Gut aufgestellt. Alles über den Penis - Oliver Stöwing - E-Book

Gut aufgestellt. Alles über den Penis E-Book

Oliver Stöwing

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Beschreibung

Südlich der Gürtellinie 40 Millionen Deutsche leben mit einem Penis, rund 30 Millionen weitere – nämlich heterosexuelle Frauen –  haben regelmäßig mit Penissen zu tun. Erstaunlich, wie wenig dennoch über dieses Körperteil bekannt ist,  obwohl es als Symbol allgegenwärtig ist. Dieses Buch klärt auf – kenntnisreich und unverkrampft: Wie  funktioniert ein Penis? Und wieso funktioniert er manchmal nicht? Geschichte, Anatomie, Kultur – in diesem Buch wird alles rund um das so eigenwillige wie faszinierende Organ erläutert.  Ein wichtiger Beitrag zur  Männergesundheit mit vielen praktischen Tipps.

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Katja Sonnewend (Foto Oliver Stöwing); Volker Wittkamp (Foto Volker Wittkamp); Viktoria Yams/shutterstock.com

Illustrationen: Martina Frank

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

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Motto

 

»Es ist wie mit dem erstgeborenen Sohn: Du verbringst dein ganzes Leben damit, für ihn zu arbeiten, opferst alles für ihn. Und im Moment der Wahrheit tut er, was er will.«

Gabriel García Márquez, Die Liebe in den Zeiten der Cholera, 1985

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Einleitung

Gibt es wirklich »Grower« und »Shower«? – Mythen über den Penis

Noch vor Adam – die Evolution des Penis

Die Natur ist ursprünglich alles andere als cis

Arm, aber sexy

Seitlicher Sex, Urzeit-, Doppel- und Hemipenisse

Piepmatze mit Penis

Vom Igel mit dem Vierfachpenis bis zum Freischwinger

Warum der Penis Stacheln und Knochen verlor

Ein Blick auf die Hardware – So funktioniert der Penis

Wie entsteht eine Erektion?

Die Speerspitze: Eichel und Vorhaut

Was ist Smegma, und wie bekomme ich das wieder weg?

Beschnitten oder nicht beschnitten – das ist die Frage

Was passiert bei der Beschneidung?

Director’s Cut oder beschnittene Version?

Die Harnröhre – ein Reisebericht von der Quelle bis zur Mündung

Warum der Hahn manchmal tropft

Geheimnis »Lusttropfen«

Die Reise des Pipis

Rosen im Rohr

Was Penisse wünschen – und was nicht

Wie geht’s, wie steht’s? – Der Penis und die Psychologie

Was ist die phallische Phase, und gibt es Penisneid?

Wie analfixiert ist Deutschland?

»Hallo, mein Lieber, hier spricht dein Penis …«

Der Penis, der Sex und die Gesellschaft – durch die Jahrzehnte

Die Fünfzigerjahre: Halbstarke auf halbmast

Die Sechzigerjahre: Free Willy!

Die Siebzigerjahre: Pornomania

Die Achtzigerjahre: Penisse in Armani

Die Neunzigerjahre: Penis, Prolljungs, Präsidenten

Die 2000er-Jahre: Penis and the City

Die 2010er-Jahre: Der neue Mann

Der Start in die 2020er-Jahre: Wie woke ist dein Willi?

Kunststück – Penis meets Art

Perfekte Männer mit bescheidener Ausstattung

Aufgegeilte Mönche malen dämonische Penisse

Die Rückkehr der Marmor-Minipenisse

Als Päpste Penisse abschlugen

Pubertäres Pimmelgeschmiere oder Kunst?

Penis mit Jugendstil – der Siegeszug der schnellen Bilder

In der Hauptrolle – der Penis im Film

Penissance bei Netflix

Penispop: Die zehn besten Songs über das männliche Genital

Der Penis und die Mode

Die Ferne ist seine Heimat – der Penis-Weltatlas

Ägypten: Wasserpimmel

Argentinien: Penisjubel

Australien: Der Gender-Penis-Gap

Bhutan: Durchgeknallter Penis-Guru

Brasilien: Standhafte Soldaten

Deutschland: Kastration zum Karneval

Frankreich: Penisse der Schande

Griechenland: Penisparty

Großbritannien: Prinzen und Penisse

Indien: Phallusgott

Indonesien: Penisblume mit Pestgestank

Island: Das einzige Penis-Museum der Welt

Japan: Penisfestival

Monaco: Penisprivilegien

Neuseeland: Penisauktion

Russland: Rasputins Zauberstab

Schweden: Mittsommernachtstraum mit Phallus

Spanien: Penis am Stiel

Türkei: Peniswunder im Pauschalurlaub

USA: Kollegenpenisse

Vatikanstadt: Petrus’ Penis

Wie man in Polen ein Gespräch beginnt – Penis-Begrifflichkeiten

Die berühmteste Penis-Metapher aller Zeiten

Das kleine Penis-Wort der großen Feministin

Einmal Penis, für immer Mann? – Reizthema Transgender

Die wichtigsten Fakten über Transidentität im Überblick

Was passiert bei der operativen Geschlechtsangleichung?

Zu kurz gekommen? – Mysterium Penislänge

So ermittelst du deine Kondomgröße

Warum ist der Penis krumm – und wann ist krumm zu krumm?

»Der ist ja so dünn wie mein Finger, Alter!« – Was Männer zur Penisvergrößerung treibt

Was der Mann mit dem längsten Penis der Welt Männern mit kurzem Glied rät

Kleiner Penis, große Wirkung – noch mehr Tipps

»Mach jetzt bitte keine große Sache draus« – Tipps, wenn du einen Partner mit kleinerem Penis hast

Wie schwanzgesteuert ist der Mann – oder: Ist Sexsucht real?

Vier gegen Willi – oder: Selbst ist der Mann

Bin ich vitaler, wenn ich nicht masturbiere?

Was passiert bei Edging mit mir?

Wie viel Masturbation ist normal?

Was ist eigentlich ein Samenstau?

Der simulierte echte Sex – Schadet Pornografie mir und meinem Penis?

Wann spricht man von Pornosucht?

Der abgewertete Pornokonsument

Immer weiter, immer mehr, immer härter

Der Porno als Identitätsstifter

Porno als Aufklärungsmaterial

Die dunkle Seite des Penis – Dick Pics & Co.

»Lass mal stecken« – Sind Penisbild-Verschicker die neuen Exhibitionisten?

Warum tun die das? – Rätsel Exhibitionismus

Penis-Gemetzel – Widerliches und Grauenhaftes

Wenn der kleine Mann nicht will – Tabuthema Erektionsstörung

Auf welche Signale du achten solltest

Der Penis-Streik – und seine körperlichen Ursachen

Streikbrecher – was du selbst für ihn tun kannst

Warum die Prostata-OP der Erektion schaden kann

Kopfkino killt Erektion

So erlebst du dein Blaues Wunder

Mehr zum Blauen Wunder

Welche Pille passt zu mir? – Viagra-Alternativen

Länder, in denen Viagra & Co. frei verkäuflich sind

Wenn die blaue Starthilfe nicht zündet

Kopfviagra – die wirkungsvollsten Übungen für entspannten Sex

Schöne neue Penis-Welt: Wie die Pharmabranche ihre Potenzprodukte feiert

Autsch! – Wenn Penisse leiden

Nicht nur Marmor, Stein und Eisen bricht

Dauererektion? – Schnell zum Arzt

Fiese Keime und Erreger

Zu früh, zu schnell

Kastration und Sterilisation

Kuriose Penisverletzungen

Nur heiße Luft? – Wenn der Penis nicht fruchtet

Harte Fakten – unnützes und gar nicht mal so unnützes Peniswissen

Was denken Frauen über Penisse?

