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Berlin, 1891. In einer Stadt voller sozialer Unruhen und politischer Spannungen wird eine Stimme für die Freiheit zum Schweigen gebracht: Ein sozialdemokratischer Abgeordneter stirbt unter mysteriösen Umständen während einer Demonstration. Zudem gab es einen Mordversuch auf den Parteivorsitzenden. Die Ermittlungen führen zuerst ins Andreasviertel, wo Arbeiterfamilien in ärmlichsten Verhältnissen leben, und dann in die dunklen Gänge der politischen Elite, wo Geheimnisse verborgen und Loyalitäten fragil sind. Verdächtige treten aus dem Umfeld des berüchtigten Sozialistengesetzes hervor. Eine geheimnisvolle Liste unliebsamer Abgeordneter, verknüpft mit dem Namen Bismarck, wirft Fragen auf. Bei der Fahndung entfaltet sich ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Wahrheit ans Licht zu bringen: Wer ist Freund, wer Feind? Dieser Krimi beleuchtet die unterschwelligen Strömungen einer sich wandelnden Gesellschaft und stellt die brisante Frage, was geschieht, wenn politische Ambitionen mit mörderischen Absichten kollidieren.
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gewidmet:
Leonie van dem Brande
Marcel Meuser
Wolfgang Kreidler
Rüdiger Vogel
Kap.1
– Politische Rede mit Folgen
Stadtverordneten-Versammlung
Kap.2
– Die Mächtigen im Zwielicht
Bericht aus der Szene
Kap.3
– Die operative Tarnidentität
Die Unruhe der Stadt
Kap.4
– Das geheime Treffen
Ein aufschlussreicher Bericht
Kap.5
– Die Gerüchteküche
Treffen im Büro des Kommissars Vogel
Kap.6
- Der Wahrheit auf der Spur?
Die Planung der Aktion
Kap.7
– Die Fäden ziehen
Der Beginn der Konferenz
Die Folgend er Konferenz
Kap.8
– Hinweise zwischen den Zeilen
Verdachtsmomente
Kap. 9
- Ein neues Bündnis
Unerwartete Hilfe
Kap. 10
– Das Chaos wird zur Waffe
Der Moment der Wahrheit
Im Andreasviertel
Vor der Markuskirche
Die Lage klärt sich
Die Fäden entwirren sich
Kap. 11
– Geheimnisse des Kaiserreichs
Wahrheit im Zwielicht
Die Enthüllung
Die Pressekonferenz
Zwei Monate später …
Berlin, 1891. Eine Stadt im Aufbruch, durchzogen von sozialen Unruhen und politischen Spannungen. Während die Arbeiter auf die Straßen strömen, um für ihre Rechte zu kämpfen, entfaltet sich im Hintergrund ein finsteres Spiel aus Machtgier und Intrigen. An einem scheinbar gewöhnlichen Tag wird eine Stimme für die Freiheit zum Schweigen gebracht – der sozialdemokratische Abgeordnete, ein aufstrebender Hoffnungsträger der Arbeiterklasse, stirbt unter mysteriösen Umständen während einer Demonstration. Auf einen Vorsitzenden der Sozialdemokraten gab es einen Mordversuch.
Die Ermittlungen führen anfangs in die Vorstädte, besonders ins Andreasviertel, in denen Arbeiterfamilien ein erbärmliches Leben, dann aber in die düsteren Gänge der politischen Elite, wo Loyalitäten bröckeln und Geheimnisse wie Nebel die Sicht einschränken. Als die ersten Verdächtigen aus den Reihen derjenigen auftauchen, die das berüchtigte Sozialistengesetz durchgesetzt haben, wird klar: Hier läuft mehr als nur ein persönlicher Konflikt ab. Eine Liste unliebsamer Abgeordneter taucht auf, geheimnisvoll und bedrohlich, als ihr Ursprung sich allmählich entblättert und mit dem Namen Bismarcks verknüpft wird.
