Biografie Wolfgang Amadeus Mozarts - Georg Nikolaus von Nissen - E-Book

Biografie Wolfgang Amadeus Mozarts E-Book

Georg Nikolaus von Nissen

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Beschreibung

Zwischen 1820 und 1824 bereiste das Ehepaar Deutschland und Italien und ließ sich im August 1824 in Salzburg nieder. Hier begann Nissen gemeinsam mit seiner Ehefrau die Arbeit zu einer der ersten Biographien über Wolfgang Amadeus Mozart. Dabei war Nissen um eine neutrale Sichtweise bemüht. Er unternahm erstmals den Versuch, all das über Mozart Geschriebene zu dokumentieren und aus der überkommenen Korrespondenz der Familie Mozart eine getreue Lebensbeschreibung zu liefern. Allerdings hatte Konstanze zahlreiche Briefe Leopold Mozarts, der zeitlebens gegen die Verbindung seines Sohnes mit Konstanze Weber war, vernichtet. Nissen musste seine Arbeit unvollendet lassen, er starb 1826. (aus wikipedia.de) Diese Edition umfasst die eigentliche Biografie, sowie den Anhang. Inhalt: Die Vier und Zwanzig ersten Jahre von Mozarts Leben. Iste Reise des Vaters mit dem Sohne und der Tochter nach München. IIte Reise des Vaters mit den beyden Kindern nach Wien. IIIte Reise ausser Deutschland nach Paris, London, Holland, oder die erste grosse Reise genannt. IVte Reise, mit Sohn und Tochter nach Wien, Vte Reise des Vaters mit dem Sohne nach Italien, Sechste Reise. Siebente Reise. Achte Reise. Neunte Reise. Zehnte Reise. Mozart als Künstler und Mensch. Anmerkung. Anhang zu Wolfgang Amadeus Mozart's Biographie Mozart's hinterlassene Werke. Mozart und die Eigenthümlichkeit seiner Werke. Das Grosse der Kunst. Mozart's Opern überhaupt.

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Biographie W.A. Mozarts

Georg Nikolaus von Nissen

Inhalt:

Georg Nikolaus von Nissen – Lexikalische Biografie

Biographie W.A. Mozarts

Vorwort.

Vorrede des Verfassers.

Die Vier und Zwanzig ersten Jahre von Mozarts Leben.

Iste Reise des Vaters mit dem Sohne und der Tochter nach München.

IIte Reise des Vaters mit den beyden Kindern nach Wien.

IIIte Reise ausser Deutschland nach Paris, London, Holland, oder die erste grosse Reise genannt.

IVte Reise, mit Sohn und Tochter nach Wien,

Vte Reise des Vaters mit dem Sohne nach Italien,

Sechste Reise.

Siebente Reise.

Achte Reise.

Neunte Reise.

Zehnte Reise.

Mozart als Künstler und Mensch.

Anmerkung.

Anhang zu Wolfgang Amadeus Mozart's Biographie

Bildanhang

Biographie W. A. Mozarts, G. N. von Nissen

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Freesurf - Fotolia.com

Georg Nikolaus von Nissen – Lexikalische Biografie

Geboren in der Stadt Hadersleben am 22. Januar 1761 als Sohn eines Kaufmanns, die Mutter gehörte dem bekannten Geschlecht der Zoegas an. Nachdem er seine juristischen Studien absolvirt, erhielt er 1781 Anstellung als Bevollmächtigter im Generalpostamt in Kopenhagen, trat aber später in die diplomatische Karriere ein. 1791 ward er Legationssekretär bei dem deutschen Reichstage, 1793 bei der dänischen Gesandtschaft in Wien. 1802 erhielt er den Titel Legationsrath, 1805Chargé d'affairesdaselbst, 1810 königl. dänischer wirklicher Etatsrat. In diesem Jahre ward er nach Kopenhagen zurückberufen und ihm das Amt eines Zensors übertragen. 1820 ward er emeritiert und kehrte dann nach Österreich zurück, wo er in den Adelsstand erhoben ward und am 24. März 1826 in Salzburg verstorben ist. Er war verheiratet mit der Witwe Mozarts, Constanze, geb. Weber, die ihn überlebte. Durch seine Heirat in den Besitz der Mozartschen Familienpapiere gekommen, verfasste er eine ausführliche Biographie seines Vorgängers in der Ehe, die jedoch erst nach seinem Tode von seiner Witwe herausgegeben worden ist. Dieselbe erschien unter dem Titel: „Biographie W. A. Mozarts. Nach Originalbriefen, Sammlungen alles über ihn Geschriebenen mit vielen neuen Beilagen, Steindrucken, Musikblättern und einem Faksimile. Von G. N. von Nissen. Nach dessen Tode herausgegeben von Constanze Witwe von Nissen, früher Witwe Mozart. Mit einem Vorwort vonDr.Feuerstein in Pirna“, Leipzig 1828, Breitkopf und Härtel und „Anhang zu Wolfgang Amadeus Mozarts Biographie. Nach Originalbriefen etc.“, 1828. Eine zweite wohlfeile Ausgabe 1848 mit 8 Steintfl. und 180 Notenbeilagen in gr. 4. – Von ihm sind auch sonst gedruckt in Zeitschriften deutsche, und dänische Gedichte und ein Schauspiel „Arist“ in dänischer Sprache.

Biographie W.A. Mozarts

Vorwort.

Es ist wohl eine unwiderlegbare Behauptung, dass W.A. Mozart das grösste musikalische Genie nicht allein seines Zeitalters war, sondern dass er es auch höchstwahrscheinlich für alle künftigen Zeitalter bleiben wird.

Die Welt freuet sich daher mit Recht über ein so seltenes Geschenk der Natur und dankt es auf gleiche Weise der Vorsehung, die ihr Sinn für solch eine, allen Nationen verständliche Sprache gegeben hat.

Nicht weniger wird aber auch wohl jeder Freund der Musen, so wie jede edle Menschenbrust mit Trauer über das allzufrühe Dahinscheiden dieses grossen Meisters erfüllt, und spricht sich selbst nur damit einigen Trost, dass nach Erfahrungen früh entwickelte Blumen auch früher dahin welken, wie eben Mozart sich sehr früh zum unerreichbaren Koloss seines Faches hinaufschwang, und – kaum würdig erkannt, ging er wieder seiner Heimath zu.

Ihm bleibt sein Andenken; er war das Wunder seiner Zeit, und wird es aller der nachfolgenden bleiben, und so lange man seine genialen Schöpfungen zu empfinden fähig ist, wird der Quell seiner Verehrung und seines Ruhmes nicht versiegen.

Der Verfasser des Vorwortes zur nachstehenden Biographie kann dabey einem eigenen wehmüthigen Gefühle nicht widerstehen, und indem er gewiss mit Recht sein Zeitalter mit jenem des grossen Geistes vertauscht wünscht, glaubt er sich mehr als des vortheilhaften Tausches gewiss.

Die Völker fast aller Zeiten haben uns schon gezeigt, auf welche, wenn auch verschieden rühmliche Weise sie sich bemühten, das Andenken der Berühmten und Ausgezeichneten aus ihrer Mitte auf die Nachwelt zu bringen; und indem ein Gleiches bereits von unserm Mozart und auch anderen berühmten Tonkünstlern – abgerechnet, dass sie sich die bleibendsten Denkmale in ihren Werken selbst aufstellten – den Nachkommen niedergelegt ist, folgten wir ihrem rühmlichen Muster.

So viel aber auch mehr oder weniger ausführliche Biographieen von Mozart erschienen seyn mochten, so war sich der den Seinigen und auch mir zu früh verstorbene Freund Nissen, obschon seinem Charakter gemäss bescheiden und ganz anspruchslos, doch und sicher nicht mit Unbill bewusst, wie sehr willkommen der Welt seine neue Bearbeitung der vorliegenden Biographie seyn könne; daher möge dieser besonnen und mit so grosser Vorliebe gewundene Kranz im Tempel der Musen seinen wohlverdienten Platz einnehmen, um so mehr, als der Geber die Blümchen dazu so lange und mit solcher Liebe pflegte.

Da ich längere Zeit mit Nissen und mit dem Plane der beabsichtigten Biographie bekannt war und weiss, wie ihn nur Liebe zur Kunst und Verehrung der Manen des grössten musikalischen Meisters zu seinem so rühmlichen Unternehmen trieb, er also nur mit inniger Wärme eifrig und rasch arbeitete, mit welcher Anstrengung, selbst nicht ohne grossen Aufwand er seit mehren Jahren sammelte, vorzüglich in der letzten Zeit seines Lebens, wo er sich von seinen sonstigen Geschäften für den König von Dänemark mehr zurückgezogen hatte, um dem Werke selbst die möglichste Vollständigkeit zu geben; ferner, wie er eine so sichere Quelle an seiner Gemahlin hatte, und da mit ausserordentlicher Sorgfalt alles Benutzenswerthe gewissenhaft anbrachte und ordnete; da es wahr ist, wie zärtlich er um seine Gattin besorgt war und wie so sehr edel er sich an seinen Kindern bewiess, wovon die Welt schon weiss, was er an ihnen that, und wie er sich überhaupt als Mensch in seinem ganzen Leben von keiner andern als edlen und grossen Seite kund that, und so auch mit dem Bewusstseyn, nichts als Gutes gestiftet zu haben, aus der Welt gehen konnte, über welche seine Handlungen ihm sein König von Dänemark (wie er ihn selbst zu nennen pflegte und dem er so gern und treu diente) die kräftigsten Beweise wiederholt zu geben geruhte, und so vieles Andere, was Alles uns auf den bedeutenden Gewinn seiner mehrjährigen Arbeit rechnen lässt; – so bin ich sehr bereit, diesen Beweis seines biedern Charakters zu unterschreiben, und ich kann dabey nur noch wünschen, dass das Werk selbst ihm dieses Zeugniss nicht versagen wolle.