Das Ding ist doch ein Witz!

DIY – was du selbst für deinen Penis tun kannst

Die richtige Ernährung – der Penis isst mit

Ernährung als Testosteron-Hebel

Penisfreundliche Lebensmittel

Training für den Penis – Wunderwaffe Beckenboden

Das Warm-up – die Vorbereitung

»Beck for good« – die Übungen

Nachwort

Quellen

Dank

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Einleitung

Volker: Ein normaler Tag in der urologischen Praxis. Der 25-Jährige mit seinem instagramtauglich gestählten Körper sitzt zusammengesunken zu einem Häufchen Verzweiflung in meiner Sprechstunde und ist überzeugt, dass er krank ist, ernsthaft krank. Wie sonst könne es sein, dass ihm in der Nacht, auf die er so lange hingearbeitet hatte, die erste Nacht mit seiner Traumfrau, gerade jenes Körperteil einen Strich durch die Rechnung machte, auf den es seiner Meinung nach in diesem Moment ankam? Er hatte »keinen hochgekriegt«, gesteht er. Ich müsse ihn nun untersuchen, und auf jeden Fall bräuchte er Viagra, am liebsten eine Dose so groß wie die seines Proteinpulvers.

Noch zwei Jahre jünger als dieser Patient ist die Mutter, die sicher ist, mit ihrem einjährigen Sohn stimme was nicht. Beim Wickeln habe »sein Ding gestanden«, flüstert sie mit Entsetzen in der Stimme, als berichtete sie davon, ihr Baby würde den Kopf um 360 Grad drehen und dabei Flüche auf Latein ausstoßen. Ich kann sie beruhigen: Die ersten Erektionen hat ein Mensch männlichen Geschlechts im Mutterleib. Und die letzte, auch darauf kommen wir zu sprechen, manchmal erst nach seinem Ableben.

Dann kommt der braun gebrannte 80-Jährige, der die Gartenarbeit liebt und noch mehr den Sex. Dass sein Penis seiner Vitalität nicht ganz hinterherkommt, hält er für eine Schwäche der Natur, die es zu beheben gilt. Er pocht auf sein Recht auf Erektion. Und ich finde: Das hat er auch. Sexualität verschwindet nicht mit dem Alter, und wenn medizinisch nichts dagegenspricht, bekommt er das Rezept, das ihm dabei helfen wird, sein Liebesleben so fortzusetzen, wie es für ihn und seine Partnerin befriedigend ist.

Was ich mit diesen Beispielen sagen will: Der Penis, den viele heute als Lifestyle-Instrument begreifen, das man gegebenenfalls optimieren muss, ist besetzt mit Ängsten, Sorgen, Erwartungen und falschen Vorstellungen, vielleicht so vielen wie noch nie.

Auf die Themen Liebe, Beziehung und Sex kommen auch Oliver und ich oft zu sprechen. Oliver ist ein in Berlin ansässiger Journalist, den ich von einer früheren Zusammenarbeit kenne, er schreibt über genau diese großen Themen des Menschseins. Heikel und störanfällig seien diese immer gewesen, meint er. Doch nun, in einer Zeit des Umbruchs, in der nichts mehr gilt, was Jahrhunderte ein Naturgesetz schien, sei die Verunsicherung oft groß. Auch was den Penis betrifft, dieses »kulturell immens aufgeladene und überhöhte Organ«, wie er es ausdrückt.

Oliver: Manchmal muss Volker wie jeder Arzt seine Patienten an einen anderen Spezialisten überweisen. Es gebe ein paar wenige Therapeuten im Raum Köln, die sich auf Erektionsprobleme spezialisiert hätten, sagte er mir. Sie seien ausgebucht über Monate. Da wurde mir bewusst, was für Nöte unter Männern herrschen, Nöte, für die die Generation meines Vaters nicht einmal Worte gefunden hätte.

Als Journalist bin ich täglich mit Geschichten konfrontiert, die deutlich machen, welche Zeit des Wandels wir erleben, was unsere Geschlechterrollen und das Verhältnis von Mann und Frau betrifft. Die alten Regeln funktionieren nicht mehr, die neuen werden noch verhandelt. Männer sind in dieser jetzigen Phase zahlreichen doppelten Botschaften ausgesetzt: Sei abenteuerlustig. Sei ein guter Familienvater. Befreie deine Sexualität. Sei treu. Sei ein Gentleman. Sei ein Feminist. Sei ein Draufgänger. Sei rücksichtsvoll. Sei erfolgreich. Aber niemals verbissen! Und klebe nicht an deinem Chefsessel. Sieh gut aus. Sei nicht eitel. Wirke bloß nicht wie ein alter Mann. Sei nicht berufsjugendlich.

Herbert Grönemeyers Frage, wann ein Mann ein Mann ist, ist nicht mehr zu beantworten. Die Widersprüche und versteckten Botschaften sind komplex. Dass mit einem Mausklick jeder, Kinder eingeschlossen, härteste Pornografie konsumieren kann, nehmen wir hin wie ein Naturgesetz. Andererseits kann eine anzügliche Bemerkung im Büro eine Karriere kosten. Wir fragten uns: Wie ist es wohl um das urmännlichste Körperteil bestellt, den Penis – inmitten all dieser Diskussionen um neue Väter, toxische oder hybride Männlichkeit, Gender-Sprache, dritte Geschlechter, Machtmissbrauch, Belästigung oder sexualisierte Gewalt?

Kaum ein Organ ist derart mit Mythen, Ängsten, Tabus und kultureller Überhöhung behaftet. Dagegen hilft nur Wissen. Ich lebe seit 51 Jahren mit einem Penis, konnte jedoch bisher eher erklären, wieso ein Flugzeug fliegt, als warum ein Penis manchmal steht. Berufsbedingt kann Volker das. Ich dagegen weiß als Journalist, wie man Ängsten, Vorurteilen und Tabus produktiv begegnen kann: nachfragen, Menschen mit unterschiedlichen Positionen zu Wort kommen lassen und alle Informationen sammeln, die man kriegen kann. Mit diesem Buch nun wollen wir die im Schnitt neun Zentimeter Unterschied entmystifizieren und den Penis von seinem Podest holen. Wir verklären, dämonisieren und überfordern den Penis. Dabei gilt: Ein Penis ist ein Penis ist ein Penis.

 

Jedes Kapitel ist als ein Versuch zu verstehen, ihn mit weniger Angst zu besetzen, denn Angst bedeutet ungelebtes Leben. Und was für einen Spaß man mit einem Penis haben kann! Das Vergnügen, das ein Penis mitunter bereitet, ist so ziemlich das Gegenteil davon, tot in einer Kiste zu liegen. Vielleicht erfährst du hier ein paar Sachen, die du noch nicht wusstest und die dein Vergnügen steigern. Nicht nur das sexuelle Vergnügen. Ein Penis kann schließlich auch witzig sein! Allein schon in seiner Sturheit und Selbstüberschätzung liegen gute Pointen. Insofern hoffen wir, dass dir das Lesen Spaß macht.

