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Carrington und das Tal der Toten: Western von Horst Weymar Hübner Als Old Loony und Tom Carrington in den Hof der Bend-Ranch einreiten, empfängt sie eine bedrückende Stille. Mary und Hutch sind erschossen worden. Zwei frische Gräber lassen vermuten, dass die beiden Söhne der Toten auch nicht mehr leben. Tom Carrington und Old Loony reiten zur Nachbarranch, doch hier werden sie nur hingehalten. Also kehren sie zur Ranch der Bends zurück und finden sie verwüstet. Sogar die Toten wurden aus den Gräbern geholt und einfach nur in die offenen Gräber zurückgelegt. Was ist da bloß passiert?
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Carrington und das Tal der Toten: Western
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von Horst Weymar Hübner
Als Old Loony und Tom Carrington in den Hof der Bend-Ranch einreiten, empfängt sie eine bedrückende Stille. Mary und Hutch sind erschossen worden. Zwei frische Gräber lassen vermuten, dass die beiden Söhne der Toten auch nicht mehr leben. Tom Carrington und Old Loony reiten zur Nachbarranch, doch hier werden sie nur hingehalten. Also kehren sie zur Ranch der Bends zurück und finden sie verwüstet. Sogar die Toten wurden aus den Gräbern geholt und einfach nur in die offenen Gräber zurückgelegt. Was ist da bloß passiert?
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Alfred Bekker
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Es war unnatürlich still um das Haus herum. Old Loony blieb so plötzlich stehen, dass Tom Carrington ihn fast umrannte.
„Gefällt mir nicht“, knurrte Loony und schaute auf die untergehende Sonne. „Um die Tageszeit ist Hutch immer auf der Ranch.“ Er setzte sich wieder in Bewegung und schleifte das steife Bein nach. „Sehen wir besser mal auf der hinteren Veranda nach“, fügte er hinzu. Und dann sagte er nichts mehr.
Hinter der Brunneneinfassung lag Hutch auf dem Rücken. Seine gebrochenen Augen blickten in den Himmel, den er nie wieder sehen würde. Er war zweimal in den Bauch geschossen worden.
Old Loony schluckte. Es war vor vielen Stunden geschehen, denn das Blut war schon trocken. Klein und hilflos lag der alte Hutch im Staub seines Hofes, das rechte Bein angezogen, als hätte er noch den Versuch gemacht, sich auf die Seite zu rollen.
Langsam hob Loony den Kopf. Seine Augen wurden dunkel und tief.
„Sieh nach Mary, Tom! Sieh überall nach!“ Er sprach leise wie ein Kind, das sich fürchtet.
Tom wandte sich ab, er verstand. Da nahmen zwei alte Freunde Abschied voneinander. Ein Dritter dabei störte.
Er schlug einen Bogen um die vielen Spuren im Hof. Im Halbschatten unter dem vorgezogenen Dach lag ein umgeworfener Stuhl. Die Haustür stand auf.
Tom lauschte in die Dunkelheit des Hauses. Die herrschende Stille war beklemmend.
Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er durch die Öffnung. Es dauerte ein paar Momente, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Er war nicht in den Flur geraten, sondern sofort in den Wohnraum. Das Ranchhaus der Bends enthielt bestenfalls drei Räume. Vielleicht hatte Hutch früher mal geplant, den Bau zu erweitern, und hatte es bei den Plänen bewenden lassen, nachdem die Ranch auch so die Familie ernährte.
Der Raum sah aus, als hätte ein Wirbelsturm darin gehaust. Die handgearbeiteten Möbel waren umgeworfen, Schubladen herausgerissen und ausgeleert. Nichts befand sich mehr an seinem Platz.
„Mistress Bend?“ Geisterhaft hohl klang Toms Stimme durch das dunkle Haus.
Er erhielt keine Antwort, aber ein leichter Luftzug streifte sein Gesicht. Im Hintergrund stand noch eine Tür auf.
Er musste über Möbeltrümmer steigen und geriet in die kleine Küche und von dort auf die hintere Veranda.
Und dann stand er starr neben dem alten Schaukelstuhl und blickte hinunter.
Die weißhaarige alte Frau saß ganz still da, das Gesicht zwei Gräbern im Garten zugekehrt, und hielt die Armlehnen des Stuhles umkrampft.
Tom stieg etwas in die Kehle. Auf dem Herweg hatte Old Loony stundenlang über die Bends, über die kleine Ranch im Sweetwater-Tal, über seinen alten Sattelgefährten Hutch und über dessen prächtige Söhne geredet, die es offensichtlich vorzogen, Junggesellen zu bleiben. Zwei Gräber im Garten hatte er nicht erwähnt.