Inmitten von Verdacht und Paranoia entfaltet sich ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Wer ist Freund, wer ist Feind? Und was wird es kosten, die Fäden dieser Intrige zu entwirren?
Dieser Krimi führt Sie in die unterschwelligen Strömungen einer Gesellschaft im Wandel und wirft Fragen auf, die bis heute von brisanter Relevanz sind. Tauchen Sie ein in die Schattenseiten der Macht und entdecken Sie, was geschieht, wenn politische Ambitionen mit mörderischer Absicht kollidieren.
Johannes Simang
Leonie van dem Brande – eine leidenschaftliche Sozialreformerin und Arbeitsrechtlerin, die für die Rechte der Arbeiter kämpft. Leonie hat einen guten Draht zu den Arbeitermassen und hat die Resolutionen der arbeitslosen Versammlungen initiiert. Nun steht sie im Landeskriminalamt. Sie hat die Polizisten begleitet, die einen toten Redner von einer Veranstaltung von Arbeitern dem Kommissar Rüdiger Vogel melden.
Als er die bekannte Arbeitsrechtlerin sieht, schwant ihm Böses ... zurecht, denn sie denkt, es könnte ihm helfen, den Mörder zu finden, wenn sie ihm haarklein jedes Wort der agitatorischen Reden wiederholen würde. Der Kommissar ahnte, dass man sie nicht bremsen kann und machte es sich bequem.
„Wir haben heute, Dienstagvormittag, in den größten Sälen Berlins zwei öffentliche Versammlungen für Arbeitslose organisiert. In der einen, welche von ca. 2000 Personen besucht war, sprach im Saale der Bockbrauerei Genosse A. Gerisch. Er führte ungefähr Folgendes aus: ‚Nachdem wir seit zehn Jahren in der Ära der Sozialreform leben, sehen wir uns gezwungen, wiederum Versammlungen von Arbeitslosen einzuberufen, um die wirtschaftlichen Krisen und ihre Ursachen zu diskutieren. Das ungeheure Heer der Arbeitslosen zeigt uns am besten, wie nichtig diese von der Regierung eingeleitete Sozialreform war und wie wenig durch dieselbe der eigentliche Kern der sozialen Frage berührt wurde. Was wir vor Jahren in sechs großen an einem Tage stattgefundenen Versammlungen Arbeitsloser diskutiert haben, müssen wir jetzt wieder erörtern. Dies zeigt uns, dass sich unsere Lage keineswegs gebessert, sondern eher verschlechtert hat. Besäßen wir noch die Anschauungsweise unserer Vorfahren, so würden wir die Arbeitslosigkeit als ein Strafgericht betrachten. Dem ist nicht mehr so; das ‚Strafgericht‘ als Erklärung eines wirtschaftlichen oder anderen Übels ist überwunden. Der Fortschritt im Wissen hat damit aufgeräumt. Die Zeiten sind andere geworden; heute sind nicht mehr wie in früheren Zeiten die Pest und der Aussatz die größten Schrecknisse der Menschheit, heute sind es schlechte wirtschaftliche Ausflüsse der jetzigen Gesellschaft, vor allem die große Arbeitslosigkeit. Betrachten wir die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse, so sehen wir, dass tausende von kräftigen Männern ohne Beschäftigung sind, auch wenn sie gern arbeiten würden. Sie, welche hier versammelt sind, bilden nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Berliner arbeitslosen Arbeiter. Es ist ein großer Teil, abgesehen von den vollständig Indifferenten, deren miserable Lage sie an einen Versammlungsbesuch gar nicht denken lässt. Ich glaube, nicht zu hoch zu greifen, wenn ich die zurzeit in Berlin arbeitslosen Arbeiter auf zirka siebzigtausend schätze. Es ist dies wohl eher zu niedrig als wie zu hoch gegriffen. Die Leiden der Arbeitslosen sind große, die notwendigen Ausgaben, Miete, Lebensmittel etc., bleiben dieselben, während die Einnahmen zu fließen aufgehört