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Es sollte nur ein kleines Experiment werden, ein winziger Versuch, für ein entbehrungsreiches Leben nun endlich Glück und Wohlstand einzutauschen. Der Versuch misslang, denn als der Dämon im Zimmer erschien, hatte der Professor den zweiten Teil der Beschwörung vergessen. Das nutzte der Dämon eiskalt. Er entzog sich dem Bannfluch, der seit eineinhalbtausend Jahren auf ihm lastete und ihn in einem Turm festhielt. Jetzt war er endlich frei. Jetzt begann seine Zeit...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Blake Gordon und der Dämon aus der Hölle: Gruselkrimi
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von Horst Weymar Hübner
Es sollte nur ein kleines Experiment werden, ein winziger Versuch, für ein entbehrungsreiches Leben nun endlich Glück und Wohlstand einzutauschen.
Der Versuch misslang, denn als der Dämon im Zimmer erschien, hatte der Professor den zweiten Teil der Beschwörung vergessen. Das nutzte der Dämon eiskalt. Er entzog sich dem Bannfluch, der seit eineinhalbtausend Jahren auf ihm lastete und ihn in einem Turm festhielt.
Jetzt war er endlich frei. Jetzt begann seine Zeit...
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Mit zitternden Lippen las Rodalba die uralte lateinische Beschwörungsformel. Leise, ganz leise, damit ja kein Ton hinausdrang aus seinem Studierzimmer, das aussah wie eine Rumpelkammer aus dem Mittelalter.
Seine vertrockneten Finger fuhren unter den verschnörkelten Worten her. Die Handschrift war schwer zu entziffern. Immer wieder stockten seine Finger, und sein Gemurmel erstarb.
Er suchte das Wort zu deuten, zog Vergleiche, kramte in seinem Gedächtnis, bis ihm Sinn und Zweck des Geschriebenen aufgingen.
Ein gieriges Leuchten erfüllte sein Gesicht von innen heraus. Er hatte gewusst, dass es dieses uralte geheime Buch gab. Und zwar hier in Doringham.
Zwanzig Jahre lang hatte er in den Archiven der Universitäten drüben im alten Europa und hier in Amerika gestöbert und gegraben, bis er die Spur hatte.
Und zehn Jahre hatte er noch zusätzlich darauf verwandt, die unermesslichen Schätze an Schriften, Urkunden, Dokumenten und Büchern zu sichten, die Leach Manning seinerzeit als ganze Schiffsladung aus Europa herübergeholt hatte.
Rodalba hatte manchmal schier verzweifeln wollen angesichts dieser Berge von Material und des immer misstrauischeren Benehmens der Manning Sippe. Ein Verrückter wurde er genannt und nicht bloß von den Mannings.
Landauf, landab spotteten die Leute hinter ihm her, wenn er zu seinem baufälligen schäbigen Sommerhaus fuhr, das nichts anderes als eine Bretterhütte
von einem übergeschnappten Goldgräber war.
Vielleicht stellten die Leute auch deshalb eine ganz bestimmte Gedankenverbindung her. Jedenfalls riefen die Kinder hinter ihm her, er sei der beknackte Professor. Die Erwachsenen nannten ihn „Rodalba mit der weichen Birne“.
Und die Mannings wären heilfroh gewesen, wenn sie ihn endlich los gehabt hätten. Er war ihnen unheimlich, wie er kichernd und schlurfend fast jeden Tag durch die Kellerräume ihres feudalen Landsitzes wanderte und Kisten aufbrach, die seit ihrer Ankunft vor rund hundert Jahren noch nicht ausgepackt herumstanden.
Altes Zeug war das, Plunder, manches gefälscht, vor allem die griechischen Skulpturen, die sich Leach Manning damals hatte andrehen lassen.
Und überhaupt war es nur vor der Jahrhundertwende beliebt gewesen, sich das Haus mit antikem Krempel vollzustellen.
Aber selbst dazu war Leach Manning nicht mehr gekommen. Eines Morgens traf ihn der Schlag im Sitzen, und seine Nachkommen waren weit mehr damit beschäftigt, seine Eisenbahngesellschaft in gerechte Anteile aufzustückeln, als ein paar hundert Kisten auszupacken.
Das hatte dann erst Professor Rodalba besorgt.