Bei unseren Recherchen jedenfalls zeigte sich: Das Thema Penis lässt niemanden kalt. Allein das Stichwort sorgte für große Diskussionen. Der Penis bedeutete für jeden etwas anderes und meist mehrere Dinge zugleich. Wir sind überzeugt: Je besser wir den Penis verstehen, desto mehr Freude haben wir mit ihm, egal, ob du selbst einen hast oder nicht – wenn du ihn denn verstehen möchtest. Männer reden inzwischen über ihre Gefühle, sie reden aber immer noch nicht über ihren Penis. Manchmal ist es leichter, seine Hose als sein Herz zu öffnen. Dieses Buch bietet hoffentlich reichlich Gesprächsstoff. Zusammen möchten wir dir dieses geheimnisumwitterte Organ nahebringen, ganz egal, ob du dich als Frau, als Mann oder anders definierst. Wir verstehen die folgenden rund 300 Seiten als einen Reiseführer durch das Penis-Wunderland. Und es ist nicht nur ein Land der Männer. Ein Penis geht uns alle an.

Gibt es wirklich »Grower« und »Shower«? – Mythen über den Penis

Ein Penis muss funktionieren

Falsch. Ein Penis sollte keinem Leistungsdruck ausgesetzt sein. Er hat keinen Vertrag abgeschlossen. Er ist kein Profisportler und kein Eventplaner und arbeitet nicht im Katastrophenschutz. Er muss nur da sein. Es gibt beim Sex kein Ziel. Der Orgasmus? Schön und gut, wenn man ihn erreicht, aber das Zusammensein zwischen zwei Menschen kann sich auch ohne Orgasmus erfüllend anfühlen. Daher: Genieße die Intimität und den Moment, statt deine ganze Aufmerksamkeit auf die Funktionen deines Penis zu richten. Du bist höchstwahrscheinlich kein Escort-Mann – also sollte Sex für dich auch keine Arbeit sein. Das Bett sollte vielmehr der Ort bleiben, an dem wir uns befreien vom kapitalistischen Leistungsprinzip und an dem wir so sehr wir selbst sind, wie es uns möglich ist. Das Bett ist unser Safe Space. Hier dürfen wir ungerichtet und wahrhaftig sein. Hier ist unser Traum unsere Wirklichkeit.

Ein Penis ist steif, sobald die Partnerin oder der Partner die Hose öffnet

Träum weiter. In Pornofilmen öffnet die Darstellerin dem Pizzaboten die Hose, und ein bretthartes Gerät springt ihr entgegen. Ein Porno ist jedoch Inszenierung und nicht Wirklichkeit, auch wenn die Grenze durch Amateurportale wie OnlyFans verwischt. Was dem Zuschauer verborgen bleibt: Abgesehen davon, dass heutzutage fast jeder Pornodarsteller Viagra nimmt, masturbiert der Mann meist vor der Szene, bis er eine Erektion hat. Manchmal bereitet er sich mit einem Porno vor, was absurd ist, da er sich doch gerade selbst in einem befindet. Manchmal stimuliert ihn auch seine Filmpartnerin oder sein Filmpartner vorab. Das »Fluffy Girl«, die sogenannte Anbläserin, ist dagegen ein Mythos. »Mir ist jedenfalls noch keines untergekommen«, sagt US-Pornodarsteller Johnny Sins. »Vielleicht gab es Fluffy Girls im Goldenen Zeitalter des Pornos.« Manchmal hilft ein Darsteller sogar mit einer Vakuumpumpe oder einer Spritze nach. Danach wird die Hose wieder hochgezogen, und der Regisseur ruft: »Action!« Der Co-Star öffnet die Hose und ist angenehm überrascht ob der Größe und Härte des Teils, als sähe sie oder er es zum ersten Mal. In der Wirklichkeit wird ein Penis meist durch die Aussicht auf Sex allein noch nicht steif. Es bedarf zusätzlicher visueller oder haptischer Reize, beispielsweise Küsse, Körperkontakt oder direkte Stimulation am Penis.

Ein Penis hat nur eine Daseinsberechtigung, wenn er seinen Job ausübt

Irrtum. Er ist kein Leihwerkzeug und, auch wenn es einem manchmal so vorkommt, kein Einzelwesen. Er gehört zu dir, 24 Stunden am Tag, bis zu deinem letzten Atemzug. Zeit, Freundschaft mit diesem Körperteil zu schließen.

Ein Penis will immer

Nope. Auch ein Mann hat manchmal keine Lust. Das heißt nicht, dass er seine Partnerin oder seinen Partner unattraktiv findet, heimlich ein anderes Geschlecht bevorzugt oder die Beziehung gestört ist. Es heißt nur, dass er gerade nicht will. Es muss auch nicht jedes Kuscheln oder Küssen zum Sex führen. Auch Männer genießen Zärtlichkeit als Selbstzweck.

Es gibt »Grower« und »Shower«

Jein. Manche Penisse wachsen buchstäblich über sich hinaus. Schlaff eher unscheinbar, sind sie bei Erregung wie verwandelt und werden zum Hulk. Eine Studie der University of California aus dem Jahr 2018 an 274 Probanden definierte Grower (Blutpenis), also die Überraschungspakete, als diejenigen Männer, die 4 Zentimeter oder mehr zulegten. Wer in steifem Zustand weniger wuchs, war ein Shower (Fleischpenis), gehörte also zu den »What you see is (almost) what you get«-Typen. Im Schnitt fuhren sämtliche Grower 5,3 Zentimeter zu. Shower vergrößerten sich dagegen durchschnittlich nur um 3,1 Zentimeter. Die meisten Männer sind Shower (74 Prozent). Es konnte keine Korrelation zu anderen Kategorien gefunden werden, etwa Herkunft oder Gesundheitszustand. Das Problem an der Studie ist, dass ein schlaffer Penis nicht immer gleich groß ist. Die Größe kann um mehrere Zentimeter variieren. In seiner schlaffen Bestform ist er manchmal doppelt so groß wie dann, wenn er sich besonders klein macht. Allein der Stress einer Versuchssituation – eine Fremde oder ein Fremder fummelt mit Gummihandschuhen an deinen privatesten Teilen herum – kann den Penis schrumpfen lassen. Auch die Außentemperatur hat Einfluss auf die Größe des schlaffen Penis. Ein weiterer Faktor ist die Durchblutung: Nach dem Joggen ist er schlaff oft größer als nach einem Bürotag.

Man ist an manchen Tagen und in manchen Situationen also eher Grower, an anderen Shower. Und natürlich ist die 4-Zentimeter-Marke willkürlich gesetzt und berücksichtigt nicht einmal die Körpergröße. Wenn Tom Cruise (1,70 Meter) 4 Zentimeter zulegt, ist das anders zu bewerten als bei Dwayne Johnson (1,96 Meter). Aufschlussreicher ist da eine Studie von 2016 unter mehr als 4000 US-Amerikanern: 27 Prozent der Männer halten ihren schlaffen Penis für zu klein. Diese Männer hatten weniger Sex als andere Männer, auch wenn sie mit der Größe im erigierten Zustand zufrieden waren, also im Selbstbild Grower waren. Möglicherweise haben diese Männer eine größere Scheu, sich nackt mit schlaffem Glied zu zeigen, machen sich folglich höheren Druck, eine Erektion zu bekommen, und vermeiden daher öfter sexuelle Situationen. Zusammengefasst lässt sich sagen: Ein schlaffer Penis sagt wenig über die Größe im steifen Zustand aus. Große schlaffe Penisse nehmen weniger zu als kleine schlaffe Penisse. Und im schlaffen Zustand variieren die Größen stärker, im erigierten Zustand sind die Größenunterschiede zwischen den Männern hingegen geringer.