haben. Dies Elend ist nicht lokal, nicht national, es ist international und erstreckt sich über die gesamte sogenannte Kulturwelt. Je mehr die Produktion vervollkommnet wird, je schneller müssen die Krisen folgen und je intensiver müssen sie werden. Auch die Länder, welche bisher im großen Maßstabe den sogenannten Industrieländern Industrieprodukte abnahmen, entwickeln sich in industrieller Beziehung immer mehr, bis sie im Stande sind, selbst so viel zu produzieren, dass sie nicht mehr nötig haben, anderen Ländern Konsumartikel zu entnehmen, sondern sogar einen Überschuss eigener Produkte dem Weltmarkt anbieten können. Ist die Entwicklung so weit, so ist die Krise in Permanenz da. Eine schöne Aussicht das. Als zielbewusste Arbeiter können wir uns der Illusion nicht hingeben, als seien durch dies oder jenes Mittel alle Übelstände der heutigen Gesellschaft zu beseitigen. Wir können niemandem Versprechungen machen; aber das können wir bestimmt sagen, dass uns die Verbreitung der Aufklärung über die Klassenlage der Arbeiter wesentlich dem Ziele näherbringt. Und hier üben auch die Krisen, so schrecklich sie auch an sich sind, eine wohltätige Wirkung. Ehe wir unser Endziel erreichen werden, müssen wir uns das, ‚was in der Welt möglich ist‘, unter den heutigen Umständen erkämpfen. Vor allen Dingen ist nötig, eine Verkürzung der Arbeitszeit anzustreben, damit man nicht, wie es heute geschieht, eine Zeit lang bis spät in die Nacht hinein zu arbeiten braucht, um dann mit einem Male der Arbeitslosigkeit, dem größten Elend ausgesetzt zu sein. Die Regelung der Arbeitszeit ist möglich unter den heutigen Verhältnissen; ist sie durchgeführt, dann können wir weiterstreben, unserem Endziel entgegen.“
Vogel: (lehnt sich entspannt zurück) Nun, Frau van dem Brande, das war ja eine bemerkenswerte Rede von Genossen Gerisch. Ich muss sagen, ich wusste nicht, dass Arbeitsrechtler so poetisch sein können. „Ein ungeheures Heer der Arbeitslosen“ – das klingt fast nach einem epischen Krieg. Kämpfen Sie da eher für das Wohl der Arbeiter oder denken Sie darüber nach, ein Buch darüber zu schreiben?
Van dem Brande: (blickte überrascht und leicht irritiert) Herr Vogel, es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit dem Ernst der Lage konfrontiert sind, oder? Diese Worte sind Ausdruck eines Schmerzes, den viele Menschen empfinden. Wir müssen die Realität benennen, um Veränderungen einzuleiten!
Vogel: (grinste) Realität, sagen Sie? Ich dachte, Sie machen den Arbeitern Mut mit Ihrer Rhetorik. Es klingt fast so, als wäre Arbeitslosigkeit nicht das größte Übel, sondern ein auch ein „Fortschritt“. Ein bisschen paradox, oder?
Van dem Brande: (eindeutig defensiv) Aber das ist es doch, was wir diskutieren müssen! Wir leben in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit in steigender Gefahr ist. Ihr Spott hilft niemandem, Herr Kommissar. Es geht um die Menschen, die hinter diesen Zahlen stehen!
Vogel: (mit einem Augenzwinkern) Menschen, ja. Aber „die große Arbeitslosigkeit“ klingt auch nach einem ausgesprochen ungemütlichen Partyspiel, in dem alle Spieler gleichzeitig nach dem Ausweg suchen und keiner das Ziel erreicht. Denken Sie, die Leute nehmen gerne an so einer Versammlung teil, nur um zu hören, dass alles nur schlimmer wird?
Van dem Brande: (eindringlich) Es geht nicht darum, dass wir ein fröhliches Fest daraus machen. Es geht um Aufklärung, um den Zusammenhalt der Arbeiter. Sie haben keine Ahnung, wie viele leidende Menschen uns gegenüberstehen!
