Blöder Prinz, du kannst mich mal - Oliver Stöwing - E-Book

Blöder Prinz, du kannst mich mal E-Book

Oliver Stöwing

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Beschreibung

Auf der Suche nach dem Traumprinzen muss man viele Frösche küssen, und so manches vielversprechende Date endet plötzlich als Desaster. Oliver Stöwing hat die besten Pannengeschichten vom ersten Kennenlernen versammelt. Er lässt zahlreiche Dating-Opfer zu Wort kommen und erklärt aus Expertensicht, ob und wie die Situation zu retten gewesen wäre. Für Schadenfrohe und alle, die trotz missglücktem Date die Hoffnung nicht aufgeben.

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Seitenzahl: 425

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Oliver Stöwing

Blöder Prinz, du kannst mich mal

Wahre Geschichten von missglückten Dates

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

WidmungEinleitungDas Traumprinz-KonzeptDie zerrissene Single-FrauWarum trotzdem Dates?Warum Dates schiefgehenÄngste und NervositätWas uns beim Date Angst machtPeinlichkeiten und PannenDating-Desaster in max. 320 Zeichen – unvorhergesehene SituationenDating-Desaster in max. 130 Zeichen: Optik-ÜberraschungenWenn das Gespräch flopptDating-Desaster in max. 210 Zeichen: Flop-GesprächeTückische SelbstdarstellungVon Opfer bis Angeber: 8 Typen, denen man beim Daten begegnen kann1) Typus »Rette mich aus meinem Leben!«2) Typus »Ich rette dich aus deinem Leben!«3) Typus »Ich will ganz für dich da sein!«4) Typus »Ich bin ein Provokateur.«5) Typus »Ich bin Superman/Superwoman.«6) Typus »Ich habe die Kontrolle.«7) Typus »Komm mir nicht zu nahe.«8) Typus »Trommel trommel, so bin ich!«Unterschiedliche Erwartungen: Die Gedanken des anderenDating-Desaster in max. 420 Zeichen: Falsche HypothesenDie tückischen feinen UnterschiedeDating-Desaster in max. 600 Zeichen: Gar nicht so feine UnterschiedeEr ist ein Star, holt mich hier raus!Wenn Lebensentwürfe zur Falle werdenDating-Desaster in max. 300 Zeichen: Knackpunkt LebensentwurfBöse Überraschungen: Wenn der Prinz sich als Frosch entpupptDating-Desaster in max. 680 Zeichen: Charakter und andere böse ÜberraschungenDas sagt der Dating-CoachDie größten TodsündenUnd wie komme ich in den Dating-Himmel?Was sind die Ängste Ihrer Klienten?Was fürchten speziell Frauen?Und die Männer?Was sind die größten Missverständnisse beim Date?Welche Dating-Desaster haben Ihre Klienten erzählt?Das sagt die Dating-ExpertinWie kann man dich erobern?Was geht gar nicht?Bei einem Date fühle ich mich …Dein Tipp für Männer: So klappt es mit dem Date!Erste BilanzWarum Dates so schwer sindDer Preis der FreiheitDie Konfusion beim DateDating-Desaster in max. 410 Zeichen: RollenwirrwarrWenn Prinz oder Frosch ins Netz gehen – Internet-DatingDer ungleiche Markt: Warum Männer im Vorteil sindDating-Desaster: Echt unverschämte KerleFrauen zwischen Selbstverwirklichung und BindungssehnsuchtWarum wir beim Date zerrissen sindSchlechte Ratschläge: So versemmeln Sie Ihr DateDate – und dann? Wie es weitergehtZu mir oder zu dir oder man sieht sichIch kriege den berühmten Korb – wohin damit?Dating-Desaster in max. 520 Zeichen: Geschichten von ZurückweisungWo bitte geht’s zum Notausgang? Wie Sie schlechten Dates entkommenTaktik: Treffpunkte mit Vorsicht wählenTaktik: WeiterleitungTaktik: Die Wahrheit nett verpackenTaktik: Anruf gaukelt Notfall vorTaktik: Ich habe eigentlich gar keine ZeitDie Gegenteil-TaktikDie Schock-TaktikDie Unverschämt-TaktikDie Zweifelhafte-Komplimente-TaktikDie Vergraul-TaktikTaktik: Freunde dazuholenTaktik: Sportlich durchhaltenDas erste Mal … in der fremden WohnungDating-Desaster in max. 560 Zeichen: Premiere im Reich des anderenDer erste SexDating-Desaster in 150 Zeichen: Sex-PannenGutes Erwachen, böses ErwachenKleine MalheureDating-Desaster in max. 210 Zeichen: MalheureWarum ruft der blöde Prinz nicht an?Status: In einer BeziehungWarum wir die Liebe liebenSchlusswortLiteratur

Für Alex

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Einleitung

»Nie wieder Dates«, sagte Carola mit fester, ruhiger Stimme. Es musste etwas Entsetzliches geschehen sein. Denn erst bei Katastrophen wird Carola derart gelassen. Und so entschlossen hatte ich sie lange nicht erlebt. Das letzte Mal zu Uni-Zeiten, als sie ihren Job als Zigarettenpromoterin hingeworfen hatte. Eine Passantin hatte sie damals unter Tränen als Mörderin beschimpft. Sie habe beide Eltern an Lungenkrebs verloren. Außerdem einen Bruder, und ein Onkel sei bereits beidseitig beinamputiert.

»Oh Gott, was ist passiert?«, fragte ich. Als jemand, der sich professionell mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt, fühle ich mich augenblicklich schuldig, wenn Freunde ihre Dates versemmeln – gleichzeitig wittere ich aber auch eine verwertbare Story.

»Nichts Schlimmes«, sagte sie. »Nur ein weiteres Dating-Desaster. Ich habe deinen Rat befolgt und mich zum Downdating hinreißen lassen. Dieser Typ vom Starbucks gegenüber von unserer Agentur, Jan, Bummelstudent, süßes, schiefes Grinsen. Wir treffen uns zum Brunch, und da stellt er fest, dass die Tresenfrau eine ehemalige Arbeitskollegin von ihm ist. Er lässt mich anderthalb Kaffeetassen lang allein am Tisch sitzen, weil er mit ihr schäkert und kichert. Schließlich stehe ich wütend auf und zische die Lady an: ›Könnte ich bitte meinen Cappuccino haben?‹ Er stellt sie mir dann auch noch vor, sie heißt Jacqueline. Als er endlich wieder zu mir an den Tisch kommt, ist er ganz aufgewühlt: ›Wow, ich kann’s nicht fassen, dass ich sie hier wiedersehe!‹, sagt er immer wieder. Und er dreht sich immer wieder zu Jacqueline um und zwinkert ihr zu.«

»Das ist wirklich blöd gelaufen!«, sage ich.

»Findest du?«, erwidert Carola spitz. »Das war noch gar nichts. Gutmütig wie ich bin, fahre ich Jan dann sogar noch nach Hause. Wenig später bekomme ich eine SMS von ihm. ›Tut mir leid, dass ich vorhin so kurz angebunden war. Es war total toll, dich zu sehen. Magst du doch noch vorbeikommen? Und PS: Das war vorhin wirklich nur eine alte Freundin.‹ ›Aha, denke ich, das ist doch ganz süß. Und ich beschließe, dass heute die abenteuerlustige und verwegene Carola am Steuer sitzt, mache einen U-Turn und klingle an seiner Kreuzberger Einzimmerwohnungstür. Er macht auf und sieht mich an, als wäre ich Michael Jackson. ›Carola, was machst du denn hier?‹, fragt er. ›Was ich hier mache? Ich warte auf die U-Bahn … Hast du mir nicht gerade geschrieben, du Hirni?‹, fauche ich. Und er: ›Ich habe Jacqueline geschrieben, doch nicht dir …‹ Er haut sich auf die Stirn und verliert die Gesichtsfarbe. ›O Scheiße, habe ich die SMS etwa an dich geschickt?‹

»Grässlich, dass dir das passiert ist«, sage ich. »Aber deswegen ins Zölibat gehen? Du solltest so einer Saftnase nicht zu viel Macht geben. Jetzt erst recht!«

»Nein, nein«, sagt Carola. »Ich bin ihm sogar dankbar. Ich bin nicht verbittert, ich ziehe endlich eine Konsequenz. Ich habe meinen Frieden gefunden. Dates lohnen sich für mich nicht. Die Bilanz stimmt nicht. Ich werde mich in der neu gewonnenen Zeit um sinnvollere Sachen kümmern. Etwa gegen die Singvogeljagd in Südeuropa protestieren oder afrikanischen Frauen helfen, Mikrokredite zu bekommen. Wenn es nicht mal mit dem Fuzzi von Starbucks klappt, dann kann der blöde Prinz mich erst recht mal.« Carola wollte also ihre öffentliche Niederlage in einen privaten Sieg verwandeln.

