Blind Dreams - M.S. Kelts - E-Book

Blind Dreams E-Book

M.S. Kelts

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Beschreibung

Luca und Adam haben es geschafft – endlich eine feste Beziehung. Wären da nicht Lucas Ängste und Unsicherheiten und das ständige Pendeln zwischen ihren Wohnorten, das die beiden nicht zur Ruhe kommen lässt. Dass sich Luca noch immer scheut, all seine geheimen Sehnsüchte auszuleben und Adam die Kontrolle zu überlassen, stellt die Liebe der beiden Männer auf eine harte Probe. Vor allem, als ein alter Freund aus Adams Vergangenheit auftaucht. Doch besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, und dafür ist Adam ja bekanntlich Experte … Neuauflage

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Seitenzahl: 486

Veröffentlichungsjahr: 2025

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M.S. Kelts

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2026

http://www.deadsoft.de

Deutsche Erstausgabe August 2019 im Cursed Verlag

©  by M.S. Kelts

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte he68 stock.adobe.com

ISBN 978-3-96089-825-2

ISBN 978-3-96089-826-9

Inhalt

Luca und Adam haben es geschafft – endlich eine feste Beziehung. Wären da nicht Lucas Ängste und Unsicherheiten und das ständige Pendeln zwischen ihren Wohnorten, das die beiden nicht zur Ruhe kommen lässt. Dass sich Luca noch immer scheut, all seine geheimen Sehnsüchte auszuleben und Adam die Kontrolle zu überlassen, stellt die Liebe der beiden Männer auf eine harte Probe. Vor allem, als ein alter Freund aus Adams Vergangenheit auftaucht. Doch besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, und dafür ist Adam ja bekanntlich Experte…

Widmung

Für Tanja … Du weißt, warum.

Wohin du gehst, dahin gehe ich auch.

1.

Adam

Nur noch wenige Meter und ich bin zu Hause. Das Grinsen will gar nicht mehr aus meinem Gesicht weichen.

Luca! Endlich haben wir wieder ein wenig Zeit füreinander und dank Jamie sogar mehr, als ich erwartet habe. Ganze fünf Tage! Unweigerlich kehren meine Gedanken zu Jamie zurück und ich bin wirklich stolz auf ihn, auch wenn es vielleicht heißt, dass ich mir demnächst schon wieder einen anderen Job suchen muss.

Aber darüber kann ich mir auch später noch Gedanken machen. Jetzt zählen allein Luca und die nächsten, gemeinsamen Tage.

Er hat mir verraten, dass er sich Montag und Dienstag freigenommen hat, um sie ganz mit mir zu verbringen. Schöne Aussichten und, wenn ich ehrlich bin, haben wir diese Zeit auch bitter nötig. So toll die Chance im Allgäu auch ist und so gern ich auch mit Jamie, Mike, Dirk und Jace zusammenarbeite, so sehr belastet mich die Tatsache, dass ich Luca alleine lassen muss. Nein, das ist untertrieben. In Wahrheit zermartere ich mir den Kopf, wie wir das dauerhaft ändern können. Ich spüre einfach, dass es ihm nicht guttut und er sich nur zusammenreißt, damit ich mich nicht schlecht fühle.

Luca ist durch und durch ein Beziehungsmensch und braucht die Nähe zu seinem Partner. Und, wer hätte es je gedacht, mir geht es ebenso. Ich habe diesen Mann einfach gern um mich und vor allem seine Vielschichtigkeit fasziniert mich täglich mehr, denn ich kann sie immer weiter ergründen. In Luca steckt noch so viel Verborgenes, das er jetzt noch nicht zeigt oder noch nicht zu zeigen bereit ist, aber ich denke, dass er selbst noch immer nicht ganz genau weiß, was er tief in sich begehrt.

Und genau das ist der Punkt: Obwohl wir ein Paar sind, ist die Entfernung zwischen uns sowohl räumlich als auch mental noch viel zu groß.

Ich habe ihm versprochen, diese Reise mit ihm zu gehen, ihn zu führen, zu leiten, aber das kann ich nicht, wenn ich ihn nur alle zwei Wochenenden sehe. Obwohl wir uns vertrauen und Luca viel zulässt, geht es noch längst nicht tief genug. Und er steckt wieder zurück, nimmt sich raus, gibt mir viel zu viel Raum, um mir eine Freiheit zu schenken, die ich gar nicht will.

Ich seufze und drücke den Code in das Kästchen, um mir Zugang zur Tiefgarage zu geben.

Wie immer spiele ich in Gedanken die Möglichkeit durch, wieder nach München zurückzukehren, aber das wäre nicht gut für uns. Es sind nur ein paar Monate seit meinem Ausstieg von den Secret Gentlemen vergangen und meine Kunden haben mich mit Sicherheit noch lange nicht vergessen.

Nein, das ist keine Option. Andererseits ist Lucas Firma hier … Ach, verdammt! Jetzt komme ich zu ihm nach Hause und schon wieder rotiert dieses blöde Gedankenkarussell in meinem Kopf.

Ich parke neben Lucas Wagen und grinse vor mich hin, während ich meine Reisetasche aus dem Kofferraum hole, mein Auto absperre und in den Fahrstuhl steige. Er ist da, nur ein paar Stockwerke entfernt, und wartet auf mich.

Was für ein Gefühl. Unglaublich. Wer hätte gedacht, dass mich ein Mann derart tief in der Seele berührt. Allein das Wissen, dass er oben ist, lässt die dunklen Gedanken verschwinden. Er ist für mich die Luft, die ich atme, das Wasser, das ich trinke, und einfach alles, was ich brauche.

Die Aufzugtür geht auf und ich eile an unsere Wohnungstür. Wie jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, berühre ich das Namensschild über der Klingel und bin so unsagbar glücklich, dass jetzt nicht nur mein Name dort steht.

Leise schließe ich auf und drücke die Tür auf. Augenblicklich dringt Lucas Stimme zu mir und ich rieche frisch gekochtes Essen.

Mir wird warm ums Herz und ich platze beinahe vor lauter Vorfreude. Leise betrete ich die Wohnung ganz und sehe mich um. Aus meiner kühlen Arbeitswohnung ist längst ein Wohlfühlzuhause geworden. Lucas Talent, den großen weiten Raum mit Behaglichkeit zu füllen, ist grandios. Hohe, luftige Regale unterteilen die unterschiedlichen Bereiche, ohne sie zu sehr abzutrennen. Große Solitärpflanzen brechen die Strenge der massiven Möbel auf.

Da ihn die Edelstahlküche so gestört hat, wurden die Fronten ausgetauscht und das kräftige Rot verleiht dem Raum nun tatsächlich mehr Wärme.

Lucas Stimme kommt von links. Sehen kann ich ihn nicht, da er hinter einer dieser riesigen Pflanzen steht, die seinen Arbeitsbereich verstecken. Anfangs war ich nicht gerade begeistert, als er sich hier ein Homeoffice eingerichtet hat, aber inzwischen weiß ich, dass es vernünftig ist. Es wäre einfach zu schade, wenn er ins Büro fahren müsste, solange ich da bin, um eine Kleinigkeit an einem Projekt zu ändern.

Lächelnd stelle ich meine Tasche ab und umrunde die große Pflanze. Luca hat mich noch immer nicht gesehen. Lässig steht er vor dem Fenster, hat die linke Hand in die Tasche seiner Jeans geschoben und sieht hinaus, während er in geschäftsmäßigem Ton telefoniert und irgendwelche Dinge erklärt, mit denen ich rein gar nichts anfangen kann.

Ich betrachte ihn und stelle mir vor, wie ich diesen Mann heute Nacht vernaschen werde. Gott, ja … Und wie ich das tun werde.

Seit wir zusammen sind, hat er sich auch körperlich etwas verändert. Er achtet besser auf sich, beziehungsweise tut das, was ich ihm sage. Manchmal braucht er das, weil er sich selbst bei der vielen Arbeit vergisst. Inzwischen besucht er hin und wieder ein Fitnessstudio, auch wenn er das nicht wirklich gern macht. Außerdem tanzt er viel mehr und isst regelmäßiger.

Fakt ist: Luca ist heiß, sexy und diese unverschämte Mischung aus Stärke und seinem Drang, sich zu unterwerfen, ist pures Aphrodisiakum für mich.

Ich räuspere mich leise, um mich bemerkbar zu machen. So gern ich seine Rückansicht auch betrachte, stört mich erstens die Kleidung und zweitens die Tatsache, dass ich ihn endlich in die Arme nehmen will.

Erschrocken dreht er sich um und starrt mich an, ehe er breit lächelt und mich mit einer Geste um Geduld bittet. Wir sehen uns für Sekunden einfach nur an. Ich liebe dieses warme, heimelige Gefühl in mir, wenn ich ihm in die Augen sehen kann.