Die »Big Dick Energy« hat man oder hat man nicht

Nein, auch die kann man sich aneignen. Einige Frauen und Schwule glauben zu erkennen, welcher Mann im Raum den größten Penis hat. Sie behaupten, das an der Big Dick Energy (BDE) festzumachen, jener Aura, die einen Mann umgibt, der mit der Gewissheit lebt, mehr in der Hose zu haben als die meisten anderen. Es handelt sich nicht unbedingt um das Alphamännchen: Ein Mann mit BDE braucht nichts durch eine große Klappe oder Hyperleistungen zu kompensieren. Er konkurriert nicht mit Geschlechtsgenossen und manipuliert die Menschen nicht, die er begehrt. Gelassenheit und unerschütterliches Selbstvertrauen zeichnen ihn aus. Das Mühelose dieser Haltung schließt es aus, dass man sich bemühen kann, BDE zu erlangen. Doch Gelassenheit kann jeder lernen: Besinne dich darauf, was dein innerer Big Dick ist. Was sind deine kraftvollen Eigenschaften, auf die du dich bisher immer verlassen konntest? Welche Schlüsselfähigkeiten haben dir bisher bei jeder Gelegenheit weitergeholfen? BDE-Gebaren lässt sich leicht umsetzen: Sei freundlich, aufgeschlossen und erhebe dich nicht, indem du andere niedermachst. Sei vor allem großzügig, mit Geschenken, Gefühlen, Aufmerksamkeit, Vergebung. Nichts wirkt kleinpimmeliger als Geiz und Gemeinheit.

Durch Pornos haben alle Männer ein falsches Bild von der Penisgröße

Stimmt vielleicht, vielleicht auch nicht. Früher verglich man sich in der Pubertät mit ein paar Kumpels, heute hat ein Teenager schon in Pornos zig erigierte Penisse aus aller Welt gesehen. Penisgröße ist ein wesentliches Kriterium dafür, bei einem Casting den begehrten Job eines Pornodarstellers zu ergattern. So scheint es unvermeidlich, dass junge Männer ein verzerrtes Bild von der Größe des menschlichen Genitals bekommen. Den Penis eines Pornostars zum Maßstab zu nehmen – das ist, als nähme man sich einen Formel-1-Rennfahrer zum Vorbild, wenn man im Stadtverkehr Auto fährt. Eine schwedische Studie, laut der 35 Prozent der Männer ihren erigierten Penis für zu klein hielten, konnte jedoch keinen Zusammenhang zwischen Intensität des Pornokonsums und negativem genitalem Selbstbild feststellen. Allerdings fand sich unter den 1500 Männern nicht ein einziger, der noch nie einen Porno gesehen hatte. Vergleichsstudien aus Zeiten, in denen die Mehrheit der Männer noch keine Berührung mit explizitem Material hatten, gibt es nicht. Interessant an der Studie: Nur 25 Prozent der Frauen waren unzufrieden mit der Beschaffenheit ihres Genitalbereichs. Dabei haben Frauen ansonsten ein sehr viel selbstkritischeres Körperbild. Doch natürlich wird dem Penis kulturell viel mehr Bedeutung beigemessen, seine Größe wird assoziiert mit Macht und Vitalität. Der kleine Penis wird daher Opfer von Spott und Witzen, dem sogenannten Penis-Shaming.

Ein Penis agiert bestenfalls spontan

Kann er, muss er aber nicht. Sei spontan! Die Unauflösbarkeit dieses paradoxen Appells hat schon der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick beschrieben. Wir würden so gern spontanen Sex erleben, bei dem sich alles von selbst ergibt, gleich einer Naturgewalt. Zuerst würden die Flammen der Triebe hochschießen und die zarten Zweige der Unschuld verbrennen. Dann würde ein loderndes Feuer entfacht, das so heiß wäre, dass man es brennen lassen müsste. In Filmen fallen die Schauspielerinnen und Schauspieler oft in ihrer ersten Sexszene übereinander her wie ausgehungerte Tiere. Nur funktioniert es in der Wirklichkeit selten so. Wenn wir darauf warten, dass sich spontaner Sex einstellt, haben wir womöglich gar keinen Sex mehr. Der Sex und der Penis im Besonderen verlangen nach bestimmten, individuellen Bedingungen. Also beispielsweise Ruhe im Haus, wozu man erst einmal die Kinder loswerden müsste. Ausgeschlafen sein wäre nicht schlecht, die Gefahr ist sonst groß, dass man, wenn man erst einmal liegt, plötzlich schnarcht wie ein asthmatischer Rottweiler. Manch ein Mann braucht es für ein gutes Körpergefühl, seine Behaarung gestutzt zu haben, manch einer fühlt sich besser, wenn er noch im Fitnessstudio war. Ein gutes Glas Rotwein hilft vielen abzuschalten. Der Penis ist eine kleine Diva. Seine individuellen Wohlfühlbedingungen muss man erst einmal kennen. Und dann muss man sie so gut wie möglich umsetzen. Sex ist nicht nur Instinkt. Er ist vor allem ein Lernprozess. Man lernt, sich sein Liebesleben nach seinen ganz eigenen Vorstellungen zu gestalten und seine Wünsche zu verwirklichen, indem man sie mit den Wünschen des Partners oder der Partnerin abstimmt. Ganz so unberechenbar, wie der Penis uns manchmal erscheint, ist er nämlich nicht. Wenn man sich jedoch die Mühe macht, ihn kennenzulernen, kann er zu einem Gefährten werden, mit dem man viele Abenteuer erleben kann – egal, ob man selbst einen Penis besitzt oder mit denen anderer Menschen spielt.

Wie die Nase des Mannes …

Vergiss es. Wenn das alles mal so einfach wäre. Tatsächlich sagt die Nase des Mannes nichts über die Penisgröße aus. Zwar rauschte vor einiger Zeit eine Studie durchs Netz, laut der Forscher in Japan 126 Leichen die Penisse maximal lang zogen. So reproduzierten sie posthum eine »Erektion« und verglichen deren Größe mit der Nasenlänge. Das Ergebnis: Die durchschnittliche »gestreckte« Penislänge der Großnasen betrug 13 Zentimeter, während die Leichen mit kleineren Nasen eine durchschnittliche Länge von 10 Zentimetern aufwiesen. Somit bestehe ein Zusammenhang zwischen der Größe von Nase und Penis, schlussfolgerten die Forscher in Tokio und Kyoto. Doch sagt die Studie zunächst einmal nur etwas über japanische Forscher und Forscherinnen und ihre bizarren Ideen aus und nichts darüber, wie bestückt dein neuer, höchst lebendiger Kollege ist, der aus dem Schwarzwald stammt und sich gerade in eurem Büro so sexy die große Nase putzt. Auch eine Korrelation der Penisgröße zur Schuhgröße ließ sich in keiner seriösen Studie nachweisen.

