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Im Restaurant seines Freundes Marcel Daumas lernt der wohlhabende und verheiratete Schriftsteller Guy de Moros die junge Frau Claudine Lebrun kennen. Sie ist eine ausgesprochen hübsche Frau und eine glühende Verehrerin seiner Romane. Hocherfreut, den berühmten Guy de Moros kennenzulernen, akzeptiert sie seine Einladung zu einer Bootsfahrt. Er holt sie vor ihrem Hotel ab und die beiden verbringen einige amouröse Stunden auf seiner luxuriösen Yacht. Guy de Moros will sich noch einmal mit der Frau treffen, und auch sie ist einem weiteren Treffen nicht abgeneigt. So wird ein erneutes Rendezvous verabredet. Doch die Frau erscheint nicht am verabredeten Treffpunkt. Seine Nachfrage im Hotel ergibt nur, dass eine Person mit dem Namen Claudine Lebrun nie in dem Hotel übernachtet hat. Am Ufer des kleinen Flüsschens Le Steïr, mitten in der Stadt Quimper, wird eine Frauenleiche gefunden. Die Frau ist erst seit wenigen Stunden tot. Schnell ist klar, der Fundort ist nicht der Tatort. Doch wie konnte man die Leiche der Frau unbemerkt an diese belebte Stelle bringen? Kommissar Ewen Kerber steht vor einem Rätsel.
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Seitenzahl: 387
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Jean-Pierre Kermanchec
Belon-Austern
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Epilog
Andere Kriminalromane des Autors:
Impressum neobooks
Die Sonne brannte den ganzen Tag, und Guy de Moros war froh, dass er diesen herrlichen Platz in seinem Garten zum Schreiben hatte. Unter der riesigen Kastanie hatte er sich schon vor vielen Jahren eine Sitzecke eingerichtet, mit einem herrlichen Blick über die Bucht, der Anse de Benodet. Hier unter diesem Baum waren schon zahlreiche seiner Kriminalromane entstanden, die in Frankreich reißenden Absatz fanden. Es war keine hochwertige Literatur die er zu Papier brachte, vielmehr war es leichte Unterhaltung für eine längere Zug- oder Flugreise. So war es nicht verwunderlich, dass sich seine Romane auch in den Zeitschriftenläden der Bahnhöfe oder Flughäfen fanden.
Für Guy de Moros spielte es keine Rolle, ob er sein Geld durch hochwertige Literatur oder durch leicht verdauliche Kriminalromane verdiente. Ihm kam es mehr darauf an, dass seine Geschichten authentisch waren und die Alltäglichkeiten seiner Bretagne wiederspiegelten.
Jedenfalls verkauften sich seine Bücher so gut, dass er davon ein komfortables Leben führen konnte.
Seine Frau, Marie-Julie, hätte es nicht nötig gehabt, Geld zu verdienen, aber sie war vor über zwanzig Jahren nicht davon abzubringen gewesen, ihre eigene Boutique in Quimper zu eröffnen. Er hatte ihr das Haus gegenüber den Hallen gekauft, und Marie-Julie richtete dort eine Boutique ein, die ihrem Namen, Plus Value, alle Ehre machte.
Nur die besten Marken wurden dort angeboten, und die Boutique sprach ganz schnell eine große Klientel an. Die Damen der besseren Gesellschaft kamen regelmäßig im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, um die entsprechende Garderobe für Hochzeiten und andere Feierlichkeiten zu erstehen. Schon nach wenigen Monaten konnte sie zwei weitere Verkäuferinnen einstellen.
In Loctudy war Guy de Moros inzwischen eine bekannte Person, und wenn er durch die Straßen des Ortes ging, wurde er ständig gegrüßt.
Gegenüber seinem Haus lag Île-Tudy, eine Ortschaft von etwa 700 Einwohnern, an der Spitze einer kleinen Halbinsel. Der Tourismus hatte den Ort schon lange entdeckt, und so war er im Sommer regelrecht übervölkert.
Guy de Moros wäre unter normalen Umständen nie in den Sinn gekommen, seinen ruhigen schattigen Platz in seinem Garten mit dem Trubel von Île-Tudy einzutauschen, wenn, ja, wenn da nicht Marcel Daumas gewesen wäre.
Sein alter Schulfreund betrieb ein kleines Café an der Uferpromenade, mit Blick auf die Bucht Pouldon. Marcel war ein begnadeter Koch, der aber nie Anstalten gemacht hatte, sich mit dem Streben nach Sternen das Leben zu erschweren. Stattdessen kochte er was ihm in den Sinn kam und wie es ihm in den Sinn kam, ohne 1000 Verzierungen auf dem Teller.
Er servierte ausreichend, um jedermanns Hunger zu stillen. Für Guy de Moros waren die Austern das Beste, was sein Freund im Stande war anzubieten. So kam er nicht umhin, mindestens einmal die Woche nach Île-Tudy hinüberzufahren.
Auch wenn das Restaurant in Sichtweite seines Gartens lag, musste er doch in Kauf nehmen, die 17 Kilometer rund um die Bucht zurückzulegen.
Er brauchte mit dem Auto eine knappe halbe Stunde für die Strecke. Mit seiner Yacht, die an dem eigenen Steg vor seinem Garten lag, war die Strecke in drei Minuten zurückgelegt, aber nur bei Hochwasser.
Manchmal fuhr er auch mit der Yacht hinüber, aber nur, wenn die Flut recht spät am Nachmittag ihren Höchststand erreichte, so dass er nach dem Essen wieder zurückkommen konnte.
Er brauchte sich keinen Tisch zu reservieren, sein Freund hatte die Anweisung, an jedem Samstag einen Tisch für ihn bereitzuhalten.
Marie-Julie war den ganzen Tag über in Quimper und kam in der Regel erst gegen 20 Uhr nach Hause. Seine Tochter Martine war stundenweise in der Boutique tätig, wenn sie nicht in ihrem eigenen Laden weilte, und so war er zumeist alleine.
Seine 66 Jahre sah man ihm nicht an. Regelmäßig wurde er auf Mitte 50 geschätzt. Guy war immer sehr sportlich gewesen und hatte einen durchtrainierten Körper. Wenn er mit nackter Brust durch seinen Garten ging, konnte er so manchem Jüngeren die Schau stehlen.
Es war Samstag, und sein Tisch wartete bereits auf ihn bei Marcel Daumas. Guy verließ seinen schattigen Schreibplatz und ging ins Haus, zog sich ein T-Shirt über, nahm seinen Autoschlüssel und fuhr mit seinem Mercedes SLK nach Île-Tudy.
Die Fahrt über die Rue du Générale de Gaulle führte ihn direkt nach Pont-l´Abbé. Er folgte der Rue Victor Hugo und dann der Rue de Quimper bis zu dem Kreisverkehr vor der D785. Dort nahm er die erste Abfahrt in die Rue de Combrit und bog dann, am Ende der Straße, in die Route de l‘Île-Tudy ein. Als er bei Marcel Daumas ankam, stellte er seinen Wagen hinter dem Lokal auf dem kleinen Privatparkplatz seines Freundes ab, direkt vor dessen Auto. So war ihm immer ein Parkplatz sicher.