Ob durch Nissen's Tod (denn er starb über seiner Arbeit am 24sten März 1826) noch mancherley Unbekanntes von und über Mozart unbekannt bleiben wird, weiss ich nicht; nur das, und zwar mit grossem Bedauern, kann ich bestätigen, dass er, nach Siebigke's Vorschlag, noch ein besonderes Capitel der allmähligen Ausbildung Mozart's und dem stufenweisen Gange seines Genie's gewidmet hatte, in so fern sie sich aus der Kritik einer chronologischen Sammlung seiner früheren und frühesten Werke erkennen lassen, was nun aber einem mit Mozart's sämmtlichen Werken ganz Vertrauten überlassen bleiben muss.

Sollte ich die geistige Seite Nissens nur einigermaassen treffend angedeutet haben, so ist mein Zweck schon vollkommen erreicht.

Pirna a.d. Elbe, im July 1828.

D. Feuerstein.

Vorrede des Verfassers.

Schon am 10ten November 1767 schrieb der Vater Leopold Mozart, welcher voraus sah, dass sein Sohn ein grosser Mann werden würde, einem Freunde, dass er die Lebensgeschichte seines Sohnes seiner Zeit in den Druck geben werde. Er muss aber von diesem Entschlüsse abgekommen seyn, denn nach seinem Tode ist davon keine Zeile aufgefunden worden. Indessen hat man es diesem Entschlusse zu danken, dass er sehr häufig der Frau und Tochter empfahl, alle Briefe, die er ihnen auf Reisen mit dem Sohne schrieb, sorgfältig aufzubewahren. Und auf diese Art haben sich nach ihm wohlverwahrt folgende Sammlungen gefunden:

1) Des Vaters Briefe von der Reise mit seiner ganzen Familie nach Wien, angetreten den 18ten September 1762 und geendigt im Januar 1763. Diese Briefe sind an den Kaufmann Hagenauer, seinen Freund und Hausherrn, der sie behalten hat, gerichtet.

2) Des Vaters Briefe an denselben, von der grossen ausländischen Reise mit seiner ganzen Familie, angetreten den 9ten Juny 1763 und geendigt im November 1766.

3) Des Vaters Briefe an denselben, von der zweyten grossen Reise nach Wien mit der ganzen Familie; angetreten den 11ten September 1767 und geendigt im December 1768.

Wären diese Briefe an einen Gelehrten oder an einen Musikverständigen geschrieben gewesen, so hätte der Briefwechsel ihnen sicher mehr Interesse gegeben, als sie enthalten.

Ich habe aus diesen Briefen die biographischen Nachrichten herausgezogen, um damit die gedruckte Lebensbeschreibung zu ergänzen. Manches kömmt darin von Statistik und den Sitten an besonders geistlichen Höfen vor. Ich habe nur einige Proben der Denkart, besonders der religiösen stehen lassen, die bey dem Vater Mozart's zur Bildung des Sohnes ihre Merkwürdigkeit haben.

Nun folgen Briefe von grösserm Interesse, denn die Frau konnte mehr Antheil nehmen, als Hagenauer.

4) Briefe des Vaters an die Frau und Briefchen von W.A. Mozart an Mutter und Schwester auf der ersten italienischen Reise mit dem Sohne, angetreten den 12ten December 1769 bis März 1771.

5) Briefe des Vaters an die Frau auf der zweyten italienischen Reise vom 13ten August 1771 bis 13ten December 1771.

6) Briefe des Vaters auf der dritten italienischen Reise vom 24sten October 1772 bis 13ten März 1775.

7) Briefe des Vaters an die Frau, auf der Reise nach Wien mit dem Sohne, vom Julius 1773 bis 22sten September 1773.

8) Briefe des Vaters an die Frau, auf der Reise nach München mit dem Sohne, vom December 1774 bis 7ten März 1775.

Von jetzt beginnt ein höheres Interesse der Briefe – Mann an Mann.

9) W.A. Mozart's Briefe an seinen Vater und die der Mutter an ihren Mann, auf der Reise nach Paris mit der Mutter, und des Vaters Antworten an Beyde, vom September 1777 bis Januar 1779.

10) Briefwechsel W.A. Mozart's mit Vater und Schwester, auf der Reise nach München und während seiner Domicilirung in Wien, vom 8ten November 1780 bis Julius 1784. Die Briefe des Vaters gehen nur bis 22sten März 1781.

W.A. Mozart war nun zu beschäftigt, zu zerstreut und zu unabhängig vom Vater, um dessen Briefe zu verwahren oder fleissig zu schreiben. Im Jahre 1786 waren seine Briefe äusserst selten und bestanden meistens nur in 10 bis 12 Zeilen.

Als 1785 der Vater den Sohn besuchte, liess er diesen zum Maurer aufnehmen. Die Schwester Mozart's meinte, dass die Spuren davon in ihres Bruders Briefen den Vater vermocht haben, dessen Briefe seit dieser Epoche zu vernichten. Ein einzelner findet sich vom Jahre 1787, den die Krankheit des Vaters, der daran starb, an der Vernichtung verhindert haben kann, und der wirklich auch eine Allusion auf die Ordensverbindung enthält, welche der Vater aufzubewahren Bedenken tragen konnte.

Aus obigem Verzeichnisse sieht man, dass die wichtigeren Briefe W.A. Mozart's nur den Zeitraum vom September 1777 bis Julius 1784 begreifen. Es sind zwar eine Menge Briefe früherer Zeit an die Schwester da, sie haben aber wenig Werth. Witz, Lebhaftigkeit und Charakteristik ist unleugbar darin, aber geschmackloser Witz, kindische, zum Theil pöbelhafte Munterkeit, ja Ausgelassenheit, die sehr weit geht, machen das Meiste aus; wenig von der Tonkunst. Es gehört viele Auswahl dazu, um etwas Anziehendes und Charakteristisches heraus zu finden, was man dem Publicum bieten darf, ohne dem Ruhme und der Achtung des Namen-Menschen zu schaden.

In den Briefen W.A. Mozart's von 1777 sind manche von hohem Werthe. Aber das Ganze ist nicht befriedigend, nicht erschöpfend. Er war kein Brief- er war ein Notenschreiber, und damals beschäftigter, zerstreuter, freyer geworden.

Die Briefe des Vaters hingegen empfehlen sich fast alle, und der Welt ist wohl damit gedient, sie zu kennen. Der Mann ist schon an sich merkwürdig, aber hier erscheint er zugleich als Vater, Erzieher, Bilder W.A. Mozart's; besser und vollständiger kann man ihn nicht kennen lernen, als in allen diesen vertraulichen Aeusserungen, selbst über anscheinende Geringfügigkeiten, deren Bekanntmachung er nicht berechnete. Man sieht, wie viele Bildung der Vater auf den Sohn übertragen konnte. Seine Schreibart ist freylich die der früheren Jahrzehente des vorigen Jahrhunderts, aber der Schreiber war ein gelehrter, verständiger, geistreicher, kluger und umsichtiger Mann, ein Beobachter.

Die Briefe der ersten Sammlungen sind voller statistischer Nachrichten, breiten sich über die Sitten der Länder aus und verdienten wohl den Druck. Sed non hic locus. Allenthalben besahe er die Sehenswürdigkeiten und besuchte die Männer von Talent in allen Fächern, Gelehrte und Künstler aller Gattungen des Schönen.

Er führte den Sohn, auf den er stolz war, den er ein Wunder nannte, allenthalben mit, weckte dessen Sinn für alles Schöne und bildete den Reichthum und die Vielseitigkeit der Ideen desselben. Er machte Register der Sachen, der Bekannten und Freunde, liess einige von W. Amadeus machen und verwahrte sie, wie man sie noch hat. Kurz, er war ein Muster von Ordnung, und Alles war bey ihm zweckmässig. Auch scheint er Materialien zu einer Biographie gesammelt zu haben.

Da wären denn Materialien zur Supplirung vieler Lücken in den erschienenen Biographieen Mozart's. Sie sind authentisch, zusammenhängend und bis gegen das Ende vollständige Sammlungen mit vielen Beylagen.

Aus den Briefen des Vaters an seine Tochter, geschrieben während seines Aufenthaltes in Wien bey dem Sohne 1785, leuchtet einige Kälte gegen diesen hervor, welche sich mitgetheilt haben kann. Auch dieses mag die Lauigkeit des darauf folgenden Briefwechsels erklären, so wie es von der Unabhängigkeit des Sohnes, an die der Vater nicht gewöhnt war, zum Theil erörtert werden kann.

Uebrigens war auch der Sohn mit seinem Besuche in Salzburg 1783 nicht recht zufrieden gewesen. Er hatte gehofft, dass man seine Frau mit einigen seiner Jugendgeschenke erfreuen würde, welches gänzlich unterblieb.

Die Briefe gehen von 1762 bis 1784, wo dann der von W.A. Mozart geführte thematische Katalog anfängt. Die einzigen Lücken sind von den Zwischenräumen der Reisen, die Mozart in Salzburg zubrachte. Um einen guten Theil der Chronologie seiner Werke und Beschäftigungen zu haben, bedarf es nur noch des Verzeichnisses der Werke vor 1784, welches Herr André in Offenbach hat und welches derselbe bald heraus zu geben sich erklärt hat.