Ein kleiner Penis ist weniger fruchtbar

Fake News. Wie das so ist mit den schnellen Nachrichten im Netz, die jeder von jedem abschreibt: 2018 veröffentlichte die American Society for Reproductive Medicine (ASRM) der University of Utah bei einem Kongress in Denver das Ergebnis einer Studie, die einen Zusammenhang zwischen Penisgröße und Fruchtbarkeit herstellen wollte. Die Veröffentlichung führte zu Schlagzeilen wie »Größe spielt eine Rolle in Sachen Fruchtbarkeit« oder, zugespitzt formuliert: »Kleine Penisse sind häufiger unfruchtbar.« Solche Meldungen sind wenig hilfreich für Männer, die ihren Penis als zu klein empfinden und ohnehin oft stigmatisiert werden und unter Unsicherheiten leiden. Seine Aussagen seien sensationsheischend verdreht worden, klagte der Leiter der Studie, Austen Slade, später in den Medscape Medical News. »Keiner der Journalisten hat mich angerufen.« Kleine Penisse seien fruchtbar wie andere Penisse auch. »Was wir sagen wollten, war Folgendes: Eine geringe Penisgröße kann ein Indikator für ein anderes Problem sein.« Etwa für Mikroplastik, das den Hormonhaushalt während der Schwangerschaft durcheinanderbringen und der späteren Fruchtbarkeit des Ungeborenen schaden kann. Diese Hormonstörung könnte auch in einigen Fällen die Ursache für einen kleineren Penis sein. »Viele Faktoren führen zur Unfruchtbarkeit. Die Penisgröße hat damit nichts zu tun«, stellte Slade klar. Inzwischen gibt es sogar die Hypothese, Umweltgifte seien gleichermaßen für Unfruchtbarkeit als auch dafür verantwortlich, dass Penisse immer größer werden.

Durch Cremes und Viagra wird der Penis größer

Keine Chance. Und selbst wenn man zerriebene, getrocknete Tigerpenisse mit Walsperma bei Vollmond zu einer Paste anrührt: Keine Creme, kein Viagra und keine andere Substanz der Welt kann dem Penis zusätzliche Zentimeter zaubern. Auch Hausmittel sind Quacksalberei. Du kannst dir von einem Bienenstock einen blasen lassen, dein Penis wird dadurch anschwellen – größer wird er allerdings nicht. Durchblutungsfördernde Mittel lassen den Penis sich jedoch fester anfühlen und größer wirken.

Der Ringfinger verrät die Penislänge

Nein, aber eine gewisse Aussagekraft besitzt er tatsächlich. Wenn Experten Ring- und Zeigefinger vergleichen, sprechen sie vom 2D:4D-Fingerlängenverhältnis. Dabei steht der Buchstabe D für das fachsprachliche englische Wort digit, zu Deutsch: Finger. Männer und Frauen haben unterschiedliche Fingerproportionen. Bei Männern überragt für gewöhnlich der Ringfinger den Zeigefinger. Bei Frauen verhält es sich genau andersherum. Ihr Zeigefinger ist länger als ihr Ringfinger oder beide sind gleich lang. Festgelegt wird das Fingerverhältnis durch Sexualhormone im Mutterleib. Je mehr Testosteron das Embryo im Mutterleib flutet, desto größer wird sein Ringfinger im Vergleich zum Zeigefinger. Solche Männer sind tendenziell sportlicher, risikobereiter und durchsetzungsstärker. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie homosexuell sind, nimmt ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie gut bestückt sind, nimmt dagegen zu.

Ein großes Auto kompensiert einen kleinen Penis

Wohl eher Wunschdenken der Kleinwagenfahrer. Das Klima zu retten ist eine ernste Sache, und so fiel Aktivistin Greta Thunberg bisher nicht durch Humor auf. Doch als der britische Ex-Kickboxer und Proll-Influencer Andrew Tate die Schwedin nach ihrer E-Mail-Adresse fragte, um ihr eine »vollständige Liste meiner Autos und ihrer enormen Emissionen« zu schicken, entgegnete sie bei Twitter: »Ja, bitte kläre mich auf, schreib mir an [email protected].« 2,2 Millionen Likes gab es dafür. Aber haben Besitzer großer Autos tatsächlich einen kleinen Penis, oder ist das nur Wunschdenken all jener, die sich vom Linienbus durchrütteln lassen müssen und auf ausgleichende Gerechtigkeit hoffen?

Ein Forscherteam des University College London (UCL) wollte mit seiner Studie die These vom zu kurz gekommenen Sportschlittenraser erhärten und unterzog 200 Männer zwischen 18 und 74 Jahren einem psychologischen Test. Dabei manipulierten die Forscher die Männer in einer Weise, dass die einen ihren Penis für überdurchschnittlich groß und die anderen ihren Penis für unterdurchschnittlich klein hielten. Dann testeten sie, wie empfänglich die Probanden für den hypothetischen Kauf eines Sportwagens waren. Das Ergebnis legte nahe, dass Männer, die ihren Penis für zu klein halten, sich eher für Sportwagen begeistern. Über die tatsächliche Penisgröße von tatsächlichen Sportwagenfahrern sagt diese Studie jedoch nichts aus.

Wahrscheinlich haben die Fans von Porsche, Lamborghini & Co. tendenziell sogar ein großes Gemächt. Wieder spielt die Testosteronversorgung als Embryo eine Rolle. Wer da gut weggekommen ist, besitzt wahrscheinlich mehr Durchsetzungskraft. Solche Männer haben tendenziell einen überdurchschnittlich großen Penis und kommen tendenziell in Beruf (oder Kriminalität) so weit voran, dass sie nicht nur vom Sportwagen träumen brauchen, sondern ihn sich auch leisten können. Also brettern sie lieber mit 200 Sachen über die Autobahn, als an einem zugigen Bahnsteig auf den Regionalzug zu warten.

Tatsächlich aber beeinflussen viele Faktoren eine Kaufentscheidung, etwa kultureller Hintergrund, Bildung und Vorbilder. Noch viel mehr Faktoren bestimmen über wirtschaftlichen Erfolg. Zudem gibt es viele Möglichkeiten, ein Gefühl von Minderwertigkeit zu kompensieren. Genauso wie es viele Faktoren gibt, die die Penislänge bestimmen. Außerdem muss gar nicht der Penis das Problem sein. Es wäre auch denkbar, dass ein Sportwagenfahrer sich auf einem anderen Gebiet unterlegen fühlt als dem in der Hose: So könnte es eine besondere Genugtuung für ihn bedeuten, im kanarienvogelgelben Lambo seine alten Schulkameradinnen zu überholen, die gerade in ihrem SUV ihre Einkäufe aus dem Biomarkt nach Hause fahren und in der Schule immer so viel bessere Noten hatten als er: Damals war er vielleicht ein bisschen langsam, jetzt ist er der Schnellste. Eine pauschale Hypothese wie »Großer Wagen, kleiner Penis« oder »Großer Wagen, großer Penis« ist schlicht nicht haltbar: Unsere Welt ist zu komplex für solche simplen Kausalitäten. Der Legende nach hat sich der »Kleiner Penis, großes Auto«-Spott aber so in unseren Köpfen festgesetzt, dass einige Männer bewusst einen kleinen Wagen fahren, wenn sie nach einer Sexualpartnerin Ausschau halten. Frauen würden bei dem Kerl im Mini Cooper eine Maximalausstattung vermuten. Wenn sie sich da nicht irren …

Ein Orgasmus erfolgt beim Mann immer über den Penis

Meistens schon, aber es gibt eine Alternative. »Rimjob – so funktioniert der Nachfolger des Blowjobs«, klärte die Elle, die Grande Dame unter den Frauenzeitschriften, schon 2019 ihre Leserinnen auf. Der Rimjob, also die Stimulation des Afters mit dem Mund, löst den Blowjob zwar nicht ab, steht aber bei vielen Paaren inzwischen ergänzend auf der Speisekarte. Heterosexuelle Männer entdecken zunehmend ihren Anus als erogene Zone – dank eines unverkrampfteren Männerbildes. Früher galten Praktiken, in denen der Po des Mannes eine Rolle spielt, schnell als »schwul«. Da am Anus viele Nerven enden, kann seine Stimulation zu ungeahnten neuen Lustempfindungen führen – und den Penis entlasten. Es bieten sich dadurch neben dem Cunnilingus, also dem an der Frau ausgeübten Oralverkehr, weitere sexuelle Varianten, bei denen der Penis andere Akteure auf die Bühne lässt und verschnaufen kann.