„Mistress Bend !“, sagte Tom behutsam. Die alte Frau saß da, als sei sie eingenickt.
Sie rührte sich nicht. Behutsam fasste er sie an der Schulter. Und plötzlich wusste er, dass sie nicht eingenickt war.
Ihr Oberkörper rutschte zur Seite. Er sah das trockene Blut in den grauen Haaren und auf dem Kopfpolster des Schaukelstuhls.
Darum war sie nicht draußen im Hof bei ihrem Mann!
„Mein Gott!“, murmelte Tom.
Diese Familie war ausgelöscht.
Im Sweetwater-Valley gab es keine Bends mehr.
Old Loony hatte den Stuhl hingestellt und Hutch hineingesetzt.
„Einen Mann wie Hutch lasse ich nicht im Staub liegen“, sagte er, als müsste er seine Handlungsweise erklären. Die Augen des Toten hatte er geschlossen. Das im Schmerz erstarrte Gesicht von Hutch hatte er jedoch nicht mehr verändern können.
Tom Carrington räusperte sich die Kehle frei. „Seine Frau auch.“ Dabei klang seine Stimme wie brechendes Glas. „Und im Garten sind zwei Gräber.“
Loony fuhr hoch. „Im Garten?“ Nach ein paar Sekunden sagte er: „Dann sind's keine Fremden. Also auch Fairlie und Tuss!“ Sein Dachsbart sträubte sich. „Warum bin ich nicht früher hergekommen, statt eben mal vorbeizuschauen. weil's gerade am Weg lag? Hilf mir, wir tragen ihn ins Haus.“
„Lass ihn besser im Sonnenuntergang sitzen.“
In Loonys Augen stand eine Frage. Er humpelte ins Haus.
Tom hörte ihn nach hinten gehen und eine Weile später zurückkommen und zwischen den herausgeworfenen Sachen herumkramen. Dann brachte er einen schwarzen Tuchrock heraus.
Sie zogen dem Toten den Rock an und richteten ihn her, so gut sie konnten.
„Den trug er damals, als sie heirateten. Er passt ihm immer noch“, murmelte Loony. „Pfeif den Wolf her, ich habe Spuren gefunden.“ Wie er das sagte, klang es, als verspräche er sich einiges davon.
„Wir verständigen besser den nächsten Sheriff und benachrichtigen die Nachbarn.“
„Sheriff? Früher gab's in der ganzen Gegend keinen, und das hat sich nicht geändert, denke ich. Wir haben nicht mehr viel Zeit, es wird bald dunkel.“
Ein schwaches Klirren drang bis zum Haus her. Thunder versuchte, die Gebisskette aus dem Maul zu schieben. Dabei äugte er zur vorderen Veranda her. Tom hatte die Zügel über einen Gatterpfosten geworfen, als ihr Hufschlag keine Menschenseele herausgelockt hatte und als ihnen die unwirkliche Stille auf der kleinen Ranch aufgefallen war.
„Gut, dann zuerst die Spuren und später die Nachbarn“, stimmte Tom zu.
Die Sonne schickte sich an, hinter die fernen Hügelketten zu sinken. Sehr viel Zeit für Nachforschungen hatten sie nicht mehr.
Es waren vier gewesen. Die Pferde hatten sie dort abgestellt, wo jetzt Rosinante, Loonys widerborstiges Maultier, den hässlichen Kopf zwischen den Gatterstangen hindurchschob und die in einer Ecke zusammengedrängten verschreckten Hühner anblinzelte. Die Gäule waren scharf geritten worden, denn sie hatten sich kaum bewegt.
Das ließ den Schluss zu, dass die Reiter von einem ziemlich entfernt liegenden Ort gekommen waren.
Gemeinsam hatten sie den Hof betreten. Hutch war ihnen entgegengegangen. Hinter dem Brunnen waren sie aufeinandergetroffen und hatten geredet. Hutch musste unruhig geworden sein, seine Stiefelspuren lagen auf einer kleinen Fläche hart nebeneinander. Aber er war keinen Zoll zurückgewichen.
Einer hatte geschossen. Dann noch einmal, als Hutch schon am Boden lag.
Vom Brunnen führten die Spuren der vier zum Haus.
Tom öffnete die Augen unnatürlich weit, als er entdeckte, dass einer mit gespreizten Beinen stehengeblieben war.
Er visierte die Richtung und fand den Kugeleinschlag neben dem Türrahmen im Holz.