Nicht leicht hat sich der Enthusiasmus für einen Tondichter je so lebhaft, so allgemein und so lange erhalten, als für Mozart. Auf welche Art wird er nicht gefeyert! – Kein gemüthliches Werk, worin er nicht genannt ist! – Kein Dichter, der ihn nicht besingt! – Und 34 Jahre sind schon verflossen! – – –

Freylich hat er durch den Einfluss, den er auf die Veredlung und Verschönerung des Lebens ausgeübt hat, und noch ausübt, durch seine Werke sich das bleibendste Denkmal gestiftet.

Doch hat man seine Biographie nicht! Sogenannte giebt es wohl gegen Zwanzig, wovon D. Lichtenthal die Namen gesammelt hat; 17 oder 18 davon sind indess blosse Abschriften. Nur Schlichtegroll, Niemtschek und vielleicht der Verfasser von »Mozart's Geist« haben aus Quellen geschöpft. Sie verdienen aber alle Dank für die Versuche, die sie geliefert haben, da sie Alles gaben, was ihnen zu Gebote stand, wenn ihre Leistungen auch nur Skelette blieben und bleiben mussten, weil ihnen die Materialien fehlten. Der Nekrolog bekam die seinigen von Mozart's Schwester, an die er gewisse bestimmte Fragen gerichtet hatte, auf deren Beantwortung sie sich einschränkte und auch nicht viel weiter hätte ausbreiten können. Niemtschek hatte W.A. Mozart selbst und seine Frau in einigen Jahren gekannt.

Keiner von allen aber wusste diese Briefe, ohne welche Kenntniss nichts von einigem Belange zu leisten möglich ist, da es Briefe sind, deren Vollständigkeit aus dem Datismus deren fortlaufender Ordnung erhellt. Diese Briefe enthalten Nachrichten von Reisen ausser der allerersten drey wöchentlichen nach München 1762.

In den Briefen selbst ist Vieles in Chiffern geschrieben, damit der Erzbischof, mit dem sie so viele Ursache hatten unzufrieden zu seyn, ihre Aeusserungen und Pläne nicht erfahren konnte. Ich habe alle Pläne dechiffrirt. Es waren zwey Chiffern:

In der einen bedeuteten die Buchstaben a, e, i, o, u, nachstehende m, l, f, r, h, und umgekehrt m wieder a, l wieder e, u.s.w.; alle anderen Buchstaben des Alphabets blieben unverändert:

Der zweyten Chiffer war gar nicht anzumerken, dass sie eine war; sie war etwas mühsam zusammenzusetzen. Die Anfangsbuchstaben jedes Substantivs mussten zusammengebracht werden, um den verdeckten Sinn zu finden; z.B. die Stadt hat ein Alter, welches die Ursache ihrer Leiden ist, hiess: Saul. Die ausnehmende Vorsichtigkeit, Umsicht und Klugheit des Vaters ist indem Gebrauche derselben zu erkennen. Manchmal fragt man sich sogleich, warum er diess oder jenes chiffrirt hat; man findet aber immer eine gegründete Ursache.

Die Briefe sind als Sittengemälde einer vorübergegangenen Zeit nicht unmerkwürdig. Wie diese Briefe zu benutzen sind:

De mortuis nil, nisi bene!

De mortuis nil, nisi vere!

(Verschweigung ist schon Unwahrheit.)

Der Mann soll gezeigt werden, wie er war, diess ist die Forderung an den Biographen, der aber durch gar viele Rücksichten gehemmt wird. Es mag wohl von einem neulich Verstorbenen keine treue Lebensbeschreibung existiren, in welchem Falle man sich begnügen muss, sich der Wahrheit und der Genauigkeit zu nähern. Man will, man darf seinen Helden nicht öffentlich ganz so zeigen, wie er sich etwa selbst in Abenden der Vertraulichkeit geschildert hat: könnte er befragt werden, würde er es selbst schwerlich zugeben: er war und bleibt der Herr seiner Worte, die er hätte ungeschrieben lassen können, und die er nicht hinschrieb, als für einen, dem er beichten wollte. Er hatte Schwächen, Fehler, die er etwa später verbesserte, welches man nicht etwa Gelegenheit hat zu zeigen. Durch alle Wahrheit kann man seinem Ruhme, seiner Achtung und dem Eindrucke seiner Werke schaden. In diesen Briefen kommen von allen Seiten sogenannte unanständige Ausdrücke vor, die es zu der Zeit, in dem Lande weniger waren, und die wohl Jedermann sich gegen Verwandte mehr oder weniger noch immer erlaubt. Sollen diese ausgemerzt werden? Wenn von solchen Personen, ja Freunden oder Lehrern und Wohlthätern des Helden Uebles auch Wahres gesprochen wird, wirft's Schatten von Undankbarkeit, was man zu sagen gern vermeidet?

Nun leben auch noch einige jener Personen oder ihre nahen Anverwandten, es betrifft einen Fürst-Erzbischof – man scheuet sich.

Und der Held wird nicht ganz geschildert – die Menschenkenntniss hat durch die Biographie nicht Alles gewonnen, was sie konnte, hat nicht gehörig zugenommen.

Es könnte heissen, man wünsche nur die Briefe W.A. Mozart's zu kennen; wer verlangt die des Vaters? Aber hier ist in den ersteren Biographie, und die späteren machen einen Theil des Briefwechsels mit dem Sohne aus, dessen Briefe ohne die Mittheilung der anderen nicht verständlich wären. Dazu kommt, dass nicht allein der Verfasser der Violinschule ein höchst schätzbarer Mensch war, sondern dass seine Briefe eine fortlaufende Erziehung des Sohnes sind, dass sie mithin im Ganzen weit mehr Interesse als die des Sohnes haben und sich immer auf ihn beziehen. Man lese sie daher und hoffentlich wird man sie mit Vergnügen gelesen haben.

Auch sind darin viele Kleinigkeiten und unbekannte Namen aus einer Zeit, die nicht mehr ist. In so fern sind sie aber Literatur zur Geschichte der Musik und Kunde von Künstlern, fragmentarische Chronik, wie man sie in voriger Zeit nicht sammelte, wie man in jetziger Zeit zu thun pflegt, und so habe ich wohl manchem Menschen wenn auch meistens nur Nachrichten geben können.

Aus den Briefen lernt man einige Compositionen Mozart's kennen, von deren Existenz Niemand mehr etwas wusste, und wovon viele vergebens gesucht wurden. Wären die Briefe für den Druck bestimmt gewesen, so würde sicher ihr Inhalt gewichtiger. Aber so zeigen sie die Menschen, wie sie waren, sind somit charakteristischer als wenn sie zierlicher wären, wo sie in familiärer Nachlässigkeit von Herz an Herz geschrieben sind.

Gar zu kindische und gemeine Spässe findet man noch in W.A. Mozart's Briefen von seinem 21sten Jahre, wo überhaupt sein Leichtsinn, sein übermässiger Hang zur ausgelassenen Lustigkeit ersichtlich ist. Seine Ausdauer, wenn ich so sagen kann, in letzterer, die Mühe, der er sich dabey unterwerfen konnte, bezeugen vielfältig die P.S. seiner Briefe, die hier nicht alle gegeben sind. Uebrigens behielt er die jugendliche Spaassmacherey bis an seinen Tod.

In neueren Zeiten hatte sich Mozart so sehr angewöhnt, Gedankenstriche zu machen, dass ihrer in allen seinen Briefen unendliche sind. Seiner Frau hatte er wenig geschrieben, da sie fast stets bey einander waren, und die wenigen Briefe sind kein zusammenhangendes Ganze, da sie nur seine stete Geldnoth, eine ungezügelte, alle Schranken überschreitende Ausgelassenheit und eine ungemeine Zärtlichkeit für seine Frau bezeugen.

(So weit gehen Nissen's Worte.)

Die Vier und Zwanzig ersten Jahre von Mozarts Leben.

Assentior: nil tam facile in animos teneros atque molles influere quam hujus hominis sonos, quorum dici vix potest, quanta sit vis in utramque partem. Namque et incitat languentes, et languefacit excitatos, et tum remittit animos, tum contrahit.–

CICERO.

Ist auch unseren Bergen die Nachtigall versagt, so hat uns Gott mit dem herrlichsten Sänger der Welt, Mozarten, ersetzt.

Lorenz Hübner,

in der Oberdeutschen Litteraturzeitung.

Nur Jener, dessen Tonwerke nach schon vierzig Jahren, statt zu veralten, gleichfalls immer mehr noch entzücken werden, möge mit Mozart um den Vorrang rechten.

Hoffbauer.

Unter den berühmten Namen, die für alle Zeiten in der Geschichte der deutschen Musik glänzen werden, steht oben an Johannes Chrisostomus Wolfgang Amad. (Gottlieb) Mozart.