Île-Tudy war im Sommer ein einziger voller Parkplatz, und eine Lücke war ein echter Gewinn.
Guy kam um die Ecke und sah Marcel bereits an seinem Tisch stehen, mit dem Pastis in der Hand.
„Du hast mich wohl gesehen?“, fragte Guy und trat an den Tisch.
„Na klar, ich achte doch auf meinen Stammgast. Zum Wohl, Guy!“ Marcel reichte ihm seinen Pastis. Guy setzte sich und nahm einen Schluck. Die Sonne stand hoch, und Guy trug seinen Panamahut. Die Krempe tiefer ins Gesicht gezogen, blickte er über die Bucht Pouldon auf die kleine Insel, Île aux Rats.
„Verzeihen Sie, Monsieur, aber dürfte ich mich zu Ihnen setzten, leider sind alle anderen Tische schon belegt.“
Guy de Moros wurde regelrecht aus seinen Gedanken gerissen. Er schob seinen Hut nach hinten und blickte in das Gesicht einer sehr hübschen jungen Frau. Er schätzte ihr Alter höchstens auf Ende 20.
„Aber bitte, Mademoiselle, ich fühle mich geschmeichelt.“
„Haben Sie vielen Dank. Ich versuche schon seit einer halben Stunde, einen Platz in einem Restaurant zu finden, um eine Kleinigkeit zu essen. Aber alle Tische scheinen auf Île-Tudy, bereits besetzt zu sein.“
„Mein Tisch ist immer frei, der Chef ist mein Freund.“
In diesem Augenblick trat Marcel Daumas an den Tisch. In der Hand hielt er eine Platte Austern.
„Voilà, deine Belon Austern, mein lieber Guy! Lass sie dir schmecken. Was kann ich deiner netten Begleitung Gutes tun?“ Marcel wusste nur zu gut, dass Guy immer alleine am Tisch saß und keine Begleitung mitbrachte.
„Entschuldigen Sie, aber ich bin nicht in Begleitung des charmanten Herrn. Wenn Sie mir bitte die Speisekarte bringen würden und eine Flasche Evian.“
„Darf es auch ein Plancoët sein, Mademoiselle? Ich führe nur bretonisches Mineralwasser.“
„Aber natürlich, ein Plancoët ist auch gut.“ Nachdem Marcel gegangen war wandte sich die junge Frau an Guy.
„Verzeihen Sie, falls ich Sie in Verlegenheit gebracht haben sollte. Mein Name ist Claudine Lebrun, ich komme aus Rennes und verbringe einige Urlaubstage in dem Domaine du Dourdy, in Loctudy und wollte heute den kleinen Ort besuchen, den ich von meinem Hotelzimmer aus sehen kann. Ich wusste nicht, dass Île-Tudy so überlaufen ist!“
„Es ist die Hölle im Sommer, wenigstens für mich. Aber nur hier bekomme ich die besten Austern der Bretagne serviert. Die Belon Austern von Daumas ziehe ich allen anderen vor.
Ich heiße übrigens Guy de Moros und wohne ebenfalls in Loctudy in meinem Haus. Schauen Sie“, Guy zeigte auf ein Anwesen genau gegenüber von Île-Tudy, „dort können Sie mein Haus sehen.“
„Oh, Sie wohnen aber sehr schön. Sie sind nicht zufällig der Schriftsteller de Moros?“
„Nun, wenn Sie den Krimi-Autor meinen, dann bin ich das wohl.“ Guy fühlte sich geschmeichelt, dass eine so junge Frau seine Bücher kannte.
„Ich liebe Sie, Verzeihung, ich meine natürlich, ich liebe Ihre Bücher. Ich kenne alle ihre Romane. Ihre Bücher sind so einfühlsam und so authentisch. Man hat das Gefühl immer mit dabei zu sein, wenn Sie einen neuen Fall beschreiben. Sie werden es mir jetzt bestimmt nicht abnehmen, aber ihre Bücher haben mich dazu gebracht, nach Loctudy zu fahren und hier meinen Urlaub zu verbringen. Ich wollte die Gegend kennenlernen, in der all ihre Fälle spielen. Deshalb wohne ich auch in dem Hotel Domaine du Dourdy. Ihr vorletzter Roman spielte in dem Haus.“
„Ich kann mich gut erinnern. Ich habe einige Tage in dem Haus meines Freundes Alain Dourdy zugebracht, um alle Einzelheiten zu studieren und mir anzusehen, wie die Arbeit in einem solchen Etablissement abläuft. Alain hatte mich noch gebeten, das Haus auf keinen Fall schlecht aussehen zu lassen. Was ich auch nicht tat, da es das nicht verdient hätte. Die drei Morde, die dann dort begangen worden sind, konnten ja erfolgreich aufgeklärt werden.“
„Aber alle Fälle werden doch aufgeklärt, wenn ich ihre Romane gut in Erinnerung habe.“ Claudine Lebrun sah Guy fragend an.
„Die Speisekarte, meine Dame“, unterbrach Marcel das Gespräch der beiden. „Wenn Sie noch etwas essen möchten, dann sollten Sie mir möglichst rasch sagen was Sie wünschen, die Küche schließt in einer halben Stunde.“
Claudine Lebrun nickte und sah auf die Karte.
„Wenn ich Ihnen etwas empfehlen darf, dann sollten Sie entweder die Austern probieren oder aber seinen Saumon im Lambig-Dampf.“ Guy de Moros sah Claudine an.
„Dann nehme ich den Saumon!“, sagte sie zu Marcel.
„Sehr wohl, einen Saumon für die Dame.“ Damit verließ Marcel den Tisch und ging in seine Küche.
Sein Kellner war ernsthaft erkrankt, und Marcel musste alleine für die Küche und den Service aufkommen. Sein Restaurant hatte nur wenige Tische, und so war es durchaus möglich, einmal ein oder zwei Tage alleine zu arbeiten. In der Küche lehnte er jede Unterstützung ab.
„Wenn der Gast für meine Küche zu mir kommt, dann soll er auch bekommen, was ich zubereitet habe und nicht das, was mein Koch fabriziert hat.“ So pflegte er immer zu sagen, wenn er gefragt wurde, ob er nicht einen zweiten Koch einstellen wollte.
Marcel Daumas war, in gewisser Hinsicht, ein Unikum. Er lebte in aller Bescheidenheit, obwohl er ein Vermögen verdienen könnte, wenn er im Sommer auf seiner Terrasse, anstelle der vier Tische, vielleicht zwanzig aufstellen würde. Der Platz war vorhanden und die Nachfrage auch. Sein Restaurant war immer ausgebucht, Sommer wie Winter. Auch hätte er ohne Schwierigkeiten einen Anbau an sein Restaurant realisieren können. Das Tischangebot wäre von acht auf dreißig zu steigern gewesen. Als er diesen Vorschlag hörte winkte er nur ab.