Als ich nicke, dreht er sich Richtung Schreibtisch, beugt sich nach vorn und öffnet mit der Maus diverse Seiten.

Zu verführerisch, dieser Anblick, sein knackiger Hintern, verpackt in dieser Jeans. Ist mir jetzt reichlich egal, mit wem er telefoniert. Ich will ihn jetzt in meinen Armen.

Langsam gehe ich zu ihm, bleibe hinter ihm stehen und kämpfe nicht länger gegen mein Kopfkino an, das mir zeigt, wie wir beide nackt wären und er in dieser gebückten Haltung darauf warten würde, dass ich ihn nehme …

Himmel, ich bin verdammt scharf auf ihn. Trotzdem lasse ich mir Zeit. Zwar mag ich hin und wieder Quickies, aber mit Luca will ich jeden Sex ausreizen, bis ins beinahe Unendliche ausdehnen. Er ist einfach jede Sekunde wert.

Sanft lege ich meine Hand auf seinen Rücken, woraufhin er regelrecht nach oben schnellt und mir einen verwirrten Blick über die Schulter zuwirft. Mann, das Gespräch muss echt wichtig sein, sonst würde er es spätestens jetzt beenden. Aber nein, er tut nichts dergleichen, sondern zuckt entschuldigend mit den Schultern und dreht sich steif wie eine Marionette wieder zu seinem PC um.

Gut, dann eben anders. Langsam überbrücke ich den restlichen Abstand, bis ich mich mit dem ganzen Körper an ihn schmiege. Vorsichtig lege ich erst meine Hände auf seine Hüften, ehe ich sie nach vorne schiebe und eine auf seinem Bauch, die andere auf seiner Brust platziere und ihn langsam an mich ziehe.

Luca quietscht erschrocken, verschluckt sich und muss sich kurz räuspern, ehe er sich bei seinem Gesprächspartner entschuldigt. Aber er redet weiter.

Mit geschlossenen Augen umarme ich ihn fester, drücke meine Lippen seitlich auf seinen Hals und halte ihn schließlich einfach so fest. Ich spüre jedes Beben, das Schlagen seines Herzens, das ordentlich an Tempo zulegt, ich rieche seinen Duft, fühle seine Wärme …

Lucas Atem wird hektisch und er versucht, auf Abstand zu gehen, was ich mit einem Grinsen verhindere.

»Du bleibst genau hier«, flüstere ich leise in sein rechtes Ohr und sauge sein Ohrläppchen in meinen Mund, um es sachte mit den Zähnen zu kneifen.

Er krümmt sich förmlich zusammen und drückt, wahrscheinlich unbeabsichtigt seinen Hintern an meinen Schritt. Ich bin längst hart, ein durchaus angenehmer Zustand, den ich aber nicht ausnutzen werde. Nein, ich habe heute noch was mit meinem Mann vor.

Seine Sätze werden holprig und er verliert mehrmals den Faden, was ihn zweifelsfrei ärgert. Er trennt seinen Beruf gern von allen anderen Dingen in seinem Leben ab und das muss er auch tun, weil er sich sonst öfter in Gedanken verliert und vor sich hin träumt.

Daran hat sich nichts geändert und ich mag es, wenn er das tut. Gleichzeitig weiß ich, dass ich in der Lage bin, ihm einen Fokus zu schenken, wenn ich ihn dominiere.

Ohne es geplant zu haben, streiche ich mit dem Daumen über Lucas linke Brustwarze, denn es wird mir erst bewusst, als er mir kräftig auf die Finger haut.

Ich lache leise in sein Haar und drücke mein Becken nach vorn, woraufhin er sich noch heftiger wehrt.

Kraftvoll dreht er sich in meinen Armen um, legt eine Hand mitten auf meine Brust und drückt mich eine Armeslänge von sich weg. Gespielt ernst schüttelt er den Kopf und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Auch nicht, als ich seine Hand packe und die Fingerspitzen küsse.

Jetzt entreißt er sie mir und versucht, das zu verhindern. Ein amüsanter Wettstreit, den wir beide sichtlich genießen.

Als er es endlich schafft, meinem Griff zu entkommen, versucht er, mich erneut mit einer Geste auf Abstand zu halten, und flüstert leise: »Aus jetzt!«

Ich lache leise. »Hey, ich bin zwar kein Hund, aber soll ich für dich mit dem Schwanz wedeln?«

Luca prustet los und bedeckt den Lautsprecher seines Handys mit der Hand. »Du bist … Ahrg.«

Erneut haut er mir auf die Finger, als ich nach ihm greife, und lacht so herrlich offen dabei. Aber immerhin beendet er das Gespräch jetzt ziemlich schnell und vertröstet den Anrufer auf Montag. Wird aber auch Zeit.

Wir sehen uns an, lassen uns nicht aus den Augen, während er zum Ende kommt und diverse abschließende Bemerkungen und Verabschiedungen von sich gibt. Dann legt er endlich auf, schnauft genervt und legt sein Handy langsam auf den Schreibtisch hinter sich. Seine Hand zittert und als er sich mir wieder zuwendet, öffnet er den Mund und seufzt.

Sein Blick, als er mich erneut ansieht, ist wunderschön. Da ist so viel Liebe, Begehren und pure Freude darüber, dass ich hier bin.

»Hi, Darling«, flüstere ich ergriffen, einfach, weil dieser fantastische Mann mir gehört.

»Hi. Du bist früh dran.« Luca ergreift meine linke Hand und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken. So eine einfache, fast scheue Geste, aber genau das macht unsere Beziehung aus: Achtsamkeit, Zuneigung und Respekt.

»Jamie hat mich weggeschickt, um mit Mike seine Genesung feiern zu können.«

Er lacht auf. »Wie geht es ihm?«

Ich grinse und starre absichtlich auf Lucas Lippen, was ihn dazu verleitet, mit der Zunge darüber zu streichen. Sexy.

»Gut. Aber jetzt sind wir beide mal wieder an der Reihe.«

Luca nickt, lächelt und überbrückt plötzlich hektisch den Abstand zu mir. Beinahe grob packt er meinen Kopf mit beiden Händen und küsst mich stürmisch. Ich stöhne und packe seine Hüften fest, als sein Geschmack meine Sinne flutet und er gierig seine Zunge in meinen Mund stößt. Unsere Zähne krachen aufeinander, ich schmecke Blut, aber das ist mir einerlei. Kraftvoll umschlinge ich ihn und presse ihn an mich. Sein Stöhnen jagt meinen Puls in die Höhe und der Gedanke, doch einen Quickie einzulegen, wird unwiderstehlich.

Aber ich tue es nicht, einfach, weil ich es kann und Luca damit kontrolliere. Aber dieser Kuss …

Ich verliere mich in ihm, während wir uns erkunden. Die Grobheit versiegt, der Kuss wird sanfter, inniger, erotischer. Irgendwann beendet Luca zaghaft die Berührung, lehnt seine Stirn an meine und atmet tief durch.

»Ich nehme mal an, du bringst mich jetzt nicht ins Schlafzimmer, reißt mir die Klamotten vom Leib und vögelst mich?«

Ich pruste los und küsse sacht die Stelle neben seinem rechten Auge. Wie gut er mich doch schon kennt. »Nein. Ich hätte andere Pläne.«

»Mist.«

»So gierig?«

Jetzt kuschelt er sich an mich, wird weich in meinen Armen, so unglaublich anschmiegsam. Der Punkt, an dem er seine Stärke auf- und sich mir hingibt, ist heute viel schneller erreicht als noch zu Beginn unserer Beziehung. Ich bin stolz auf ihn, dass er sich vor mir nicht mehr verstellt, sondern seine weiche Seite auslebt, ohne an sich zu zweifeln.

»Hmm … Ich habe dich eben vermisst und …« Er richtet sich seufzend auf und sieht mir in die Augen. »Ich sehne mich nach dir. Ist das so verwerflich?«

Liebevoll streiche ich eine verirrte Haarsträhne aus seiner Stirn. »Glaubst du, mir geht es anders?«

»Na ja, du hast mir gerade einen Korb gegeben«, erwidert er und zwinkert mir zu, um es nicht wirklich barsch klingen zu lassen.