Dabei hatte ich mit meinem ersten Buch Wann kommt denn endlich der blöde Prinz auf seinem dämlichen Gaul Frauen wie Carola Anregungen geben wollen, nicht weiter auf den Traumprinzen zu warten, sondern sich in eine aktive, kämpferische Prinzessin zu verwandeln und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dabei bin ich pragmatisch vom Konkreten ausgegangen, von der Welt, unperfekt wie sie nun einmal ist. Das Buch lebt von der Überzeugung, dass es immer eine Lösung gibt und immer mehr als eine Möglichkeit. Ich habe die Leserin dazu aufgefordert, den Blick nicht nur nach außen zu richten (Wann kommt der blöde Prinz?), sondern auch nach innen (Was hat meine Situation mit mir selbst zu tun?). Ich wollte, dass die Leserin Abenteuer erlebt – auch andere als Liebesabenteuer. Ich habe das Buch als eine Art Selbsthilfe geschrieben. Denn auch ich war in Liebesdingen längst nicht angekommen (und bin es noch nicht). Schließlich gelten die meisten meiner Tipps für Frauen genauso wie für Männer, einschließlich des Ratschlags, beim ersten Date mit dem Make-up und den High Heels nicht zu übertreiben. Und tatsächlich hatte ich plötzlich mehr Dates als je zuvor. Aber auch mehr schlechte. Denn vor einem können meine Bücher nicht schützen, auch dieses hier nicht: vor Dating-Desastern.

Ich hörte mich unter Freunden, Kollegen und Zufallsbekanntschaften um. Und aus allen sprudelten die Geschichten von Pleiten und Pannen beim Dating nur so heraus. Dates sind also voller Überraschungen, und selten sind es gute. Mir war klar: Miserable Dates sind ein universelles Phänomen. Ich hatte ein Fass angestochen und wusste, ich musste all diese kleinen und großen Tragödien, die mal dramatisch, mal scheinbar banal, fast immer aber komisch waren, zu einem Buch zusammenfassen.

Mit diesem Buch will ich aber noch mehr als nur Geschichten wiedergeben: Ich will ergründen, warum Dates so oft abschmieren. Was macht sie so schwierig? Die Gründe dafür müssen größer sein als wir selbst. Sie müssen im System des Datings oder sogar in der Gesellschaft liegen. Mit konkreten Tipps halte ich mich diesmal zurück. Dafür aber habe ich aufregende Erkenntnisse, die uns allen weiterhelfen, uns und unsere Dates besser zu verstehen – und mit ihnen umzugehen.

Dating, das ist die ebenso tückische wie ereignisreiche Phase gezielter Verabredungen zwischen dem Kennenlernen und dem Punkt, an dem zwei Menschen klar wird: Ja, wir sind ein Paar. Dating ist eine Grenzsituation ungewissen Ausgangs. Allzu oft verwandelt sich der Prinz hier in einen Frosch. Manchmal, weil der vermeintliche Prinz unangenehm überrascht, manchmal, weil die Frau einen Prinzen sehen wollte, wo keiner war. Im Extremfall, wie bei Carola, sind sogar die Prinzen-Träume in Gefahr. Oder aber es wartet trotz aller Hindernisse die Liebe – aber wie sieht die eigentlich aus?

In den einzelnen Kapiteln dieses Buches untersuche ich die Stationen der Dating-Phase mit all ihren Stolperfallen – vom Traumprinz-Konzept über die Aufregung, die Erwartungen, die unvorhergesehenen Situationen, das Gespräch, die bösen Überraschungen, die Zurückweisung, die Fortsetzung, die erste Nacht, den Morgen danach. Ich analysiere einzelne Desaster und versuche, zu ermitteln, was schieflief.

Ich untersuche aber auch soziologische Phänomene, die dazu führen, dass Dates so kniffelig sind und für so viel Verunsicherung sorgen. Denn jedes persönliche Desaster ist immer auch Teil eines historischen Umbruchs, den wir gerade erleben und vielleicht erst in Jahrzehnten richtig verstehen.

Damit unterscheidet sich dieses Buch vom Das-Glück-liegt-in-meiner-Hand-Tenor meiner beiden ersten Bücher. Klar kann ich viel verändern und muss Verantwortung für mich übernehmen. Doch wenn mir etwas nicht gelingt, wenn ich ratlos, verzweifelt oder unzufrieden bin, bin ich dann selber schuld? Habe ich dann bei meiner Lebensoptimierung versagt? Nein, denn diese Gefühle gehören dazu, sie sind unausweichlich. Wir sind damit nicht allein. Holprige Dates sind die Regel. Geht alles glatt, ist das die Ausnahme. Das bezeugen die vielen Geschichten in diesem Buch, die ich gesammelt und in schriftstellerischer Freiheit aufbereitet habe. Und hoffentlich können wir über sie lachen. Denn das ist so viel besser als zu weinen.

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Das Traumprinz-Konzept

Madonna sagt im Magazin OK von Oktober 2011: »Ich glaube nicht an den Traumprinzen. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen. Obwohl sie etliche Freiheiten haben, wollen sie immer noch von einem strahlenden Ritter gerettet werden. Sie glauben, dass sie nur durch einen Mann komplett werden. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sie als Kind so viele Märchen gelesen haben. Aber ich warte nicht darauf. Ich habe begriffen, dass mein Glück in meiner eigenen Hand liegt.«

Auch Madonna kennt ihn also, aber sie hat ihre Beziehung zu ihm wohl schon vor langer Zeit zugunsten pragmatischerer Entscheidungen aufgegeben: den Traumprinzen. Fast jede Frau hat in vielen Phasen ihres Lebens (und nicht nur als Single!) diese seltsame Phantasie-Beziehung zu einem Retter. Dieser Retter erkennt all das Besondere und Liebenswerte an ihr. Für manche Frauen ist er ein aufregender Held, der sie aus dem Alltag befreit und in ein Leben voller Leidenschaft und Abenteuer entführt. Für andere dagegen ist der Traumprinz jemand, der sie versteht und Schutz und Trost spendet.

Das Single-Dasein besteht aus einem permanenten Wechsel: Da gibt es Hochgefühle, den Duft von Freiheit, Geselligkeit, Selbstverwirklichung, Partys, Abenteuer und Spaß. Aber eben auch Einsamkeit, Müdigkeit, Verzweiflung, Resignation. Und immer wieder muss die Single-Frau sich aufraffen, Initiative zeigen, sich überwinden. Ratgeberbücher und Frauenzeitschriften wollen es doch so! Ganz zu schweigen von Single-Erschwernissen wie Steuerklasse 1, Einzelzimmerzuschlägen, eisigen Fragen am Ticketschalter oder im Restaurant à la »Für eine Person?« oder »Sie sind allein?«, ganz zu schweigen von schrecklichen Sommersonntagen im Park, wenn Paare und Familien ihr Glück zur Schau stellen. Der Prinz verspricht, dass die Single-Frau endlich zur Ruhe kommt und ihre innere Polarität zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit überwindet.

Die zerrissene Single-Frau

Die Spaltung der Single-Frau, wenn sie nicht gerade Kinder aus früheren Verbindungen hat, geht sogar noch weiter: Die alleinstehende Frau spürt sehr wohl den kollektiven Druck, ihre Frauenrolle auszufüllen, Mutter zu werden und für den Erhalt der Gesellschaft zu sorgen. In den letzten Jahren wird dieser Druck verstärkt und immer expliziter ausgeübt, etwa von der Politik, die Kinderkriegen fördert, um den demographischen Wandel zu stoppen. Dabei hat die Frau sich doch gerade erst beruflich und sexuell emanzipiert! Nun hört sie Botschaften wie: Du, egoistisch, hedonistisch, karrieregeil oder verkorkst wie du bist, bist schuld, dass Deutschland sich abschafft! Solche Botschaften gehen weniger an den bindungsscheuen Single-Mann.