Sehr wahr und treffend spricht Herr Hofrath Rochlitz, in dem Jahrg. 1798 der Leipz. music. Zeit.: »Es ist das Schicksal ausgezeichneter Männer von jeher gewesen, dass sich der Haufe gemeiner, von allen Seiten beschränkter Geister gleichsam in Masse gegen sie vereinigt, um, wenn es ihnen nicht gelingt, jenen Genie's das Verdienstliche und Ausgezeichnete ihrer Werke wegzudemonstriren oder wegzuwitzeln, wenigstens irgend eine schwache Seite, die jeder grosse Mann, da er doch immer Mensch bleibt, hat, hervorzusuchen, aufzustutzen, hie und da Manches aus eigenem Schatze des Herzens hinzu zu thun, nun das Ganze emsig bekannt zu machen, und dann lächelnd oder prahlend auszurufen: Adam ist worden wie unser Einer! So ging es auch dem wackern M., so lange er lebte, und so geht es ihm grösstentheils noch. Man hört seine vortrefflichen Compositionen, kann dem gewaltigen Eindrucke derselben nicht widerstehen, kann diesen sich selbst und Andern nicht ableugnen, bricht desshalb allenfalls in ein allgemeines Lob und gleichfalls im Allgemeinen hin und her gezerrtes Geschwätz darüber aus – welches Beydes M. selbst fast so bitter wie Schurkerey hasste – knüpft aber immer und ewig Bemerkungen daran, wie: Sollte man's glauben, dass ein solcher Mann doch übrigens Zeitlebens ein Kind war? und dergl. Freylich gab M. bey seinem liberalen Leben, bey seinem nur allzu offenen Charakter, bey seiner Verachtung alles Geschwätzes über ihn, – einer Verachtung, welche zu tief war, als dass er jemals etwas Anderes hätte thun, als darüber lachen sollen – Gelegenheit zu solchen Urtheilen. Seit einigen Jahren hat die Biographie Mozarts in Schlichtegrolls Nekrolog, wo es denn doch gewiss Zeit und Ort gewesen wäre, den Mann ganz und zwar mehr in seinem öffentlichen als Privatleben darzustellen – noch mehr zur Verbreitung solcher kleinlicher Anekdoten beygetragen, und diesen sogar eine dauerhafte Haltung und ziemliche Autorität verschafft; indess Mozart's künstlerische Verdienste fast einzig mit einem allgemeinen himmelhohen Lobe abgefertigt werden. Dieses ist nicht gegen den wackern Herausgeber dieses Werks gesagt; ich weiss – dieser thut Alles, um sein Institut seinem Zwecke so nahe zu bringen, als es – in Deutschland möglich ist: sondern gegen Mozart's nähere Bekannte und gegen Kenner und Verehrer seiner Verdienste spreche ich, die dem Herausgeber des Nekrologs nichts weiter gaben und geben wollten. Ich behaupte hiermit nicht, dass die kleine Sammlung zusammen gereiheter Anekdoten, welche dort die Stelle einer Biographie des Künstlers einnimmt, offenbare Unwahrheiten enthalte: aber wie viel kömmt nicht auf die Art der Darstellung selbst solcher kleinen Züge an? auf den Zweck des Erzählers – blos zu unterhalten oder zu bekehren u.s.w.? Man braucht wahrlich einen Mann nicht vorsätzlich verläumden zu wollen; ja man braucht sogar der Wahrheit der Thatsachen kein Jota wissentlich zu vergeben: und kann dennoch aus weiss –, wenn auch nicht schwarz, doch schmutzig grau machen. Und dann, was eine Hauptsache ist: sind denn Anekdoten aus dem Privatleben eines Mannes für die Welt, eines grossen Künstlers, das Wichtigste, was man von ihm zu sagen hat? Ist es denn nicht eben so gehässig als kleinlich (ich spreche hier nicht mehr gegen den Nekrolog), sich, wie bey Mozart so oft der Fall war – in eines bedeutenden Mannes Bekanntschaft zu drängen; sich von ihm freundschaftlich aufgenommen, unterhalten, vergnügt zu sehen; dabey im Hinterhalte zu liegen und ihm irgend eine Schwachheit abzulauern, dann davon zu ziehen, freudig über den gethanen Fund, und diesen nun mit grosser Herrlichkeit der Welt aufzutischen? Ja, ich setze hinzu: dürfen wir einen Mann von so eigenen Kräften und so eigener Thätigkeit, einen Mann, der so einzig in seiner Ideen- und Phantasieen-Welt lebte, einen Mann, dessen Geist, eben weil und damit er das werden und seyn konnte, was er ward und war, nur in seiner Kunst weben, nur hier Befriedigung, nur hier wahres Interesse finden konnte, dagegen Alles, was im weitesten Sinne des Wortes Verhältniss heisst, vernachlässigen, verachten musste – dürfen wir einen solchen Mann nach dem Maassstabe beurtheilen, der mit Recht für uns mittelmässige Leutchen zum Richtscheit dient? Duo dum faciunt idem, non est idem.« So spricht Herr Hofrath Rochlitz, welcher Mozart in Leipzig kennen lernte, an den meisten Gesellschaften, in die er dort kam, und die von der Art waren, dass sich Etwas mit den Leuten anfangen liess, wie sich M. ausdrückte, Theil gehabt, und später die Bekanntschaft seiner Wittwe und einiger vertrauter Freunde M.'s gemacht hatte.

Wem, der jemals bey den Harmonieen dieses grossen Tonkünstlers sich bald in süsse Empfindungen verloren gefühlt, bald den unerschöpflichen Reichthum seiner Ideen bewundert hat, und die Gewalt, mit der er das Gebiet seiner Kunst in ihrem weiten Umfange beherrschte; wem also von allen Kennern und Freunden der Musik muss es nicht willkommen seyn, etwas von der merkwürdigen Lebensgeschichte dieses früh entwickelten, grossen und originellen Genie's zu hören! Wer von allen diesen wird es nicht denjenigen seiner Freunde, die seit frühen Jahren Zeugen seines bewunderungswürdigen Talentes, und des unerhört schnellen Ganges der Entwickelung desselben waren, recht warm und innig danken, dass sie den Freunden der süssesten unter allen Künsten das Vergnügen nicht haben vorenthalten wollen, den Zauberer, der ihnen so manche frohe Stunde verschönert, so manche trübe erheitert hat, in der Geschichte seiner Kindheit und Jugend, die leider die Geschichte seines ganzen Lebens ist, näher kennen zu lernen? –

Der Mensch, mit wunderähnlichen Gaben und Fertigkeiten von der Natur beschenkt, ist selten ein allgemeines Muster zur Nachahmung für Andere. So wie seine Vollkommenheiten uns Uebrigen unerreichbar sind, so können auch seine Fehler nicht zu unserer Entschuldigung gereichen. Um sich brauchbare Regeln für das praktische Leben als Mensch im Allgemeinen abzuziehen, und durch Aufmerksamkeit auf Beyspiele sich dem erreichbaren Grade der Ausbildung unserer Natur zu nähern, müssen wir nicht jene seltenen Menschen zum Muster auswählen; sondern vielmehr Geister von mittleren Gaben, die aber diese Anlagen gleichförmig und vorsichtig ausgebildet haben, und denen wir es gleich zu thun hoffen dürfen.

Aber unbeschreiblich schätzbar und wichtig bleibt ungeachtet dessen dennoch das Andenken jener Menschen mit seltenen Kräften und Anlagen zu einzelnen Fertigkeiten. Sie sind Phänomene, die man anstaunt, und deren treue Abbildungen der Forscher der Menschennatur als unschätzbare Kabinettstücke ansieht, zu denen er oft zurückkehrt, um an ihnen den unbegrenzten Umfang des menschlichen Geistes zu bewundern. Zu ihnen gehört Mozart, ein Wunder eines früh reifen Talents; man würde das, was von ihm erzählt wird, kaum glauben können, wenn er nicht unser Zeitgenosse gewesen wäre, und wenn diese Erstaunen erregenden Züge nicht von so vielen Menschen bestätiget würden.

Der genaue Zusammenhang, der zwischen den Schicksalen Mozarts mit denen seines Vaters Statt findet, und durch welchen er sich schon ein bleibendes Denkmal seines Ruhmes und seiner Verdienste gestiftet hat, und dazu die Bildung seines Sohnes, erfordert eine Erwähnung des Letztern.

Der Vater dieses ausserordentlichen Genie's, Leopold Mozart, Vice-Kapellmeister, Violinist und Anführer des Orchesters in der Fürst-Erzbischöflichen Kapelle zu Salzburg, geboren zu Augsburg den 14. December 1719, gestorben zu Salzburg am 28. May 1787, war der Sohn eines Buchbinders, und trat, nachdem er die Jurisprudenz in Salzburg studirt hatte, dann Kammerdiener bey dem Grafen von Thurn, Domherrn daselbst, gewesen war, endlich 1743 in erwähnten Dienst; denn der Fürst machte ihn zu seinem Hofmusicus, weil er sich ganz der Tonkunst widmete und die Violine besonders schön spielte.

In dieser Kapelle waren bis in die spätesten Zeiten der Unabhängigkeit des Landes eine Menge ausgezeichneter Künstler, z.B. Eberlin, Michael Haydn, Adlgasser u.m.A.

Die Fürsten, und noch der letzte unter ihnen, besoldeten sie unglaublich schlecht.

Was sie anzog und hielt, war die, obgleich geringe, Versorgung der Wittwe, die Umgebung des Hofes und das behagliche und wohlfeile Leben.

Im J. 1762 wurde er Vice-Kapellmeister. Er beschäftigte sich neben seinem Dienste am Hofe und in der Metropolitankirche mit Unterweisung auf der Violine und mit Componiren. Seit 1743 hat er sich von jeder Seite um die Musik verdient gemacht; erstlich als Schriftsteller, dann als Componist, und durch die vortreffliche und ehrenvolle musikalische Erziehung seines Sohnes und seiner Tochter. Wie viele Ehre erwarb er sich auf der grossen Reise mit seinen Kindern. In Paris verewigte man sie alle drey durch einen Kupferstich, auf welchem der Sohn den Flügel, der Vater hinter ihm die Violine spielt, indem die daneben stehende Tochter singt, mit folgender Inschrift:

L. Mozart, père de Marianne Mozart, virtuose âgée de onze ans, et de J.C. Wolfgang Mozart, compositeur et Maître de Musique, âgé de sept ans.