Mary Bend war nicht hinter dem Haus im Schaukelstuhl gestorben, sondern hier draußen! Sie hatte die Schüsse gehört und war herausgelaufen. Die Männer hatten sie dann hinters Haus gebracht und in den Stuhl gesetzt, als sollte sie noch im Tod das Bild der beiden Gräber im Garten ertragen müssen.
Danach hatten die Killer das Haus verwüstet. Sie hatten etwas gesucht.
Old Loony hinkte in den Hof. Er setzte sich auf die Brunneneinfassung und streckte das steife Bein von sich. „Schätze, sie kommen wieder. Sie haben nicht bekommen, was sie wollten. Sonst hätten sie das Haus angezündet.“
Tom wiegte den Kopf. Für Loonys Annahme sprach ebenso viel, wie dagegen. „Sie könnten es auch an einem anderen Ort vermuten und suchen jetzt dort. Was war Hutch Bend für ein Mann? Große Reichtümer hat er bestimmt nicht angesammelt.“
„Was für ein Mann? Von seiner Art gibt's keine fünf im Umkreis von fünf Tagen. Er steckte sein Geld in dieses Tal. Das war früher eine Wildnis, und er hat eine gute Weide daraus gemacht. Hutch hatte das Zeug, einer der großen und bedeutenden Männer zu werden. Aber er wollte nie mehr als das, was er zum Leben brauchte. Und Mary war ihm eine gute Frau und seinen Söhnen eine gute Mutter. Als sie mit ihm herkam, musste sie in der ersten Nacht am Feuer zwei Pferdediebe erschießen. Reich waren sie nie, wollten es nie sein.“
„Tatsache bleibt, dass die Familie ausgelöscht ist, und das hat eine Ursache. Er muss die vier gekannt haben.“
„Bist du sicher?“
„Er hörte sie kommen, vielleicht sah er sie sogar. Er kam unbewaffnet aus dem Haus, vor dem Frühstück. In der Küche stehen Tassen und Teller auf dem Tisch, aber sie sind nicht benützt. Wären es Fremde gewesen, hätte er eine Waffe in die Hand genommen, oder in die Hose gesteckt. Kennst du welche von den Nachbarn?“
„Du meinst, ob die was wissen?“
„Zumindest über die Gräber im Garten. Wie sieht's damit aus?“
Der Alte dachte nach. „Stockwood. Vor zwanzig Jahren bin ich mal mit ihm hingeritten. Zwei kleine Herden hatten sich vermischt. Ist drüben im Nachbartal, fünf Stunden weit ungefähr. Wir kämen erst gegen Mitternacht hin.“
„Und wenn's noch drei Stunden später wäre.“ Tom Carrington pfiff nach dem Schwarzwolf, der sich irgendwo herumtrieb.
Ein heiserer Laut kam aus dem Weidengebüsch, das eine Wasserstelle neben dem Ranchhaus markierte. Ein Schwarm Vögel stieg kreischend auf und senkte sich hinter dem Stallschuppen nieder. In einer Gebüschlücke tauchte der zerzauste Sam auf und blickte enttäuscht der gefiederten Schar nach.
Old Loony holte den Eimer aus dem Brunnen und tränkte sein Maultier und Toms Hengst.
Bevor sie von der Ranch ritten, schauten sie noch einmal zu der stummen Gestalt im Stuhl unter dem vorgezogenen Dach drüben.
„Weißt du, was ein heiliges Versprechen ist?“, fragte Old Loony murmelnd.
Tom Carrington schwieg. Die Frage konnte ebenso ihm wie dem Toten gelten.
Er bemerkte, wie der Alte das steife Bein über den Sattel schwang und mit einem unglaublich harten Ruck das Maultier in Gang brachte.
Da begriff er, wem Loony das Versprechen gegeben hatte.
Und er erkannte, dass der Alte von diesem Augenblick an auf dem Kriegspfad war.
In zwanzig Jahren vergisst man allerlei.
Der Nachbar hieß nicht Stockwood, sondern Lockman. Das erfuhren sie aber erst, nachdem der Mann mit einer Flinte aus dem Fenster gezielt und mit Geschrei und Gepolter seinen Schwiegersohn geweckt hatte. Mit einer Lampe und einem zusätzlichen Gewehr kamen die notdürftig bekleideten Männer schließlich heraus.
In diesem Land schien Vorsicht ein weit wichtigeres Gebot zu sein als Gastfreundschaft. Jedenfalls waren Lockman und sein Schwiegersohn nicht leichtsinnig.
Sie hörten Tom Carrington zu und unterbrachen ihn nicht.