„Mehr als Essen und Trinken und mit meinen Freunden Boule spielen will ich nicht, wofür soll ich dann soviel Geld verdienen? Mir reicht es, wenn ich so viel verdiene, dass ich für das Alter etwas zur Seite legen kann.“
Die Küche war mittags von 12 bis 14 Uhr geöffnet und am Abend von 19 bis 22 Uhr. Marcel machte keine Ausnahmen. Kam ein Gast auch nur eine Minute später, dann vertröstete er ihn auf den nächsten Tag. Wer übergewichtig war kriegte auch noch zu hören, dass es ihm bestimmt nicht schaden würde, einen Tag zu fasten. Dennoch war sein Lokal immer gefüllt. Auch so Abgewiesene ließen sich davon nicht beeinflussen und kamen am nächsten Tag etwas pünktlicher. Einen Tisch zu reservieren, war schon fast ein must, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, umsonst gekommen zu sein.
„Was machen Sie denn so den ganzen Tag in ihrem Hotel?“ Guy de Moros sah Claudine gespannt an.
“Nun, ich lese, mache Strandspaziergänge, sehe mir die kleinen Geschäfte an, was man halt so macht, wenn man sich erholen möchte.“
„Das könnte ich nicht, ich müsste immer etwas zu tun haben. Schreiben, Angeln, Schwimmen oder aufs Meer hinausfahren. Aber nur Geschäfte zu besuchen oder zu lesen, das wäre für mich nichts.“
„Nun, aufs Meer hinausfahren kann ich nicht, ich besitze kein Boot. So fällt das schon einmal flach.“
„Voilà Madame, mein Filet de Saumon, in Lambig-Dampf gegart. Dazu neue Kartoffeln in der Schale und einen gemischten Salat. Lassen Sie es sich schmecken. Und du Guy, noch einen Nachtisch, die paar Austern können einen Mann wie dich doch nicht sättigen?“
„Marcel, du solltest wissen, dass ich bei einem Nachtisch nicht nein sagen kann. Bring mir dein Tagesdessert und gleich noch einen Espresso dazu.“
Marcel ging wieder in seine Küche, und Guy schien die Gesellschaft von Claudine sehr zu schätzen. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass er diese Frau näher kennenlernen wollte. Er sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es langsam Zeit wurde, nach Hause zu fahren. Marie-Julie würde bereits in wenigen Minuten eintreffen.
„Hätten Sie Lust, mit mir aufs Meer zu fahren, sagen wir übermorgen Vormittag?“ Guy sah Claudine an und erhoffte sich eine positive Antwort.
„Wenn ich Ihnen keine Unannehmlichkeiten mache, dann sehr gerne. Ich liebe das Wasser.“
„Dann nehmen Sie sich ihren Badeanzug mit, und seien Sie um neun Uhr vor dem Hotel. Ich hole Sie ab.“
Guy war hocherfreut, den Montag mit dieser Frau zu verbringen. Marie-Julie würde ja doch wieder in die Boutique fahren, wie an jedem Werktag, und er könnte mit Claudine einen schönen Vormittag verbringen.
Marcel brachte ihm das Dessert und den Espresso. Nachdem er fertig war, stand er auf und verabschiedete sich von seiner unerwarteten Bekanntschaft. Die Rechnung brauchte er nicht zu begleichen, das machte er einmal im Monat.
„Bis übermorgen dann, und seien Sie pünktlich!“ Damit verabschiedete sich Guy von Claudine, winkte Marcel kurz zu, als dieser aus dem Lokal kam, und fuhr vergnügt zurück nach Loctudy.
Marie-Julie hatte, wie jeden Tag, in der Boutique gearbeitet und war etwas früher als gewöhnlich nach Hause gefahren. Als sie in Loctudy eintraf und das Haus leer fand, ging sie in den Garten, zum Arbeitsplatz ihres Mannes unter der großen Kastanie. Aber auch da konnte sie ihn nicht finden. Sie trat an seinen Arbeitstisch und sah dort sein Fernglas liegen.
Sie war es gewohnt, hinter ihm herzuräumen. Ständig ließ er seine Sachen liegen. Marie-Julie nahm das Fernglas und wollte gerade damit ins Haus gehen, als ihr einfiel, dass es ja Samstag war, und dass Guy dann bei Marcel seine Austern zu essen pflegte.
Sie nahm das Fernglas vom Tisch und sah über die Bucht hinweg auf die Terrasse von Marcel. Marie-Julie entdeckte ihren Mann sofort, aber an seinem Tisch saß noch eine hübsche junge Frau. Seltsam, dachte sie sich, er ist doch sonst alleine am Tisch. Nur hin und wieder setzte sich Marcel zu ihm, und sie plauderten über ihre Jugendzeit.
Marie-Julie betrachtete die Frau genau und versuchte, sich ihr Gesicht einzuprägen. Sie hatte diese Frau noch nie gesehen, da war sie sich sicher. Weder in Loctudy, noch in der Boutique in Quimper. Sie beließ es dabei und ging ins Haus. Es dauerte über eine Stunde, bis Guy nach Hause kam und Marie-Julie mit einem Kuss begrüßte.
„Wie war dein Tag?“, fragte er sie und lächelte sie an.
„Viviane hat uns ihr libanesisches Dessert mitgebracht und eine Flasche Cidre. Sie hat heute Geburtstag, und den haben wir ein wenig gefeiert. Ansonsten hat es keine Besonderheiten gegeben. Und was hast du gemacht?“
„Ich habe an meinem neuen Roman gearbeitet, fast den ganzen Tag. Ich bin auch sehr gut vorangekommen, so dass ich morgen und übermorgen eine kleine Pause einlege und vielleicht am Montag zum Fischen fahre. Dann bin ich bei Marcel gewesen und habe meine Austern gegessen.“
„Hast du dich mit jemanden getroffen?“, fragte Marie-Julie.
Guy war etwas erstaunt über die Frage, antwortete aber sofort:
„Nein, wie kommst du darauf? Ich habe wie immer allein bei Marcel gegessen und bin nach dem Essen nach Hause gekommen. Ich habe mich nicht einmal mit ihm unterhalten können. Sein Kellner ist erkrankt und er hat alle Hände voll zu tun gehabt.“
„Ich habe nur gedacht, weil du etwas später als sonst nach Hause gekommen bist. Ich mache mir jetzt schnell etwas zu essen, dann können wir noch ein Glas Rosé im Garten trinken.“
„Gute Idee!“, meinte Guy und ging schon in den Garten und befreite die Gartenstühle von dem Staub der Kastanienblüten.
Nachdem er sich in seinen Stuhl gesetzt hatte kam ihm diese Frau wieder in den Sinn. Er wusste nicht was ihm an ihr gefiel, aber er fühlte sich sehr stark zu ihr hingezogen. Marie-Julie durfte nichts davon erfahren, er wollte ihr auf keinen Fall wehtun. Aber diese Frau einfach vergessen, das konnte er auch nicht.
Als sein Handy klingelte sah er, dass es Martine war, und er nahm das Gespräch an.