Im Jahre 1756 liess er zu Augsburg auf seine Kosten drucken: Versuch einer gründlichen Violinschule, mit vier Kupfertafeln sammt einer Tabelle versehen u.s.w. Sie ist ins Französische und Holländische übersetzt. Eine 2te und 3te Auflage sind 1770 und 1792 zu Augsburg herausgekommen. Späterhin ist das Werk bey Kühnel in Leipzig unter dem Titel: Violinschule, oder Anweisung, die Violine zu spielen; neu umgearbeitete Ausgabe von Neukomm (mit der Lehre vom guten Vortrage) herausgekommen.

Man findet in diesem Werke den gründlichen und geschickten Virtuosen, den vernünftigen und methodischen Lehrmeister und den gelehrten Musicus. Schubart sagt von demselben: »Durch dieses Buch, das in sehr gutem Deutsch und mit tiefer Einsicht abgefasst ist, hat er sich ein grosses Verdienst erworben. Die Beyspiele sind trefflich gewählt, und seine Applicatur ist nichts weniger als pedantisch. Er neigt sich zwar zur Tartini'schen Schule, lässt aber doch dem Schüler mehr Freyheit in der Bogenlenkung, als dieser.«

Nach dem Zeugnisse der grössten Meister ist das Werk von dem ausgebreitetsten Nutzen gewesen; die trefflichsten Violinisten, die Deutschland in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts besessen, sind durch dasselbe gebildet worden.

Kurz, er war einer von denen, welchen die Ehre vorbehalten war, die ersten Urheber einer geläuterten Methodologie in der ausübenden Kunst zu werden.

Schubart sagt ferner von ihm: »Er hat die Musik in Salzburg auf einen trefflichen Fuss gestellt. Selbst ist er auch als Componist ehrenvoll bekannt. Sein Styl ist etwas altväterisch, aber gründlich und voll contrapunktischer Einsicht. Seine Kirchenstücke sind von grösserm Werthe als seine Kammerstücke.«

Von seinen vielen mit Beyfall aufgenommenen praktischen Werken sind blos 6 Violin-Trios, die er 1740 selbst in Kupfer radirt hat, herausgekommen, und 1759 zwölf Clavierstücke zu Augsburg, unter dem Titel: Der Morgen und der Abend, den Einwohnern von Salzburg melodisch und harmonisch angekündigt. Es sind diess diejenigen zwölf Stücke, welche das sogenannte Hornwerk, oder vielmehr Orgelwerk, auf der Festung Hohen-Salzburg Morgens und Abends spielt.

Im Manuscript waren hingegen von ihm zwölf Oratorien und andere Kirchensachen, eine Menge theatralischer Werke, worunter die Semiramis und die verstellte Gärtnerin bekannt sind, auch Pantomimen und eine grosse Anzahl von Symphonien, über 30 grosse Serenaden, eine Menge Concerte für Blasinstrumente und noch mehr Trios u.s.w.

Im neuen Künstler-Lexikon ist folgender Zusatz: »Noch hat man von ihm folgende Compositionen: Bastien und Bastienne, eine Operette; la Cantatrice ed il Poeta, Intermezzo zu zwey Personen; musikalische Schlittenfahrt (arrangirt für Pianoforte bey Kühnel in Leipzig).«

Aber auch durch Unterricht hat er viele Künstler und Künstlerinnen gebildet; denn die Zeit, die ihm seine Amtsgeschäfte übrig liessen, widmete er dem Unterricht in der Composition und auf der Violine.

Seine fleissige Correspondenz mit seiner Familie lässt ihn als einen Mann von vielen vortrefflichen Eigenschaften erkennen. Es charakterisirt ihn auch, dass er an Gellert, den protestantischen andächtigen Dichter, einen Brief geschrieben hat, der ihm folgende Antwort zuzog:

»Hochedler, Hochzuverehrender Herr!

Ich müsste sehr unempfindlich seyn, wenn mich die ausserordentliche Gewogenheit, mit der Sie mich ehren, nicht hätte rühren sollen; und ich würde der undankbarste Mann seyn, wenn ich Ihren so freundschaftlichen Brief ohne Erkenntlichkeit hätte lesen können. Nein, mein werthester Herr, ich nehme Ihre Liebe und Ihre Freundschaft mit eben der Aufrichtigkeit an, mit der Sie mir sie anbieten, und ich nehme sie nicht allein an, sondern ich bitte Sie darum, und will mich bemühen, sie zu verdienen, je weniger ich sie vielleicht noch verdienet habe. Ich werde oft unruhig, wenn ich sehe, dass mir meine Schriften die Gewogenheit so vieler rechtschaffenen Leute zuwege bringen; denn ich will diess Glück nicht allein erlangen, sondern auch behaupten; und dazu gehören noch mehr Verdienste, als ich habe. – Also lesen Sie meine Schriften gern, hochzuverehrender Herr, und ermuntern auch Ihre Freunde, sie zu lesen? Diese Belohnung, wie ich Ihnen aufrichtig sage, habe ich von dem Orte, aus dem ich sie erhalte, ohne Eigenliebe kaum hoffen können. Wie glücklich bin ich, wenn ich glauben darf, dass ich zur Erhaltung des Geschmacks und der guten Sitten auch ausser meinem Vaterlande etwas beytrage! Hat der Christ, eines von meinen letzten Gedichten, auch Ihren Beyfall? Ich beantworte mir diese Frage beynahe mit Ja. Sein Inhalt, Ihr edler Charakter, den Sie, ohne es zu wissen, in Ihrem Briefe mir entworfen haben, und meine redliche Absicht, scheinen mir dieses Ja zu erlauben. –«

»Ich würde mehr mit Ihnen reden, wenn ich nicht im Begriffe stände, in die Carlsbad zu reisen, dahin mich die elendeste Krankheit, ich meyne die Hypochondrie, ruft. Möchte es doch Gott gefallen, mich von diesem Orte, den er für so viele tausend Kranke gesegnet hat, und an dem ich schon vor dem Jahre oft mit Thränen und Heiterkeit des Geistes gebetet habe, mich, sage ich, gesünder zurückzubringen, als ich dahin reise! Doch vielleicht wünsche ich zu viel, vielleicht gar etwas, das mir nicht gut seyn würde. Begleiten Sie mich indessen mit Ihren Wünschen, werthester Herr. Bin ich im Stande, Ihnen hier in Leipzig, es sey worinne es wolle, zu dienen: so will ich Ihnen beweisen, dass ich des Vertrauens, das Sie in mich setzen, nicht unwerth bin. Allen Ihren Freunden, wenn sie Ihnen gleichen (und wie sollten Sie Freunde haben, die Ihnen nicht ähnlich wären?), empfehle ich mich bestens; Ihnen aber danke ich nochmals für den schönen, beredten und empfindungsvollen Brief, mit dem Sie mich erfreuet haben, und bin mit der vollkommensten Hochachtung

Euer Hochedl.

gehorsamster Diener

Christian Fürchtegott Gellert.«

P.S. Der Herr Professor Formey in Berlin hat einen kleinen Roman von mir, Leben der schwedischen Gräfin, in das Französische schön übersetzt, wenn Sie vielleicht dieses Werk lesen wollen.

Ein Zeichen von der Achtung, welche er sogar in der Ferne genoss, ist, dass der erste der kritischen Briefe über die Tonkunst, die in Berlin 1759 und 1760 herausgegeben wurden, an ihn, der damals noch Geiger in der Salzburgischen Kapelle war (Hof-Componist wird er in der Ueberschrift genannt, hiess aber nicht so zu Salzburg), gerichtet war. Der Brief nimmt acht Quartseiten ein. Es wird ihm darin gemeldet, dass eine Gesellschaft dieses musikalische Wochenblatt schreiben will, und dass diese Briefe immer an Personen von Verdienst gerichtet werden sollen (so wie sie es auch wirklich an Emanuel und Friedemann Bach, Kirnberger, Marpurg, Zachariä, Benda). Konnte, heisst es, die Gesellschaft bey diesem Vorsatze einen glücklichern Anfang als mit Ihnen machen?

In seinen Briefen an die Frau und den Sohn schildert er sich am besten. In Salzburg wird er als satyrischer Humorist charakterisirt. Die Briefe bezeugen dieses auch. Man muss das Glück unsers Mozarts erkennen, dass ihm das Schicksal einen Vater gab, der selbst mehr als gemeiner Musiker, ein durch allerley Studien gebildeter Kopf war, und als solcher die frühen Regungen des Genie's erkannte, und sie nicht durch sein Verfahren unterdrückte, sondern sie zu befördern wusste.

Leopold Mozart war mit Anna Bertlina (geboren den 25. Dec. 1720), Pflege-Tochter von St. Gilgen, seit dem 21. Nov. 1743 verheirathet; Beyde waren von einer so vortheilhaften Körpergestalt, dass man sie zu ihrer Zeit für das schönste Ehepaar in Salzburg hielt.

Er zeugte sieben Kinder, aber nur zwey blieben am Leben; ein Mädchen und ein Knabe. Der Sohn, der im J. 1756 am 27. Jänner geboren ward, hiess Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb oder Amadeus1, und die Schwester, die älter war, geboren 1751 den 29. August, hiess Maria Anna. Der Vater hatte bisher jede Stunde, die er dem starken Hofdienste abkargen konnte, bey seiner schlechten Besoldung, der Composition und dem Unterrichte im Violinspielen weihen müssen. Freudig mit ächtem Künstlerstolze gab er Beydes auf, als er die trefflichen Anlagen seiner Kinder zur Musik bemerkte, und sorgte ausschliesslich für ihre Bildung.