Vogel: (hob eine Augenbraue) Ach ja, die „leidenden Menschen“. Sie sprechen von einem Endziel, von Perspektiven. Was haben wir bis jetzt erreicht, Frau van dem Brande? Eine weitere Versammlung, eine weitere melancholische Rede und am Ende stehen sie wieder vor mir, um mir von den ach so großen Krisen zu erzählen?
Van dem Brande: (wird unruhig) Ich verstehe, dass Sie nicht die ganze Tragik der Situation nachvollziehen können, aber ...
Vogel: (unterbrach sie) Tragik? Frau van dem Brande, wenn ich an die tragischen Komödien denke, dann sehe ich uns hier im Büro des Kriminalamts als das Publikum, das darauf wartet, dass sich das Chaos entfaltet. Ignorieren Sie nicht den Humor in dieser Ironie.
Van dem Brande: (starrt ihn verblüfft an) Sie verulken die Situation, als wäre es ein Scherz! Die Probleme, über die wir sprechen, sind nicht lustig!
Vogel: (lehnte sich vor, mit einem schelmischen Gesicht) Sehen Sie, dennoch hat die Welt der Komödie manchmal recht, während die Tragödie auf dem Höhepunkt der Probleme verweilt. Vielleicht finden Sie genau dort die Lösung: Spaß an der Sache. Vielleicht sollten Sie eine „Comedy über Arbeitslosigkeit“ ins Leben rufen.
Van dem Brande: (jetzt sichtbar verärgert) Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, den Mörder zu finden, und nicht um mich über unsere Situation lustig zu machen! Dieses Gespräch führt zu nichts. Ich hatte mehr Respekt für Ihre Ermittlungen erwartet!
Vogel: (grinst immer noch) Nun, wenn Ihre Arbeit so ernst ist, sollen wir doch einen ernsthaften Schluss ziehen: Vielleicht ist der Mörder ein frustrierter Arbeitsloser, der über Ihre Philosophien lachen musste. Glauben Sie mir, wenn die Verzweiflung zuschlägt, verlieren die besten Leute ihren Humor…
Van dem Brande: (furchtbar genervt) Ich sehe, dass Sie einen schlechten Witz nach dem anderen reißen. Ich erwarte von Ihnen ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit!
Vogel: (hob die Hände, immer noch grinsend) Okay, okay. Wir sind beim Thema. Erzählen Sie einfach weiter, Frau van dem Brande. Vielleicht steckt die Antwort in Ihrer nächsten leidenschaftlichen Anklage gegen das System.
Van dem Brande: (seufzt und schaut ihn dann ernst an) Sie sind wirklich eine Herausforderung, Herr Vogel. Aber ich werde nicht aufgeben. Die Wahrheit wird für sich selbst sprechen!
Vogel: (lachte leise) Das hoffe ich doch, denn die Wahrheit hat einen ziemlich schüchternen Charakter, begann sich aber immer mehr in einer Krimiserie zu zeigen.
Van dem Brande: (enttäuscht) Sie sind unmöglich, wissen Sie das?
Vogel: (nickt zustimmend) Ja, aber ich bin auch auf der Suche nach einem Mörder. Lassen Sie von hier an Fakten sprechen, nicht irgendwelche dramatische Sprachakrobatik.
Die Beziehung zwischen der leidenschaftlichen Sozialreformerin und dem sarkastischen Kommissar blieb angespannt, doch die Suche nach der Wahrheit lag vor ihnen.
In dem Moment erschien der Polizist, der Leonie van dem Brande mitgenommen hatte und reichte ihm seinen Bericht. Als der Kommissar ihn las, überzog eine leichte Blässe sein Gesicht, denn der Tote war der Genosse Erich Schmidt, Sekretär des Redners Alwin Gerisch. Letzterer war auch niedergestochen worden und schwer verletzt.