Zusätzlich ist die Frau der paradoxen Situation ausgesetzt, dass das Bild der Nur-Hausfrau gleichfalls sanktioniert wird: Die aufopferungsvolle Ehefrau und Mutter stößt ebenso auf Vorbehalte wie die »ichbezogene« Single-Frau. Eine Frau kann es wohl nur richtig machen, wenn sie sich zerreißt: Modern und unabhängig muss sie bleiben, aber auch Mann und Kinder unter einen Hut kriegen.

Um ihr Dasein zu legitimieren und nicht als Opfer bemitleidet zu werden, greift die Single-Frau oft zu folgender Lösung: Sie entwickelt eine fabelhafte Fassade aus beruflichem Erfolg und spannendem Privatleben. Sie gründet ein Unternehmen oder reist allein durch Australien oder absolviert Tauchkurse, sie rettet Straßenhunde aus Spanien oder lernt alles übers Mittelalter. Denn es ist so viel besser, wenn die Leute sagen: »Sie ist zu ungewöhnlich für eine Beziehung«, als wenn sie sagen: »Sie hat keinen abgekriegt.« Damit gerät die Frau aber nun in einen Teufelskreis: Sie wird so fabelhaft, dass sich keiner mehr an sie herantraut und keiner ihren Ansprüchen genügt. Einsame Spitze. Ein Prinz, wenn er denn nun endlich käme, vermag auch diese besondere Spaltung aufzuheben, vom Außendruck zu erlösen und den gesellschaftlichen Status zu erhöhen!

Immer ist der Traumprinz eine Figur, in welche die Single-Frau ihre Wunschvorstellungen hineinprojizieren kann, die mal aussieht wie Hugh Jackman, mal wie der eigene Boss, mal wie der Typ von nebenan. Mit dem Prinzen lassen sich Zukunftsszenarien durchspielen, von der abenteuerlichen gemeinsamen Weltreise bis zum spießigen Eigenheim. Ist das Traumprinz-Konzept nicht furchtbar unreif?Vielleicht, aber das birgt viele Vorteile. Es kann motivieren, denn Träume verleihen uns Flügel. Es kann Trost spenden und Hoffnung. Der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann schreibt in seinem Werk Singlefrau und Märchenprinz, dass die Frau an ihn glauben können muss, ohne an ihn zu glauben – ein bisschen wie ein Kind an den Weihnachtsmann. Und ist es nicht besser, an den Traumprinzen zu glauben als an gar nichts mehr – wie Carola?

Andere Frauen hoffen dagegen weiter – aber sie suchen nicht mehr. So gibt es in Amerika die Bewegung der »Quirkyalones«, der schrulligen Einsamen. Sie verweigern sich dem Dating und warten darauf, dass ihnen die Liebe passiert. »Quirky«-Vorreiterin Sasha Cagen im Focus: »Wir haben keine Lust mehr, dass jeder, der nicht mit jemandem zusammen ist, sozial stigmatisiert ist. Wir betrachten das Single-Dasein als unseren natürlichen Ruhezustand.« Statt stressig zu suchen, warten Cagen und ihre Genossinnen auf ein Wunder. Ein Rückzug ins romantisch verklärte Mittelalter mit seinen Rittern und Prinzen und Minnesängern und seiner Schicksalsgläubigkeit.

Für Kaufmann birgt das Traumprinz-Konzept die Gefahr, dass es noch mehr zum Warten verführt: Durch den »überzogenen Traum« vom Märchenprinzen erhält die idealisierte Liebe ein Gesicht. Doch der Traum schwächt zusätzlich die Antriebskraft der bereits ermüdeten Persönlichkeit.

Die zweite Gefahr des Traumprinz-Konzepts: Die Frau richtet ihren Blick nur auf ihre Bedürfnisse, statt zu prüfen, was sie selber zu geben bereit ist. »Ich will jemanden, der mich bedingungslos liebt, mich nachts abholt, wenn ich betrunken bin, der mich über die Pfütze trägt und zum Lachen bringt«, sagt Carola und äußert damit ausschließlich passive Konsumwünsche.

Die dritte Gefahr ist, dass die Single-Frau den Traumprinzen derart überhöht, dass reale Männer dagegen mickrig wirken. Womöglich muss sie an der verzehrenden Anspruchshaltung festhalten, um ihr Selbstgefühl zu stützen. Die Erwartungen aber werden übergroß, und während sie den Horizont nach dem Prinzen auf seinem Gaul absucht, übersieht sie den netten Kerl, der direkt neben ihr steht.

Also doch wieder ein Date. Da sitzen sie nun zu dritt am Tisch, die Single-Frau, der reale Mann und der Traumprinz. Und die Frau vergleicht. Der Traumprinz sagt vielleicht neidische Dinge wie: »Siehst du seinen Überbiss?« oder »30 Euro mehr, und die Jacke des Knaben wäre gut gewesen« oder »Männer in Skinny Jeans, das gefällt dir doch nicht wirklich?«.

Manche Frau hat einen realitätsnäheren Traumprinzen als andere, dann fallen die Vergleiche milder aus. Oder sie ist tolerant und bereit, Abstriche zu machen. Die andere sucht einen Mann, der weitestmöglich dem Traumprinzen entspricht. Je gravierender der Unterschied und je unvorbereiteter sich die Kluft auftut, desto größer das Desaster. Und der Typ, der doch verdammt noch mal ein Prinz sein sollte, landet als Frosch im Brunnen.

Warum trotzdem Dates?

Das sagt die Statistik: Von 2000 befragten Männern und Frauen glauben 59 Prozent an die große Liebe. 23 Prozent glauben nicht daran, 18 Prozent sind sich nicht sicher. (Allensbach-Institut für Demoskopie) Jeder vierte Mann zwischen 20 und 40 wohnt allein. (Uni Zürich)

Trotz der Gefahr, desillusioniert und sogar gedemütigt zu werden, die beim Date so groß ist wie sonst vielleicht nur noch im Dschungelcamp (aber wer will da schon hin?): Ein mieses Date ist besser, als es gar nicht erst zu versuchen. Und erst im Rückblick offenbart es uns seinen Sinn. Darin waren sich alle einig, die mir ihre Geschichten erzählt haben.

Der schlechte Rat: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! Floppt ein Date, erwarten Sie nicht, dass es beim nächsten Mal mit demselben Kerl besser wird. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, und suchen Sie das Weite!

Und was stimmt nun? In den hoffnungslosesten Situationen lässt sich die Liebe finden, wie Rihanna ganz richtig singt. Oft wiegt das Desaster weniger schwer, als zunächst angenommen. Wir bekommen das aber nur heraus, wenn wir auch zweite, dritte oder sogar vierte Chancen vergeben.