Führt man Finger, Penis oder Gegenstände in den After ein, kann dadurch zusätzlich ein geheimnisvolles Organ stimuliert werden: die Prostata. Für viele Männer mit ihrer Außenfixierung ist es ein neuer Gedanke, dass auch bei ihnen ein Teil ihrer Geschlechtsorgane innen liegt und dass sie auch innere Lust empfinden können. Manche Männer finden es aufregend, andere interessant, wieder andere irritierend oder abstoßend. Die Sexualität der Frauen gilt vielen Männern als ein tiefgründiger See voller Geheimnisse und Rätsel. Doch der Mann ist nicht das plumpe, simpel funktionierende Wesen, als das er dargestellt wird. Auch ein Mann ist voller Rätsel, und seine angstlustvolle Beschäftigung mit den Rätseln der Frau ist vielleicht ein Vorwand, nicht seine eigenen Geheimnisse zu ergründen. Schließlich entsteht auch der herkömmliche Orgasmus nicht im Penis, sondern tief im Inneren, eben in jener Prostata.

Während der Penis als Showboy und Rampensau allgegenwärtig ist, bleibt die Prostata das verborgene Lustzentrum. Die etwa kastaniengroße Drüse besteht aus Muskelgewebe und befindet sich unterhalb der Harnblase nah am Harnröhrenschwellkörper. Zu ihren Aufgaben gehört es, einen Teil der Spermaflüssigkeit zu produzieren, die Erektion aufrechtzuerhalten und das Sperma bei der Ejakulation zu transportieren – hier kommt dann endlich der Penis ins Spiel. Und tatsächlich ist dieses verborgene Organ auch zu einem penisunabhängigen Orgasmus fähig: Über den After kann die Prostata bei Einsteigern am besten mit dem Finger stimuliert werden und so der Orgasmus »vorab« herbeigeführt werden, der Penis wird dabei außen vor gelassen; Fortgeschrittene nutzen je nach Vorliebe einen Penis, einen Vibrator, einen Dildo oder einen Strap-on (Umschnalldildo). Der so erreichte Höhepunkt gilt als »Superorgasmus« oder »Ganzkörperorgasmus« und um 30 Prozent intensiver als der Penis-Orgasmus. Für viele Männer ist er so schön wie Junggesellenabschied und gewonnenes WM-Finale an einem Tag. Manche fühlen sich mit dem ganzen Universum verbunden, manche spüren einen inneren Urknall. Er kann allein oder mit Partnerin beziehungsweise Partner herbeigeführt werden. Sinnvoll ist es, wenn du dich selbst vorher mit dem Gefühl vertraut machst und herausfindest, ob es dir überhaupt angenehm ist, etwas in den After einzuführen – und in welcher Position es für dich am besten funktioniert.

Wenn du hygienische Bedenken hast, kannst du mit einem Einmal-Fertig-Klistier (gibt es in der Apotheke) oder einer Intimdusche (etwa aus dem Onlinehandel) Vorkehrungen treffen. Dabei wird etwas Flüssigkeit in den After gespritzt und etwa zehn Minuten eingehalten. Zur manuellen Stimulation der Prostata wird der Zeigefinger mit Gleitcreme befeuchtet, in den After eingeführt und mit einer »Komm her«-Bewegung Richtung Bauchdecke gedrückt. Beim Eindringen ist es hilfreich, sich auf ein langes Ausatmen zu konzentrieren. Wenn du einen rundlichen Knoten spürst, bist du richtig. Erwarte zunächst keine Sternenexplosion auf Knopfdruck – man muss sich wortwörtlich langsam herantasten. Manche Männer ejakulieren auch beim Prostataorgasmus – zum Teil gänzlich ohne Stimulation des Penis.

Noch vor Adam – die Evolution des Penis

Ein Leben ohne Sex? Für viele nicht vorstellbar. Dabei ging es Millionen von Jahren bestens ohne Sex und noch viel länger ohne Penis, seit sich vor circa 3,5 Milliarden Jahren das erste Leben aus der Ursuppe bildete. Millionen Tierarten haben mit der ganzen Unruhe, die die Sexualität mit sich bringt, nach wie vor nichts zu tun. Der Penis ist eine frische Idee der Evolution. Das Konzept nahm mehrere Anläufe, wurde aber immer wieder als unpraktisch verworfen. Die Klasse der Säugetiere mit derzeit nur rund 6400 Arten ist die einzige im Tierreich, bei der Männchen komplett mit Penissen ausgestattet sind. Allerdings dominieren Säugetiere inzwischen den Planeten, viele von ihnen stehen am oberen Ende der Nahrungskette, allen voran der Mensch, der sich innerhalb kurzer Zeit fast flächendeckend ausgebreitet und vervielfacht hat. Er hat die Erde verändert wie keine Spezies je zuvor, seine Erfolgsgeschichte ist also auch eine des Penis. Doch gut möglich, dass die Evolution sich bald wieder ganz auf unauffälligere Fortpflanzungsorgane und -methoden besinnt. Denn die sind immer noch häufiger als die Kopulation von Penis und Vagina.

Einzeller etwa vermehren sich stressfrei durch Zellteilung. Beide Teile sind genetisch identisch und können sich nur durch Mutation verändern. Das ist in einer gleichbleibenden Umgebung auch sinnvoll. Doch die meisten Umwelten sind ständig im Wandel. Das erfordert für die Bewohner ständige Anpassung. Deswegen hat die Evolution die geschlechtliche Fortpflanzung »erfunden«: Dadurch, dass sich die Gene zweier Partner vermischen, unterscheiden sich die Nachkommen sowohl voneinander als auch von den Eltern. Einige Individuen eignen sich in diesem Gen-Roulette nun besser zum Überleben, andere weniger. Doch nur die Harten können ihre Gene weitergeben.

Mehrzellige primitive Tiere wie Quallen, Korallen oder Schwämme können sich sowohl geschlechtlich als auch ungeschlechtlich durch Knospung fortpflanzen. Schwämme spritzen ihre Spermien ins Wasser, wo sie andere Schwämme erreichen und deren Eizellen befruchten. Es kann aber auch ein Teil des Schwammes abbrechen und sich an anderer Stelle ansiedeln.

Eine Sonderform ist die eingeschlechtliche Fortpflanzung. Sie kommt sogar bei hoch entwickelten Wirbeltieren vor, zum Beispiel bei einigen Reptilien. So war man im Zoo von Chester überrascht, dass ein einsam gehaltenes Komodowaran-Weibchen Eier legte, aus denen sogar Babys schlüpften. Eine echte unbefleckte Empfängnis.