Der spinnenfingrige schrullige Gelehrte hatte in den zehn Jahren seines Sichtens und Forschens doch so manchen kostbaren Fund gemacht und die Manning Nachfahren darauf aufmerksam gemacht. Aber die hatten nur wenige der wertvollen Entdeckungen droben im Haus aufgestellt.
Der größere Teil war an Museen gegeben worden. Dort konnten die teureren Staubfänger wenigstens vom interessierten Publikum begafft werden.
Wonach Rodalba in Wahrheit aber suchte, das war ein französisches Grimorium. Ein Hexenbuch. Ein geheimes Buch. Bis etwa zu der Zeit, da Leach Manning seine gewaltige Einkaufsreise durchs alte Europa machte, hatte es sich im Kloster St. Vigor in Bayeux befunden. Mit ziemlicher Sicherheit jedenfalls.
Und dann war es weg. Fort, einfach verschwunden.
Aber Leach Manning war in der Stadt gewesen, und zwei nichtsnutzige Burschen mit denkbar schlechtem Ruf fielen noch ein Jahr danach durch unverhältnismäßig hohe Ausgaben und ein flottes Leben auf. Bis dann einer im Suff ins Wasser fiel und jämmerlich ertrank und der andere genau so spurlos verschwand wie das geheime Hexenbuch.
Es war eine Heidenarbeit für Rodalba gewesen, die Ereignisse zu rekonstruieren, die viele Jahrzehnte zurücklagen.
Viele falsche Informationen waren ihm zugeflossen. Er war von Universität zu Universität geirrt und hatte das geheime Hexenbuch gesucht.
Aber er war immer wieder nur Gerüchten aufgesessen.
In Padua endlich gab es ein Schriftstück, in dem Passagen aus dem Grimorium zitiert wurden. Das Dokument datierte aus dem vierzehnten Jahrhundert.
In Upsala erwähnte ein Abt in einem Brief jenes Grimorium.
Natürlich gab es auch noch andere Hexenbücher, und sie waren nicht weniger geheim. Gerade dieses eine aber befasste sich angeblich mit dem Beschwören von Höllendämonen und wie man Gewalt über sie erlangte und sie sich dienstbar machte.
Aus diesem Grunde war Rodalba so unendlich viel an diesem Hexenbuch gelegen.
Seine Seligkeit hätte er dafür hergegeben wenn sie ihm jemand abverlangt hätte.
Vor vierzehn Tagen erst hatte er in einer geborstenen Kiste mit zerbrochenen Fayencen eine Art Inventarliste gefunden. Darin waren nummerierte Kisten angegeben, ohne dass viel über ihren Inhalt gesagt wurde.
Er hatte sich dann einfach an die Angabe „Antike Bücher“ gehalten.
Aber die Kistennummern auf den Brettern waren unleserlich gewesen. Oder sie waren damals schon auf dem Transport zerkratzt oder abgescheuert worden.
Durch den Inhalt von achtundzwanzig Kisten hatte er sich gearbeitet, bis er endlich einen Folianten in Händen hielt, der das gesuchte Grimorium sein konnte.
Der Einband war aus Holz mit Lederüberzug gefertigt, ganz im Stil der damaligen Zeit. Natürlich war der Holzwurm in den schweren Einband geraten. Die Pergamentblätter mit der verschnörkelten Schrift hatten sie jedoch verschont.
Als Rodalba das geheime Hexenbuch zum ersten Male öffnete, hatte er es sehr vorsichtig und unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen getan. Entsetzliche Flüche sollten darauf liegen und den treffen, der die finsteren Mächte frevelhaft herausforderte.
Nichts war passiert.
Das hatte ihn mutiger gemacht.
Er hatte begonnen, die Beschwörungsformeln zu entziffern und zu übersetzen, so gut es ging.
Heute war er auf die richtige Formel gestoßen.
Alle Beschwörungen mussten laut gesprochen werden, wenn sie wirken sollten. Er übte erst einmal, er murmelte die Worte, und immer wieder lauschte er in die Ecken seines Studierzimmers, wenn es dort geheimnisvoll knackte.
Aber es waren nur die Regalbretter, die sich unter dem Gewicht der Bücher bogen.
Rodalbas Stirn glühte wie im Fieber.