Trixi (33): »Ich denke, ein Date kann einfach nicht gut gehen. Es prallen zu viele unwägbare Faktoren und Variablen aufeinander. Freie Bahn für Murphys Gesetz. Bei mir war wirklich jedes Date mehr oder weniger verkorkst. Und doch ist am Ende ganz oft etwas draus geworden.«

Lilly (46): »Wenn man schon ein bisschen verknallt ist, sind die Erwartungen sehr hoch. Man will sich von seiner besten Seite zeigen, redet zu viel, lacht zu laut. Allerdings finde ich, dass man an so einem Abend wenig falsch machen kann, wenn beide sich wirklich toll finden und die Chemie stimmt. Dann ist es wie beim ersten Sex: holprig, stellenweise peinlich, mit einigen Startschwierigkeiten – aber in der Rückschau einfach nur wunderbar.«

Das bestätigt auch Susanne (31): »Mein schlimmstes Date war zugleich mein schönstes! Ich war so aufgeregt, dass ich alles falsch gemacht habe, nichts zu sagen wusste, Sachen erzählt habe, die gar nicht stimmten, einfach megaverkrampft war. Ich war weder lustig noch sexy noch irgendwas. Ich konnte nicht mal essen. Ich war einfach nur meganervös und hab geschwitzt, weil ich den Kerl so toll fand. Sogar als er mich im Auto geküsst hat, war ich regungslos – war aber nicht schlimm, er wurde trotzdem mein Freund!«

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Warum Dates schiefgehen

Ängste und Nervosität

Was sind die Befürchtungen der meisten Menschen vor einem Date? Was uns meistens im Wege steht: Nervosität, mangelnde Übung im Umgang miteinander, die daraus resultierenden kleinen Gereiztheiten, fehlende Lockerheit und holprige Gespräche. Also nicht gerade wenig. Und – herzlich willkommen, liebe selbsterfüllende Prophezeiung – oft tritt dann tatsächlich ein, was man vorher befürchtet hat. Manchmal wird alles wahr, nur noch schlimmer. Der Stoff, aus dem Dating-Desaster sind. Hier eine kleine Sammlung von Pre-Date-Ängsten, gespickt mit ein paar Empfehlungen der Wissenschaft.

Was uns beim Date Angst macht

Carola (33): »Essen und reden gleichzeitig! Ich könnte Essen verspucken, die Garnele könnte mir aus der Hand flutschen, und dann natürlich die Gefahr, dass Unappetitliches zwischen den Zähnen hängt, während ich versuche, rätselhaft zu lächeln.«

Der Tipp: Nicht zu viel essen beim Date! Die Forscher Viren Swami und Martin J. Tovée fanden 2006 heraus, dass hungrige Männer eher dazu neigen, eine Frau attraktiv zu finden.

Chris (35): »Ich habe Angst, zu viel zu trinken! Es ist so schwierig, in dem Stadium zu bleiben, wo ich mich locker getrunken habe, aber noch nicht so sehr die Lampe anhabe, dass meine Zunge schwerfällig und lallend wird.«

Aykon (44): »Gesprächslücken! Peinliches Schweigen! Gerne ist dann noch irgendein attraktives Paar am Nebentisch, das sich überschlägt an angeregter Unterhaltung und sich vor Lachen nicht mehr einkriegt.«

Der Tipp: Laut einer Studie der Psychologin Jennifer K. Bosson von 2006 schafft es eine große Verbundenheit, über Dinge zu sprechen, die beide nicht mögen – mehr noch, als gemeinsame Vorlieben festzustellen.

Außerdem fanden US-Forscher 1997 heraus: Wenn beide sich öffnen und Persönliches erzählen, entsteht Intimität. Gut sind Fragen wie »Wo war dein schönster Urlaub?« oder »Welche drei Dinge rettest du, wenn dein Haus brennt?«

Tatjana (34): »Langeweile! Ein langweiliger Film, ein Spaziergang durch eine öde Gegend! Langeweile zu zweit ist noch schlimmer als alleine. Denn dadurch, dass wir sie beim anderen feststellen, wird sie erst wirklich.«

Das sagt die Statistik: So sieht das Durchschnittsdate aus: Man trifft sich beim Italiener in der Hauptstraße (55 Prozent!), teilt sich als Vorspeise einen Antipasti-Teller. Hauptgang: Pizza. Er trinkt drei Gläser Bier, sie drei Gläser Wein. Die Rechnung, knapp über 50 Euro, wird geteilt. Abschied: ein Wangenküsschen. (B. Z.)

 

Der Tipp: Bei einem Date können wir uns den sogenannten Velours-Effekt zunutze machen. Wenn wir etwas unternehmen, was uns in Aufregung versetzt, verbinden wir dieses Gefühl mit unserer Begleitung – wir werden konditioniert. Also: Ab zum Base-Jumping, dem Fünffach-Looping, zum Rafting oder zum Kletter-Parcours!

Silke (32): »Unvorhergesehene Herpes-simplex- und Akne-vulgaris-Erscheinungen machen mir Angst! Ich hatte schon mal bei einem Date einen Herpes, der war so groß, den konnte man vom Spaceshuttle aus erkennen.«

Peinlichkeiten und Pannen

Schweigeminuten, Schwitzhände, ein Pickel? Richtige Desaster sind das noch nicht. Doch manchmal verschwört sich die Welt gegen uns, und es kommt zu aberwitzigen Pannen.

In diesen Fällen sind hauptsächlich situative Bedingungen schuld an dem Desaster. Es kann zu echten Tragödien kommen, beispielsweise schweren Unfällen. Meistens aber sind die Desaster dieser Kategorie unbeschwert und harmlos: Man stolpert, wo man lässig auf den anderen zugehen wollte; man wollte sich zusammen den neuen, ambitionierten Film von Roman Polanski ansehen und sitzt plötzlich inmitten von lärmenden Teenagern in einer Fortsetzung von Scream, weil man in den falschen Saal gegangen ist; man erscheint zum Date, als wolle man zu einem Wet-T-Shirt-Wettbewerb, weil man auf dem Bürgersteig Opfer eines Balkonblumengießers geworden ist. Solche Erlebnisse schweißen die beiden Beteiligten oft sogar zusammen. Wunderbar: Man kennt sich noch nicht lange, und schon hat man eine gemeinsame, witzige Geschichte zu erzählen! Das »Desaster« ist dann sogar ein Glücksgriff, oft ein Gründungsmythos, den Paare noch Jahrzehnte später mit Augen erzählen, in denen plötzlich der Glanz der Jugend aufflackert. Denn bei einer Panne wird kein Traumprinz oder keine Traumfrau demaskiert. Die Widrigkeiten des Lebens sind es, die beide zu spüren bekommen und überstanden haben!

Dating-Desaster in max. 320 Zeichen – unvorhergesehene Situationen

Franzi: Ich betrete das Café, in dem er wartet. Verheddere mich am Türvorhang, reiße ihn runter, sehe nix mehr, werfe Tische um. Der Scheißkerl filmt das, stellt es auf Youtube. Hatte mehr Klicks als das letzte Video von Lady Gaga.

Friedrich: Wir im Asia-Lokal: Sie fragt, ob das Essen ohne Nüsse ist. Der Kellner: Ja, schon. Nach dem Essen: Allergischer Anfall, sie zuckt, röchelt, ist leichenblass. Notaufnahme.

Julia: Im Nobel-Restaurant. Er macht den Macker, bestellt für mich, zeigt, wie man das Bestellte isst. Dann zersägt er sein Entrecôte. Es fliegt quer vom Teller durch den Raum. Ich lache. Er nicht.

Claudia: Date im Vapiano. An der Kasse. Er zückt sein Portemonnaie, zieht den Schein. Kleine blaue dreieckige Pillen kullern auf den Tresen und den Boden. Er wird sehr rot.

Mandy: Er kam direkt vom Dreh, Minirolle als DDR-Soldat, in Uniform, zu mir nach Pankow. Wir hatten ja nicht mit den Reaktionen der Leute gerechnet! Manche Ur-Ossis haben applaudiert, andere geschimpft und uns sogar aus dem Fenster mit altem Gemüse beworfen. Eine Situation knapp vor einer Straßenschlacht!

Katinka: Restaurant von mir ausgewählt. Ich empfehle Joseph die Dorade. Bestelle sie auch. Kriege dann Hunger auf eine Pizza. Bestelle um. Er bleibt bei dem Fisch und fängt sich einen hammerharten Darmvirus ein. Macht sich fast vor mir in die Hose, bleibt eine Woche krank.

Joseph: Ich dachte, diese Hexe hat mich vergiftet. Heute sind wir zwar zusammen, aber Katinka darf mir niemals meine Speise aussuchen. Und ich esse nie wieder Dorade.

Eve: Wir nachts im Park. Er wird zudringlich. Ich zu ihm: »Ich dich küssen? Eher landet hier ein Ufo.« In dem Moment fliegt ein greller Lichtkegel über den Nachthimmel. Ich denke: Mist, und küsse ihn. Heute ist er mein Mann.

Franzi: Während meines Animateur-Jobs auf Fuerte. Date mit Dan. Er will mit mir Kite-Surfen. Schlimmer Unfall: Er schlägt mit dem Kinn auf einem Tretboot auf.