„Guten Abend, mein Kind, wie geht es dir? Mama macht sich gerade etwas zu essen, und ich sitze bereits im Garten. Wir wollen noch ein Glas trinken. Das Wetter ist so ausgesprochen schön.“
„Hast du übermorgen Zeit für mich? Ich brauche deine Hilfe, ich muss einen kleinen Schrank zusammenbauen.“
„Klar kann ich dir helfen, Martine, aber ich kann erst am späteren Nachmittag vorbeikommen. Ich habe übermorgen früh noch einen Termin.“
„Schade, morgens wäre es mir lieber gewesen. Aber dann bis Montagnachmittag.“
Damit war das Gespräch beendet, und Guy legte sein Telefon wieder auf den Tisch.
Marie-Julie war mit einem unguten Gefühl in die Küche gegangen. Warum hatte Guy sie angelogen? Sie hatte doch die junge Frau gesehen.
Als Marie-Julie in den Garten kam fragte sie ihn, mit wem er telefoniert hatte. Als er den Namen ihrer Tochter nannte fiel ihr ein, dass sie unbedingt noch mit Martine sprechen musste. Sie brauchte noch etwas für die Boutique, und Martine könnte ihr es übermorgen mitbringen.
Martine half ihrer Mutter in der Boutique, wenn sie Zeit hatte. Sie betrieb ein eigenes kleines Unternehmen in der Umgebung von Quimper, in dem sie Dekorationsartikel für die Auslagen der Geschäfte herstellte. Das Geschäft lief ganz gut, und sie beschäftigte vier Frauen, die ihr bei der Arbeit halfen. So war es selbstverständlich, dass Martine die Schaufenster der Boutique Plus Value regelmäßig neu dekorierte.
Marie-Julie setzte sich zu ihrem Mann, und er füllte die Gläser mit gut gekühltem Rosé.
Für einen kurzen Augenblick dachte sie noch an die Frau, die ihr am Tisch von Guy aufgefallen war und an seine Aussage, dass er alleine am Tisch gesessen hatte. Vielleicht war die Frau ja auch erst an den Tisch gekommen, als Guy sich schon auf den Weg machen wollte. Sie dachte nicht weiter darüber nach.
Marie-Julie nahm das Handy von Guy, das vor ihr auf dem Tisch lag und rief Martine an.
„Du hast ja nichts dagegen, wenn ich kurz dein Handy nehme?“
„Natürlich nicht!“
Marie-Julie wählte die Nummer von Martine und brachte ihr Anliegen vor.
„Kein Problem, ich bringe dir die kleinen Silberkugeln am Montag mit. Eigentlich wollte ich ja Montagmorgen meinen neuen Schrank aufbauen, aber Papa hat erst am Nachmittag Zeit. Er hat noch einen Termin am Vormittag.“
Marie-Julie ging nicht weiter darauf ein, bedankte sich bei Martine und legte auf.
Hatte Guy nicht gesagt, dass er zum Fischen gehen wollte? Das Fischen konnte er ja auch verschieben. Wieso sagte er Martine, dass er einen Termin hatte? Marie-Julie fiel die Frau erneut ein.
Sie nahm ihr Glas Wein in die Hand und wollte nicht weiter darüber nachdenken. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Guy ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte. Sie genossen den Wein und gingen dann zu Bett.
André Salaun stieg aus dem kleinen Lieferwagen, der zum Fuhrpark seiner Firma gehörte und ging geradewegs in sein Büro, das er sich neben dem Schuppen, in dem die Austern verpackt wurden, eingerichtet hatte. Er hatte soeben einen Auftrag von 450 Kisten Austern erhalten, ein sehr lukrativer Abschluss. Er schaltete seinen Computer ein und sah, dass er Bestellungen von insgesamt 230 Kisten für die nächsten Wochen hatte. Mit den 450 von heute würde er mindestens 680 Kisten Austern brauchen. Der Computer zeigte ihm auf, dass sein Bestand noch gerade für etwa 300 Kisten reichte.
André Salaun griff zum Telefon und wählte eine Nummer in Brest.
„Rostropovich“, meldete sich eine markante, männliche Stimme mit starkem, ausländischem Akzent.
„Salaun hier, Ivan, ich brauche bis morgen Abend 400 Kisten Austern, kannst du liefern?“
„Ivan kann immer liefern. Du brauchen etwa 250 Säcke. Groß, klein?“
„Ja, so ungefähr 250 Säcke, das wäre ausreichend. Ich brauche große Austern, sie müssen schon zum Verkauf geeignet sein.“
„Ich liefern Montagnachmittag, Treffpunkt wie immer. Bis dann.“ Ivan legte auf, und André Salaun war hoch zufrieden. Die Austern von Ivan erhielt er mindestens 50% unter seinem Verkaufspreis. Ivan hatte die deutlich billigeren Austern, von der nördlichen Atlantikküste der Bretagne. Er aber verkaufte nur die besten Austern der Region, die Austern vom Belon.
Die Belon Austern wurden zu einem ganz anderen Preis von den Restaurantbetrieben bei ihm gekauft. Diehuître plate,eine verhältnismäßig seltene und teure Spezialität, von Kennern gesucht und geschätzt, lieferte er genauso wie die sogenannten Pazifischen Felsenaustern.
Diehuître platewird, so gut wie immer, roh konsumiert. Da die Belon-Austern für ihr leicht nussiges Aroma berühmt sind und bei den Verbrauchern gut ankommen, sind sie auch gerne bereit gut dafür zu bezahlen.
Salaun war stolz darauf, dass seine Austernzucht zu einer der berühmtesten Austernzüchtereien derBretagne gehörte.
Nur hier am FlussBelon,südöstlich der StadtPont-Aven, genauer gesagt, in Riec-sur-Belon, mussten die Austern gewachsen sein, um diese Bezeichnung führen zu dürfen.
Aber die vier Kilometer von Riec-sur-Belon bis zur Mündung des Belon ins Meer reichen nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Daher haben die wenigen Züchter, die hier ihre Austern auf den sogenannten Tischen züchten, zu einem kleinen Kunstgriff gegriffen und sich darauf spezialisiert, die Austern aus den anderen bretonischen Gewässern zu veredeln. Die Austern werden dazu mit etwa drei Jahren angeliefert und dürfen dann hier reifen. Die Mischung aus Salz- und Süßwasser, die Ebbe und Flut hier regelmäßig vermengen und vermischen, verleiht den Austern ihren ganz speziellen Geschmack. Hier erhalten sie diesen Haselnussgeschmack, der bei den Kennern so geschätzt ist.
André Salaun besaß einen Abschnitt von etwas mehr als 400 Metern unten am Fluss. Wie auch die anderen Züchter, betrieb er die sogenannte Tischkultivierung, die nur an flachen Küsten und mit einer ausreichenden Gezeitenzone möglich war. Eisentische, in einer Höhe von etwa 50 cm, wurden im Flussbett aufgestellt. Auf diesen lagen dann die grobmaschigen Säcke, in denen die Austern heranwuchsen. Bei Flut wurden die Austern vom Wasser bedeckt und bei Ebbe lagen sie im Trockenen. Die Aufzucht auf Tischen verhinderte, dass die Austern einen schlammigen Geschmack annahmen und schützte die Tiere vor bodenlebenden Räubern. Die Säcke mussten in regelmäßigen Abständen gerüttelt und gewendet werden, damit die Austern nicht zusammenwuchsen. Auch der Algenbewuchs musste regelmäßig entfernt werden. Durch die ständige Pflege erhielten die Austern eine gut aussehende Schale. Bei Ebbe konnte man die Arbeiten trockenen Fußes erledigen.