Vorbei war die Zeit des Suchens und Forschens, vorbei die Zeit der Entbehrungen. Er war ein alter Sonderling geworden, aber die dreißig Jahre hatten sich gelohnt.
Er war entschlossen, einen Dämon zu beschwören. Der musste ihm zu Reichtum verhelfen, er musste ihm Jugendkraft beschaffen. Er würde ein mächtiger und geachteter Mann sein und nicht der Spinner, hinter dem die Leute her grinsten und sich bezeichnend an die Stirn tippten.
Ihnen allen würde er es noch zeigen!
Er las die Beschwörungsformel an diesem Abend so oft, bis er sich zutraute, sie flüssig und ohne zu stocken herzusagen.
Dann sann er über eine Aufgabe nach, mit der er nachprüfen konnte, ob der Dämon zur Stelle war und ihm auch dienstbar sein wollte. Er holte ein Glas Wasser, zündete zwei schwarze Kerzen an und stellte sie auf die äußersten Ecken des überladenen Schreibtisches.
Draußen war es warm und windig und staubtrocken. Ein kleines, ein winziges Unwetter nur wäre ein guter Beweis, dass der Dämon zur Stelle war.
Rodalba hatte eine dumpfe Angst davor, dass vielleicht nicht alles so glatt ablaufen würde wie erhofft. Aber die Gier, endlich für ein trostloses Leben überreichlich entschädigt zu werden, überwog seine Bedenken.
Und es war ja auch nur eine Probe.
Er stellte sich so, dass er mit den brennenden Kerzen ein gleichseitiges Dreieck bildete, fasste das Glas Wasser mit der linken Hand und sagte mit bebender Stimme: „Besticitum consolatio veni ad me vertat Creon ...“
Nachdem er die Formel gesprochen hatte, schüttete er das Wasser über die linke Achsel hinter sich.
Unheimliche beklemmende Stille herrschte mit einem Schlag. Nicht einmal der Wind vor den Fenstern rührte sich mehr, und die Regalbretter hatten aufgehört, unter dem Gewicht der Bücher zu knarren.
Sekunden vergingen.
Ratlos drehte Robalda das leere Glas zwischen den Fingern. Sein Experiment hatte nicht geklappt, wie es aussah.
Aber dann zuckte er zusammen, duckte sich und schrie gellend auf.
Ein berstender Krach erschütterte das Haus bis in seine Grundfesten, Tür und Fenster sprangen auf, aus dem Nachthimmel zuckten geisterhafte Blitze nieder, denen sofort das schmetternde Tosen der Donnerschläge folgte.
Die Blitze schufen draußen fahle Helligkeit.
Der Schatten einer grauenerregenden Gestalt fiel plötzlich ins Zimmer und wurde ins Groteske verzerrt. Das elektrische Licht erlosch. Seltsamerweise brannten die schwarzen Kerzen weiter, auch wenn heftige Windstöße an den Flammen zerrten.
Ein scharfes Klirren wie von Eisen mischte sich in das Toben der unerklärlichen Gewalten. Von Furcht gepeitscht hob Rodalba den Kopf.
Auf dem Fenstersims saß jemand.
Er wusste sofort, dass es der Dämon war, den er beschworen hatte. Das Wesen war da, und er wusste nicht weiter. Die Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Vergessen war alles, was er dem Dämon befehlen wollte. Sein Gehirn war wie leergeblasen.
Der Dämon zeigte menschliche Gestalt, war aber von Kopf bis Fuß behaart. Sein Kopf war länglich, fast wie gedrückt, und die Augen schauten fuchsteufelswild. Mit den Armen machte er drohende Gebärden.
Rodalba sah, dass der Dämon schwere Eisenringe um die Handgelenke trug und dass sie mit einer Kette verbunden waren. Von einem Ring baumelte ein loses Kettenende herab.
Das bedeutete nur eines das Höllenwesen war irgendwo durch einen Bannfluch festgekettet gewesen. Durch die Beschwörung hatte es sich losreißen können und war hier erschienen.
Rodalba begriff in seinem namenlosen Entsetzen endlich, dass er etwas unternehmen musste. Sonst ergriff der Dämon die Initiative.
Er trat nach vorn, um das Dreieck zu zerstören.