Und die ganze Zeit behielten sie die Gewehre oben.
Tom und Old Loony mussten es sich gefallen lassen, bis auf die Knochen gemustert zu werden. Nicht weniger kritisch und scharfäugig wurden die Tiere begutachtet
Lockman, der wenigstens in Loonys Alter sein musste, erklärte schließlich: „Einen Mann beurteilen wir nach seinem Pferd, oder worauf er gerade reitet. So, Hutch und Mary also! Tut mir verdammt leid, ehrlich. Wir hatten keinen großen nachbarlichen Verkehr. Wir müssen zupacken und können nicht im Land rumreiten und Leute besuchen. Sie habe ich noch nie hier gesehen!“
Sein Flintenlauf zeigte auf Tom. Besonders große Erschütterung über den Tod von Hutch und seiner Frau ließ er nicht erkennen.
Das lag wohl am Menschenschlag hier, vermutete Tom. Die Leute waren wortkarg und herb, und vorschnell konnte man sie sogar als abweisend einstufen.
Aber das lag auch am Land. Es war feindlich, und wer hier siedelte und sich ein Stück Besitz erobert hatte, der war noch härter.
„Ich bin nur mitgekommen“, erklärte Tom. „Ich habe einen guten alten Freund begleitet.“
Lockmans wachsamer Blick richtete sich sofort auf Old Loony. „Nie gesehen!“
„Ich war vor zwanzig Jahren mit Hutch hier. Wegen der vermischten Herden“, brummte Loony. Er ließ erkennen, dass es ihm nicht behagte, vor zwei Waffenläufen zu stehen.
Lockman dachte angestrengt nach, das war zu erkennen. Es dämmerte ihm allmählich. „Es gab da mal Ärger, das stimmt schon“, räumte er ein. „Aber das ist dreißig Jahre her.“
„Von mir aus auch das“, knurrte Loony. „Ich bin danach jedenfalls noch ein paarmal bei Hutch gewesen.“
Tom fand, dass Old Loonys Gedächtnis da und dort beachtliche Lücken aufwies. Schon der Name des Nachbarn war falsch, und dann hatte er sich noch um glatte zehn Jahre vertan.
Lockman ließ endlich die Flinte sinken. „Und wegen damals kommen Sie nun zu mir?“
„Wir hätten da einige Fragen“, sprach Tom. „Und es sollte auch jemand ein Auge auf das Vieh der Bend-Ranch haben. Einmal haben wir im Garten hinterm Haus zwei Gräber gefunden. Und dann sind Spuren auf der Ranch. Vier Männer. Wissen Sie etwas darüber?“
Lockman und sein Schwiegersohn warfen sich Blicke zu.
Tom kam es vor, als herrschte Einverständnis zwischen ihnen. Dann sagte Lockman: „Wie schon gesagt, wir sahen uns kaum. Wir bleiben in unserem Tal, und Hutch hielt es ebenso. Ein oder zweimal traf man sich in Mason.“
Old Loony nickte. Der Name der Ansiedlung oder Stadt schien Erinnerungen zu wecken.
„Kauft man dort die Vorräte?“, fragte Tom schnell.
Etwas widerwillig nickte Lockman. „Eine Ranch kann nicht alles selber erzeugen.“
„Das ist mir schon klar. Sagen Sie mir jetzt etwas über die Gräber im Garten!“
Dieser Vorschlag fand nicht die Zustimmung von Lockman. Sein Schwiegersohn öffnete zwar den Mund, aber ein Blick des Alten sorgte dafür, dass er ihn wieder schloss.
„Darüber reden wir am Tag, wenn Sie es nicht vorziehen, nach Mason hineinzureiten.“ Lockman sprach zögernd, fast unwillig.
Tom spürte immer deutlicher, dass der Mann Ausflüchte machte, dass es da etwas gab, über das er nichts sagen wollte, ohne dass er indessen ein schlechtes Gewissen hatte.
Nachbarliche Querelen? Schon möglich. Wahrscheinlich war es bei der einmaligen Vermischung der Herden nicht geblieben.
„Können wir Ihren Brunnen benützen?“, fragte Tom frostig.
Lockman machte eine Bewegung mit der Flinte, die von der Zustimmung bis zur Ablehnung alles enthielt. Tom konnte sich die passende Antwort aussuchen.
Die beiden nächtlichen Besucher warteten vergeblich auf eine Einladung, die Stunden bis zum Morgen auf der Ranch zu verbringen.
Lockman sah es lieber, wenn er keinen Fremden in der Nähe wusste.