»Nein, keinen Korb, Darling. Ich will nur deine Vorfreude wecken, okay? Ich möchte nachher noch einen Ausflug mit dir machen und ein paar Dinge kaufen, mit denen wir uns in den nächsten Tagen vielleicht beschäftigen könnten.«

Lucas Augenbrauen wandern nach oben. »Aha … sehr kryptisch. Bekomme ich noch ein paar Infos?«

Sanft küsse ich seine Lippen, einfach, weil ich es darf. »Gern. Erinnerst du dich an Roy? Ich hab dir mal von ihm erzählt, er besitzt diesen exquisiten Sexshop.«

Luca lacht leise und zieht mich schließlich Richtung Küche. »Ich erinnere mich vor allem an die Sling, das war geil!«

»Oh ja … das schreit definitiv nach einer ausgiebigen Wiederholung. Na ja, leider haben wir es bis jetzt ja nicht geschafft, mal in den Laden zu gehen, und das würde ich heute gern nachholen. Außerdem wollte er dich schon damals kennenlernen und den Mann treffen, der es geschafft hat, mein Herz im Sturm zu erobern.«

Luca errötet und dreht sich weg, um den Deckel einer großen Kasserolle zu lüften. Der delikate Geruch von Braten steigt mir in die Nase, und als ich ihm über die Schulter blicke, sehe ich, dass ich richtigliege. Seit wir zusammen sind, haben sich Lucas Kochkünste extrem verbessert. Nein, das ist falsch. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, mich zu verwöhnen, und dazu gehört nun mal auch ein gutes Essen. Und wie alles, was er anfängt, hat er sich auch da reingekniet und ganze Kochabende mit Lisa und ihrem Mann verbracht.

»Mmh … das riecht lecker.«

Er strahlt mich an. »Ja, Gulasch. Ich stell den Reis auf, dann können wir bald essen.«

»Ist es dir recht, wenn wir zu Roy fahren und er dich kennenlernen will?«

Luca füllt einen weiteren Topf mit Wasser, stellt ihn auf den Herd, schaltet die Platte an und widmet mir erst dann wieder seine Aufmerksamkeit.

Mit einem liebevollen Lächeln sieht er mich an. »Ja, es klingt spannend. Verrätst du mir, was genau dir vorschwebt?«

Ich zucke mit den Schultern und ziehe ihn sachte in meine Arme. Für eine Sekunde schließe ich genießerisch die Augen und schwelge in seiner Wärme. Aber ich will ihm in die Augen sehen, wenn ich ihm sage, was ich vorhabe.

»Ich habe ja nicht wirklich viel Spielzeug hier und ich würde gern diverse Seile kaufen, um dich fesseln zu können.«

Luca schluckt und beißt sich auf die Unterlippe. Ich weiß, ihn macht es an, hilflos, mir ausgeliefert zu sein und … zur Hölle, ich genieße es, mit ihm machen zu können, was ich will.

»Es wird Zeit, dass ich mein Wissen, was Bondage und so angeht, wieder auffrische und an dir ausprobiere, oder meinst du nicht?«

Er nickt langsam.

»Und … da ist noch jemand, den ich gerne ein wenig einschränken möchte.« Während ich das sage, lege ich meine Hand auf seinen harten Schwanz und drücke leicht zu.

Luca stöhnt und kneift die Augen zu, weicht mir aber nicht aus. »Das ist fies«, presst er mühsam hervor.

»Nein. Mein Wille. Und verlass dich drauf … du kommst auf deine Kosten.«

Jetzt lacht er leise und lässt sich gegen mich sinken. »Als ob ich das nicht wüsste.«

»Schön. Und ich möchte, dass du dich einfach umsiehst und ein wenig stöberst. Vielleicht entdeckst du ja etwas, das dich neugierig macht. Wie klingt das?«

Lucas Lippen huschen über meinen Hals. Ich spüre sein Herz hart an meiner Brust schlagen.

»Das klingt nach einem interessanten Abend, Adam.«

2.

Luca

Es ist schon beinahe erschreckend, wie schnell ich in Adams Beisein runterkomme und mich entspanne. Das Telefonat vorhin hatte durchaus das Potenzial, unser Wochenende zu vermiesen, aber mein Mann hat mich erfolgreich abgelenkt.

Jetzt sitze ich neben ihm im Wagen und wir fahren quer durch München, um diesem Roy einen Besuch abzustatten. Zwar hätte ich es sehr gern gehabt, wenn wir jetzt zu Hause geblieben wären und uns einen gemütlichen Abend wahlweise auf der Couch oder im Bett gemacht hätten, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Ich sehe zu Adam hinüber und ernte sofort ein liebevolles Lächeln. Meine Hand liegt locker auf seinem Oberschenkel, genau dort, wo er sie platziert hat, kaum dass wir losgefahren sind.

Ja, er fehlt mir immer schrecklich, wenn er im Allgäu ist. Manchmal glaube ich, es kaum aushalten zu können, wenn ich nach einem Tag im Büro in die furchtbar leere Wohnung zurückkomme und niemand da ist, mit dem ich mich unterhalten kann oder der mich in den Arm nimmt.

Das Gefühl ist nicht schön und ganz allein mein Problem, aber ich spüre, wie es mich immer wieder ins Bodenlose runterzieht. Früher, als ich mit Christian zusammen war und er sehr viel alleine unterwegs war, hat es mich furchtbar gestört, aber Adam nehme ich es zumindest nicht übel.

Erneut betrachte ich sein scharfes Profil im dürftigen Licht der nächtlichen Stadt.

Adam und mich verbindet ein ganz anderes, viel stärkeres Band, das sich in den letzten Wochen als sehr stabil herausgestellt hat. So eine räumliche Trennung, frisch nach dem Beginn der Beziehung, dürfte für viele problematisch sein, aber nicht für uns. Gut, ja … Ich hasse das Alleinsein, die Einsamkeit und die doofen Telefonate, die mir nicht das von Adam geben, was ich brauche und mir wünsche.

»Wir sind gleich da.«

Adams Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und sein süffisantes Grinsen macht mir klar, dass er mich wieder mal bei meinen Träumereien ertappt hat.

»Was?«, frage ich und drücke leicht seinen Oberschenkel.

»Worüber hast du nachgedacht?«

Wir sehen uns an, aber ich warte mit der Antwort, bis er wieder auf die Straße sieht. Die Zeiten, in denen ich meine Gefühle vor ihm verborgen habe, habe ich hinter mir gelassen und außerdem weiß er, wie sehr ich ihn unter der Woche vermisse.

»Darüber, wie froh ich bin, dich jetzt ein paar Tage bei mir zu haben.« Mist, meine Stimme verrät das wahre Ausmaß meiner Sehnsucht und klingt selbst in meinen eigenen Ohren dünn und zerbrechlich. Das will ich nicht, weil er sich sonst wieder Gedanken macht.

Adam ergreift meine Hand und drückt meine Finger. »Ich bin auch froh, glaub mir. Es ist … Ach, Scheiße. Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit …«

Dachte ich es mir doch. »Hör auf. Es ist okay so. Wir schaffen das. Irgendwann werden wir wahrscheinlich mal froh sein, wenn der andere weg ist und wir uns nicht ständig auf die Füße treten.« Klasse, es fühlt sich an, als würde ich mit dem Kopf gegen eine Betonwand schlagen, als ich das sage. Aber ich will einfach nicht, dass er sich ständig um mich sorgt.

Adams Blick spricht Bände und mir steigt Röte ins Gesicht, weil er mich komplett durchschaut. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und versuche zu lächeln.

»Du erwartest jetzt hoffentlich keine Antwort auf diesen letzten Satz, oder?«

Ich lache leise, beuge mich zu ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Schläfe. »Nicht wirklich, ich will nur, dass du aufhörst, dir deshalb den Kopf zu zerbrechen.«

»Das lass mal meine Sorge sein, okay?«

Die Parklücke rettet mich und unterbindet jede weitere Diskussion. Ich sehe hinaus und erkenne das Haus wieder.

»Aha … Heute nicht der Lieferanteneingang?«

Adam lacht, zieht den Schlüssel ab und steigt aus. »Doch. Wir gehen hinten rein, weil der Laden ja offiziell zu ist.«

Er wartet, bis ich bei ihm bin, und geht mit mir zu der Tür, durch die wir beim ersten Besuch auch gegangen sind. Wir lächeln uns an. Zweifellos denkt er auch an diese Nacht. Ich bin wirklich gespannt, ob wir das noch mal wiederholen. Leider fehlt auch dazu oft die Zeit und die Wochenenden sind mit anderen Dingen angefüllt. Klar haben wir Sex, guten und sehr befriedigenden Sex, aber für die spezielleren Sachen sind die Wochenenden einfach zu kurz und wir sind zu gierig aufeinander, um uns wirklich darauf einzulassen.

Ob es mich stört? Manchmal, aber eigentlich eher, wenn Adam weg ist und meine Fantasie mit mir durchgeht. Da sind inzwischen ganz andere Dinge, die mich erregen. Es ist, als ob unsere Partnerschaft allein schon etliche Grenzen gesprengt hat und meine Neugierde anfacht.

Allerdings sage ich Adam nichts davon, da ich ihn wegen der Entfernung nicht noch weiter belasten will.