Der Vater, aufmerksam auf die frühzeitigen Talente seines Sohnes, übernahm seine Bildung und Erziehung bereits in den Jahren, wo man den Geist der Kinder in Unthätigkeit schlummern lässt.

Der Shakespeare der Musik hat Eines gemein mit Mengs, so drückt sich Hornmayer aus, Eines, was nicht Vielen zu Theil geworden ist: dass der Götterfunke des Genie's, in den Tiefen seiner kindlichen Seele verborgen, mit allem Fleisse einer planmässigen, sorgsamen Erziehung ausgebildet wurde. Nicht in Torquato Tasso hat sich der Dichtkunst heiliges Feuer früher und entschiedener geäussert, als bey Mozart die Spuren seines musikalischen Genie's. Die ersten Eindrücke, die sein Ohr auffasste, waren Harmonieen und Gesang; die Musik die ersten Begriffe, die sich in seine Seele ergossen. So und überall kamen die gründlichen Kenntnisse des Vaters dem aufkeimenden Talente entgegen.

Die Tochter, die älter als der Sohn war, entsprach der väterlichen Unterweisung so gut, dass sie in der Folge bey den Reisen der Familie die Bewunderung, die man dem Sohne zollte, durch ihre Geschicklichkeit theilte. Sie machte 1762 bis 1768 mit ihrem Vater und Bruder die grosse Reise nach Frankreich, Holland, England, Wien. In den Jahren ihres ledigen Standes, die sie im väterlichen Hause zubrachte, gab sie einigen jungen Frauenzimmern der Stadt Salzburg Unterricht im Clavierspielen. Sie verehelichte sich dann 1784 mit Freyherrn Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg, Salzburgischem Hofrath und Pfleger zu St. Gilgen, wo sie in anspruchsloser Stille ganz den schönen Pflichten der Gattin und der Mutter lebte, und gegen 20 Jahre glücklich verheirathet war. Als Wittwe begab sie sich 1801 wieder in ihre Geburtsstadt Salzburg zurück, und ertheilte Unterricht im Clavierspiele, welchen sie auch noch gegenwärtig (1826) in ihrem 76sten Lebensjahre nicht ganz aufgegeben hat. Viele und sehr vortreffliche Schülerinnen sind aus ihrer Schule hervorgegangen, und noch jetzt findet man dort die geschickten Schülerinnen der Nanette Mozart durch Nettigkeit, Präcision und wahre Applicatur vor allen Uebrigen heraus.

Der Sohn war damals drey Jahre alt, als der Vater seine siebenjährige Tochter auf dem Claviere zu unterweisen anfing. Der Knabe zeigte schon da sein ausserordentliches Talent. Er unterhielt sich oft lange beym Clavier mit Zusammensuchen und Anschlagen der Terzen, und war entzückt, wenn es ihm glückte, ein harmonisches Intervall zu treffen. Als vierjähriger Knabe behielt er immer die brillantesten Solostellen der Concerte im Gedächtnisse. Im vierten Jahre seines Alters fing sein Vater gleichsam zum Scherze spielend an, ihm einige Menuets und andere Stücke2 zu lehren. Zu einer Menuett brauchte er eine halbe Stunde, zu einem grössern Stück eine Stunde, um es zu lernen, und es dann mit der vollkommensten Nettigkeit und mit dem festesten Takte zu spielen. Von nun an machte er solche Fortschritte, dass er in seinem fünften Jahre schon kleine Stücke componirte, die er seinem Vater vorspielte und von diesem zu Papier bringen liess.3

In der Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung (1817) schreibt Professor Fröhlich auf Anlass der grossen Symphonie Voglers: »Eine eigene Richtung der Denk- und besonders der Gefühlskraft hat jedes Genie als eine reiche Mitgabe von der Natur erhalten. Die Art hingegen, wie sich beyde entwickeln und ausbilden, ja sogar oft eine eigene Wendung derselben, hängt häufig von den Lebensverhältnissen des Künstlers ab. Recensent hat das Buch gesehen, worin die ersten Stücke, welche Mozart, dieser Heros der Tonkunst, in seinem vierten Jahre lernte, nebst den ersten eigenen Versuchen desselben in seinem fünften Jahre, von seiner eigenen Hand geschrieben (nicht alle), enthalten sind. So wenig Interesse für die Kunst selbst diese kleinen Arbeiten von wenigen Zeilen haben mögen, so zeigt sich doch darin die eigenthümliche Richtung dieses grossen Geistes, angeregt durch jene in seinen Uebungsstücken enthaltene Form, welche er aber mit seiner Eigenheit in diesen ersten Versuchen gestaltete, und dann, in der Folge, bis zu der erstaunenswerthen Höhe ausbildete.«

Vor der Zeit, ehe er Musik kannte, war er, seinem lebhaften Temperamente nach, für jede Kinderey, wenn sie nur mit einem wenigen Witze gewürzt war, so empfänglich, dass er darüber Essen und Trinken und alles Andere vergessen konnte. Ueberall zeigte sich ein liebendes, zärtliches, lebhaftes Gefühl in ihm, so dass er die Personen, die sich mit ihm abgaben, oft zehnmal an einem Tage fragte, ob sie ihn lieb hätten? und wenn man es ihm im Scherze verneinte, sogleich die hellen Thränen im Auge zeigte. Aber von der Zeit an, wo er mit der Musik bekannt wurde, verlor er allen Geschmack an den gewöhnlichen Spielen und Zerstreuungen der Kindheit, und wenn ihm ja noch diese Zeitvertreibe gefallen sollten, so mussten sie mit Musik begleitet seyn. Wenn z.B. er und ein gewisser Freund4 vom Hause, der sich viel mit ihm abgab, Spielzeug aus einem Zimmer in's andere trugen, musste allemal derjenige von beyden, der leer ging, einen Marsch dazu singen, oder auf der Geige spielen. Sein Tonsinn behielt nun die Oberherrschaft.

Er war in diesen Jahren überaus gelehrig, und er begriff zu gleicher Zeit auch andere Wissenschaften; so machte ihn der mit dem Ton- und Farbensinne so innig verbundene Zahlensinn in der Folge zu einen der geübtesten Rechenmeister, welcher Wissenschaft er sich eine Zeit lang mit demselben umfassenden Eifer wie der Tonkunst widmete, so dass er darüber alles Andere, selbst die Musik, auf einige Zeit zu vergessen schien. Als er z.B. rechnen lernte, waren Tisch, Sessel, Wände, ja sogar der Fussboden von ihm mit Kreide voll Ziffern geschrieben. Er war im Ganzen voll Feuer, und hing jedem Gegenstande leicht an; er würde daher in Gefahr gewesen seyn, auf schädliche Abwege zu gerathen, wenn ihn nicht seine treffliche Erziehung dafür geschützt hätte. Aber bald war es wiederum die Musik, von der seine Seele voll war, und mit der er sich unablässlich beschäftigte. Mit Riesenschritten ging er darin vorwärts, so dass selbst sein Vater, der doch täglich um ihn war und jede Stufe der Fortbildung bemerken konnte, oft davon überrascht und darüber, wie über ein Wunder, in Erstaunen gesetzt wurde.

Ja, wunderbar waren seine Anlagen, und die Entwickelung und Aeusserung seines Genie's schritt den grössten Erwartungen vor. In der That war die ausserordentliche Fertigkeit, die er auf dem Claviere besass, und die tiefe Einsicht in die Kunst, in einem Alter, wo Kinder sonst noch gewöhnlich keinen Kunsttrieb äussern, erstaunend und über alle Vorstellung. Was man ihn lehren wollte, davon schien sein Geist dunkle Ahnungen gehabt zu haben, die zur völligen Deutlichkeit nur einer Erinnerung bedurften.

Unser Mozart hatte als Knabe noch keine Kenntnisse der Composition, gleichwohl verfiel er auf den Gedanken, ein Clavierconcert zu componiren. Konnte er auch kein wirkliches Kunstproduct liefern, so zeigte er doch einen kindischen Versuch für das, was er werde leisten können, wenn seinem Talente die Regeln der Kunst zu Hülfe kämen. Er strich aus, wischste und klekste so lange an dem Machwerke, bis er glaubte es vollendet zu haben. Als sein Vater aus der Kirche mit einem Freunde nach Hause zurück kam, trafen sie den kleinen Wolfgang mit der Feder beschäftigt an. Was machst Du denn da? fragte ihn sein Vater.

Wolfg. Ein Concert für das Clavier; der erste Theil ist bald fertig.

Vater. Lass sehen, das muss was Sauberes seyn.

Wolfg. Nein, es ist noch nicht fertig.