In dem Moment erschien Wolfgang Kreidler auf der Bildfläche. Ein ambitionierter, aber manchmal angesichts der politischen Situation im Kaiserreich frustriert wirkender Journalisten, der in den wirtschaftlich stärksten Kreisen der Stadt und der politischen Unterwelt verkehrt. Rüdiger Vogel kannte ihn schon lange. Sie duzten sich. Wolfgang hatte in der Bockbrauerei die Versammlungen der Arbeitslosen besucht und war entsetzt über die Ignoranz der Stadtverwaltung. Er wollte die Ungerechtigkeiten aufdecken, sah sich jedoch schnell in einem Netz aus Intrigen und Machtkämpfen gefangen. Er wusste offenbar schon, wer das Opfer war.
(Der Polizist verließ das Büro, nachdem er seinen Bericht über den Mord an Schmidt und den Mordversuch an Alwin Gerisch übergeben hatte. Leichte Blässe überzog das Gesicht von Kommissar Vogel. Wolfgang Kreidler, der frustrierte Journalist, stritt energisch durch den Raum.)
Kreidler: (mit entsprechen energischer Stimme) Rüdiger! Was läuft hier? Ich habe es gehört – Alwin Gerisch ist tot? Das kann nicht wahr sein!
Vogel: (nickt ernst) Hallo Wolfgang. Er wurde in den hinteren Räumen des Saales erstochen. Wir versuchen, die Hintergründe zu klären.
Van dem Brande: (schockiert) Alwin Gerisch, sollte der nicht Vorsitzender der Sozialdemokraten werden? … (schüttelte den Kopf) Er hat so leidenschaftlich für die Arbeitslosen gesprochen. Wer würde ihm so etwas antun?
Vogel: Na, Gerisch lebt noch, aber sein Sekretär Erich Schmidt wurde ermordet. (zu Leonie gewandt) Entschuldigen Sie meinen Sarkasmus, Frau van dem Brande, aber man erlebt hier schon manches Seltsame. Aber lasst uns die Fakten ansehen.
Kreidler: (ging nervös im Raum auf und ab) Glaube mir, es gibt viele, die ihm schaden wollten. Diese Wirtschaftslobbyisten sind skrupellos. Und die Stadtverwaltung hat kein Interesse daran, die Missstände ans Licht zu bringen!
Vogel: (blickte erst Leonie van dem Brande an, dann an Wolfgang) Das mag sein, aber wir benötigen konkrete Hinweise. Wer kam zu der Versammlung? Wer war wütend genug, ihm nach dem Leben zu trachten?
Kreidler: (hielt inne und sah Rüdiger ernst an) Alwin war nicht nur ein guter Redner; er war vor allem eine Bedrohung für viele mächtige Leute. Er sprach die Wahrheit über die Ausbeutung der Arbeiter, und das hat einigen nicht gefallen!
Van dem Brande: (ernst) Wir müssen die letzten Reden von ihm betrachten. Wer hatte ein Motiv? Da muss doch jemand besonders aufgebracht gewesen sein.
Kreidler: (nickt) Ich habe die Versammlungen verfolgt. Es gab einen Typen – Klaus Brenner. Er war wütend, als Alwin über die Ungerechtigkeiten in der Stadt sprach. Brenner arbeitet für eine große Baugesellschaft und hat viel zu verlieren.
Vogel: (überlegt) Das klingt verdächtig. Hat er während der Versammlung Drohungen ausgesprochen? Hat er auch ein Alibi für die Zeit des Mordes?
Kreidler: (zuckt mit den Schultern) Ich war mir nicht sicher. Ich war mehr damit beschäftigt, die Reaktionen der anderen Teilnehmer zu beobachten.
Van dem Brande: (gab zu bedenken) Aber nicht jeder, der wütend ist, wird zum Mörder. Es könnte auch persönlicher Natur sein. Vielleicht hatte Alwin Feinde innerhalb der Bewegung. Er könnte einige Mitglieder verärgert haben, indem er die Ansichten radikalisiert hat.