Dan: Ich will Franzi mit der Kite-Surf-Nummer beeindrucken – und das Date endet im Blut-Drama. 1 Woche Krankenhaus. Sie kam jeden Tag. Bis heute sind wir ein Paar.

Olivia: Er will sich auf der Eisbahn treffen. Mein 1. Mal. Er kuft gottgleich. Mich lachen die Teenies aus. Ich schlittere gegen ein älteres Paar, es stürzt, ich fahre beiden über die Hand. Splatter on Ice!

Hier zwei Geschichten von Dating-Pannen, die sich zufällig beide in Spanien zugetragen haben – oder machen südliche Sonne und Urlaubsflair uns allzu leichtfertig?

Kassandra (32): Als ich einen Flamenco zu viel tanzte

Ein Date im Urlaub! Das kann ja nur unbeschwert sein! Ohne dass die drückende Frage im Raum steht: Gibt es eine Zukunft? Nein, gibt es nicht, und weil das also geklärt ist, kann man ganz das Hier und Jetzt genießen. Ich hatte meiner besten Freundin Mona die Barcelona-Reise geschenkt. Sie hatte es verdient, weil sie in letzter Zeit eine ziemliche Pechmarie war. Euphorisch stürmten wir am ersten Abend die nächstbeste Tapas-Bar, und Mona bestellte eine Paella und beschimpfte mich als provinziell, weil ich keinen Fisch mag. Ein ausladender Brechdurchfall fesselte sie die nächsten Tage ans Hotelzimmer. Also schlenderte ich alleine durch die Gassen und lernte Luis kennen, der in einem Café arbeitete und Musiklehrer war und wohl auch gerne Siesta machte.

Wir verabredeten uns für den nächsten Tag am Strand von Barceloneta. Ich war hingerissen, als er tatsächlich erschien. Diese dunklen Wuschelhaare, die langen Wimpern, die Armbändchen und Kettchen mit Amuletten! Sein Englisch war erbärmlich, aber wen kümmert das, wenn er Gitarre spielt und dazu Folk-Pop oder Zigeunerweisen singt? Es ist gut, dass ich keine Familie habe: Da müsste nur so ein Hippie-Junge mit Gitarre kommen und mit seinen langen schwarzen Wimpern klimpern, und ich würde auf sein rostiges Vehikel steigen und Kind und Kegel und Eigenheim mit Poggenpohl-Küche verlassen, ganz übel.

Luis nahm mich auf seinem Roller mit auf den Montjuic-Berg, unter uns die Lichter der Stadt und der Hafen, über uns die Sterne, und wir küssten uns. In dem Moment stimmte alles. Es war der Knall im All. »You eyes like a star falls from heaven«, sagte er mir. Von spanischen Hippiejungs kann ich auch Augen-Komplimente gut ab, ein deutscher Anwalt hingegen würde sich für so einen Stuss eine fangen.

Der Hippiejunge war zwar auch schon 28 Jahre alt, aber wirkte noch so hoffnungslos verantwortungslos und war dazu hinreißend romantisch. Als er mich bat, die Nacht mit ihm zu verbringen, sagte ich einfach »Si«. Es überraschte ihn nicht: Mädels aus dem Norden fackeln nicht lange, wenn die Gelegenheit gut ist, das hat sich in den Mittelmeerländern herumgesprochen! Er fragte nach meinem Hotel, ich bedeutete ihm, dass dort eine Freundin liegt, die ganz viel aufs Klo muss. »We go my place«, sagte er. Na klar!

Dass wir fast eine Stunde durch irgendwelche Vororte bretterten, in denen sich zeigte, dass Spanien nicht nur Plaza und Playa und Promenade und Pinienwald bedeutet – nun ja. Endlich kamen wir an: ein irgendwie zusammengewürfeltes Haus, dessen Grundlage ganz sicher keine Baugenehmigung war. Durch ein rostiges Tor betraten wir einen Hinterhof, wir schoben ausufernde Rhododendronbüsche zur Seite, Grillen zirpten, wir scheuchten ein paar Katzen auf, die Luis beim Namen nannte. Mir war mulmig, gleichzeitig lobte ich mich innerlich für meine Abenteuerlust. Ich mochte manchmal beknackte Entscheidungen treffen, aber ich langweilte mich nie mit mir!

Über eine Außentreppe erreichten wir eine Wohnung, eine kleine Diele, es roch stark nach Desinfektionsmittel, dann waren wir in einer winzigen Stube – ein Jungszimmer mit ein paar Wimpeln des FC Barcelona, einem Globus, einem schmalen Bett, einer alten Kommode und einem riesigen Flatscreen, und überall lagen Sachen herum, CDs, Bücher (Carlos Castaneda, J. D. Salinger, Gabriel Garcia Marquez, Francisco Umbral), Klamotten, Turnschuhe. Luis murmelte irgendwas, was ich als Entschuldigung für die unordentliche Kammer verstand, und dann saßen wir auf dem schmalen Bett, und er streichelte verlegen meine Hand.

Ich hatte den Impuls zu flüchten, denn irgendetwas, was man halbwegs Wohnung nennen konnte, hatte ich nun doch erwartet. Aber mit welcher Ausrede sollte ich das hier abbrechen und dabei diesem heißen Burschen in die langbewimperten Augen schauen? Wie nach Hause kommen? War es draußen vielleicht gefährlich? Gab es hier Taxis? Und warum sollte ich die Sache nicht zu Ende bringen, ich war doch kein Feigling und der Typ wirklich süß!

Also zog ich ihn an mich und küsste ihn. Was folgte, war unbeholfen, niedlich, manchmal ein bisschen peinlich, aber es hatte seinen Charme, wenn wir nur nicht immer von diesem schmalen Kajütenbett gekracht wären. Nun neige ich dazu, mich sehr zu bewegen, dafür war das Mobiliar schlicht nicht geeignet.

Schließlich spürte ich unerwartet einen Moment der Ekstase, und ich bin es nicht gewohnt, mich zurückzuhalten. Ich wollte meine Lust hinausschreien – doch Luis hielt mir den Mund zu.

Schlafen war anschließend ein Problem, unsere klebrigen Körper hatten unmöglich beide Platz auf dem Bett. Luis wies mir den Weg durch den dunklen Flur zu einem kleinen WC und verschwand in einem anderen Raum. »This is kitchen, there is couch, I sleep there«, erklärte er mir und verabschiedete mich mit einem Kuss. Plötzlich lag ich allein in seinem Jungszimmer, was mir ganz angenehm war, aber sich auch seltsam anfühlte, gerade noch die Intimität eines anderen Körpers, nun allein in einem ausländischen Raum. Ich sah mich um und hörte, was die Gegenstände mir für eine Geschichte erzählten. Es war die Geschichte eines musikalischen und etwas chaotischen Jungen, der Fußball mag und die Rockband La Oreja de van Gogh und auf italienische Filme von Visconti und Fellini steht und offenbar Shakira für die Erhörung seiner heißesten Phantasie hält.

Eine freundliche Geschichte, und ich schlief beruhigt über dem Rattern der Klimaanlage ein. Als ich aufwachte, orientierte ich mich zunächst, ohne Panik, aber zügig. Ich suchte nach dem Faden meiner Biographie, mit dem ich dort anknüpfen konnte, wo ich gestern aufgehört hatte, und fand ihn glücklicherweise bald. Gitarre am Strand, billiger Rotwein, eine Rollerfahrt in Vororte, seine kleine Wohnung, ein Intermezzo auf dieser schmalen Matratze, das, wenn man mal ein Auge zudrückte, durchaus als Sex durchging. Luis hatte sich aus Platzgründen auf die Küchencouch schlafen gelegt. Und ich lag nun hier. Katzen miauten auf dem Hof, ich hörte spanische Männerstimmen und so etwas wie eine Schubkarre. Und ich beschloss, mich wohl zu fühlen. War es nicht wild und verrückt, nackt in einer kleinen Jungswohnung in einem Vorort von Barcelona aufzuwachen?