Seine Füße konnte er nur unter unsäglichen Mühen vom Boden lösen, und um ein Haar wäre er nach vorne geschlagen und auf den Schreibtisch gestürzt.
Wieder zuckten draußen Blitze nieder und rüttelten die Donnerschläge an den Mauern des Hauses.
Der Dämon hüpfte vom Fenstersims ins Zimmer und richtete sich auf. Er wurde größer, immer größer, bis er Rodalba um Haupteslänge überragte. Seine behaarten Hände griffen nach dem vor Angst halb irrsinnigen Professor, der jämmerliche Klagelaute ausstieß.
Die Dämonenhände verbogen sich zu Klauen, die langen Nägel wurden spitz wie Dolche.
Rodalba brachte kein vernünftiges Wort zusammen, auch nicht einen zusammenhängenden Gedanken. Nur sein Instinkt sagte ihm, dass er das Hexenbuch haben musste, dass er damit dem Dämon wehren konnte.
Der schien die Absicht zu erkennen.
Ein satanisches Lachen verzerrte das Gesicht, die Töne aus der Kehle des Wesens hörten sich noch schauriger an als das Getöse des herbeigezauberten Unwetters.
Rodalba spürte, wie seine Beine von einer unsichtbaren Kraft wie in Schraubstöcken festgehalten wurden.
Er kam nicht mehr vom Fleck!
Aber wenn er sich nach vorn fallen ließ, prallte er doch auf den Schreibtisch und konnte das Buch packen!
Der Dämon brüllte grässlich auf, als der Professor sich nach vorne warf. Die behaarten Arme zuckten hoch, das lose Kettenende zischte durch die Luft und zerschmetterte Rodalbas Hände, bevor sie das Buch greifen konnten.
Ein paar Kettenglieder hieben tiefe Kerben in die Tischplatte.
Rodalba winselte vor Schmerz und Furcht.
Er spürte die haarigen harten Hände an seinem Hals und kaltes Eisen. Der Dämon zerrte ihm die Kette um die Kehle!
Er hatte das Wesen beschworen, und es war gekommen! Aber er hatte keine Befehle für den Sendboten der Hölle! Darum war der Dämon so wütend! Er bestrafte ihn für den Frevel!
Mit einem mörderischen Ruck zogen die behaarten Hände die Kette zusammen. Rodalbas verzweifelter Hilfeschrei erstickte in einem Gurgeln.
Das größte Anwesen weit und breit war der Besitz der Mannings. Da kam kein Haus in Doringham mit. Und da wohnten nicht gerade die armen Leute.
Die Nachfahren Leach Mannings hatten sich beizeiten vom Eisenbahngeschäft getrennt, als sie merkten, dass damit keine Gewinne mehr zu erwirtschaften waren.
Die großen Profite machte man heutzutage mit Elektronik, mit Öl und Erdgas. Da fiel noch ordentlich etwas ab.
Und weil die Nachfahren von Leach Manning alles etwas anders machten als andere Leute, hatten sie Erfolg. Jedenfalls konnte niemand behaupten, einen von den Mannings je übervorteilt oder zu einem ungünstigen Geschäftsabschluss getrieben zu haben.
Wer mit dem großen Geld noch mehr Geld scheffelte, glaubte, er müsse unbedingt ein Büro in New York oder wenigstens in San Francisco haben.
Die Mannings hielten das für einen alten Zopf und betrieben ihre Geschäfte von Doringham aus. Ihre größten Konkurrenten verstanden dass nicht, aber es funktionierte, und das war schließlich die Hauptsache.
Natürlich waren elektronische Leitungen zu den wichtigsten Handelsplätzen der Welt geschaltet; es gab auch ein Dutzend Fernschreibverbindungen, die Tag und Nacht offen waren, und für alle Fälle, bei denen ein Manning selber anwesend sein musste, standen zwei Geschäftsflugzeuge auf dem städtischen Flugplatz von Doringham bereit.
Die meiste Zeit des Jahres waren die Mannings jedoch in dem weitläufigen Gebäude versammelt, das Leach seinerzeit einfach in die Gegend gebaut hatte, weil ihm der Winkel am Fluss so gut gefiel.
Es war mehrfach umgebaut und modernisiert worden, und die Bungalows von einem halben Hundert Mitarbeiter gruppierten sich mittlerweile drum herum.