Der Vater nahm es ihm weg und zeigte seinem Freunde diess Geschreibsel, das man vor Klecksen kaum lesen konnte, indem es grösstentheils auf ausgewischte Dintenflecke hingeschrieben war; denn der Kleine hatte allemal mit der Feder bis auf den Grund des Dintenfasses getaucht, und so musste denn der Feder immer ein Fleck entfallen, den er dann mit der flachen Hand wieder auswischte und immer wieder darauf fortschrieb. Beyde Freunde lachten anfangs über diesen Galimathias von Noten. Als aber der Vater die Composition selbst mit Aufmerksamkeit betrachtete, blieb sein Blick lange starr auf das Blatt geheftet, bis endlich helle Thränen, Thränen der Bewunderung und der Freude, seinen Augen entfielen. Es waren nämlich Gedanken darin bemerkbar, die weit über seine Jahre gingen. »Sehen Sie, Freund,« sagte er mit Rührung und Lächeln, »wie Alles richtig und nach der Regel gesetzt ist; nur kann man es nicht brauchen, weil es so ausserordentlich schwer ist, dass es kein Mensch zu spielen im Stande wäre.« – »Dafür,« fiel der kleine Wolfgang ein, »ist es auch ein Concert; man muss so lange exerciren, bis man es herausbringt. Sehen Sie, so muss es gehen.« Er fing nun an zu spielen, konnte aber auch nur so viel herausbringen, dass man sah, welches seine Ideen gewesen waren. Denn er hatte sich damals den Begriff gebildet, dass Concert spielen und Mirakel wirken einerley seyn müsse; darum war sein Aufsatz von zwar grösstentheils richtigen, aber so schwer zusammengesetzten Noten, dass es selbst jedem Meister unmöglich war, sie zu spielen. Uebrigens war das Concert mit Trompeten und Pauken und Allem, was sich blasen und geigen lässt, besetzt.

Zu dieser Zeit hatte es der Knabe in der Musik schon so weit gebracht, dass der Vater ohne Bedenken auch das Ausland zum Zeugen der ausserordentlichen Talente seines Sohnes machen konnte.

Fußnoten

1 Auf dem Titel seiner ersten Werke in Paris und London heisst er J.G. Wolfgang; später ist er Wolfgang Amadeus geworden.

2 Von diesen, die der Vater in ein eigenes Buch schrieb, besitze ich zwölf daraus abgeschrieben.

3 Von diesen besitze ich aus demselben Buche fünf, wovon die älteste vom Jänner 1762 und noch drey grössere aus dem Jahre 1763. Die Schwester besitzt das ganze Buch und bewahret diese kostbare Reliquie auf.

4

Iste Reise des Vaters mit dem Sohne und der Tochter nach München.

Die erste Reise, die der Vater mit den beyden Kindern unternahm, war nach München im J. 1762 den 12. Januar, wo also unser Mozart noch nicht das sechste Jahr vollendet hatte. Von dieser ersten Reise sind weiter keine Nachrichten vorhanden, als dass sie dort drey Wochen geblieben, wo Wolfgang vor dem Churfürsten ein Concert spielte, und mit seiner Schwester die grösste Bewunderung einerntete.

Als sie nach Salzburg zurückgekehrt waren, und beyde Kinder nun täglich vollkommener auf dem Claviere wurden, ging die gesammte Familie im Herbste, den 19. Sept. 1762, also auch im sechsten Altersjahre Mozarts, nach Wien, wo die beyden kleinen Virtuosen dem kaiserlichen Hofe vorgestellt wurden.

IIte Reise des Vaters mit den beyden Kindern nach Wien.

Schon während der Reise nach Wien schrieb der Vater an den Kaufmann Hagenauer nach Salzburg unter andern Folgendes:

(Leopold Mozarts Brief No. 1.)

Linz, 3. October 1762.

Haben Sie nicht geglaubt, wir wären schon in Wien, da wir doch noch in Linz sind? Morgen, wenn Gott will, gehen wir dahin ab. – – – Wir wären schon in Wien, wenn wir nicht in Passau fünf ganze Tage hätten sitzen müssen. Diese Verzögerung, woran der dasige Bischof Schuld war, ist mir um achtzig fl. Schade, die ich in Linz eingenommen hätte, wenn ich früher gekommen wäre, da ich mich nun mit etlichen vierzig fl. begnügen muss, die mir aus dem vorgestern gegebenen Concerte geblieben sind. Wolfgang hatte die Gnade, sich bey dem erwähnten Fürsten zu produciren, und dafür bekam er einen ganzen Ducaten.

In Passau waren wir den 20. September angekommen. Am 26. Sept. reisten wir mit dem Domherrn Grafen Herberstein hieher, und trafen an demselben Tage ein. Die Kinder sind lustig und überall wie zu Hause. Der Bube ist mit allen Leuten, besonders mit Offizieren, so vertraulich, als wenn er sie schon seine ganze Lebenszeit hindurch gekannt hätte. Meine Kinder seyn übrigens alle in Verwunderung, sonderheitlich der Bube.

Graf Herberstein und Graf Schlick, der hiesige Landeshauptmann, wollen uns in Wien einen grossen Lärm vorangehen lassen. Allem Ansehen nach werden unsere Sachen gut gehen. Gott erhalte uns nur, wie bisher, gesund. Ich bitte Sie, auf unsere Intention vier heilige Messen zu Maria-Plain1 zu veranstalten, und zwar so bald es möglich ist – –

(Leopold M. Brief No. 2)

Wien, 16. Octbr. 1762.

Am Feste des heil. Franziscus sind wir von Linz abgereist und in Matthausen angelangt. Den folgenden (Dienstag) Erchtag kamen wir nach Ips, wo zwey Minoriten und ein Benedictiner, die unsere Wasserreise mitgemacht hatten, heilige Messen lasen, unter welchen unser Woferl2 sich auf der Orgel so herum tummelte und so gut spielte, dass die Franziscaner Patres, die eben mit einigen Gästen an der Mittagstafel sassen, sammt ihren Gästen das Essen verliessen, dem Chore zuliefen und sich fast zu Tode wunderten. Nachts waren wir zu Stein, und am Mittwoch langten wir hier an. Auf der Schanzelmauth wurden wir ganz geschwind abgefertigt, und von der Hauptmauth gänzlich dispensirt. Das hatten wir unserm Herrn Woferl zu danken, denn er machte sogleich Vertraulichkeit mit dem Mauthner, zeigte ihm das Clavier, machte seine Einladung, spielte ihm auf dem Geigerl ein Menuett.

Bis jetzt sind wir, trotz des abscheulichsten Wetters, schon bey einer Akademie des Grafen Collalto gewesen, und die Gräfin Sinzendorff hat uns zu dem Grafen Wilschegg und den 11. zu dem Reichs-Vicekanzler Grafen von Colloredo geführt, wo wir die ersten Minister und Dramen zu sprechen die Gnade hatten, namentlich den ungarischen Kanzler, Grafen Palffy, den böhmischen Kauzler, Grafen Chotek, den Bischof Esterhazy. Erwähnte Gräfin ist sehr für uns bemüht, und alle Damen sind in meinen Buben verliebt. Nun sind wir schon aller Orten in Ruf. Als ich am 10. October in der Oper war, hörte ich den Erzherzog Leopold aus seiner Loge in eine andere hinüber erzählen: es sey ein Knabe in Wien, der das Clavier so trefflich spiele etc. Selbigen Abend um 11 Uhr erhielt ich Befehl, am 12. nach Schönbrunn zu kommen. Am folgenden Tage ward ich aber auf den 13. bestellt, weil am 12. der Maximilians- und folglich ein Galla-Tag wäre, und man die Kinder in Bequemlichkeit hören will. Alles erstaunet ob dem Buben, und ich habe noch Niemand von ihm sprechen hören, der nicht sagte, dass seine Fähigkeit unbegreiflich ist. Der Baron Schell bemüht sich sehr für mich, und erkennt mit dankbarem Gemüthe die Güte, die er in Salzburg genossen hat, welches ich dem gnädigen Herrn Chiusolis anzurühmen bitte; ich hatte an ihn ein Schreiben von dem Grafen Daun zu meinen Gunsten. Er macht mir gute Hoffnung, und es scheint, dass er es darf, da der Hof uns zu hören verlangt hat, ehe wir uns gemeldet haben. Dieses ist so zugegangen: Ein junger Graf Palffy ging durch Linz, als eben unser dortiges Concert anfangen sollte. Er wartete der Gräfin Schlick auf, die ihm von dem Knaben erzählte und ihn bewog, die Post vor dem Rathhause halten zu lassen und mit ihr in das Concert zu gehen. Er hörte es mit Erstaunen an und machte bey seiner Anherkunft die Erzählung dem Erzherzoge Joseph, der sie der Kaiserin wiederholte. So bald es nun bekannt war, dass wir in Wien wären, erging der Befehl an uns, bey Hofe zu erscheinen. – Ich hätte Ihnen sogleich berichtet, wie unsere Erscheinung ausfiel, wenn wir nicht schnurgerade von Schönbrunn zum Prinzen von Hildburghausen hätten fahren müssen. Es überwogen solchergestalt sechs Ducaten das Vergnügen, Ihnen unverzüglich zu schreiben. Noch heute lässt mir die Zeit nicht zu, Ihnen mehr zu sagen, als dass wir von den Majestäten so ausserordentlich gnädig aufgenommen worden sind, dass man meinen Bericht für eine Fabel halten würde. Der Woferl ist der Kaiserin auf den Schooss gesprungen, hat sie um den Hals genommen und rechtschaffen abgeküsst. Wir sind von 3 bis 6 Uhr bey ihr gewesen, und der Kaiser kam selbst in das zweyte Zimmer hinaus, mich hinein zu holen, um die Infantin auf der Violine spielen zu hören. Gestern, als am Theresien-Tage, schickte die Kaiserin uns durch den geheimen Zahlmeister, der in Gala vor unsere Wohnung gefahren kam, zwey Kleider, eins für den Buben, eins für das Mädel. Der geheime Zahlmeister wird sie immer nach Hofe abholen. Heute Nachmittag müssen sie zu den zwey jüngsten Erzherzögen, dann zu dem genannten Grafen Palffy. Gestern sind wir bey dem Grafen Kauniz und vorgestern bey der Gräfin Kinsky und dem Grafen Udefeld gewesen.