Was bei Komodowaranen aus der Not heraus passiert, ist beim Jungferngecko zur Tugend geworden. Der kleine Welteroberer oder besser die kleine Welteroberin ist mit der männerfreien Methode sehr erfolgreich und konnte von Sri Lanka aus viele Ozeaninseln besiedeln, etwa Hawaii, aber auch Mittelamerika oder Nordaustralien. Inzwischen bildet sie kaum noch Männchen aus.

Die Natur ist ursprünglich alles andere als cis

Dass Tiere sich geschlechtlich fortpflanzen, heißt aber noch lange nicht, dass sie sich in zwei Geschlechter aufteilen. Unsere Vorfahren waren nicht-binär, genderfluid und transgender. Der einzige verbliebene Zwitter unter den Wirbeltieren – dazu zählen Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere – ist aber der Mangroven-Killfisch, der bei Trockenheit oft an Land überleben muss und dort keinen Partner finden kann. Also befruchtet er sich einfach selbst. 22 Knochenfischfamilien können ihr Geschlecht dem Bedarf anpassen. Bei Herrenmangel wechseln einige Weibchen ins andere Geschlecht und umgekehrt. Die geschlechtsumgewandelten Fische steigern so ihre Chance auf eigenen Nachwuchs.

Geschlechtliche Fortpflanzung heißt aber nicht automatisch, die Freuden einer Paarung zu genießen. Fische etwa vermehren sich durch äußere Befruchtung. Das Weibchen legt seine Eier an einem Laichplatz ab, das Männchen schwimmt darüber und sondert sein Sperma ab. Die meisten Spermien werden jedoch von der Strömung davongetragen. Um dieser Verschwendung Einhalt zu gebieten, kam die Paarung ins Spiel. Hier kann das Sperma gezielt dort abgeladen werden, wo es benötigt wird. Und sie hat noch weitere Vorteile: Sie führt mitunter zu einer Paarbindung und einer gemeinsamen Brutpflege.

Bei der Paarung treffen nun eine große Zahl von Spermien auf eine begrenzte Zahl von Eizellen. Deswegen versuchen sich viele Männchen schon vor der Paarung auszustechen, durch Kämpfe, Balzverhalten oder äußerliche Merkmale. Insofern siebt das Weibchen bereits vor der Befruchtung kräftig aus und sorgt für möglichst überlebenstüchtigen Nachwuchs.

Paarung bedeutet in diesem Stadium der Evolution aber immer noch nicht Penetration. Die meisten Vögel reiben ihre Kloaken aneinander, Öffnungen, die der Fortpflanzung und der Ausscheidung gleichermaßen dienen. Einige unangenehme Auswüchse im Paarungsverhalten hat die Evolution zum Glück nicht weiterverfolgt. Bei Pärchenegeln zum Beispiel, dem Erreger der Bilharziose, sind Männchen und Weibchen in einem Zustand dauerhafter Kopulation miteinander verbunden. Gruselig auch das Paarungsverhalten des Tiefseeanglers. In den dunklen Ozeantiefen einen Dating-Partner zu finden ist schwierig. Wenn das kleinere Männchen dann doch einmal auf ein größeres Weibchen trifft, nutzt es die Gelegenheit, um mit ihm zu verschmelzen. Zähne, Augen, Kiefer und Nasenlöcher bildet es zurück, Haut und Blutkreislauf wachsen zusammen, es ernährt sich fortan über das Weibchen. Doch auch das Weibchen profitiert: Es hat so einen ständigen Spermavorrat zur Verfügung. Die Idee des Sexsklaven entstand also in der Tiefsee.

Arm, aber sexy

Einen Schritt in Richtung Penetration macht dann der Pazifische Riesenkrake. Der dritte Arm auf der rechten Seite ist beim Männchen so ausgebildet, dass es seine bis zu einem Meter lange Spermakette in eine Körperöffnung des Weibchens legen kann. Auch den Archetyp der aufopfernden Mutter, wie wir ihn eigentlich erst zig Evolutions-Etagen höher bei Vögeln und Säugetieren beobachten können, nimmt der Riesenkrake vorweg. Etwa einen Monat nach der Begegnung mit dem Sexarm zieht sich das Weibchen in eine Felshöhle zurück und legt bis zu 100 000 Eier. Die bewacht es vor Räubern und fächert ihnen sauerstoffhaltiges Wasser zu. Es vergisst dabei, selbst zu essen, und stirbt erschöpft, kurz nachdem die Jungen geschlüpft sind.

Der Penis perfektioniert schließlich, was dem Riesenkraken mit seinem dritten Arm gelingt: das Sperma möglichst zielsicher an der Eizelle zu platzieren und so die Gene seines Besitzers weiterzugeben. Dem stehen die Interessen des Weibchens entgegen, möglichst sorgfältig das beste Sperma auszuwählen. Im Wasser aber war der Bedarf an Penissen nicht groß: Mit der Befruchtung außerhalb des Körpers fuhren die Tiere schließlich gut. Erst als vor 480 Millionen Jahren die Vorfahren der Insekten an Land gingen, waren Innovationen erforderlich.

Es bildete sich der Aedoeagus, der Insektenpenis. Ein Erfolgsmodell, das für eine unglaubliche Vielfalt sorgte. Die Insekten sind die artenreichste Tierklasse: eine Million Arten wurden beschrieben, die Dunkelziffer könnte bei einem Vielfachen liegen. Aber auch Kratzwürmer, Schnecken oder Ringelwürmer bildeten unabhängig voneinander Penisse aus. Einige Krebse ebenfalls: Ihre Penisse bestehen aus Chitin und können wie ein Teleskop ein- und ausgefahren werden.

Krebse sind ohnehin sehr erfindungsreich in Sachen Fortpflanzung: Bei einigen Arten zieht das erheblich kleinere Männchen in die Vagina des Weibchens, um dort permanent zur Befruchtung zur Verfügung zu stehen. Das älteste Penis-Fossil, das je gefunden wurde, stammt von einem Krebstier, das vor 425 Millionen Jahren gelebt hat. Forscher entdeckten es 2003 in Vulkanasche in England und tauften es Colymbosathon ecplecticos – übersetzt: Schwimmer mit großem Penis. Es sieht nicht viel anders aus als heute noch lebende Krebsarten. »Es ist sehr aufregend, ein Tier zu finden, das so modern aussieht, aber so alt ist, und dessen Weichteile noch so erstaunlich gut erhalten sind«, freute sich damals David Briggs, Paläontologe der Yale University, in der Fachpresse. Ein schöner Penis bringt eben auch Forscher aus dem Häuschen.

Seitlicher Sex, Urzeit-, Doppel- und Hemipenisse

Der erste Penis der Wirbeltiere entstand dann aber wieder unabhängig davon im Wasser: Dort verloren unsere Vorfahren ihre Unschuld. Der ausgestorbene Microbrachius dicki, ein Panzerfisch, bildete aus eingerollten Bauchflossen zwei Penisknochen, sogenannte Klaspern. Mit ihnen konnte das Männchen in einer entsprechenden Öffnung des Weibchens einrasten. Der erste Wirbeltiersex lief laut Forschern wohl seitwärts ab.

Der Haifisch wiederum, der hat nicht nur Zähne, sondern auch Penisse. Während die Knochenfische, dazu gehören die meisten der heute lebenden Fische, größtenteils bei der außerkörperlichen Befruchtung blieben, haben die urtümlichen Knorpelfische, dazu gehören Haie, Rochen und Seekatzen, den Doppelpenis bis heute. Zwar dringt nur einer der Klaspern in die Kloake des Weibchens ein und legt dort ein Spermienpaket ab, doch ein Reserveklasper kann nicht schaden.