Ich stand auf und betrachtete meinen Körper in den billigen Spiegelkacheln, die an die Tür geklebt waren. Ich fand mich verrucht und sexy und verrückt und legte mir seine sämtlichen Muschelketten und Amulette, die an einem Haken hingen, um den Hals, und verließ das Zimmer. Nackt bis auf den Schmuck. Ich bin gerne nackt, erst recht im Urlaub, erst recht im Süden. Ich trat in die Diele, suchte das WC auf, dann wollte ich Luis überraschen, mit meiner Nacktheit, und so den Zauber der Nacht noch erhalten, ihm zu verstehen geben, dass ich keine kühle Deutsche bin, die abgebrüht zum Alltag übergeht, nur weil es wieder hell ist. Ein Rest Rotweinrausch von gestern war da durchaus hilfreich.

Ich wandelte auf die Küchentür zu, hinter der ich Luis vermutete. Ich hörte spanische Musik aus der Küche und dachte mir, mach Platz, Shakira, denn hier kommt Kassandra, das Heißeste, was Kassel je hervorgebracht hat! Also öffnete ich die Tür und tanzte mit einem wilden Flamenco-Hüftschwung hinein, drehte mich derwischgleich, wackelte mit dem Po und dem blanken Busen, mein langes rotes Haar rotierte, die ganzen Ketten, die ich mir umgelegt hatte, schwangen und rasselten. Dann sah ich, dass eine ganze Großfamilie am Küchentisch saß. Eine spanische Mama, ein strenger Papa, eine zahnlose Oma, ein Teenager-Girl mit sehr langen Haaren und zwei kleine Jungs und auch Luis. Richtig, jetzt fiel es mir wieder ein: Südländische Männer wohnen ja ewig noch zu Hause!

»Hola!«, sagte ich lächelnd in die Runde. Was sollte ich auch sonst sagen?

Marcantonio (28): Als mein Poolsex ins Wasser fiel

Letzter Abend auf Ibiza, letzte Chance für eine Romanze! Ibiza besteht ja nur aus Sex, denkt man. Tatsächlich aber wird der Sex überall angetäuscht, perfekte Strandbodys, heißblütige Gogo-Tänzer, wildes Geflirte. Dem Vollzug steht oft die Wirklichkeit mit all ihren Schwierigkeiten im Weg: Alkohol und andere Stimulanzien beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit, Schlafplätze liegen weit entfernt in der Macchie, Hotelzimmer sind überfüllt.

Auch ich fühlte mich, als müsste ich am Flughafen vor der Rückreise in die demütigende »Ich hatte keinen Sex«-Schlange am Check-in einreihen. Gut, da lief was mit einem Österreicher, aber das zählt nicht auf Ibiza. Wir waren zu zehnt in der Finca, und die beiden hübschen Hetero-Jungs sagten an einem Poolabend: »Bei euch Schwulen ist immer alles so schön unkompliziert mit dem Sex!«

Sie hatten ja KEINE Ahnung. Niemand macht es sich komplizierter als Schwule. Jedenfalls kamen noch in derselben Nacht die beiden Hetero-Männer, die es angeblich ja so schwer hatten, mit Beute nach Hause, während wir besoffen von Rosé-Champagner am Pool eingedöst waren. Jeder der beiden Jungs hatte sich nicht eine, nein, gleich zwei Miezen geschnappt.

Am nächsten Tag weckte uns Renate, Typ in Unfrieden gealterte Blondine, gezeichnet von zu viel Sonne, Scheidungen und Ärger mit spanischen Behörden. Sie war unsere Finca-Vermieterin, die Mutter einer Freundin, und wohnte in der Finca nebenan. Ihr Problem: Eine der Miezen hatte mit ihrem Jeep die Einfahrt zugeparkt. Ich fühlte in den rund um den Pool verteilten Miezenklamotten nach dem Autoschlüssel, denn Renate hatte mir befohlen, den Jeep sofort umzuparken. Der Aschenbecher im Wagen war überfüllt, überall flogen bunte Flyer und CD-Hüllen herum. »Typischer Fall von Schlampen-Panzer«, dachte ich grimmig beim Einparken.

Doch in der nächsten Nacht, meiner vorletzten auf Ibiza, hatte auch ich endlich Glück: Ich lernte Xavier kennen, bisexueller Spanier aus Madrid, ein Sixpack zum Käseraspeln, eine Stimme zum Ausflippen. Bisexualität sei der letzte Stopp auf dem Highway Richtung Gaytown, hieß es mal in einer sehr weisen Serie namens »Sex and the City«. Ich weiß nicht, ob es stimmt, jedenfalls sind Bisexuelle rar gesät, heiß begehrt, weil noch fern von jeder schwulen Attitüde und Abgebrühtheit, ja geradezu von einer gewissen Unschuld, und außerdem eine feine Trophäe. Und eine kleine Rache an falsch parkenden Miezen, die denken, sie könnten alle Kerle für sich haben. Bisexuelle behandelt man daher wie eine seltene tropische Vogelart, man darf sie nicht hetzen oder jagen, man muss den richtigen Lockruf verwenden, man muss ihr Gefieder bewundern, man darf sie nicht verschrecken, etwa indem man sie auch nur auf die indirekteste Weise als »schwul« bezeichnet. Man muss sie richtig füttern (in meinem Fall funktionierte Wodka-Red-Bull, was im Pascha Ibiza allerdings 17 Euro pro Glas bedeutet), und doch bleiben sie unberechenbar und flattern bei der kleinsten Störung davon. An diesem Abend ging ich mit der Kühnheit desjenigen vor, der nichts mehr zu verlieren hatte, und ich schien alles richtig zu machen. Leider konnten Xavier und ich die Nacht nicht zusammen verbringen, da er seinen betrunkenen Kumpel, mit dem er sich ein Hotelzimmer teilte, nach Hause fahren musste. Aber wir verabredeten uns für den nächsten Abend in der Altstadt. Ich hatte ein Date auf Ibiza! Wir tranken Wein am Hafen, aßen etwas, und als er sein Entrecôte schnitt, entwarf seine Muskulatur verschiedene faszinierende Szenarien. Ich machte auf superunschwul und superunbeeindruckt, weil das bisexuelle südländische Machos ködert. Sie brauchen dieses Gefühl von: zwei ganz normale Männer, die ein bisschen miteinander spielen, keine große Sache. Eine geiernde Schwulette, und sie schwirren ab.

Ich stellte die Frage, ob er mit zu mir fährt, warum nicht, dachte ich mir, ein Nein hatte ich ja schon, und wenn ich frage, wird vielleicht ein Ja daraus. Er sagte, er müsse mit seinen Freunden ins El Divino, jemand sei extra aus Madrid angereist, um ihn zu sehen, usw. Na gut, ich hatte es wenigstens versucht. Wir verabschiedeten uns, er sagte, er würde mich in der Nacht noch anrufen. Ja klar. Langsam hatte ich die Schnauze voll von Ibiza. Alle wollen oder müssen immer noch in den nächsten Club, statt endlich mal Liebe zu machen.

Ich fuhr wieder in die Finca, und zwei meiner Freunde, mit denen ich die Finca teilte, waren schon dabei, sich für den Abend aufzustrapsen: Sie wollten ausgerechnet auch ins El Divino. Ich dachte mir: »Warum nicht mitgehen. Nach diesem unvollendeten Date bleibe ich doch nicht daheim.«

Im Club sah ich Xavier in einem Tross aus Freunden. Ich beschloss, ihm nicht viel Aufmerksamkeit zu schenken. Als der Morgen anbrach, kam er auf mich zu und knutschte mich. Sofort hob ich mein Aufmerksamkeits-Embargo auf, so unbürokratisch geht das bei mir. »Let’s go to your place«, beschloss er. Der kostbare Vogel ging mir doch noch ins Netz! Wir fuhren mit zwei Wagen hoch zur Finca, er hinter mir. Leider war ich auch nach zehn Tagen noch zu bräsig, den richtigen Feldweg zu finden, der von der Landstraße abbog. Wir verfuhren uns also, erreichten dann aber endlich die Finca und machten am Pool rum, während die heiße Sonne hinter den Pinienwäldern aufging. So stellte ich mir Ibiza vor!