Für die Austernzucht wurden große Flächen benötigt, und der Arbeitsaufwand war enorm. Dieser Aufwand musste bezahlt werden, was die Austern entsprechend verteuerte.
Bei Salaun mussten die Austern manchmal schneller reifen. Wenn er Engpässe hatte, wie zur Zeit gerade, dann blieben die Austern, die Ivan ihm lieferte, eben nur wenige Tage in dem Belon. Es war ihm durchaus bewusst, dass sie ihren besonderen Geschmack nicht so schnell annehmen konnten, wie es bei den Austern der Fall war, die ein ganzes Jahr lang im Fluss zubringen konnten. Aber da er diese Austern ins Landesinnere verkaufen würde kam es ihm nicht so darauf an. Er setzte darauf, dass die kleineren Restaurants sich nicht so gut auskannten und den fehlenden Nussgeschmack nicht bemerkten.
Es war Betrug, keine Frage, aber dieser kleine Betrug brachte ihm enorme Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern am Fluss. Während diese häufiger eine Nachfrage ablehnen mussten, war Salaun immer in der Lage zu liefern. Seine Kollegen fragten sich zwar, wie er das schaffen konnte, aber niemand hatte bis jetzt mitbekommen, dass er die Austern nur kurzfristig in den Fluss legte.
Unweit von seinen Tischen hatte er eine Halle errichtet. Darin stand ein großes Becken, gefüllt mit Wasser aus dem Belon. Das war sein Zwischenlager. Regelmäßig wurde das Wasser ausgewechselt. In dieses Becken legte er die Austern von Rostropovich und brachte sie erst bei einer nächtlichen Ebbe auf die Tische. Die anschlieβende Ernte konnte er dann ohne Weiteres bei Tag erledigen. Wer wusste schon, wie lange die Austern dort gelegen hatten.
Der Treffpunkt mit Ivan Rostropovich lag etwas nördlich von Quimper, in der Nähe von Guilvit. Auf dem dortigen Parkplatz, direkt an der Voie Express, konnte er die Austern, ohne aufzufallen, auf seinen LKW umladen. Wenn er eine neue Lieferung Austern bekam kam der große LKW zum Einsatz, ansonsten reichte der kleinere Lieferwagen.
André Salaun machte schon seit drei Jahren Geschäfte mit Ivan Rostropovich und wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte.
Während er auf der Voie Express von Pont Aven nach Guilvit fuhr, um Rostropovich zu treffen, dachte er an seine zukünftige Frau.
Sie hatten sich in Pont Aven, auf der Terrasse des Restaurants Le Moulin du Grand Poulguin, kennengelernt.
Ein Treffen mit einem Geschäftspartner hatte ihn nach Pont Aven geführt. Er war bereits im Begriff gewesen zu gehen, als diese schöne Frau eilig auf die Terrasse des Restaurants gelaufen kam. Ein junger Bursche versuchte sie festzuhalten und redete unentwegt auf sie ein. Sie riss sich von ihm los und sagte etwas wie ich habe eine Verabredung. Da die Tische wie an beinahe allen Tagen um die Mittagszeit, vollständig besetzt waren, kam die Frau auf seinen Tisch zu und fragte Salaun, ob er ihr helfen könne, diesen lästigen jungen Mann loszuwerden.
„Natürlich gerne“, hatte André Salaun gesagt und der Frau einen freien Stuhl angeboten. Er machte jetzt keine Anstalt mehr aufzubrechen, als der Kellner ihm die Rechnung brachte. Sie unterhielten sich ein wenig, und André stellte fest, dass er der Frau wohl auch sympathisch erschien.
Er fragte sie, ob es Sie nicht stören würde, wenn er noch etwas am Tisch bliebe und Ihr Gesellschaft leisten würde. Sie verneinte seine Frage und antwortete, dass es ihr sogar sehr recht wäre. Schließlich habe sie dem jungen Mann gesagt, dass sie eine Verabredung habe. André Salaun bestellte sich noch einen Kaffee und plauderte mit der Schönen, während sie eine Crêpe genoss.
Ihr Name war Patricia Faucon, sie kam aus Nantes und arbeitete dort als Sekretärin. Sie war jetzt für ein oder zwei Wochen in Pont Aven und verbrachte hier ihren Urlaub. Sie plauderten noch fast eine Stunde und verabredet sich dann für den Abend.
André Salaun führte Patricia Faucon in die Moulin de Rosmadec, dem besten Restaurant von Pont Aven.
André Salaun hatte sich bis über beide Ohren in Patricia verliebt. Ähnlich war es auch Patricia ergangen. Auch sie schien sich unsterblich in den Austernzüchter verliebt zu haben.
Nach der ersten gemeinsamen Nacht konnte er sie überzeugen, auch weiterhin bei ihm zu bleiben. Das Hotelzimmer stornierte sie und zog bei ihm ein. André schwebte im siebten Himmel, und Patricia entpuppte sich als seine ideale Ergänzung.
Nach 14 Tagen hatte er sie überzeugt, dass sie ihre Stelle in Nantes aufgeben und mit ihm zusammenleben sollte. Von da an erledigte sie für ihn die gesamte Büroarbeit und war schon nach wenigen Wochen unentbehrlich.
Und wenn André nach Hause kam, hatte sie bereits einen kleinen Aperitif vorbereitet und ein gutes Essen gekocht.
Ihre Nächte waren kurz, sie liebten sich lange und ausgiebig. Patricia war für André ein Geschenk des Himmels.
Als er Patricia einige Wochen später fragte, ob sie ihn heiraten würde, wich sie einer sofortigen Antwort etwas aus.
„Ich bin noch nicht so weit, um mich endgültig zu binden, André, gib mir bitte noch etwas Zeit“, war ihre Antwort.
Heute, am frühen Morgen, kurz bevor er sich auf den Weg machen wollte, um die Austern von Rostropovich abzuholen, hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn heiraten wolle. Sie müsse aber noch ein altes Problem lösen, und dann wäre sie endgültig frei für ihn. André war überglücklich, fragte sie nach dem Problem, und ob er ihr bei der Lösung helfen könnte.
„Da muss ich schon alleine durch, André, dein Angebot ist ganz lieb, aber ich möchte dich nicht mit hineinziehen.“
André Salaun war danach weggefahren und hatte Patricia alleine gelassen.
Als er sich dem Parkplatz von Guilvit näherte sah er bereits den großen Kühllaster von Rostropovich auf dem Platz stehen. Rostropovich hatte die hintere Hebebühne heruntergelassen und die Türen geöffnet. Salaun fuhr mit seinem LKW zu dem Lastwagen, wendete seinen Wagen und fuhr rückwärts an das Fahrzeug seines Lieferanten heran. Rostropovich wies ihn mit Handzeichen ein, so dass sein Lastwagen unmittelbar vor der Hebebühne zum Stehen kam.
André Salaun stieg aus und begrüßte seinen Lieferanten.