Kreidler: (stimmt zu) Stimmt. Es gab einige Fraktionen unter den Arbeitslosengruppen mit unterschiedlichen Ansätzen. Es könnte auch jemand aus seiner eigenen Reihe gewesen sein, der sich betrogen fühlte, vielleicht jemand, der dachte, Alwin hätte ihn im Stich gelassen?
Vogel: (blickte zwischen ihnen hin und her) Das heißt, wir müssen die Teilnehmer der Versammlung befragen. Und vielleicht auch einige von der Baugesellschaft. Wenn die Wahrheit in der Unterwelt vergraben ist – brauchen wir ein wenig mehr als Lippenbekenntnisse.
Kreidler: Die Teilnehmer waren meist Arbeitslose, d.h. aus Neu-Voigtland, Andreasviertel und aus einigen anderen Vorstädten, besonders Richtung Weberwiese.
Vogel: (genervt) Da leben doch nur Kriminelle, wo wir nie etwas erfahren. Sind die tatsächlich bis zur Knesebeckstraße gelaufen?
Kreidler: Frage mal deine Kollegen. Die haben sie nämlich mit einem Großaufgebot begleiten müssen.
Vogel: Und woher kannten die den Veranstaltungsort?
Van dem Brande: Darum wurde eine Brauerei gewählt. Brauereien kennen sie alle.
Vogel: Aber eine Stunde Weg?
Kreidler: Wenn das Fahrgeld so viel wie ein halbes Bier kostet, laufen sie auch zum Prenzlauer Berg in die Brauereien …
Vogel: Höre ich da eine leichte Kritik an eurer Klientel?
Van dem Brande: (ernsthaft) Wir müssen auch die letzten Kontakte von Alwin untersuchen. Wer hat ihn letzte Woche kontaktiert? Wer hatte die Gelegenheit, ihm nach dem Leben zu trachten?
Kreidler: (fiel ihr ins Wort) Wenn ich das richtig sehe, dann muss Brenner schon beim ersten Verdächtigen auf unserer Liste stehen. Aber auch Verbindungen zu der Stadtverwaltung wären denkbar. Immerhin war Alwin Gerisch einer der SPD-Stadtverordneten, die vor allem die Verwaltung genervt haben.
Vogel: (setzte sich aufrechter hin) Gut, das werden wir tun. Wolfgang, du bleibst bei uns auf der Spur. Leonie, - ich darf das doch sagen - ich möchte von dir die Reden bekommen, die Alwin in letzter Zeit gehalten hat. Vielleicht finden wir dort Anhaltspunkte.
Leonie: (lächelte) Das hört sich doch schon ganz anders an.
Kreidler: (verärgert) Und? Was mache ich dann, während alle auf meinen Kontakt zu Brenner warten?
Vogel: (zwinkert) Du wirst dich umsehen und die Zeitungen durchforsten. Manchmal verraten die Schlagzeilen mehr als die Protagonisten selbst.
Van dem Brande: (schaute Vogel an, sichtlich nervös) Große Worte, Herr Kommissar, aber ich hoffe, dass wir weder den Mörder noch die Lösung übersehen.
In dem Moment trat Kriminalrat Marcel Meuser mit einem energischen Schritt ins Büro des Kommissars. Sein Gesicht war angespannt, und die Augen glänzten vor Sorge. „Wir haben ein dringendes Problem“, begann er, während er sein Notizbuch auf den Tisch legte. „Ich habe heute Morgen mit dem Stadtverordneten Singer gesprochen. Er war bei der Versammlung in der Bockbrauerei und hat mir berichtet, dass die Stimmung dort nicht nur von Frustration, sondern auch von einem tiefen Misstrauen gegenüber der Stadtverwaltung geprägt war. Die Teilnehmer forderten Fortschritte und zeigten sich unzufrieden mit den ständigen Verzögerungen, die sie erfahren haben.“ Paul Singer >
„Was genau hat Singer gesagt?“, fragte Kommissar Vogel, seine Stirn war in Falten gelegt.
Meuser