So ganz untätig bin ich ja auch nicht, wenn er im Allgäu ist. Ich versuche, meine Firma nach und nach umzustrukturieren, damit ich eventuell eines Tages nur noch von zu Hause aus arbeiten kann. Sprich, vielleicht auch vom Allgäu aus.

Eine sanfte Berührung an meiner Wange entlockt mir ein Lachen. Ich sehe zu Adam auf und küsse den streichelnden Finger. »Entschuldige.«

»Schon gut.«

»Weiß Roy, dass wir kommen?«

Adam nickt und ergreift meine Hand, während er einen unbeschrifteten Klingelknopf drückt. »Ja, ich habe ihn auf der Heimfahrt angerufen.«

Hinter der Glastür geht Licht an und ich höre Schritte auf der Treppe. »Hast du eigentlich oft Kunden hierher mitgenommen?«

Adam dreht den Kopf in meine Richtung und mustert mich genau. »Macht dich das an?«

Mist. Was hat mich verraten? Ich schlucke, kann aber die aufkommende Röte nicht ganz verbergen.

Der Druck um meine Finger wird stärker und zwingt mich, Adam erneut anzusehen. »Wir reden später darüber, ja?«

Keine Überraschung. Er weiß längst, dass mich seine Vergangenheit als Callboy mehr anmacht, als beschämt. Ein seltsames Gefühl, es ist einfach so, dass die Tatsache, einen so begehrten Mann an meiner Seite zu wissen, ein warmes, aufregendes Gefühl in der Magengegend hinterlässt.

Die Tür öffnet sich und besagter Roy erscheint breit grinsend in der Öffnung. Es wäre wirklich nett gewesen, wenn Adam mich ein klein wenig vorgewarnt hätte. So muss ich mich wirklich sehr bemühen, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Roy ist ein muskelbepackter Hüne, der einen, sollte er sich immer so kleiden, extravaganten Modegeschmack hat. Ich wusste bis dato nicht, dass man Leder in derart grellem Pink färben und es zu einem Overall verarbeiten kann, der diesem Mann passt. Offensichtlich fehlt mir einfach eine gehörige Portion Fantasie.

»Ja, hallo … Adam und sein Kleiner. Wird aber auch Zeit.«

Roys tiefe Stimme dringt an mein Ohr und so langsam verarbeitet mein Gehirn die unzähligen, unerwarteten Infos – unter anderem auch das Wort Kleiner.

»Bitte, was?« Ich starre zu ihm auf und frage mich, ob ich mich verhört habe.

Adam schüttelt leicht den Kopf und lacht auf. »Das ist ein Insiderwitz, Luca. Roy? Darf ich dir meinen Mann vorstellen? Das ist mein Luca.«

Während er das sagt, sehe ich ihn an und grinse. Mein Mann, mein Luca … Wer hätte gedacht, dass mich solche Aussagen mal fast dazu bringen, vor Stolz fast zu platzen. Dann wende ich mich Roy zu, der mir strahlend eine Hand entgegenstreckt.

»Hi, Luca, ich bin Roy. Und ich freue mich wirklich sehr, dich endlich kennenzulernen. Dann kommt mal rein.«

»Ich freue mich auch. Adam hat mir schon erzählt, dass du ihm damals ein wenig den Kopf zurechtgerückt hast. Danke dafür.«

Roy winkt ab und sein aufgesetztes, etwas gestelltes Grinsen verwandelt sich in ein ehrliches Lächeln. »Ach was … Das hättet ihr auch ohne mich gut hinbekommen. Aber ich bin froh, dass der Kerl einen anständigen Mann gefunden hat. Trotz des Jobs hat er sein Herz auf dem richtigen Fleck behalten.«

»Seid ihr dann fertig?«, mischt sich Adam ein und lächelt gequält. Er mag es genauso wenig wie ich, irgendwie gelobt zu werden.

Noch während Roy meine Hand ergreift, zieht er mich nach drinnen und nickt Adam bewundernd zu. Das und seine unverhohlene Musterung machen mich verlegen und lassen mir erneut Hitze in die Wangen schießen. Adams zufriedenes und sehr verliebtes Lächeln hingegen sorgen dafür, dass mein Herz schneller schlägt.

Während sich Adam und Roy leise über alltägliche Dinge unterhalten, folge ich ihnen durch den schmucklosen Hausflur zu einer weiteren stabilen Tür und bin gleich darauf von unzähligen Pornofilmen umgeben.

Sofort muss ich an Jamie und Mike denken. Irgendwie ist es seltsam, die beiden mit diesem Business in Verbindung zu bringen, da es eine völlig andere Welt zu sein scheint, die beiden so vollkommen normal und nett sind.

Adam ergreift meinen Unterarm und lächelt mich an. »Kommst du?«

Ich nicke und grinse zurück. »Ob da auch Filme von Silver und Northman dabei sind?«, frage ich mit gedämpfter Stimme und entlocke Adam ein Lachen.

»Klar.«

Offensichtlich war ich nicht leise genug, weil Roy zielstrebig zu einem Regal geht und zwei DVD-Hüllen zu uns bringt. »Obwohl Silver ja leider schon länger raus ist, gehen seine Filme immer noch.«

Adam lacht auf. »Na ja, vielleicht gibt es ja bald ein Comeback.«

»Echt?«, fragt Roy sehr interessiert. »Woher willst du das wissen?«

Ich betrachte die DVDs und nicke insgeheim anerkennend. Mike ist ein Prachtkerl, darüber lässt sich nicht streiten und auch Jamie ist extrem attraktiv. Auch die Tatsache, dass dieser Film tatsächlich schon ein paar Jahre alt ist und vor diesem grauenvollen Zwischenfall gedreht wurde, ändert nichts daran. Dennoch gefällt mir der heutige Jamie fast besser. Er ist erwachsen, gereift …

»Na ja, ich arbeite für ihn«, erwidert Adam gelassen.

»Was? Und das erzählst du mir erst jetzt? Ich dachte, du wärst bei so einer Erotikagentur im Allgäu.«

Ich gebe Adam die Filme und höre weiter zu.

»Bin ich auch, aber ich habe mich in den letzten Monaten um Jamie gekümmert. Ihm ging es schlecht, aber inzwischen hat er sich gut erholt und die beiden schmieden Pläne in dieser Hinsicht.«

Roy wirkt tatsächlich beeindruckt, auch wenn ich glaube, dass das bei ihm nicht so leicht passiert. »Wow.«

»Wenn sie mal hier sind, gebe ich dir Bescheid. Ich kann sicher mal ein Kennenlernen in die Wege leiten.«

Roy lacht auf, ein tiefes, sehr angenehmes Geräusch und der pure Gegensatz zu seiner grellpinken Aufmachung. »Danke. Ich wollte jetzt nicht fragen, aber …«

»Schon okay.«

Wir verlassen den Raum und betreten den eigentlichen Shop. Es riecht nicht unangenehm nach Latex und schwach nach Leder. Ich inhaliere den Geruch und schließe kurz die Augen. Nach wie vor lässt mich Adam im Ungewissen, was genau er hier heute sucht. Spielzeuge könnte ja nun wirklich alles einschließen. Aber interessant finde ich es allemal.

»So«, unterbricht Roy meine Gedanken und klatscht in die Hände. »Was kann ich für euch Schätzchen tun?«

»Also. Wie du weißt, bin ich nicht mehr wirklich auf dem neuesten Stand und mehr als schlecht ausgerüstet. Was ich dringend brauche, sind diverse Seile.«

Roy verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich grinsend, während er weiter mit Adam spricht. »Aha … Also doch zurück in die Szene?«

Adam schüttelt den Kopf. »Nein. Aber meine Bondagefähigkeiten müssen dringend aufgefrischt werden und mal sehen, was uns so anspricht.«

Roy bleibt stumm und scheint zu überlegen. Sein Blick huscht zwischen uns beiden hin und her. »Adam … Na schön.« Er winkt uns mit sich.

Adam sieht mich stirnrunzelnd an und zuckt mit den Schultern. Offensichtlich wird er aus Roys seltsamer Reaktion auch nicht ganz schlau. Ich ergreife seine Hand, wobei es in dieser surrealen Umgebung etwas seltsam aussieht. Aber das ist mir egal, weil mein Mann mich anlächelt und einen Kuss auf unsere verschränkten Finger drückt.

Minuten vergehen, in denen Roy die Vor- und Nachteile verschiedenster Seile und Materialien erklärt. Ich bin ein wenig geplättet, worauf man alles achten sollte und welche unterschiedlichen Wirkungen die Dinge haben.

Zwischen Adam und Roy entspinnt eine Diskussion, aus der mir sehr klar wird, dass mein Mann weit mehr Erfahrung und Wissen auf diesem Gebiet hat, als er mir erzählt hat.