„Bonjour Ivan, wie geht es dir?“
„Immer gut, mein Freund, immer gut.“
Dann ließ auch André seine Hebebühne herab, bis sie auf der anderen auflag. Er stieg hinauf und schob die Rolltür seines LKW hoch. Auf diese Art und Weise konnten sie mit dem Hubwagen die Austernpaletten über die so entstandene Verbindung fahren. Schon nach einer viertel Stunde war alles erledigt, und Salaun konnte sich auf den Weg nach Riec-sur-Belon machen.
Als Guy de Moros an diesem Montagmorgen aufstand, war er in allerbester Laune. Marie-Julie war leicht irritiert, sie kannte ihren Morgenmuffel und hatte ihn, in den letzten dreißig Jahren, nur sehr selten und schon gar nicht am frühen Morgen, in einer solchen Stimmung erlebt.
„Das Fischen scheint dir eine große Vorfreute zu bereiten“, meinte sie, als er in die Küche kam und sich an den Frühstückstisch setzte.
„Jawohl, meine Liebe. Ich freue mich schon seit Tagen darauf.“
„Du kannst doch jederzeit zum Fischen hinausfahren. Ich habe eher den Eindruck, dass es dir in den letzten Jahren nicht mehr so zugesagt hat.“
„Ich muss einfach eine kleine Pause beim Schreiben einlegen, und da ist das Fischen genau die richtige Ablenkung. Wann kommst du heute zurück von der Boutique?“
Guy sah seine Frau an, die sich eine zweite Tasse Kaffee bereitete.
„Komische Frage! So wie immer, ich schätze, dass ich so gegen 20 Uhr wieder zurück bin, wie an jedem Tag.“
„Ich möchte nur rechtzeitig zuhause sein und dich nicht mit dem Aperitif warten lassen, so wie vorgestern.“
Guy sah seine Frau liebevoll an und versuchte unauffällig zu wirken. Nach dem kurzen Frühstück machten sie sich beide fertig. Marie-Julie stieg in ihre A Klasse und machte sich auf den Weg nach Quimper, und Guy holte seine Angel aus der Garage und brachte sie zum Boot. Er konnte seine Frau noch sehen und winkte ihr nach, als sie das Grundstück verließ.
Dann ging er wieder zum Haus zurück, sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es an der Zeit war, ins Hotel Domaine du Dourdy zu fahren und Claudine Lebrun abzuholen.
Als Guy de Moros vor dem Hotel eintraf, stand Claudine bereits auf der Treppe des Hotels und wartete auf ihn. Guy hielt an und öffnete die Wagentür, ohne auszusteigen.
„Steigen Sie ein!“, rief er Claudine entgegen.
„Guten Morgen, Monsieur de Moros, Sie scheinen bester Laune zu sein.“ Claudine Lebrun sah ihn mit einem bezaubernden Lächeln an und bestieg den offenen Sportwagen. Nobel, nobel dachte sie sich, als sie in den Mercedes SLK einstieg.
Die Fahrt bis zu seinem Haus dauerte nur wenige Minuten. Sie stiegen aus, und Guy de Moros führte seine neue Bekanntschaft, die mit einer Jeans und einer weißen Bluse bekleidet war, zu seinem Boot an der Anlegestelle unterhalb seines Grundstückes.
„Wir müssen uns beeilen, das Wasser ist bereits auf dem Weg zurück. In einer halben Stunde sind wir hier auf dem Trockenen.“
„Ich vergesse immer, dass man sich nach den Gezeiten richten muss, wenn man aufs Meer hinausfahren will“, antwortete Claudine.
„Wir müssen für den Rückweg auch wieder auf die Flut warten, ich habe ausgerechnet, dass wir so gegen 15 Uhr wieder zurück sein werden.“ Guy war inzwischen auf sein Boot gestiegen und reichte Claudine die Hand.
„Wow, was für ein tolles Boot!“ Claudine war tief beeindruckt von der Yacht, die Guy de Moros hier liegen hatte.
„Es ist ein schönes Schiff, da stimme ich Ihnen zu. Es ist eine Azimut 40, die ich gebraucht gekauft habe.“
„Das sieht man dem Schiff nicht an, es sieht aus, als ob es gerade erst aus der Werft gekommen wäre. So ein Schiff kostet bestimmt ein Vermögen?“
„Nun, geschenkt bekommt man es nicht. Der Preis ist in der Tat etwas erhöht.“ Guy beließ es bei dieser Bemerkung und machte das Boot startklar. Er nahm die Achterleine und streifte sie über den Poller, ging dann an den Bug und nahm die Bugleine vom Poller. Das Boot wurde vom Wasser leicht bewegt. Guy startete den Motor, und die Yacht fuhr rückwärts, von der Anlegestelle hinaus, aufs offene Meer. Als sie das tiefere Wasser erreicht hatten, schaltete er auf vorwärts, gab Gas und steuerte in einem großen Bogen aufs offene Meer hinaus.
Marie-Julie war bereits einige Kilometer gefahren, als ihr einfiel, dass sie ihre Handtasche vergessen hatte. Sie wendete und fuhr sofort zurück. Als sie eintraf, stand die Garage offen, und der SLK von Guy war weg.
Seltsam, dachte sie, er wollte doch zum Fischen. Sie betrat das Haus und holte ihre Handtasche aus dem Schlafzimmer. Beim Verlassen des Hauses warf sie einen kurzen Blick in den Garten, hinab zur Anlegestelle. Die Motoryacht von Guy lag noch immer dort.
„Er wird mal wieder vergessen haben, sich einige Köder zu besorgen“, dachte sie, als sie erneut nach Quimper fuhr. Kurz vor der Rue Camélias kam ihr auf der Gegenfahrbahn ein Mercedes SLK entgegen. Sie konnte nicht genau sehen, wer sich in dem Wagen befand, erkannte aber, neben dem Fahrer eine Frau. War das das Auto ihres Mannes? Aber eine Frau auf dem Beifahrersitz, das war doch eher unwahrscheinlich. Sie beschloss, dass es Guy nicht gewesen sein konnte, fuhr weiter nach Quimper und dachte nicht mehr darüber nach.
Als André Salaun in Riec-sur-Belon eintraf, stellte er seinen LKW vor der Halle mit dem Wasserbecken ab. Er ließ die Hubplattform herunter und öffnete das Rolltor am Wagen. Aus der Garage holte er sich seinen Hubwagen und fuhr auf die Plattform. Das Entladen der Austern würde ihn höchstens zwanzig Minuten lang beschäftigen. Das Einbringen der Säcke in das Bassin würde auch nicht mehr Zeit beanspruchen. Er hatte sich über dem Bassin eine elektrische Hebevorrichtung anbringen lassen, mit der er bis zu fünfhundert Kilo anheben konnte. Damit war es einfach, die Austern ins Wasser zu bringen. Er musste jetzt nicht erst Sack für Sack hineinheben, er konnte immer gleich eine ganze Palette hineinbefördern. Er schob die Krangabel unter die Palette und befestigte die Kette der Hebevorrichtung daran. Dann hob er die Palette an, beförderte sie und ließ sie in das Becken gleiten. Nach einer guten halben Stunde waren die Austern alle im Becken. Wenn er den Tidekalender richtig im Kopf hatte, dann würde er in drei Tagen die Austern in den Belon bringen können. Die Auslieferung an seinen Kunden sollte in der übernächsten Woche stattfinden.