Doch plötzlich rauschte wie ein Tsunami Renate über die Einfahrt, die griesgrämige Finca-Besitzerin! Sie brachte frische Handtücher, am letzten Morgen. Zehn Tage hatte sie sich nicht darum gekümmert. Jetzt hieß es: FLÜCHTEN! Sie hatte uns die Finca kostenlos überlassen, unter der Bedingung, dass wir keine fremden Menschen mitbringen. Ich wollte meiner Freundin, Renates Tochter, keinen Ärger machen, denn ich wusste, dass Renate schon wegen der falsch parkenden Miezen in der Vornacht auf 180 war. Also preschten Xavier und ich nur mit Handtüchern bekleidet ins Haus, ich war mir nicht sicher, ob sie uns schon gesehen hatte. Okay, dachte ich, gehen wir eben in irgendeines der fünf Schlafzimmer, die anderen sind wahrscheinlich eh alle noch unterwegs, wie jede Nacht.

Doch es war wie verhext: Ausgerechnet heute hatten alle beschlossen, zeitig schlafen zu gehen, und ratzten in den unterschiedlichsten Positionen in ihren Betten, eine Mitbewohnerin noch im vollen Disco-Pailletten-Fummel. Also drängte ich den schon leicht verstörten Xavier, vor dem ich zuvor so getan hatte, als sei ich alleiniger stolzer Bewohner der Finca, ins Bad und wollte weiterfummeln. Doch Xavier war inzwischen völlig aus dem Konzept, und dann hämmerte auch noch Gewitterhexe Renate gegen die Badezimmertür und herrschte uns an, rauszukommen. Xavier machte nach langem Zögern und trotz meines heftigen Kopfschüttelns schließlich die Tür auf und schlüpfte wie ein junges Wiesel an Renate vorbei. Ich hinter ihm her, Renate hinter uns beiden her. Xavier lief zum Pool, sammelte seine verstreuten Klamotten ein, zog sich hastig an, während Renate uns ausschimpfte und mit einem Handtuch nach uns schlug. »Let’s go inside the car, drive somewhere and find a place!«, bettelte ich Xavier an und hielt ihn am Arm fest. »Nooooo!«, zeterte er und schüttelte mich ab, »I just wanna get out of this madhouse!«

Dann stieg er in seinen Wagen und brauste davon. Alles, was er hinterließ, war eine Wolke aufgewirbelten Staubs. Renate, die Furie, meckerte immer noch. »Halten Sie endlich die Klappe!«, fuhr ich sie an und verschwand in mein Zimmer. Wenig später musste ich auch schon zum Flughafen. Xavier ging mir nicht aus dem Kopf. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf die Flughafentoilette zu gehen, um endlich Entspannung zu finden, während in der Zelle nebenan jemand seine Winde befreite und mein Flug nach Düsseldorf aufgerufen wurde.

Während Xavier also vor den widrigen Umständen flüchtete, schweißten sie Anika und Tom erst richtig zusammen. Denn ihr Date fand alles andere als in einer romantischen Umgebung statt.

Anika (28): Als wir unsere Schanze ergriffen

Es war Anfang März, gefühlte minus fünf Grad Außentemperatur. Tom und ich verabredeten uns auf der Schanze, Hamburgs Kneipenmeile. Er war vorher noch woanders, ich auch. Daher war es auch schon fast zwei Uhr nachts, als wir uns endlich an der S-Bahn-Station trafen. Aber wir wollten uns unbedingt sehen. Es war unser drittes Date und außerdem Freitagabend. Da haben doch die Läden lange auf, dachten wir.

Doch irgendwie schien die Sternschanze noch im Winterschlaf zu sein. In die erste Bar ließ man uns gar nicht erst rein, mit dem Kommentar: »Wir machen gerade Kasse.« Die zweite hatte zwar noch auf, aber das Bier war aus. »Zapfanlange ist hinüber«, grunzte die Kellnerin. Diese Kneipe hatte Depressionen, und zwar dauerhafte, so viel war klar. Wir blieben trotzdem, fragten die Kellnerin, was es sonst zu trinken gab. Sie beugte sich vor, blies uns den Rauch ihrer Kippe ins Gesicht: »Ihr wollt sicher irgendwas Geschütteltes mit Crash-Eis und Orangenschalen-Dekoration. So etwas haben wir hier nicht.« Egal, nahmen wir einen Wodka-Tonic. Immerhin waren wir schon ziemlich durchgefroren. Dennoch forderte uns das Kellnerin-Schätzchen nach einer Stunde recht deutlich zum Gehen auf, indem sie das Licht anknipste und die Musik ausdrehte. Ok, kapiert.

Nach Hause wollten wir trotzdem noch nicht. Zu wem denn überhaupt? Er zu sich, wir zu mir, jeder in sein eigenes Bett? Wir waren ja noch gar nicht zusammen. Draußen erbrach sich gerade ein Mann auf den Asphalt, eine Ratte aß davon. Na herrlich, dachte ich. Wir steuerten im Schneematsch die letzte Eck-Kaschemme an, die wir finden konnten. Dort durfte zwar geraucht werden, aber es war immerhin warm, es gab Hopfen-Malz-Getränke und endlich, endlich kamen Tom und ich uns näher. Er sagte zu mir: »Ich bin total froh, dass ich neben dir sitzen darf.«

Äh, logisch! Das war ja der Sinn der Übung. Jedenfalls rückten wir immer näher zusammen, und als wir dann eine Stunde später wieder an der Bahnstation standen, an der wir uns vorher getroffen hatten, haben wir uns zum ersten Mal geküsst. »Wir stehen hier gerade rum wie die letzten Deppen. Aber das ist mir so was von egal«, grinste Tom.

Und als im gleichen Moment ein Mädel vorbeikam und fragte: »Habt ihr Feuer?«, antwortete ich: »Neee, aber hast du Sekt?«

Doch manchmal macht die unvorhergesehen eingetretene Situation auch eine Aussage über den anderen – und zwar keine gute …

Stella (24): Als eine Drama-Queen ihren Auftritt hatte

Ich war Single und mit ein paar Freunden in einem Tanzclub unterwegs. Ich stand an der Theke und wollte zwei Weinschorlen für meine Freundin und mich bestellen, kam am Tresen aber nicht so recht vorwärts. Also sprach ich den Typen, der vor mir wartete, einfach an und fragte, ob er mir bei meiner Bestellung behilflich sein könnte. Er übernahm den Part für mich, und so kamen wir ins Gespräch. Wir unterhielten uns, es war kein Geschwafel, keine belanglose Unterhaltung – sie war emotional, wuchtig, intensiv, berührend.

Als der Abend zu Ende ging, dachte ich, er fragt mich bestimmt nach meiner Telefonnummer beziehungsweise gibt mir seine, doch nichts da, niente! Ich dachte, so bescheuert kann man doch nicht sein, der muss doch merken, dass ich ihn wiedersehen möchte – und ich hatte das Gefühl, er mich auch – aber nein, der Herr, der sich mit Markus vorstellte, machte es spannend. Er verabschiedete mich mit den Worten: »Ich denke, wir werden uns sehen …«

»Ja, das hoffe ich auch, schrie es in mir, du Blödmann, dann werde doch verbindlicher.« Aber nichts da.

 

Zwei Wochen später traf ich ihn auf einem Event wieder. Er sah mich, steuerte in meine Richtung, und mit jedem seiner Schritte, die er auf mich zuging, schoss er einen Amorpfeil in mein Herz. Und fragte mich, ob ich ihn am nächsten Tag am Rheinufer treffen will.

Es wurde ein sehr schöner und lebendiger Nachmittag, und wir fuhren gemeinsam mit einem Taxi in seine Wohnung. Ich hatte mich selten so schön, so begehrenswert und so mit einem anderen Menschen verbunden gefühlt. Der Abend endete hinreißend. Am nächsten Morgen war alles sehr harmonisch, bis zu dem Zeitpunkt, als es an der Tür schellte …

Ich fragte: »Oh, wer könnte das sein?«

Seine Antwort: »Das wird meine Ex sein.« Und tatsächlich: Sie war es! Plötzlich stand sie in der Wohnung; sie musste noch einen Schlüssel besessen haben.