Wieder ein Punkt, der unserer Fernbeziehung geschuldet ist. Wir wissen nicht viel mehr voneinander als zu Beginn unserer Beziehung, da uns schlicht und ergreifend die Zeit fehlt, einander wirklich kennenzulernen.

Und er hat sehr genaue Vorstellungen, was er haben möchte und wozu es gut ist. Schmunzelnd lasse ich die Gedanken zu, was er hoffentlich bald an mir ausprobieren wird.

»Luca?«

Adam reißt mich aus meiner Träumerei und winkt mich zu sich. »Schau dir bitte die Materialien an, ja?«

Verwirrt sehe ich ihn an. »Ich dachte, dass du alles aussuchst?«

»Nein, nicht allein. Was nützt ein perfekter Knoten, wenn du das Gefühl des Materials nicht magst?«

Das leuchtet mir ein. Ich nehme die verschiedenen Seile in die Hand und versuche mir vorzustellen, wie sie sich auf meiner Haut anfühlen.

»Streich damit über deinen Unterarm, dort ist die Haut empfindlich genug und du bekommst einen besseren Eindruck von der Beschaffenheit.«

Adam steht dicht hinter mir, ich spüre seine Wärme und lächle. Zu meiner eigenen Überraschung ist es ausgerechnet ein grobes Seil, das etwas in mir auslöst. Ich schlucke nervös, weil es recht brachial und martialisch aussieht. Ich zucke zurück und versuche, tief durchzuatmen.

»Gute Wahl. Wenn ich das Seil festziehe, könntest du durch die raue Oberfläche vor Schmerz aufschreien. Das würde dem Ganzen bestimmt einen besonderen Kick geben«, schnurrt er mir förmlich ins Ohr.

Ich spüre regelrecht, wie ich blass werde. Verdammt, ich stehe doch gar nicht auf Schmerzen, aber … Mist. Genau dieses Gefühl, dieses Kratzen, als ich mir das Seil über den Unterarm gezogen habe, hat mich angemacht.

Adam streicht mir sanft über den Rücken.

»Luca ist noch ganz am Anfang dieser Reise. Schmerzen machen ihm Angst und er hat Probleme damit, seine diesbezügliche Neugierde zuzulassen«, erklärt Adam an Roy gewandt, der uns neugierig mustert.

Ich drehe mich um und starre Adam an, weil ich nicht weiß, ob es mir gefällt, dass er das vor Roy so offen ausspricht.

»Keine Sorge, Luca. Es gibt nichts, was ich nicht schon gesehen habe, und nichts, wofür du dich schämen müsstest.«

Roys Worte beruhigen mich ein wenig. »Ich schäme mich nicht, es ist nur … fremd, so neu und war in meinem bisherigen Leben kein Bestandteil.«

»Verstehe ich. Aber du hast einen hervorragenden Mann an deiner Seite, um all deine Wünsche und deine Neugier zu befriedigen. Vertrau ihm einfach, dann wirst du vielleicht überrascht sein, was dir Lust und Vergnügen bereitet. Apropos …«

Roy zupft an seinem Overall und wendet sich Adam zu. »Warum gibst du Luca nicht einfach die Gelegenheit, sich in aller Ruhe hier umzusehen und ein paar Dinge zu entdecken? Ich habe Kaffee aufgesetzt und müsste dringend mit dir reden.«

Adam sieht mich an und zuckt mit den Schultern. »Wenn es dir recht ist, Luca?«

Ich lache leise. »Ich finde die Idee sogar klasse. Dann entlarvst du nicht ständig jeden meiner Gedanken und ich kann mir selbst mal ein Bild machen. Wahrscheinlich finde ich dann heraus, dass ich vollkommen hinterm Mond gelebt habe.«

Beide lachen und Adam nimmt mich kurz in den Arm. »Ach was, das stimmt doch gar nicht. Dir hat nur jemand gefehlt, der dich in die richtige Richtung schubst.«

Meine Hände liegen sachte auf Adams Hüften, denn ich weigere mich, ihn gleich wieder loszulassen. »Aha. Und jetzt habe ich so jemanden?«

Seine Augen werden um Nuancen dunkler, und als er mich an sich presst, spüre ich, wie sehr ihn die Gedanken an all die Seile und Gerätschaften anmachen. »Hast du, Darling«, flüstert er und küsst mich hart.

»Oh ja. Adam ist gut auf diesem Gebiet, aber da erzähle ich dir sicher nichts Neues«, setzt Roy lachend hinzu, ehe er uns alleine lässt.

Der Kuss wird tiefer, inniger. Ich stöhne leise und klammere mich an Adam. Als er mich dann freigibt, brennt mir eine Frage auf den Lippen. »Du … Würdest du mir wirklich wehtun?«

Er seufzt und legt seine Stirn an meine. »Luca … Es geht nicht ums Wehtun, sondern um Lust. Wenn du diesen Schmerz brauchst, um mehr zu empfinden, um intensiver zu fühlen, würde ich ihn dir schenken. Aber zäum das Pferd bitte nicht von hinten auf, ja?«

»Es war nur eine Frage, tut mir leid …«

Ruckartig weicht er zurück und sieht mich ernst an. »Keine Entschuldigungen, hörst du? Ich will nur nicht, dass du dich etwas Neuem verwehrst, weil du ständig an Schmerzen denken musst. Das ist nicht der Weg, ja, noch nicht mal das Ziel.«

»Okay.« Ich beiße mir auf die Unterlippe, weil ich mir reichlich doof vorkomme.

»Eine Reise, Luca. Unsere Reise, unsere Geschwindigkeit, deine Grenzen … Zumindest vorerst noch.« Er grinst mich schelmisch an und nimmt mir damit den Druck.

»In Ordnung.«

»Kann ich dich alleine lassen? Schau dich in Ruhe um. Du kannst alles in die Hand nehmen und mich später dazu befragen, wenn du möchtest. Wenn wir zu Hause sind, schreibe ich dir Roys Nummer auf. Vielleicht magst du dich ja mal ohne mich mit ihm unterhalten? Vielleicht fühlst du dich dann wohler?«

»Du glaubst, ich vertraue dir nicht?«

Adam verzieht das Gesicht. »Nein, ich meine nur …«

Ich beende seinen Satz mit einem Kuss und kneife ihn in die Hüfte. »Die Nummer nehme ich, aber nur, weil ich vielleicht mal was kaufen möchte. Du, mein Lieber, bist der Einzige, den ich mit Fragen löchern werde, kapiert?«

»Kapiert.«

»Dann geh. Überlass mich ein wenig meinen schmutzigen Gedanken.«

Adam lacht auf und lässt mich stehen.

Wenn er wüsste, wie ernst ich meinen letzten Satz gemeint habe …

3.

Adam

Ich bin wie immer unendlich glücklich darüber, wie einfach alles mit Luca geht. Obwohl er zeitweise recht schüchtern ist und mit dieser neuen Materie noch seine Schwierigkeiten hat, geht er offen damit um. Ehe ich den Raum verlasse, sehe ich zu ihm zurück und beobachte, wie er sorgfältig die diversen Seile und Fesselungen begutachtet, sie berührt und sogar daran riecht.

Er ist in jeder Hinsicht wunderbar sensibel und ihn jetzt so konzentriert bei der Sache zu sehen, macht mich einfach an. Es braucht bei Luca ja auch nicht wirklich viel.

»Adam?«

Roys Stimme holt mich zurück und ich gehe zu ihm in den Hauptverkaufsraum, wo neben dem Verkaufstresen ein kleiner Tisch steht, auf dem sich nun zwei Kaffeetassen befinden. Das ist mal wirklich was Neues.

»Holla … Muss ja was Ernstes sein, wenn du mir einen Kaffee anbietest. Solange wir uns kennen, war das noch nie der Fall.«

Roy nickt, bleibt aber ungewohnt ernst, während er eine, natürlich pinkfarbene, Tasse halb vollmacht und auf den leeren Platz neben sich schiebt.

»Na ja, erstens hast du bis dato noch nie jemanden mitgebracht, der es wert war, ihm so viel Zeit wie möglich zu lassen, um seine Vorlieben zu finden, und zweitens gab es auch noch nie einen richtigen Grund für so ein Gespräch.«

Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Richtung hier gefällt. So kenne ich Roy wirklich nicht. »Dann schieß los«, sage ich und lasse mich auf den fellüberzogenen Stuhl fallen, in der Hoffnung, dass er bis jetzt tatsächlich nur zum Sitzen gedient hat.