An seiner Stelle wäre ich auch misstrauisch. dachte Tom. Allein schon deswegen, was auf der Bend-Ranch geschehen ist!
Die Erklärung für Lockmans seltsames Verhalten erschien ihm jedoch zu dürftig. Dahinter steckte mehr.
Lockman wusste etwas, sein Schwiegersohn auch, und beide wollten nicht reden. .
Hatten sie selber Angst? Fürchteten sie, ebenso besucht zu werden, wie Hutch und seine Frau?
„Dann bis zum Morgen!“ Tom deutete eine Bewegung zur Hutkrempe an und zog seinen prächtigen Blauschimmelhengst herum. Old Loony folgte ihm auf dem Maultier.
Während sie am Brunnen die Tiere tränkten und die Feldflaschen mit frischem Wasser füllten, sahen sie Lockman und seinen Schwiegersohn noch immer vor der Tür stehen. Die beiden Männer beobachteten sie wachsam.
Unvermittelt erscholl in der Nähe ein schauriger Ruf aus der Kehle von Sam. Auf Lockmans Pferdekoppel brach Unruhe aus. Der dumpfe Schlag galoppierender Hufe drang aus der Nacht.
Holzstangen knackten unter dem Ansturm schwerer Pferdeleiber.
Und im Stall trommelten eisenharte Hufe gegen eine Box, bevor ein Hengst seinen wütenden Ruf aussandte, um seinen Pferdeharem zu beruhigen und dem vermeintlichen Angreifer zu signalisieren, dass es hier einen aufmerksamen Wächter gab.
Lockmans erschrockener Fluch war bis zum Brunnen zu hören: „Hölle und Verdammnis, seit wann kommen wieder Wölfe herunter? Dave, hast du Spuren gesehen?“
Im Lampenschein war zu sehen, dass der Schwiegersohn den Kopf schüttelte. Er schien es noch weniger als Lockman zu begreifen, dass sich ein streunender Wolf bis in die Nähe der Ranch verirrt hatte.
„Drücken Sie nicht versehentlich ab!“, rief Tom. „Der Wolf gehört mir.“
Die Köpfe fuhren herum.
Die Distanz war beträchtlich, und Einzelheiten waren nicht zu erkennen, aber Tom war sicher, dass sie ihn wie einen Verrückten ansahen, den man vorsichtig behandeln musste.
Als er mit Old Loony vom Hof herunterritt, bemerkte er, dass die beiden Männer wieder die Waffen oben hatten.
Das war wirklich eine verdammt seltsame Gegend!
Eine halbe Meile weiter stieg Loony von seinem Maultier. „Der Platz ist so gut und so schlecht wie irgend ein anderer. Machen wir unser Lager hier.“
„Sollten wir nicht besser nach diesem Mason reiten?“
„Glaubst du, dort erfahren wir mehr?“, fuhr der Alte hoch. „Lockman lügt, oder er hat die Hosen gestrichen voll.“
Tom stieg ab, pflockte Thunder abseits des Weges an und sattelte ab.
„Sagen wir so, er ist ein sehr vorsichtiger Mann. Sein Schwiegersohn hätte geredet...“
„Genau das hat mich stutzig gemacht. Warum hat Lockman ihn nicht sprechen lassen? Die verheimlichen uns etwas. Junge. Glaube einem alten Mann, dem im Leben mehr Kugeln um die Ohren geflogen sind, als du an einem Tag zählen kannst.“
Wütend nahm Old Loony Sattel und Packzeug ab und rollte seine Decke aus.
Die Nacht war empfindlich kühl. Das fette Gras war feucht. Irgendwo quarrte ein Vogel unzufrieden im Schlaf.
Tom rollte sich eine Zigarette und brannte sie in der hohlgehaltenen Hand an. Den Glutpunkt verdeckte er bei jedem Zug. Schon manchem Mann war eine aufglimmende Zigarette zum Verhängnis geworden. Und hier war doppelte Vorsicht geboten, solange vier Killer unerkannt im Land lebten und vielleicht gerade in dieser Nacht wieder unterwegs waren.
Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er den Alten an den Sattel gelehnt sitzen und die Ranch beobachten. Bei Lockman brannte hinter zwei Fenstern Licht.
„Vielleicht reitet er selber, oder er schickt den Schwiegersohn, der nichts zu sagen hat“, meinte Old Loony gereizt, wie ihn Tom schon lange nicht mehr erlebt hatte.
„Wohin schicken?“
„Zu den Kerlen, die...“ Mit einem scharfen Atemzug unterbrach sich der Alte.