Ich begriff sehr schnell, dass das hier nicht Karo einfach, sondern ein Grand mit zwei Damen war. Intuitiv verließ ich nicht die Wohnung, wie sie es von mir erwartet oder es sich gewünscht hätte, nein, ich ging schnurstracks in sein Schlafzimmer und hockte mich aufs Bett. Hinter verschlossenen Türen hörte ich ihren Drama-Auftritt: »Kannst du mir das hier bitte mal erklären?«, schrie und keuchte sie in oberster Stimmlage. »Was bist du für ein Schwein? Du vögelst doch nur für dein Ego! Suchst du dir jetzt die nächste blöde Kuh, die auf dich reinfällt?« Sie fing an, mit Geschirr zu schmeißen – der Klassiker. Immer das Geschirr. Dann plötzlich: Stille. Ich hörte, wie sie sich auf den Boden warf und ein minutenlanges Heuldesaster aufführte. Sie jaulte, quäkte und flüsterte dann wieder: »Ich liebe dich doch so sehr, bitte ruf mich an.« Danach fiel die Tür ins Schloss; sie ging. Kein Regisseur der Erde hätte hier gewagt, eine zweite Klappe zu fordern, die Darbietung war absolut gelungen.

Ich öffnete vorsichtig die Schlafzimmertür und fragte: »Was war das denn?«

»Das?«, antwortete Markus, »das war Beate.«

»Und jetzt?«, fragte ich.

»Ich denk mal drüber nach, wir werden sehen«, antwortete er.

Und damit endete unser Date.

Hier liegt es auf der Hand: Der unvorhergesehene Auftritt der Ex-Freundin zeigt, dass Stella sich auf noch nicht geräumtem Territorium befand. Ihr Auftauchen ließ sie völlig unverschuldet in die Rolle des Eindringlings schlüpfen, der Unfriedenstifterin. Markus hat offensichtlich mit der alten Beziehung noch nicht abgeschlossen, er hat noch nicht einmal den Haustürschlüssel zurückverlangt. Mit Stella hat er sich vorsichtig in ein neues Ich vorgewagt, ehe das alte durch die hineinplatzende Ex-Freundin wieder präsent wurde.

In seiner Wohnung kam es zur Kollision beider Identitäten, zum Kampf Vergangenheit gegen Zukunft. Wie wenig Markus eine Entscheidung für seine Zukunft getroffen hat, zeigt seine matte Reaktion auf das Eindringen der Vergangenheit in die Gegenwart. Er verweist seine Ex nicht der Wohnung, ergreift nicht Partei für Stella, seinen neuen Gast, entschuldigt sich nicht einmal bei ihr für die unangenehme Situation. Seine Ich-Spaltung ist so zögerlich, dass er verwirrt und handlungsunfähig zwischen den Identitäten verharrt.

Dating-Desaster in max. 130 Zeichen: Optik-Überraschungen

Tim: »Gayromeo«-Date. Der Typ von den Profilbildern hat sich verdoppelt. Ein Hintern so groß wie der Mond. Aber der Mond bekommt mehr Besuch, so viel ist klar.

Chris: Ich hatte ein Date mit einer Frau unklaren Alters, die war so gebotoxt und gefaceliftet, dass sie aussah, als würde sie Achterbahn fahren.

Kerstin: Der Typ legte ganz offensichtlich verschärft Wert auf sein akkurates Augenbrauen-Design.

Das sagt die Statistik:78 Prozent der Frauen hätten gern einen größeren Partner. (Elite)

Menschen neigen dazu, sich Partner mit einem ähnlichen Körperfettanteil zu suchen. (Rowett Research Institute)

Frauen finden blasse Männer unattraktiv. (Universität Toronto)

Ganz klar: Bei einem Date geht es um den ersten oder zweiten Eindruck. Und da sind es zwangsläufig häufig Äußerlichkeiten, die ein Date scheitern lassen. Selten ist ein Date komplett blind: Meistens weiß man, wie der andere aussieht. Dennoch: Durchs Internet-Dating kommt es immer häufiger zu »bösen Überraschungen«. Der andere kommt dann nicht durch den eigenen Sinnesorgane-TÜV: Man findet ihn nicht attraktiv, mag seine Stimme nicht, die Art, wie er geht, einem die Hand hält. Oder man kann ihn nicht riechen.

Ich frage die Psychotherapeutin Stefanie Malanowski dazu, die ihre Praxis in der Single-Hauptstadt Berlin hat: »Da im Internet bereits einiges an virtueller Kommunikation stattgefunden hat, ist das Bild, das man von seinem Dating-Partner im Kopf hat, schon sehr vorgefertigt«, sagt sie. »Man ist voller Erwartungen. Umso größer die Angst, zu enttäuschen, oder davor, selbst negativ überrascht zu werden.«

Dazu passt die Geschichte von Emily.

Emily (36): Als mein Date verduftete

Es fällt mir immer noch schwer, von meinen Dates mit Sven als Desaster zu denken. Es war doch alles so wunderbar, auch beim dritten Mal. Sven war ein Traumtyp, keine Schönheit, aber über schöne Männer lässt sich eh nicht viel Gutes sagen. Sie sehen nur sich selbst, sind gewohnt, alles serviert zu bekommen, geben sich keine Mühe und sind lausig im Bett. Sven war ein Mann zum Greifen und kein übertrainiertes Gym-Bunny.

Wir machten eine Bootstour, besuchten die Max-Liebermann-Villa am Wannsee und aßen dann etwas in einem Ausflugslokal. Er fuhr mich nach Hause, und wir knutschten im Wagen. Man kann einen günstigen Zeitpunkt auch verpassen, dachte ich mir. Deswegen stellte ich die Glas-Wein-Frage: »Magst du auf ein Glas Wein mit hochkommen?« Die Frage schien mir angebracht, nach einer gemeinsamen Party und drei Dates mit nichts als Knutschen. Jetzt oder nie. »Ne«, sagte er, »ich muss morgen früh raus, den ersten Zug nach Hamburg nehmen.«

Ich war ein bisschen vor den Kopf gestoßen. »Stimmt eigentlich irgendetwas nicht? Ich habe das Gefühl, du weichst mir aus …«, sagte ich.

Er: »Ich mag dich sehr gerne, alles ist cool, wir haben viel Spaß zusammen.«

Ich: »Den Eindruck habe ich auch. Aber ich bin nicht ganz dein Typ?«

Er: »Das ist es nicht …«

Ich: »Was ist es dann?«

Er: »Willst du eine Lüge oder die Wahrheit?«

Ich: »Ich bin ein großes Mädchen, ich nehme die Wahrheit.«

Er: »Okay. Ich kann dich irgendwie nicht riechen.«

Ich: »Bitte?«

Er: »Ich mag deinen Geruch nicht.«

Ich: »Ich verwende doch nur einen Tropfen Escada. Das nehme ich immer schon. Ich kann es auch weglassen, wenn es dich so stört.«

Er: »Es ist nicht dein Parfüm. Es ist dein Eigengeruch. Ich mag ihn nicht.«

Ich darauf schnell: »Okay, kann ich dann doch bitte lieber die Lüge haben?!«

Er sah mich nur an, sagte dann »Sorry, aber du hast gefragt«, dann stieg ich grußlos aus dem Wagen. Er schrieb mir noch eine SMS, dass er hoffe, er hätte mich nicht verletzt, und es wäre schön, mich wiederzusehen. Ich habe nicht mehr geantwortet. Denn natürlich hat es mich verletzt. Ich bin eine hygienische Person. Wenn jemand meinen ureigenen Körpergeruch nicht mag, ist das ein Affront gegen die ureigene Persönlichkeit. Wie kann man da nicht verletzt sein? Und welche Möglichkeit, auf so eine Aussage zu reagieren, gibt es überhaupt?

Emily bringt es bereits auf den Punkt: Werde ich abgelehnt wegen der Art, wie ich aussehe, spreche oder gar rieche, habe ich keine Möglichkeit, darauf zu reagieren. Am allerwenigsten, wenn es um den ureigenen Körpergeruch geht. Wie soll ich den ändern? Zugleich tut es hier am meisten weh, denn der Geruchssinn ist der subtilste und archaischste unserer Sinne.