Roy schüttet eine winzige Menge Milch in seinen Kaffee und füllt die Tasse dann mit Zucker auf. »Dann zieht es deinen Kleinen doch Richtung BDSM?«

Ich schüttle lachend den Kopf. »Du lenkst ab, aber gut … Ich weiß noch nicht, wohin es mit uns geht. Er ist definitiv devot, zumindest wenn wir spielen, aber wie weit das geht, worauf er steht … keine Ahnung.«

»Scheiß Fernbeziehung, hm?«

Ich trinke einen Schluck und werde ebenfalls ernst. »Du sagst es. Es nervt ungemein, aber ist leider momentan nicht zu ändern.«

Wir sehen beide zu Luca hinüber, der entspannt das Sortiment durchforstet. Seine Gelassenheit, die ihm eigene Stärke und Souveränität haben etwas Erotisches. Es ist unfassbar, wie sehr ich ihn vergöttere.

»Er tut dir ausgesprochen gut, Adam. Und ihr passt hervorragend zusammen.«

Ich spüre, wie ich rot werde, und verstecke mich hinter der Tasse.

»Der harte, kalte Callboy, hm? Der Kleine hat deinen Arsch und dein Herz gerettet, das ist dir hoffentlich klar, oder?«

Ich sehe zu Roy hinüber und entdecke nichts als Freundlichkeit in seinem Gesicht. Weg sind die Distanziertheit und die Mauer, die er jedem sonst zeigt. »Hat er, zweifelsfrei.«

Ich möchte ihm so gern sagen, dass er sicher auch jemandem begegnen wird, der all das für ihn tut, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich damit die Grenzen unserer losen Freundschaft überschreite.

»Und worüber willst du jetzt mit mir reden? Sicher nicht über meine Beziehung, oder?«

Roy grinst und fällt in seine frühere Distanziertheit zurück. Vielleicht hätte ich ihm doch etwas Aufmunterndes sagen sollen, aber die Gelegenheit ist jetzt vorbei.

»Nein, obwohl ich sehr gespannt bin, was aus euch beiden wird.« Er deutet mit dem Kopf in Lucas Richtung, der den Inhalt eines Schaukastens inspiziert und nervös an seinem Hemdkragen zupft.

»Was ist da drin? Eigentlich sollte ich besser auf ihn achten, aber …«

»Das tust du schon. Auch wenn er sich vehement gegen Schmerzreize ausspricht, reagiert er darauf. Die Kerzen machen ihn offensichtlich ziemlich an …«

»Kerzen? Hmm.« Ich beuge mich nach vorn und beobachte meinen Mann genauer. Oh, das wird interessant. Jetzt sieht er zu mir herüber und errötet, als er unsere Blicke bemerkt. Mit einem Schulterzucken dreht er sich um und verschwindet aus unserem Sichtbereich.

Wir grinsen uns an und die Stimmung ist deutlich gelöster. »Also, raus damit, was ist los?«

Roy unterbricht den Augenkontakt keine Sekunde, wird aber wieder ernst. »Bene ist wieder da.«

Vier Worte, ein kurzer Satz, aber ich brauche Zeit, ihn zu verdauen. »Was?«, frage ich doof, weil ich es nicht glauben kann.

Roy schnaubt. »Bene ist wieder da und hat sich nach dir erkundigt.«

Langsam lehne ich mich zurück und umklammere die Tasse, als hinge mein Leben von ihr ab. Bene … Himmel, wann habe ich das letzte Mal an ihn gedacht? Es muss schon Jahre her sein, weil ich es mir strikt selbst verbiete und mich sofort zwinge, an etwas anderes zu denken, wenn es doch passiert. Der Streit, der Vertrauensbruch, mein unrühmlicher Abgang, der ihn nicht wirklich interessiert hat …

»Erde an Adam …«

Ich schrecke auf und starre Roy verärgert an. »Du hast ihm hoffentlich keine Adresse oder Nummer gegeben, oder?«

Das pinkfarbene Leder knirscht, als er empört die Arme vor der Brust kreuzt. »Sag mal, für wie dämlich hältst du mich eigentlich? Was glaubst du, warum ich mit dir reden will?«

Ich bin kurz davor, aufzuspringen, mir Luca zu schnappen und den Laden fluchtartig zu verlassen.

»Und wenn du jetzt wieder davonrennst wie damals, werde ich dich dort hinten an die Sprossenwand ketten … Versprochen.«

Scheiße. Ich hatte vergessen, dass Roy die ganze unschöne Geschichte live mitbekommen hat.

Ich schnaube abfällig und versuche, mich zu entspannen. »Gut, dann hast du mir ja jetzt gesagt, was du zu sagen hast, oder?« Ich bin nicht gerade stolz darauf, wie ein Zehnjähriger zu schmollen, aber bei diesem Thema kann ich einfach nicht anders.

Ein harter Schlag auf den Oberarm lässt mich fast seitlich vom Stuhl kippen. »Aua … Was?! Geht's noch?« Ich starre Roy an und reibe mir über den Arm, Mann, hat der einen Schlag.

»Ihr zwei Holzköpfe, echt jetzt. Er ist zurück und will die Sache zwischen euch aus der Welt schaffen. Ist dein Stolz nach fünf Jahren immer noch verletzt? Gib ihm eine Chance.«

Überrascht starre ich Roy an. »Wie bitte? Das sagst ausgerechnet du? Wo du doch ganz groß safe, sane und consensual auf all deine Fahnen schreibst? Was ist passiert?«, frage ich ihn verärgert.

Roy winkt ab. »Bene hat mir diverse Dinge erklärt, mir erzählt, was damals tatsächlich vorgefallen ist, und … er hat sich verändert.«

»Oh, wow. Und dafür hat er fünf Jahre gebraucht. Nein, danke.«

»Hat er nicht, aber ein gewisser Jemand hat sich wie ein sturer Esel geweigert, auch nur einer Erklärung zuzuhören und schmollend jeglichen Kontakt abgebrochen. Irgendeine Idee, wer das sein könnte?«

Ich beiße die Zähne zusammen, weil ich mich nur allzu gut erinnere und mir die bittere Enttäuschung und das Ende einer Freundschaft, die ich für unerschütterlich hielt, damals wie heute körperliche Schmerzen bereitet.

»Nein, ich habe nichts vergessen, gar nichts. Aber es ist zu spät und …«

»Red nicht so einen Scheiß, Adam. Klar, man kann nichts ungeschehen machen, es war Mist, was er getan hat und wie er dich hat auflaufen lassen, aber … ein ganz großes Aber: Er weiß das und er will wenigstens die Chance haben, es dir zu erklären.«

Ich starre Roy an und wundere mich noch immer über seine Nachdrücklichkeit. »Warum ist dir das so wichtig? Ich verstehe es nicht.«

»Weil er, abgesehen von der Sache damals, einen verdammt guten Ruf hat, was du wüsstest, wenn du dich nicht schmollend komplett aus der Szene zurückgezogen und ihm damals zugehört hättest. Drei große Clubs hat er aufgebaut und …«

»Und es interessiert mich nicht!« Ich springe regelrecht auf die Füße und will zu Luca gehen, aber Roy hält mich am Arm fest und funkelt mich aufgebracht an.

»Er war dein bester Freund! Ihr seid zusammen durch dick und dünn gegangen und du hast nicht mal den Anstand, ihm zuzuhören? Seit wann bist du so ein Arschloch, Adam?«

Ich starre ihn fassungslos an. »Ich? Er hat mich hintergangen und ist schuld daran, dass ein Junge im Krankenhaus gelandet ist, und ich bin ein Arschloch?«

Roy seufzt laut. »Das weiß ich alles und ich heiße es nicht gut, aber … hast du noch nie einen Fehler gemacht? Bist du so arrogant, dass du dich moralisch über jeden erheben kannst? Hm?«

Luca scheint unsere lautstarke Diskussion mitbekommen zu haben und steht fragend vor uns. »Was ist hier los?«, will er wissen und mustert uns abwechselnd.

»Nichts.« Ich beiße die Zähne zusammen und reiße mich von Roy los. »Wir sollten verschwinden.«

»Adams ehemals bester Freund ist wieder im Lande und will sich für eine alte Geschichte rechtfertigen und entschuldigen, aber der feine Herr hier schmollt lieber weitere fünf Jahre.«

Erbost drehe ich mich wieder zu Roy um, aber ehe ich etwas sagen kann, mischt sich Luca wieder ein.