(Leopold M. Brief No. 3.)

Wien, 19. October 1762.

– – – – Heute wurde ich zum geheimen Zahlmeister gerufen. Er empfing mich mit der grössten Höflichkeit und fragte im Namen des Kaisers: ob ich mich nicht hier noch einige Zeit aufhalten könnte? Meine Antwort war: dass ich mich Seiner Majestät zu Füssen legte. Der Zahlmeister händigte mir darauf 100 Ducaten ein, mit dem Beysatze: dass Seine Majestät uns bald wieder rufen werden. Ich mag es betrachten, wie ich es immer will, so sehe ich vor, dass ich vor dem Advent kaum nach Hause kommen werde; allein ich werde schon vorher noch wegen Verlängerung der Erlaubniss bitten. Denn ich muss, wenn ich auch in vierzehn Tagen oder drey Wochen von hier weggehen könnte, wegen der Kinder langsam reisen, damit sie zu Zeiten ein paar Tage ausruhen und nicht, krank werden.

Heute waren wir bey dem französischen Botschafter, und morgen sollen wir zu einem Grafen Harrach. Aller Orten werden wir durch die herrschaftlichen Wagen mit einem Bedienten abgeholt und zurückgeführt. Von sechs bis neun Uhr sind wir für sechs Ducaten zu einer grossen Akademie veraccordirt, wobey die grössten Virtuosen, die dermal in Wien sind, sich produciren werden. Man bestellt uns vier, fünf, sechs, bis acht Tage voraus, um nicht zu spät zu kommen; so bey dem Oberst-Postmeister, Grafen Paar, auf den Montag. Einmal sind wir um halb drey bis gegen vier Uhr an einem Orte gewesen. Da liess uns der Graf Hardegg mit seinem Wagen holen und zu einer Dame in vollem Galopp führen, wo wir bis halb sechs Uhr blieben; dann ging es zum Grafen Kauniz, bey dem wir bis gegen neun Uhr waren.

Wollen Sie wissen, wie des Woferls Kleid aussieht? Es ist vom feinsten Tuche, lillafarben; die Weste von Moir, nämlicher Farbe; Rock und Camisol mit doppelten und breiten Gold-Borten. Es war für den Erzherzog Maximilian gemacht. Der Nannerl ihr Kleid war das Hofkleid einer Erzherzogin. Es ist weiss brochirter Taffent, mit allerhand Garnirungen. – – – – –

(Leopold M. Brief No. 4.)

Wien, 30. October 1762.

– – – – Glück und Glas, wie bald bricht ein Essigkrug! Ich dachte es fast, dass wir vierzehn Tage nach einander zu glücklich waren. Gott hat uns ein kleines Kreuz zugeschickt, und wir danken seiner unendlichen Güte, dass es noch so abgelaufen ist. Den 21. waren wir Abends um sieben Uhr abermals bey der Kaiserin. Woferl war schon nicht recht wie sonst. Später zeigte es sich, dass der Woferl eine Art Scharlach-Ausschlag hatte. Die Herrschaften hatten nicht nur die Gnade, sich täglich um die Umstände des Buben erkundigen zu lassen, sondern sie empfahlen ihn auf das Eifrigste dem Arzte der Gräfin Sinzendorf, Bernhard, der auch sehr besorgt war. Jetzt nähert sich die Krankheit sehr dem Ende. Indessen ist sie mir, gering gerechnet, funfzig Ducaten Schade. Ich bitte, dass drey heilige Messen zu Loretto bey dem heiligen Kindel, und drey dito in Bergl bey dem heil. Franz de Paula gelesen werden mögen. – – – – –

(Leopold M. Brief No. 5.)

Wien, 6. November 1762.

Die Gefahr meines Woferls und meine Angst sind, Gottlob! überstanden. Gestern haben wir unsern guten Arzt mit einer Musik bezahlt. Einige Herrschaften haben indess zu uns geschickt, um sich nach Wolfgangerl zu erkundigen und ihm zum Namenstage Glück zu wünschen. Das war aber auch Alles; nämlich der Graf Ferdinand Harrach, Graf Palffy, der französische Botschafter, Gräfin Kinsky, Baron Prohmann, Baron Kurz, Gräfin Paar. Wäre er nicht schon bald vierzehn Tage zu Hause gewesen, so würde es nicht ohne Geschenke abgegangen seyn. Jetzt müssen wir sehen, dass die Sache wieder in ihren Gang kommt, der rechtschaffen gut war.– – – –

(Leopold M. Brief No. 6.)

Wien, 10. November 1762.

– – – – – Beyliegende Reime wurden mir in dem Concerte, das gestern bey der Marquisin Pacheco war, von dem Grafen Collalto überreicht; ein gewisser Puffendorf hat sie bey Anhörung meines Buben niedergeschrieben.

Auf den kleinen sechsjährigen Clavieristen aus Salzburg.

Wien, den 25. December 1762.

Ingenium coeleste suis velocius annis

Surgit, et ingratae fert male damna morae.

OVIDIUS.

Bewund'rungswerthes Kind, dess Fertigkeit man preis't,

Und Dich den kleinsten, doch den grössten Spieler heisst,

Die Tonkunst hat für Dich nicht weiter viel Beschwerden:

Du kannst in kurzer Zeit der grösste Meister werden;

Nur wünsch' ich, dass Dein Leib der Seele Kraft aussteh',

Und nicht, wie Lübeck's Kind3, zu früh zu Grabe geh'.

(Leopold M. Brief No. 7.)

Wien, den 24. November 1762.

– – – – Wir müssen mit Geduld abwarten, unsere Sachen in den guten alten Gang bringen zu können. Es fürchtet sich nämlich die hiesige Noblesse sehr vor Blattern und allen Gattungen des Ausschlags, Folglich hat uns die Krankheit des Buben fast vier Wochen zurückgeschlagen. Denn, obwohl wir, seitdem er gesund ist, 21 Ducaten eingenommen haben, so ist's doch nur eine Kleinigkeit, weil unsere Ausgaben täglich nicht unter einem Ducaten zu bestreiten sind. Unterdessen leben wir sonst guten Muthes. Die Gräfin Theresia Lodron hat uns mit ihrer Loge bedient, und meinem Woferl Schuhschnallen verehrt, die goldne Platten haben. Am Elisabethtage haben wir die Gallatafel gesehen. Die Ehren und Gnaden, die uns da von der Noblesse widerfahren sind, waren ausnehmend, und es kann Ihnen genügen, zu wissen, dass die Kaiserin mich von der Tafel weg angerufen, ob der Bube nun recht gesund sey. Bey dem Capellmeister Reitter und Herrn v. Wohlau sind wir für immer eingeladen; allein es möchte der Gesundheit meiner Kinder schädlich seyn, oft davon zu profitiren. – – –

(Leopold M. Brief No. 8.)

Wien, den 29. December 1762.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Wir sind von einer Reise nach Pressburg zurück, die wir am 11. angetreten hatten. Da die Gräfin Leopold Kinsky täglich sich nach uns hatte erkundigen lassen, so eilte ich bald zu ihr. Sie hatte mit Schmerzen auf uns gewartet, und eine Tafel verschoben, die sie dem Feldmarschall Daun geben wollte, der uns zu kennen wünschte. Diese Tafel ist gegeben, und am Freytage kehre ich zu Ihnen zurück.

Eine verehrungswürdige Dame, die damals am Hofe war, versicherte mich (schreibt Professor Niemtscheck), dass beyde Kinder ein allgemeines Erstaunen erregt haben; man konnte kaum seinen Augen und Ohren trauen, wenn sie sich producirten. Vorzüglich hat der verewigte Schätzer der Künste, Kaiser Franz I., an dem kleinen Hexenmeister (wie er ihn scherzweise nannte) viel Wohlgefallen gefunden. Er unterhielt sich vielmal mit ihm.

Kaiser Franz sagte unter andern im Scherze zu dem Sohne: »es sey keine Kunst, mit allen Fingern zu spielen; aber nur mit einem Finger und auf einem verdeckten Claviere zu spielen, das würde erst Bewunderung verdienen.« Anstatt durch diese unerwartete Zumuthung betroffen zu werden, spielte der Kleine sogleich mit einem Finger so nett, als es möglich ist; liess sich auch die Claviatur bedecken, und spielte dann mit solcher bewunderungswürdigen Fertigkeit, als wenn er es schon lange geübt hätte. Das Lob der Grossen machte schon als Kind keinen solchen Eindruck auf ihn, um darauf stolz zu werden. Schon in seinen damaligen Jahren spielte er nichts als Tändeleyen und Tänze, wenn er sich vor Personen musste hören lassen, die nichts von Musik verstanden.

Er zeigte hier schon immer des Künstlers Selbstgefühl und war von Ruhmredigkeit und Verlegenheit gleich weit entfernt. Hingegen war er allezeit ganz Feuer und Aufmerksamkeit, wenn Kenner zugegen waren; desshalb musste man ihn oft hintergehen und seine vornehmen Zuhörer für Kunstverständige ausgeben. Als sich der sechsjährige Knabe beym Kaiser Franz I. an das Clavier setzte, und er vielleicht merkte, dass er von lauter Hofleuten umgeben wäre, die er nicht für Kenner kannte oder hielt, sagte er zu dem Kaiser: »Ist Herr Wagenseil nicht hier? Der soll herkommen; der versteht es.« Der Kaiser liess darauf Wagenseil an seine Stelle ans Clavier treten, zu dem nun der kleine Mozart sagte: »Ich spiele ein Concert von Ihnen; Sie müssen mir umwenden.«4