An diesem Abend saßen die Mannings wie fast jeden Abend zusammen, um den Familienzusammenhalt zu unterstreichen. Jeder sollte jederzeit das Gefühl und die Gewissheit haben, dass er auf die große Familie zählen konnte und dass sie geschlossen hinter ihm stand.
Darauf beruhte der Erfolg der Sippe.
Und auch der Erfolg vieler anderer Familienclans in diesem Land.
Thomas Philby, der mit Vera Manning verheiratet war und deshalb nur Veras Mann genannt wurde, mixte sich einen Drink zurecht, der einen Bären stockbetrunken gemacht hätte. Thomas Philby war das Gehirn der Manning Sippe, von ihm kamen die meisten Anregungen, die besseren Ideen und die kühnsten Geschäftsvorschläge. Er war ein rücksichtsloser Mensch, hatte mindestens zwei Dutzend Konkurrenten an den Bettelstab gebracht, bevor er ihre Firmen für einen Apfel und ein Ei aufkaufte, und er war auch privat ein rüder Patron.
Das Hauspersonal und die Geschäftsmitarbeiter behaupteten, manchmal könnte man hören, wie er Vera verprügelte, bevor er nach Houston oder Dallas oder Los Angeles oder Miami flog, wo er Freundinnen hatte.
Angeblich lebten auch noch ein paar Flittchen ganz einträglich von ihm.
Mit dem Glas in der Hand trat er an eines der Fenster und schaute über den nach mexikanischer Art angelegten Innenhof zum Gebäudeflügel, in dem der bescheuerte verhutzelte Professor Rodalba seine Studien betreiben durfte.
Drüben brannte Licht, der seltsame Kerl hockte wieder über den Büchern, die außer ihm kein Mensch verstand. Tagsüber stöberte er in den Kellerräumen und packte Leachs schon fast vergessene Schätze aus, die kaum noch jemand haben wollte.
„ Komischer Knabe, der!“ murmelte Thomas Philby. „Der gehört schon fast zum Haus wie die alten Kisten und die Möbel. Zehn Jahre kriecht der in dem alten Zeug zwischen lauter Spinnweben herum.“
„ Was sagst du?“, erkundigte sich Dyer Manning. Vom Geschäft verstand er nicht allzu viel, dagegen war er Experte, was Frauen betraf.
„ Der wunderliche Kerl drüben arbeitet immer noch“, antwortete Philby. „Bei dem Tempo müsste er doch mal fertig werden. Was treibt er eigentlich für Studien, wenn .er nicht gerade Kisten ausräumt?“
Dyer grinste und schlenderte heran. „Kürzlich war ich drüben, habe mir seine Notizen angesehen. Lauter gelehrtes Zeug in Sprachen, die kein Mensch versteht. Ich jedenfalls bin nicht mitgekommen. Und Bücher, die noch von Hand auf Pergament geschrieben sind. Ich sage dir, die Leute, die damals diese Arbeit gemacht haben, müssen jahrelang an so einem Buch geschuftet haben.“
„ Das macht die Dinger ja auch wertvoll“, meinte Philby grinsend. „Ich will doch hoffen, dass der alte Knabe nicht heimlich welche von den Büchern wegschleppt.“
Dyer schüttelte den Kopf. „Hat er noch nie versucht. Manchmal kramen die Wächter in seinen Sachen herum, wenn er zu seinem Holzhaus rauffährt. Eine durch und durch ehrliche Haut.“
„ Dann ist er erst recht blöd“, urteilte Philby. „Kein Wunder, dass er’s in seinem ganzen langen Leben nicht weiter als bis zum Hungerleider gebracht hat.“ „Nicht jeder ist wie du. Lauter Philbys, das hält die Welt nicht aus!“ spottete Dyer und wandte sich ab.
Thomas Philby knurrte ihm etwas nach, .das sich mächtig unfreundlich anhörte. Dyer konnte es sich aussuchen, ob es auf ihn oder allgemein auf die Mannings gemünzt war. Aber Philby machte ja kein Geheimnis aus seiner Meinung über die männlichen Mannings, die er allesamt für degeneriert hielt. Seit Leach hatten sie keinen tollen Kerl mehr hervorgebracht, der die Welt in seine Hosentasche steckte.
„