»Hmm … nach fünf Jahren sollten sich die Wogen doch eigentlich geglättet haben …«

»Er ist schuld daran, dass ich die Szene verlassen habe, weil er jegliche Sicherheit in den Wind geschossen und hinter meinem Rücken Leute in seinen Club gelassen hat, die Subs wie Dreck behandeln.«

Luca nickt ernst. »Das ist zweifelsfrei keine gute Sache, aber warum nimmst du seine Entschuldigung jetzt nicht an und hörst dir an, was wirklich los war? Und warum ist es seine Schuld, dass du da raus bist?«

Innerlich seufze ich, weil mir Lucas Ruhe und Logik nur aufzeigen, wie kindisch ich damals und jetzt reagiere. Aber so schnell will und kann ich nicht klein beigeben, immerhin habe ich auch meinen Stolz. »Er hat mein Vertrauen missbraucht und das ist lebensnotwendig, wenn …«

»Halt, halt, halt …« Luca weicht einen Schritt von mir zurück und mustert mich mit gerunzelter Stirn von Kopf bis Fuß. »Du bist ein erwachsener Mann, ziemlich groß und stark … na ja, vor fünf Jahren warst du vielleicht etwas weniger, aber … Komm schon. Du willst ihm nicht allen Ernstes die Schuld an deinem Leben geben?«

Ich starre Luca wortlos an und verziehe das Gesicht, was einem Schmollen wohl recht nahe kommt.

Luca seufzt und lächelt mich entwaffnend an. »Roy … hast du für mich auch einen Kaffee?«

Roy steht langsam auf und grinst Luca an. »Sehr gern. Nimm dir einen Stuhl und setz dich, ich komme gleich wieder.«

Luca zieht einen Stuhl heran und lässt sich nieder, schlägt die Beine übereinander, lehnt sich an und faltet dann die Hände in seinem Schoß.

»Ich liebe dein Temperament, Adam, weißt du das?«

Verblüfft sehe ich ihn an und setze mich ebenfalls wieder hin. »Echt? Ich finde mich selbst gerade maßlos kindisch.«

»Und deine Ehrlichkeit«, setzt Luca hinzu und streicht mir sanft über den Oberschenkel.

Ich ergreife seine Hand und atme tief durch. Wie immer schafft er es, mich innerhalb von Sekunden wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.

»Meinst du, du kannst mir jetzt erzählen, was es mit der Geschichte auf sich hat?«

Roy kommt aus den Tiefen des Ladens wieder und stellt eine Tasse Kaffee vor Luca auf den Tisch. »Vielleicht sollte ich das tun«, wirft er ein und blickt mich an. »Die emotionale Seite der Geschichte soll dir Adam dann in Ruhe erzählen. Aber vielleicht reichen dir erst mal die Fakten?«

Er setzt sich wieder hin und mustert uns beide abwechselnd. »Okay. Es ist im Grunde schnell erzählt. Benedikt führte damals hier in München einen BDSM-Club der gehobeneren Klasse …«

Ich kann ein abfälliges Schnauben nicht unterdrücken.

»Ja, ja … jetzt warte doch. Es war ein guter Club, wirklich, safe und mit vernünftiger Kundschaft. Adam und Bene waren die besten Freunde und hatten eigentlich vor, das Ding zusammen auszubauen. Dazu kam es leider nicht, weil sich Bene mit falschen Leuten eingelassen hat und hinter Adams Rücken Spiele gestattete, die aus dem Ruder liefen.

Adam hat erst davon erfahren, als man ihm gesteckt hat, dass ein Sub im Krankenhaus liegt und schwer verletzt wurde. Es kam logischerweise zum Streit und, da Bene damals nicht aus der Situation rauskonnte, letztendlich zum Bruch. Bene hat dann recht schnell verkauft und ist Richtung Norden umgezogen. Er hat versucht, Adam alles zu erklären, aber der wollte nicht hören und hat kurzerhand den Kontakt komplett abgebrochen. Das ist im Grunde die ganze leidige Story.«

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und schüttle den Kopf. »Das ist eine seeeehr kurze Zusammenfassung.«

»Mag sein«, antwortet Roy. »Aber wie gesagt, den persönlichen Teil musst du schon selbst erzählen.«

»Und warum ist das nun der Grund, weswegen du die Szene verlassen hast?«, fragt Luca angespannt.

Ich seufze und greife wieder nach Lucas Hand. Ein kurzer Blick in sein Gesicht zeigt mir, dass er tatsächlich Interesse an der Geschichte hat, auch wenn da noch etwas anderes in seinen Augen schimmert. »Weil …« Ich atme tief durch, denn der Vertrauensbruch schmerzt noch immer wie ein gezacktes Messer im Unterleib. »Er hat mich vorgeführt, mich zum Affen gemacht und vor der ganzen Szene der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Leute, auf die es ankam, hatten kein Vertrauen mehr in mich und mit dem Rest wollte niemand etwas zu tun haben. Vielleicht habe ich überreagiert …«

»Halleluja.« Roys kurzer Ausbruch bringt uns alle zum Lachen und beruhigt mich noch mehr.

»Ja, läster du nur …«

Seine riesige Pranke fällt auf meine Schulter und lässt mich zusammenzucken. »Es war Scheiße. Ich will Bene nicht in Schutz nehmen, aber es war auch nicht fair von dir, nicht mal seine Erklärung anzuhören.«

»Aber welche Erklärung rechtfertigt es, einem Menschen etwas anzutun, das ihn ins Krankenhaus befördert?«, frage ich noch immer etwas aufgebracht.

»Keine. Versteht mich nicht falsch. Er hat sich insofern geändert, dass er sich nie wieder was zuschulden kommen ließ, hat den Mist bereinigt und dem Sub wieder auf die Beine geholfen. In den letzten Jahren hat er sich einen sehr guten Ruf aufgebaut.«

Ich seufze und ärgere mich insgeheim für meine Neugier. Bene war ein guter Kerl, immer für einen da und der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Diese heimlichen Aktionen passten nicht zu ihm und genau deshalb war ich so enttäuscht. Selbst mir war und ist klar, dass manches nicht auf seinem Mist gewachsen sein konnte. »Und was versprichst du dir jetzt davon?«

Roy sieht mich ernst an. »Dass zwei Kerle, die mal wie Pech und Schwefel waren, aufhören, sich zu meiden? Mensch, gib dir einen Ruck und hör ihn einfach nur an.«

»Und dann?« Ich sehe Roy an und zucke mit den Schultern. »Es gibt kein Zurück mehr.«

»Nein, das wohl nicht, aber vielleicht eine neue Chance? Vielleicht schafft ihr es, eure damals so tolle Freundschaft neu zu beleben?«

Ich kapiere nicht, warum Roy das alles so wichtig ist. »Ehrlich? Ich lebe nicht mal mehr in München und habe auch nicht vor wiederzukommen. Du weißt, warum.«

»Verständlich, aber musst du ja auch nicht. Bene hat ein Anwesen gekauft und will sich wieder was aufbauen …«

»Schön für ihn.« Ich klatsche auf meine Oberschenkel und die Wut ist wieder da. Bene hatte damals schon das Talent, immer wieder auf die Füße zu fallen.

»Mann, du Sturschädel, jetzt lass mich doch mal ausreden.«

Ich starre Roy wortlos an und bin versucht, Lucas Hand von meinem Bein zu wischen, die sich in meine Hose krallt.

»Er ist nicht in München, er hat dich nur hier gesucht, weil er dachte, ich wüsste was. Das Anwesen liegt am Bodensee, gerade mal zwanzig Minuten von dir weg …«

4.

Luca

Als wir wieder zu Hause sind, sehe ich Adam einen Augenblick stumm zu, wie er in sich gekehrt seine Jacke aufhängt, die Schuhe von den Füßen streift und wortlos Richtung Küche geht, wo er den Kühlschrank öffnet und hineinblickt.

Ich folge ihm leise. Jetzt schließt er den Kühlschrank wieder, ohne etwas herausgenommen zu haben.

Er ist tatsächlich komplett durch den Wind, seit ihm Roy von Benes Rückkehr erzählt hat. Seufzend gehe ich zu Adam und lege sachte meine Hand zwischen seine Schulterblätter, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Er brummt, was er immer tut, wenn er sich unwohl fühlt, und seine Schultern sacken nach unten, ehe er sich zu mir umdreht. »Prima … Ich habe uns ja wohl den Abend und die Nacht gründlich versaut.«

Insgeheim hatte ich tatsächlich mehr erhofft und die Ausbeute aus Roys Laden geht ebenfalls gegen null, aber ich habe schon vor langer Zeit gelernt, meine Wünsche hintanzustellen. Und außerdem macht es keinen Sinn, auf Sex zu hoffen, wenn Adam mit den Gedanken ganz woanders weilt. Mal ganz abgesehen davon, dass diese enge Beziehung, die die beiden früher hatten, ziemlich an mir nagt.

Ich lege meine Hände auf Adams Hüften und sehe ihn an, er wirkt geknickt, schuldig.