Als einige Fische schließlich aus ihrem nassen Paradies vertrieben wurden, an Land gingen und dort zu Amphibien wurden, musste der Penis wieder von vorn anfangen. Frösche umklammern sich zwar, was wie eine Paarung aussieht, aber sie kopulieren nicht: Das Weibchen stößt seinen Laich ins Wasser, der dann vom Männchen besamt wird. Schwanzlurche befruchten sich innerlich, aber penetrieren nicht: Auch das Männchen hat nur eine Kloake. Die tropischen Schleichenlurche haben dann wieder ein ausfahrbares Begattungsorgan: Sie sind heute die primitivsten Landwirbeltiere mit Penis.

Als sich aus penislosen Amphibien die Reptilien entwickelten, nahm der Penis einen neuen Anlauf. Dinosaurier hatten wahrscheinlich nur eine Kloake – Sex mit dem Rex war also noch nicht so aufregend. Im embryonalen Stadium der Kriechtiere liegt die Kloake zwischen den beiden Beinknospen, und so entwickelten sich auch die Genitalien als Paar. Auftritt für den sogenannten Hemipenis von Echsen, Schlangen und Schleichen: ein meist stacheliger, ausstülpbarer Doppelpenis, von dem eine Spitze, wenn es gut läuft, seitwärts in die Kloake des Weibchens eindringt. Bei Krokodilen und Schildkröten feierte dann der Wirbeltier-Einzelpenis ein Comeback, Modell ausstülpbar.

Piepmatze mit Penis

Die Dinosaurier verschwanden bekanntlich nie so ganz. Die kleineren Vertreter positionierten sich als Vögel neu. Damit schaffte es die Unisex-Kloake auf die nächste, gefiederte Evolutionsstufe. Doch der Penis gab sich auch hier nicht geschlagen. Bei 3 Prozent der heute lebenden Vogelarten, darunter Enten oder Strauße, schiebt sich bei Erregung ein Penis aus der Kloake. Statt Blut wie bei uns bringt ihn allerdings Lymphe, eine milchige Körperflüssigkeit, zum Schwellen. Der Vogelpenis ist keineswegs ein kleiner Piepmatz: Bei der Argentinischen Ruderente etwa kann der Penis beachtliche 40 Zentimeter lang werden.

Was war nun zuerst da, das Ei oder der Penis? Einer anderen Theorie zufolge nämlich entwickelten sich die Vögel aus Minidinos, die bereits einen lymphgetriebenen, ausstülpbaren Einzelpenis besaßen. Dann wäre der Penis im Vogelreich kein Erfolgsmodell, weil er bei 97 Prozent der Spezies wieder die Flatter machte. Das wäre ein Indiz dafür, dass der Penis nicht die Speerspitze der Evolution ist, sondern nur eine Variante, die sich auch bei Säugetieren irgendwann als unpraktisch erweisen und wieder verloren gehen könnte.

Vom Igel mit dem Vierfachpenis bis zum Freischwinger

Aus einem anderen Zweig der Reptilien entstanden schließlich die Säugetiere. Und wieder musste der Penis fast von vorne anfangen. Bei Ursäugern, von denen heute noch in Australien und Neuguinea der Ameisenigel und das Schnabeltier leben, haben Männchen und Weibchen immer noch eine Kloake, aus der das Schnabeltier immerhin einen Doppelpenis ausstülpen kann, beim Ameisenigel ist es gar ein Vierfachpenis. Auch bei Beuteltieren wie Kängurus läuft es unterhalb der Gürtellinie noch recht reptilienartig ab. Der Penis liegt versteckt in einer Penistasche. Wird er ausgestülpt, zeigen sich zum Beispiel beim Koala zwei Penisspitzen. Der Hodensack liegt bei Beuteltieren in der Anordnung vor dem Penis, dem dann der After folgt, und nicht wie bei uns und allen anderen Säugetieren zwischen Penis und After.

Irgendwann wanderte die Kloake bei einem unserer frühen Säugetiervorfahren Richtung Hinterschwanz und wurde zum Genitalhöcker, aus dem sich Klitoris und Penis entwickelten. In diesem Strang gab der Penis seine Gespaltenheit auf. Im Mitteljura vor rund 170 Millionen Jahren trat dann die Königsklasse des Tierreichs auf die Bühne, die Höheren Säugetiere, und mit ihnen auch der Penis, wie wir ihn kennen. Der Hodensack lag zwischen dem Penis vorne und dem After hinten. Bei Erregung füllten sich drei Schwellkörper mit Blut, in einem von ihnen verlief die Harnröhre. Auch der Nervus dorsalis penis entstand, der Wolllustnerv, der die Eichel für Stimulation empfänglich machte. Es war die Supernova unserer Libido.

Und es war auch die Geburtsstunde des Freischwingers: Der Penis war in keiner Kloake oder Tasche mehr versteckt. Schutzlos baumelte er zwischen den Beinen – warum ließ die Natur die Männchen mit diesem wunden Punkt zurück? Etwas so Essenzielles für das Überleben der Spezies an derart exponierter, ausgelieferter, angreifbarer Stelle – ist das nicht eine völlige Fehlkonstruktion? Anatomisch wäre noch Platz gewesen für eine Verlagerung nach innen, schließlich muss das Männchen keine Gebärmutter mit sich herumtragen. Warum also der Freischwinger?

Man kann nur spekulieren. Möglicherweise ist weibliche Selektion der Grund: Mit dem freien Blick auf den Penis kann das Weibchen sich Männchen aussuchen, deren Genitalien gesund aussehen – und die groß sind.

Warum der Penis Stacheln und Knochen verlor

Bei den Säugetieren entwickelte der Penis einige Extravaganzen, etwa die sogenannten Penisstacheln, wie Primaten (außer der Mensch) oder Kater sie nach wie vor besitzen. Sie bürsten bei Gruppengelagen das Sperma des Vorgängers aus dem Scheidenkanal, sodass der Letzte gute Chancen hat, der Erste zu sein und das Weibchen mit seinem Sperma zu befruchten. Der Nachteil: Die Stacheln erzeugen Schmerzen beim Weibchen und stehen so einem gelungenen Koitus und der Paarbildung im Wege.

Das ist wohl der Grund, warum der genetische Code für Penisstacheln verschwand, ehe aus unseren gemeinsamen Vorfahren vor etwa 700 000 Jahren Neandertaler und der moderne Mensch hervorgingen, erklärt Biologe Gill Bejerano von der Stanford University. Möglicherweise war so eine drastische, schmerzhafte Maßnahme auch gar nicht mehr nötig. Denn im Laufe der Zeit verringerte sich der Konkurrenzdruck für die Männer, etwa durch eine zunehmend monogame Lebensweise – die Liebe zu zweit in der Höhle ersetzte den Rudelsex am Höhlenfeuer, zumindest meistens.

Aus demselben Grund ging wohl beim Menschen der Penisknochen, wie ihn neben Fledermäusen oder Raubtieren auch die Verwandten aus seiner Primatenfamilie haben, verloren. Dabei ist so ein Baculum äußerst praktisch. Das Männchen kann seinen Samen nicht nur nah an der Gebärmutter platzieren, der Knochen ist auch eingebautes Viagra: Er ermöglicht eine schnelle und anhaltende Erektion und damit eine lange Kopulation. Damit verhinderte er bei unseren Vorfahren, dass andere Männchen beim Rudelsex zum Zug kamen.

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