Claudine genoss die Fahrt aufs Meer hinaus. Der starke Wind wehte ihre langen, braunen Haare nach hinten und trieb ihr Tränen in die Augen. Dennoch blieb sie hier im Fahrtwind stehen und sah auf die langsamen Segelyachten, an der die schnelle Motoryacht vorbeifuhr. Nachdem sie ungefähr eine viertel Stunde lang im Wind gestanden hatte stieg sie zu Guy hinauf. Der Führerstand war durch eine Scheibe geschützt, hier stand man deutlich wärmer.
„Wo fahren wir denn hin?“, fragte Claudine Lebrun.
„Wir sind gerade dabei, an Guilvinec vorbeizufahren und werden in Kürze Penmarch erreichen.“
„Für mich sind das alles Spanische Dörfer. Ich weiß nicht einmal, wo Guilvinec überhaupt liegt, geschweige denn Penmarch.“
„Wir fahren, ganz grob gesagt, in Richtung Brest. Aber mein Ziel ist die Gegend südlich von Audierne. Dort gibt es sehr schöne, lange Sandstrände. Es ist ein wunderbares Gebiet zum Strandsegeln. Aber wir wollen ja nur ein wenig schwimmen und vielleicht sogar angeln. Auf dem Rückweg fahren wir an der Torche vorbei, ich mag den Strand und die Landschaft. Vom Schiff aus finde ich es am Schönsten.“ Guy de Moros sah Claudine Lebrun an.
„Kann man einfach so an den Strand fahren und dort schwimmen?“
„Nein, natürlich nicht. Wir brauchen schon noch etwas Wasser unter dem Boot. Wir werden natürlich im Meer unseren Anker werfen und draußen schwimmen. Da sind wir auch völlig ungestört.“
Die Yacht von Guy de Moros brachte es auf eine Geschwindigkeit von beinahe 31 Knoten. Sein Ziel lag etwa eine Stunde Fahrzeit entfernt. Als sie auf der Höhe von Palue de Gourinet waren, mit einem Abstand von bestimmt noch drei Kilometern zum Ufer, stellte Guy de Moros den Motor ab und ging nach vorne zum Bug der Yacht und ließ den Anker ins Wasser.
„So, jetzt können wir die Sonne und das Wasser genießen. Wenn man mit hoher Geschwindigkeit über das Wasser fährt wird es einem richtig kalt. Ich brauche dann immer wieder eine Aufwärmphase.“
„Wie wärmen Sie sich dann?“, fragte Claudine und sah Guy mit leuchtenden Augen an.
Guy de Moros stieg hinab zum hinteren Sonnendeck der Yacht und holte sich aus der Kabine ein großes Handtuch. Dann zog er sich seine Yachtschuhe aus und ließ die Hose fallen. Das T-Shirt zog er sich über den Kopf. Guy trug unter seiner Leinenhose bereits seine Badehose, so dass er nun mit seinem braungebrannten Körper vor Claudine stand, das Badetuch legte er auf die Liegefläche und sah zu Claudine auf.
„Genau so wärme ich mich auf. Wollen Sie sich nicht auch etwas aufwärmen. Ich habe Ihnen ja gesagt, sie sollen sich einen Badeanzug mitbringen.
Claudine sah Guy lange an. Dann begann sie, sich langsam auszuziehen. Guy sah, wie sie sich ihr Kleid von der Schulter streifte, und dass sie keinen Badeanzug darunter trug. Claudine stand nun mit einem BH und ihrem String vor ihm. Dann öffnete sie den BH und ließ ihn einfach fallen.
Guy sah ihre nackten Brüste, die, wie der restliche Körper auch, braun gebrannt waren. Claudine legte sich zu Guy auf die Liege und berührte mit ihrem Körper den seinen. Als sie ihm einen Kuss auf die Lippen gab, hatte Guy den Eindruck, noch nie mit einer anderen Frau hier gelegen zu haben. Sie liebten sich intensiv, und Claudine musste feststellen, dass Guy de Moros ein extrem guter Liebhaber war.
„Falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest, ich heiße Claudine!“, sagte sie zu Guy. Bis vor einer halben Stunde hatten sie sich noch mit einem förmlichen Sie angesprochen.
Guy antwortete nicht, sondern nahm ihren Kopf in seine Hand und küsste sie leidenschaftlich.
„Ich muss dich wiedersehen!“, sagte er zu Claudine. Ich hoffe, dass du noch eine Weile in Loctudy bleibst.“
„Mein Urlaub hat gerade erst begonnen.“ Claudine stand auf, drehte sich um und sprang in das kühle Wasser. Auch Guy sprang ins Wasser und schwamm Claudine nach. Ihre Körper bedurften einer Abkühlung.
Die Zeit verging sehr rasch. Guy hatte einen Picknickkorb vorbereitet und eine Flasche Champagner in den Kühlschrank der Yacht gelegt. Die Flasche öffnete er, nachdem sie aus dem Wasser kamen und sich abgetrocknet hatten. Auf den Tisch in der Kabine stellte er Teller und die mitgebrachten Delikatessen, dann bat er Claudine herein und reichte ihr ein Glas Champagner.
„Auf dich!“, sagte er, als er ihr zuprostete.
„Danke für diesen wunderschönen Tag!“, antwortete Claudine und nippte an dem Glas.
Es war so gegen 14 Uhr, als Guy sich wieder anzog und zu Claudine sagte, dass sie sich leider wieder auf den Rückweg machen müssen.
„Wenn wir noch an Land kommen wollen, müssen wir kurz nach drei am Anleger sein.“
Als sie das Boot kurz nach 15 Uhr verließen und zu Guys Auto gingen, gab er Claudine seine Visitenkarte.
„Du kannst mich morgen anrufen, dann hole ich dich wieder ab, und wir unternehmen etwas zusammen, einverstanden?“
Claudine sah Guy mit einem zustimmenden Lächeln an.
„Ich freue mich!“, sagte sie, nahm seine Visitenkarte und steckte sie in ihr Portemonnaie.
Sie stiegen in sein Auto, und Guy fuhr zu ihrem Hotel, der Domaine du Dourdy.
„Du kannst mich gleich hier an der Einfahrt aussteigen lassen, Guy, ich muss noch etwas zu Fuß gehen, um nicht sofort wieder die Luft eines abgeschlossenen Raumes atmen zu müssen, nach dieser herrlichen Fahrt übers Meer.“
Guy hielt vor der Einfahrt zur Domaine an und ließ Claudine aussteigen. Sie verabschiedete sich mit einem zarten Kuss auf seine Wange, dann verließ sie ihn.
Guy de Moros wendete seinen Wagen und fuhr jetzt nach Quimper, um seiner Tochter bei dem Aufbau ihres Schrankes zu helfen.