»Hör auf, du hast uns den Abend nicht versaut. Wir haben doch noch ein paar Tage und … du bist hier. Das ist das Wichtigste. Hör zu …« Ich umarme ihn ganz und schmiege mich an seinen warmen Körper, weil ich die Bestätigung brauche, dass er wirklich bei mir ist. »Was hältst du davon, wenn wir es uns in der Wanne mit einem Glas Wein gemütlich machen und du mir die ganze Geschichte erzählst? Hm?«

Adam lächelt mich an und streicht eine widerspenstige Haarsträhne aus meiner Stirn. »Das klingt toll. Ich würde nur gern den Wein gegen Whiskey tauschen und ich bin nicht sicher, ob die Sache mit Bene so wichtig ist.«

Ich schüttle den Kopf. »Sie ist ganz sicher wichtig, sonst würdest du nicht seit einer guten Stunde wie ein Zombie rumlaufen. Erzähl's mir, red es dir von der Seele, was hältst du davon?«

Adam atmet tief durch und zieht mich dann ruckartig an sich, küsst mich aber sehr sanft. »Ich habe den besten Mann der Welt, weißt du das? Vielleicht ist es wirklich gut, mal den ganzen Mist loszuwerden.«

»Sehr vernünftig, dann ab in die Wanne?«

»Ja, lass Wasser ein, ich bringe die Getränke, Darling.«

Wenige Minuten später liegen wir in dem herrlich warmen Wasser, sind umhüllt von den Düften des Badezusatzes und ich spüre, wie langsam die Anspannung aus Adams Körper weicht.

Zum Glück ist die Wanne so riesig, dass wir locker beide reinpassen. Gemütlich liege ich in Adams Armen, schmiege meinen Rücken an seine Brust und mein Kopf ruht seitlich neben seinem Hals. Ich liebe diese Geborgenheit, die Nähe, seine Arme, die mich festhalten …

»Meine Reaktion vorhin war wirklich kindisch«, stellt er nach einer Weile fest und leitet damit perfekt das Gespräch ein.

»Ich würde eher sagen emotional, aber das bist nun mal du. Erzähl mir von ihm, euch, was passiert ist.« Ein wenig zweifle ich schon an meinem Geisteszustand. Warum will ich ausgerechnet etwas über einen Mann erfahren, der Adam einmal so nahegestanden hat und nun versucht, wieder in sein Leben zu treten?

Adams Lippen verirren sich in mein Haar und es dauert, ehe er anfängt. Als er dann aber beginnt, spüre ich, wie die Worte förmlich befreiend aus ihm heraussprudeln.

»Wir waren beste Freunde und haben uns kennengelernt, als wir etwa sechzehn waren und noch zur Schule gingen. Dass wir schwul waren, machte uns zu einem Team gegen den Rest der ach so normalen Welt. Wir haben eigentlich immer zusammengesteckt, die ersten Freunde, der erste Sex, der erste Liebeskummer … Wir haben immer einander zuerst davon erzählt. Wir vertrauten uns vollkommen. Als Bene ein wenig Geld von seiner Oma geerbt hat, haben wir uns eine Wohnung zusammen gemietet. Irgendwann haben wir beide gemerkt, dass wir im Hinblick auf Sex etwas andere Interessen hatten als andere Menschen. Es folgten erste einschlägige Besuche in diversen Clubs, gemeinsame Videoabende und so weiter.

Bene war schon immer ein guter Geschäftsmann und konnte einem den Himmel glaubhaft als grün verkaufen. Darum war es logisch, dass er was Großes machen wollte. Deswegen hat er voller Feuereifer einen Plan für einen Club entwickelt, in dem Leute mit Kinks ihre Vorlieben ausleben konnten. Ich konnte nicht mit einsteigen, weil mir das Geld fehlte, aber Bene stellte mich einfach ein, weil er wollte, dass ich ein Teil davon bin. Es war gut, er hatte ein Gespür für die Szene, zog die richtigen Leute an, organisierte gute Veranstaltungen, machte sich schnell einen Namen …«

Adam verstummt und presst mich an sich, ich spüre, wie nahe ihm die Geschichte geht. »Er war wie ein Bruder für dich?«, frage ich schwer schluckend.

»Ja … die Familie, die ich so nicht kannte.«

»Und was geschah dann?«

Das Wasser wellt sich, als Adam eine Faust ballt und eine wütende Bewegung macht. »Keine Ahnung, echt. Ich habe nicht gemerkt, was sich verändert hat, weil ich zu beschäftigt war und die ersten Kontakte zu der Escort-Agentur geknüpft habe. Mich haben vor allem das schnelle, leicht verdiente Geld und der anonyme Sex gelockt. Das war mein Kick, mehr, als ich im Club ausleben konnte. Viele Subs wollten Verbindlichkeit und das konnte ich nicht bieten, wollte ich einfach nicht.

Aber der Laden lief, Bene stellte mehr Leute ein, die Partys wurden größer. Er ließ mich gehen, als ich kündigte, aber dennoch war ich noch sein Vertrauter … Dachte ich zumindest. Aber leider fanden zu der Zeit schon ein Teil der Sachen hinter meinem Rücken statt. Ein Club im Club sozusagen. Dort hatte nicht jeder Zugang, es war … wie eine Art Geheimgesellschaft von Leuten, die die ganz harten Sachen machten. Im Grunde ist mir das egal, solange es einvernehmlich geschieht, aber … Scheiße.«

»Er hätte dich einweihen müssen …«

Adam nickt und küsst seitlich meinen Hals. »Ja. Vielleicht hätte ich das Schlimmste verhindern können, aber irgendwann hat er aufgehört, mir gänzlich zu vertrauen.«

Ich hege meine Zweifel daran, spreche sie aber nicht aus. »Vielleicht gab es auch einen anderen Grund?«

»Was meinst du?«

»Na ja … ist etwas passiert? Du weißt doch selbst, wie schnell man aneinander vorbeiredet, Dinge irgendwo hineininterpretiert, die nicht stimmen, aufhört, miteinander zu reden … Vielleicht gab es Hinweise oder …«

Adam lacht trocken. »Oh Luca … Ich bewundere deine Eigenschaft, die Dinge immer so grauenvoll objektiv zu betrachten.«

Ich drehe mich um und mustere Adam, aber er meint das nicht sarkastisch. »Wie jetzt?«, frage ich ungläubig, denn ich bin hier alles andere als objektiv. In Wahrheit habe ich Angst, dass Bene Adam aus einem ganz bestimmten Grund ausgeschlossen hat.

»Du hast einen kühlen Kopf und betrachtest die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln. Das ist eine gute Eigenschaft.«

Wieder an seine Brust geschmiegt unterdrücke ich ein Lachen. »Und es macht mich so herrlich langweilig … Autsch.« Ich reibe mir lachend den Oberschenkel, in den mich Adam gerade gezwickt hat.

»Du bist alles andere als langweilig, glaub mir. Aber um auf Bene zurückzukommen … Wahrscheinlich hast du recht. Jeder hat sein Leben gelebt, wir haben uns logischerweise ein wenig voneinander entfernt und ja … wir haben auch weniger geredet als früher. Aber ob es Hinweise gab, kann ich dir nicht sagen, wenn ja, habe ich sie nicht gesehen.«

»Aber er wollte es dir erklären.«

Adam schnaubt. »Da war es für mich zu spät. Da wurden zu viele Grenzen übertreten und ich bekam die volle Breitseite ab, weil ich nach außen hin noch immer sein Vertrauter war. Mir wurde vorgeworfen, weggeschaut zu haben, Dinge zugelassen zu haben, die selbst in der Szene ein No-Go waren. Sie hatten ja recht, und mir nahm niemand ab, dass ich ahnungslos war. Diese Verlogenheit … Es war einfach zu viel, dass ich von allen verurteilt wurde. Ich hab mich komplett zurückgezogen und meinem Job gewidmet. Bene hat noch etwa einen Monat versucht, mich zu kontaktieren, schrieb sogar Briefe und rief unzählige Male an.«

Adam verstummt, ich spüre, wie er schluckt, seine Brust hebt sich mehrmals.

»Du warst verletzt.«

Es dauert, bis er darauf reagiert, was ich verstehen kann. Obwohl wir einander vertrauen und es keine gefühlten Schranken zwischen uns gibt, ist es eine ganz andere Hausnummer, eine derartige Schwäche preiszugeben.

»Ja«, flüstert er irgendwann. »Das … zog mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg, weil all die Vorkommnisse nicht zu dem Bene passten, den ich zu kennen glaubte. Er hat seine Prinzipien mit Füßen getreten und all das kaputtgemacht, was ihm wichtig war, uns mal wichtig war. Ich habe es nicht verstanden und tue es immer noch nicht.«

»Vielleicht hättest du ihm zuhören sollen …«

»Nein! Gott, Luca, ich war so wütend und enttäuscht. Kennst du das Gefühl, wenn man dir etwas antut und du innerlich verbrennst? Wenn … Scheiße. Tut mir leid. Dich das zu fragen, ist …«