestein.

Es war kalt.

Eisig kalt.

»Was, beim Dreigestirn, geht hier vor?«, fragte er mit heiserer Stimme, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

Lisees Strünke wurden blass. Sie zitterte.

Laute, durcheinander schreiende Stimmen lenkten sie ab. Aufregung herrschte unter den anderen Trippel-Viels, die sich zwanzig Körperlängen von ihnen entfernt versammelt hatten.

Mittelpunkt des Interesses war – Perzephal!

Lisee und Darnok eilten näher heran.

Arabim hielt den Jungen an den Strünken. Halb trug er ihn, halb schleppte er ihn hinter sich her.

»Keine Ahnung, was passiert war«, antwortete Perzephal gerade auf die Fragen, die ihm zugerufen wurden. »Auf einmal hing ich unter dem Felsvorsprung … Nein, der Schmerz ging gleich vorbei, auch die innere Hitze … Noch ein paar Momente, und ich hätte mich nicht mehr halten können … Nein, es war sehr schön …«

»Ruhe«, rief Arabim und richtete sich so weit wie möglich auf. Im Nu herrschte Stille. »Das, was ihr gerade gesehen habt, war die Wirkung von Perzephals Magoo. Heute, während des Tages, herrschten außergewöhnliche Bedingungen, verursacht durch die drei Himmelsgestirne. Die starke Reizung verursachte Perzephals ersten, noch unkontrollierten Sprung – wenige Momente in die Vergangenheit.«

Wieder wurde es laut, wieder bot Arabim all seine Autorität auf, um das Stimmenwirrwarr einzudämmen. »Das, was ihr soeben gesehen habt, wird hoffentlich euch allen im Laufe der Großen Reise zuteil werden. Es ist das größte Wunder unserer Existenz. Die bewusste Bewegung durch die Zeit.«

***

Die Aufregung wollte und wollte sich nicht legen.

Arabim hatte sich nach diesen wenigen, bedeutungsschweren Worten zurückgezogen und die Jungen ihren Spekulationen überlassen.

»… ich gehe zurück und werde mein eigener Vater …«

»… deswegen habe ich dauernd diese Schmerzen im Leib …«

»… das ist die Gelegenheit, meiner Pflegemutter die Meinung zu sagen …«

»… ich werde mir selbst Süßigkeiten ins Kinderzimmer schmuggeln …«

Perzephal, der Held des Tages, musste seinen Zeitsprung immer und immer wieder neu schildern. Keiner störte sich daran, dass er seine Erzählung mit jeder Wiederholung noch ein wenig mehr ausschmückte.

»… als ich in der Vergangenheit auftauchte, packte ich instinktiv mit meinem stärksten Strunk – da, fühl die Muskeln – nach der Felsnase und hielt mich fest. Der Wind beutelte mich hin und her, aber mit einem kräftigen Schwung zog ich mich über den Vorsprung. Ich blickte in den drei- nein, viertausend Körperlängen tiefen Abgrund. Der Sprung in die Vergangenheit war ganz leicht …«

Die Aahs und Oohs nahmen kein Ende. Selbst Bodor mischte sich mehrmals in die lebhaften Gespräche ein.

»Jetzt ist es aber genug«, war plötzlich Arabims strenge Stimme zu vernehmen. »Ihr habt bereits die Hälfte eurer Schlafenszeit vertan. Morgen wartet ein anstrengender Tagesmarsch auf euch.«

Erschrocken sahen sie hoch. Tatsächlich: Akto, der weiße Zwerg, ging bereits wieder unter. Terzenwohl, die dunkelgelbe Sonne, würde bald aufgehen.

Darnok spürte mit einem Mal die Müdigkeit. Er sah zu Lisee, doch die war bereits auf ihren Strünken eingeschlafen. Sanft zog er sie mit sich und schubste sie vorsichtig in die kleine Schlafkuhle, die er aus Kies und Geröll für sie gebaut hatte.

»Danke«, murmelte sie im Halbschlaf und zog die entzückenden Strünke grazil unter den zarten Körper.

»Mädchen«, brummelte Darnok, »halten einfach nichts aus.« Er quetschte sich in seinen eigenen Liegebereich und war im nächsten Moment eingeschlafen.

2. RUBIKON

Nach unbestimmter Zeit erreichten Scobee, Resnick und Jarvis das Ende des Ganges. Sie waren an keiner einzigen Abzweigung vorbeigekommen.

Ein großer – nein! – ein gewaltiger Raum öffnete sich vor ihnen.

Quaderförmige Konstrukte versperrten ihnen die Sicht ans andere Ende der Halle. Lediglich an der Rundung der Decke, die sich vielleicht fünfzig Meter oberhalb ihres Standortes halbkuppelförmig hinzog, konnten sie die ungefähren Dimensionen des Raumes erahnen.

»Mindestens hundertfünfzig Meter breit«, sagte Jarvis schließlich. »Wie kann das sein bei den äußeren Dimensionen des Rochens, die wir vom Karnut aus angemessen haben? Und nach dem Gewirr von Gängen, das wir bereits orteten?«

Ein merkwürdig verzerrtes Echo antwortete ihm nach mehreren Sekunden.

Schulterzuckend übernahm Scobee wieder die Initiative und ging in den Raum hinein.

Ihre klobigen Schuhe erzeugten kein Geräusch auf dem glänzenden und dennoch rutschfesten Bodenbelag.

Instinktiv wählte sie einen etwas breiteren Weg, der annähernd durch die Mitte der Halle führte. Links und rechts ragten die unterschiedlich großen Quader hoch. Ein leises, kaum wahrnehmbares Brummen ging von ihnen aus.

Berühre mich, heb mich auf!, schienen leise Stimmen zu locken, wenn sie näher an ein Objekt herantrat.

Ich bin eine Waffe, eine gefährliche Waffe. Ich töte, töte, töte, flüsterte ein Geisterchor, als sie an einem hohen Stapel gleich großer, länglicher Boxen vorbeikam.

Ich bin ein Antriebsblock …

Ich bin ein Versorgungsspender. Ich gebe Nahrung …

Ich bin ein Schutzschildgenerator. Ich schütze Leben …

Die Stimmen erklangen lediglich in Scobees Kopf, waren nicht wirklich zu hören. Eine leichte, suggestive Verlockung ging von ihnen aus, die aber nicht all zu schwer abzublocken war.