Marie-Julie kam kurz nach 20 Uhr aus Quimper zurück. Als sie in den Hof der Villa fuhr fiel ihr auf, dass der Mercedes ihres Mannes noch vor der Garage stand und dass das Verdeck des Wagens geöffnet war. Da fiel ihr die morgendliche Begegnung wieder ein. Marie-Julie stieg aus, nahm die Handtasche vom Beifahrersitz und ging zur Haustür.
Noch bevor sie aufschließen konnte, öffnete Guy ihr die Türe und begrüßte sie mit einem Kuss.
„Ich habe einen herrlichen Tag auf dem Meer verbracht, habe aber leider nichts gefangen. Die Fische haben meine Angel heute nicht gemocht!“
„Guten Abend, Schatz, du hast nichts gefangen? Vielleicht hast du die falschen Köder gekauft? Ich habe dich auf der D2 gesehen.“
„Du hast mich gesehen? Aber ich bin doch gar nicht weggefahren. Ich bin doch sofort aufs Boot gegangen.“ Guy fühlte sich unsicher und wusste nicht, was Marie-Julie gesehen hatte. Sie konnte doch nicht gesehen haben, dass er Claudine abgeholt hatte, da war sie doch schon längst auf dem Weg nach Quimper gewesen.
„Ich hatte meine Handtasche vergessen und musste nochmals zurückkommen. Das Boot lag noch an der Anlegestelle, und dein Wagen war nicht da. Auf der D2, vor dem Rond Point, kam mir dann ein SLK entgegen, und ich hatte das Gefühl, dich darin gesehen zu haben. Allerdings war noch eine Frau in deiner Begleitung.“
„Da musst du dich getäuscht haben. Ich habe nur schnell beim Carrefour getankt, und eine Frau hat mich auch nicht begleitet. Danach bin ich aufs Boot gegangen und bis kurz vor Audierne gefahren.“
Marie-Julie beließ es dabei, es gab für sie keinen Grund Guy zu misstrauen.
Es war kurz vor 17 Uhr, als Patricia Faucon, mit ihrem kleinen Renault Clio, vor das Haus von André Salaun fuhr und ausstieg.
„Hallo André, du bist schon zuhause?“
„Ja, mein Schatz, ich war erstaunt, dich nicht anzutreffen als ich nach Hause kam.“
„Ich war in Quimper und habe ein wenig die Auslagen der Geschäfte angesehen. Von Zeit zu Zeit muss ich einfach etwas anderes sehen.“
„Aber selbstverständlich. Ich bin ja so froh, dass du dich endlich zu einer Heirat durchgerungen hast. Du hast von einem alten Problem gesprochen am Morgen, das du noch klären müsstest, hast du es schon klären können, um was handelt es sich denn?“
„Ach, das ist nicht so einfach, André, ich weiß nicht richtig, wie ich es dir sagen soll. Ich habe ein größeres Problem in Nantes. Ich kann dir im Augenblick nicht im Einzelnen sagen worum es geht, nur so viel, dass ich einem Kredithai die Summe von 180.000 Euro zurückbezahlen muss, ansonsten sorgt er dafür, dass ich ins Gefängnis komme.“
„Was sollst du zurückbezahlen? 180.000 Euro? Wofür?“
„Das ist eine lange Geschichte, aber er hat ein Gerichtsverfahren angestrebt, und ich weiß seit vorgestern, dass er das Verfahren gewonnen hat. Mir bleiben jetzt nur noch wenige Tage, bevor ich verhaftet werden soll. Aber ich habe das Geld nicht.“
André Salaun sah Patricia liebevoll an. Sie war für ihn absolut die richtige Frau, das stand fest, und damit war sein Entschluss auch sehr schnell gefasst.
„Ich gebe dir das Geld, aber wir werden den Prozess erneut aufrollen. Ich habe einen guten Anwalt.“
„Nein, ich kann das Geld von dir nicht annehmen, ich kann es dir ja nicht wieder zurückerstatten. Außerdem möchte ich unsere Ehe nicht mit einem solchen Problem beginnen.“ Patricia Faucon sah André in die Augen.
„Doch, du kannst das Geld von mir annehmen. Wir werden uns dadurch nicht ruinieren.“
André Salaun erklärte ihr, dass er das Geld, sofort am nächsten Morgen, an diesen Herrn überweisen würde.
„Das Geld muss ich ihm bar übergeben, ich habe keine Kontonummer von ihm.“
„Das ist zwar seltsam, aber dann gebe ich dir das Geld eben in bar.“
„Bist du wirklich sicher, dass du mir helfen möchtest? Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen.“
„Aber natürlich, mein Schatz, ich möchte, dass du meine Frau wirst und dass du glücklich werden kannst mit mir.“ André sah Patricia an und streichelte ihr zart übers Haar.
Als André das Zimmer verlassen hatte, hellte sich ihr Gesicht auf, und die düsteren Wolken schienen vorübergezogen zu sein.
André Salaun telefonierte umgehend mit der Crédit Agricole in Riec-sur-Belon und bat um die Bereitstellung von 180.000 Euro für den nächsten Tag. In den kleinen Filialen waren die Bestände an Bargeld nicht so hoch. Das Geld musste in der Regel ein paar Tage im Voraus bestellt werden. Für André Salaun wurde eine Ausnahme gemacht, und das Geld wurde für den nächsten Morgen bereitgestellt.
Am nächsten Morgen fuhr André sofort zu seiner Bank, die keinen Kilometer von seinem Haus entfernt lag, und ließ sich den Betrag auszahlen. Es gab keinerlei Probleme.
André fuhr zurück und gab das Geld seiner zukünftigen Frau.
Patricia strahlte über das ganze Gesicht und umarmte ihn herzlichst. Dann sagte sie ihm, dass sie sich sofort auf den Weg machen und ihre Schulden begleichen würde. Als André anbot, sie zu begleiten meinte sie nur, dass sie das alleine erledigen müsse.
Ich habe mir ein paar Kleinigkeiten eingepackt. Vielleicht bleibe ich bei meinen Eltern für eine Nacht, aber es ist nicht sicher.
Ohne Argwohn ließ André seine zukünftige Frau fahren.
Guy de Moros war wie an jedem Tag gemeinsam mit seiner Frau aufgestanden. Marie-Julie war wie gewöhnlich nach dem Frühstück in die Boutique gefahren. Guy hatte sich danach mit einer Tasse Kaffee in den Garten unter die große Kastanie gesetzt und angefangen zu schreiben. Die Worte schienen ihm zuzufliegen, und die Seiten füllten sich wie von Zauberhand. Claudine Lebrun war ubiquitär in seinen Gedanken, wo er auch hinsah, ständig tauchte sie vor seinem Auge auf.
Mehrfach schon hatte er auf die Uhr gesehen und auf einen Anruf von ihr gewartet. Sie hatte sich noch nicht gemeldet. Guy wollte nicht aufdringlich erscheinen und entschied sich, nicht im Hotel anzurufen, sondern auf ihren Anruf zu warten. Wenn sie sich nicht bis zum Mittag meldete, dann würde er im Hotel anrufen und sich mit Claudine Lebrun verbinden lassen. Er war schon kurz davor, die Nummer des Hotels zu wählen, als sein Telefon klingelte.
„De Moros“, meldete er sich.
„Hallo Guy, hier ist Claudine, störe ich?“